medienschau

Unsere auswahl ist subjektiv

Presseschau vom 21. Juni 2011 – Kahlschlag in der niederländischen Kulturförderung

Sich der Störfaktoren entledigen

In der Frankfurter Rundschau (20.6.2011) schreibt Henning Bolte, die Kulturpolitik der gegenwärtigen rechten niederländischen Regierung verfahre nach dem Motto: Die Tüchtigen können sich selbst ins Trockene retten. Staatssekretär Halbe Zijlstra "weist den Weg in eine Zukunft", in der die Künste "nicht länger am Tropf staatlicher Subventionen hängen".

Presseschau vom 19. Juni 2011 – Die Welt am Sonntag über die Revolution des deutschen Stadttheatersystems

Die Herrschaft des weißen Mannes ist zu Ende

19. Juni 2011. "Was ist los an den deutschen Theatern? Revolution?" fragt Jenny Hoch auf Welt-Online. In München entführten Schauspieler mit holländischem Akzent in eine bierselige Alpengroteske, deren Autor türkischstämmig ist. In Köln lasse eine extrem erfolgreiche Intendantin ab 16.30 Uhr ihre Geschäfte ruhen, weil sie sich dann lieber um ihre Tochter kümmert. Und niemand spreche mehr über die großen Namen!

Presseschau vom 16. Juni 2011 – Die Süddeutsche Zeitung über die Bonner Sparpläne

Das nennt man Chuzpe

16. Juni 2011. Der kreative Exitus droht, schreibt Vasco Boenisch zur Causa Bonn in der Süddeutschen Zeitung. "Die Stadtverwaltung macht es sich leicht, legt eine abstrakte Sparvorgabe fest, vertagt aber die Entscheidung, wie das Geld zusammengekratzt werden soll." Dass man trotz eines Sparvolumens von 3,5 Millionen Euro allein beim Theater Bonn die Qualität halten wolle, sei "die übliche Rhetorik in solchen Fällen".

Presseschau vom 9. Juni 2011 – Stefan Fischer-Fels über seine Leitungsideen für das Grips Theater nach dem Generationswechsel

Neue Töne im Grips Theater

Berlin, 9. Juni 2011. Ein Generationswechsel steht an im renommierten, ach was, legendären Grips Theater in Berlin. Nach 42 Jahren scheidet der Gründer und Hauptautor Volker Ludwig aus der künstlerischen Leitung der Spielstätte für Kinder und Jugendliche aus. Mit Stefan Fischer-Fels, der soeben zum Vizepräsidenten der ASSITEJ gekürte wurde, übernimmt ein gelernter Dramaturg ab kommender Spielzeit das Heft des Handelns. Der gebürtige Berliner arbeite von 1993 bis 2003 bereits am Grips Theater und leitete zuletzt sehr erfolgreich das Junge Schauspielhaus in Düsseldorf.

Aus Anlass der Spielzeitvorschau befragt Christian Rakow in der Berliner Zeitung (9.6.2011) den neuen künstlerischen Leiter zu seinen konzeptionellen Grundideen. Einen "Insider-Blick" werde er sich nicht gönnen, sagt Fischer-Fels. In den letzten Jahren habe er "sehr unterschiedliches Theater kennen gelernt, auch Tanz und interaktive Formen. Damit will ich das Grips bereichern." Am Kern der Grips-Arbeit werde nicht gerüttelt, es gehe nach wie vor um "die realen Lebensbedingungen von Kindern" und darum, "zeitgenössische Wirklichkeit als veränderbar darzustellen." Aber demnächst würden jüngere Regisseure um die 30 diesen Kern überprüfen. "Schließlich gibt es eine Million Möglichkeiten, eine realistische Geschichte zu erzählen."

