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100%ige Regie-Frauenquote am Schauspiel Frankfurt

10. Mai 2023. Das Schauspiel Frankfurt (unter Intendant Anselm Weber) kündigt für die kommende Saison 2023/2024 eine 100%ige Frauenquote bei Regiepositionen auf der großen Bühne an. Begründet wird diese Entscheidung in der Pressemitteilung zum Spielzeitprogramm mit "den tragfähigen und kontinuierlichen Arbeitsbeziehungen, die das Schauspiel Frankfurt mit den Regisseurinnen in den letzten Jahren pflegte".
Die Arbeiten werden unter anderem von Claudia Bauer, Mateja Koležnik, Johanna Wehner, Jessica Glause, Felicitas Brucker, Lilja Rupprecht und Christina Tscharyiski produziert. Mateja Koležnik, die mit ihrer Bochumer Maxim-Gorki-Inszenierung "Kinder der Sonne" zum diesjährigen Berliner Theatertreffen eingeladen ist, soll die Spielzeit auf der großen Bühne mit Molières "Der Geizige" eröffnen. Auch für die Kammerspiele und die Box des Hauses stehen zahlreiche Inszenierungen von Frauen auf dem Plan. Unter anderem wird Manja Kuhl, Nachwuchsschauspielerin des Jahres 2011 für ihren Auftritt als Nora in Herbert Fritschs Oberhausener gleichnamiger Ibsen-Inszenierung, ihr Regiedebüt geben.
Eine hundertprozentige Regiefrauenquote ist in der jüngeren Theaterhistorie nicht ohne Beispiel. 2018 entschied die Karlsruher Schauspieldirektorin Anna Bergmann (während der Ägide von Staatstheater-Intendant Peter Spuhler), in ihrer Sparte ausschließlich mit Regisseurinnen zu arbeiten.
Am Beginn der jüngeren Debatte um Geschlechtergerechtigkeit im Theater war das Schauspiel Frankfurt (ebenfalls unter derselben Intendanz) noch als Negativbeispiel aufgefallen. In der Spielzeit 2017/2018 inszenierten auf der großen Bühne ausschließlich Männer. Auch verdienten Regisseurinnen am Schauspiel Frankfurt seinerzeit im Schnitt wesentlich weniger als ihre männlichen Kollegen.
(Schauspiel Frankfurt / chr)
Hier finden Sie unser Dossier zum Thema Frauen im Theater und den Top-Themenschwerpunkt mit allen zentralen Beiträgen.
Anne Peter untersuchte 2018 den Status Quo der Geschlechtergerechtigkeit im Theater und legte ihre Ergebnisse auch in einer Diagrammserie vor.
Über die Frankfurter Bauvorhaben und die Zukunft des Schauspielhauses schreibt Esther Boldt.
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(Anm. Redaktion: Eine spekulative Passage ist aus diesem Kommentar entfernt worden.)
(Anm. Redaktion: Eine persönliche Volte wurde entfernt.)
Liebe Frauen, bitte steht auf, und lasst nicht in Eurem Namen solch biologische Ausgrenzung passieren - wir müssen nicht die Fehler der Männer der letzten Jahrhunderten wiederholen!
Dieser Weg ist steinig, nicht jede Inszenierung wird gelingen, kleine und größere Krisen sind im Inszenierungsprozess normal, sich das Vertrauen von Theaterleitungen zu erarbeiten, ist nicht unbedingt leicht.
Und über viele Jahre sind dahin auf die Hauptbühnen der großen Häuser vor allem männliche Regisseure gelangt. Machen wir uns doch nichts vor: Jahrzehntelang haben auf deutschsprachigen Hauptbühnen landauf, landab, vor allem männliche Regisseure inszeniert.
Das erschien vielen von uns damals vielleicht nicht einmal merkwürdig, das waren dann einfach die begabtesten Regisseure der jeweiligen Zeit?
Aber so ein Gedanke war ja nie wirklich logisch, denn, was sollte Begabung mit Geschlecht zu tun haben?
Ich glaube heute, Erfolg hat auch sehr viel mit der Gelegenheit zu tun, wachsen zu dürfen. Der Gelegenheit, Begabung mit Berufspraxis, Berufserfahrung zu fusionieren - erst in kleineren Kontexten, dann in größeren.