Den oft überzeichnenden, einer Kabarettästhetik verpflichteten Spielweisen des Grips sollen neue Töne hinzugefügt werden: Mich "interessieren auch Spielweisen, die vom Authentischen des Schauspielers ausgehen, so wie – selbst wenn das etwas hoch gegriffen ist – in den letzten Arbeiten von Jürgen Gosch. Das heißt: Der Schauspieler ist nicht sechs Jahre alt, sondern vielleicht 35. Aber er soll das nicht verstecken, sondern so gut sein, dass er uns sein Alter vergessen lässt", so Fischer-Fels.

(dip)

Presseschau vom 1. Juni 2011 – zur Berufung von Annemie Vanackere in die Intendanz des HAU

Klingt kühn!

Berlin, 1. Juni 2011. Gestern wurde, wie gemeldet, Annemie Vanackere offiziell vorgestellt als Nachfolgerin von Matthias Lilienthal in der Leitung der Berliner Off-Theaterhochburg HAU. Heute begrüßt die Berliner Journaille die gebürtige Belgierin und derzeitige Leiterin der Rotterdamse Schowburg und zeigt sich voller Vorfreude auf ihre Intendanz ab September 2012:

Presseschau vom 31. Mai 2011 – Der Freitag sucht nach den Tränen im Theater

Glotzt nicht so unromantisch!

31. Mai 2011. Früher war alles besser? So ganz will das Ekkehart Krippendorff nicht unterschreiben, aber am heutigen Theater vermisst er doch vehement eines: Tränen. In dem Essay "Abgeschaltete Gefühle" in der Wochenzeitung Freitag von morgen schreibt er: "Das deutsche Theater hat sich in den vergangenen Jahren, wenn nicht Jahrzehnten (das gehört auch in die Behauptung der nicht genauen Feststellbarkeit) systematisch die Emotionen ausgetrieben und damit eine entsprechende Publikumserwartung und -haltung."

Presseschau vom 26. Mai 2011 – Die Zeit porträtiert Herbert Fritsch

Man muss den Sturz wollen

Hamburg, 26. Mai 2011. In der Wochenzeitung Die Zeit (26.5.2011) porträtiert Peter Kümmel, anlässlich der Schweriner Premiere von Der Diener zweier Herren (und im Zuge diverser Würdigungen in diesen Tagen), den Schauspieler und Regisseur Herbert Fritsch: "ein heiterer, sensibler, hellwacher Herr auf der Höhe seines Erfolges".

Presseschau vom 25. Mai 2011 − Eva Behrendt schreibt in der taz über Frauen am Theater

alt

Frauen im Männerreich

In der taz (25.5.2011) schreibt Eva Behrendt anlässlich einer Diskussion beim Theatertreffen und einer Ausstellung über Regie führende Frauen in der Berliner Akademie der Künste über die Rolle der Regiefrauen im deutschsprachigen Theater.

In diesem Jahr habe erstmals die Zahl der zum Theatertreffen geladenen Regisseurinnen mit Karin Beier, Karin Henkel und dem überwiegend weiblichen Kollektiv She She Pop 30 Prozent erreicht. Von den 472 Inszenierungen beim Theatertreffen zwischen 1964 und 2010 waren gerade mal 34 von Frauen. "Die erste kam 1980, nach 26 frauenfreien Jahrgängen." Dass es auch schon vor 1980 jede Menge interessanter, eigensinniger und erfolgreicher Regisseurinnen gab, zeige Christina Haberliks Ausstellung "Regie-Frauen. Ein Männerberuf in Frauenhand", die im Rahmen des Theatertreffens in der Berliner Akademie der Künste eröffnet wurde.

Einer von ihnen, der späteren Koblenzer Intendantin Annegret Ritzel, habe August Everding Mitte der 60er Jahre bei ihrer Hospitanz noch vorausgesagt: "Weibliche Regisseure gibt es nicht - das werden Sie nie schaffen." Und nach wie vor, schreibt Behrendt, seien Familie und Künstlertum nur schwer zu vereinbaren. Obwohl mindestens ebenso viele Frauen wie Männer die Regieklassen der Schauspielschulen absolvierten seien "immer noch nur 29 Prozent aller Regieführenden weiblich" und Frauen in "Theaterführungspositionen mit 15 Prozent Intendantinnen immer noch stark unterrepräsentiert". In Dramaturgien und auf Regieassistenzstellen seien Frauen dagegen mit 48,5 Prozent und 50,6 Prozent vertreten.

Auf der Theatertreffen-Diskussion "Feminismus - heute ein Unwort?", berichtet Behrendt, habe Marlene Streeruwitz die unterschiedlichen Erwartungshaltungen aufgespießt: "Ich werde immer nur zu Feminismus angefragt, dabei bin ich auch in ganz anderen Wissensbereichen kompetent." Zusammengezuckt seien die teilnehmenden Frauen, neben Streeruwitz noch Kathrin Röggla, Stefanie Lohaus und die Moderatorin Thea Dorn, als Karin Beier die These aufgestellt habe, dass "Männer weniger Multitasking-Talent als Frauen" hätten, sei anscheinend "ein biologischer Unterschied".

Beier habe durch die Ablehnung einer Frauen-Quote am faktisch gleichgestellten Schauspiel Köln provoziert: "Nur künstlerische Kriterien zählen." - "Die Erzählung von der Einzelfrau, die sich einfach nimmt, was sie haben will", sei, so Behrendt weiter "symptomatisch". Weibliche Erfolgsgeschichten lägen allein in jederfraus Verantwortung, "könnte das postfeministisch-neoliberale Credo lauten". Die Kehrseite dieser Sichtweise sei, dass dann "auch das Scheitern nur individuelle Ursachen hat - zu wenig Härte, Mut, Talent -, vor allem aber, dass strukturelle Veränderungen weniger dringlich erscheinen".

(jnm)

Presseschau vom 18. Mai 2011 – die NZZ berichtet über Martin Kusejs Pläne für München

Klangvolle Namen

18. Mai 2011: Silvia Stammen schaut in der Neuen Zürcher Zeitung (18.5.2011) noch einmal auf die 35-jährige Zeit, in der Dieter Dorn in München Theater gemacht habe, zuletzt als Intendant am Bayerischen Staatsschauspiel: "Geprägt hat er es vor allem in den 1980er und 1990er Jahren mit seiner 'gemischten Raubtiergruppe', dem berühmten, großartig miteinander reagierenden All-Star-Ensemble".

Presseschau vom 14. Mai 2011 – Die Berliner Zeitung über die 2011-Auswahl des tt-Stückemarkt

Wer erwartet denn noch Stücke für die Ewigkeit?

14. Mai 2011. Ehrenwert, aber fast durchwegs verzagt und daher auch nicht sonderlich spannend findet Doris Meierhenrich in der Berliner Zeitung die Auswahl für den diesjährigen Stückemarkt. Dessen (vermutetes) Hauptkriterium bringt sie mit dem Begriff "das neue Vorteilskriterium der Anspruchslosigkeit" für sich auf den Punkt.

Presseschau vom 14. Mai 2011 – ein Porträt von Herbert Fritsch in der taz

Von den Verhältnissen zugerichtet

14. Mai 2011. Während beim Theatertreffen sein Biberpelz noch läuft und seine Nora morgen kommt, schreibt Esther Slevogt in der taz über den Doppel-Nominierten Herbert Fritsch. Sein Theater bekenne sich in seiner "ins Radikale, oft ins Groteske verzerrten Künstlichkeit" stets zu seinem Gemachtsein, empfinde alle Mimesis als verlogen. "Die Wahrheit des Mediums Theater kann sich für Fritsch nur im Bekenntnis zur Lüge und zur Täuschung zeigen, in einem grundsätzlichen Bekenntnis zum Medium selbst, dessen Mittel er ausstellt, transparent macht und an seine Grenzen treibt."

Seite 97 von 104