Dazu müssen Theaterleitungen im Land immer wieder einem Menschen die Gelegenheit, eine Chance geben. Mit verschiedene Ensembles zu arbeiten, erst an kleinen Häusern, dann größeren, erst mit kleinere Besetzung, dann mit größerer, mit Schauspieler*innen verschiedenster Charakteristika. Auch die Chance, zu lernen, Stress auszuhalten, Krisen zu meistern, Erwartungshaltungen auszuhalten, den Druck, etwas inszenieren zu sollen, was über eine Spielzeit -oder länger- Hunderte von Plätzen füllen soll.
Über viele Jahrzehnte müssen diese Gelegenheiten für Regisseurinnen eher spärlich gesäht gewesen sein, denn sonst wären nicht so wenige in all den Jahrzehnten auf den Hauptbühnen der großen Häuser angekommen.
Ich bin froh und glücklich, dass sich hier nun eine Änderung abzeichnet, und wenn diese sich so entschlossen darstellt wie in Frankfurt, oder auch schon vorher in Hannover und an andereren Orten, finde ich das wunderbar! Und ich danke allen Theaterleitungen, landauf, landab, die dazu beigetragen haben.
All diese Regisseurinnen werden den langen Weg durch die kleinen und größeren Bühnen der kleinere und größeren Häuser erfolgreich durchschritten haben, und dazu kann ich sie nur beglückwünschen und ihnen weiterhin viel Erfolg wünschen!
Und wenn es dann wirklich soweit ist, dass so viele Regisseurinnen die Möglichkeit bekommen haben, zu wachsen, dass eine 50:50 Aufteilung Normalität ist, gar nicht mehr hinterfragt wird, dann ist das gut für alle - Theatermenschen und Zuschauer*innen.
(Anm. Redaktion: Zwei persönliche Anwürfe sind aus diesem Kommentar entfernt worden)
"Dramaturg*innen rufen händeringend Kolleg*innen an, ob sie noch irgendeine Frau kennen (egal wie die künstlerische Qualität ist)."
Tatsächlich? Da kann ich Abhilfe schaffen.
künstlerische Qualität: hervorragend. ;)
Preisklasse: Studio und mehr
Viele Grüße,
eine Regisseurin
Sie schreiben
"Junge männliche Regisseure bekommen inzwischen schon in der Ausbildung erzählt, dass sich eigentlich alle nur noch für Frauen interessieren. Dramaturg*innen rufen händeringend Kolleg*innen an, ob sie noch irgendeine Frau kennen (egal wie die künstlerische Qualität ist)."
Vielleicht arbeiten Sie an einem Theater, vielleicht in der Regieausbildung, vielleicht sind Sie selber in Regieausbildung oder waren es, vielleicht keines von beidem. Ich arbeite nicht in der Regieausbildung, was wer Regiestudenten sagt oder gesagt hat, weiß ich nicht (ich kann mir aber kaum vorstellen, dass solche Sprüche weit verbreitet an Regieschulen sind, und das klingt bei Ihnen so) - aus meiner Berufspraxis am Theater kann ich jedenfalls nicht bestätigen, dass jenseits vom Faktor künstlerischer Qualität gesucht wird.
Um konkret beim Schauspiel Frankfurt zu bleiben: Lassen Sie doch das Schauspiel Frankfurt mal machen. Warten Sie doch mal ab, wie die Inszenierungen der nun dort gesetzten Regisseurinnen Ihnen gefallen, - und ja, ich hoffe sehr, dass Sie sich sich anschauen werden.
Und bezüglich der von Ihnen befürchteten "himmelschreiende Ungerechtigkeit" - in Deutschland gibt rund 140 öffentlich getragene Theater, dazu viele viele Privattheater und eine sehr lebendige freie Szene. Es gibt also viel zu tun - für Regiekräfte jeglichen Geschlechts.
ich frage mich, woher Sie es sich rausnehmen zu behaupten, dass Frauen mehr reden als Männer? Da habe ich ganz andere Erfahrungen gemacht. Aber wie dem auch sei...Seien Sie beruhigt, eine jahrtausendalte patriarchale Struktur löst sich nicht von heute auf morgen mit einer auf künstlerischer Qualität (!) beruhenden 100%-igen Frauenquote auf. Das beweisen Sie bereits mit Ihrem einseitigen Kommentar.