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Jahresbestenliste 2024 von Theater heute

22. August 2024. Das Fachmagazin "Theater heute" hat die Ergebnisse seiner Jahresumfrage 2024 bekanntgegeben. An der diesjährigen Umfrage nahmen 46 Theaterkritiker*innen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum teil.

Mit einer bislang noch nicht dagewesenen Höchstzahl an Stimmen (26) wurde Lina Beckmann für ihr Antiken-Solo Laios am Deutschen Schauspielhaus Hamburg (Text: Roland Schimmelpfennig, Regie: Karin Beier) zur Schauspielerin des Jahres gewählt. Als Schauspieler des Jahres wird Dimitrij Schaad in der Rolle des Autors Falk Richter in The Silence an der Berliner Schaubühne (Text und Regie: Falk Richter) ausgezeichnet (er erhielt 13 Stimmen).

Die Ehrung "Inszenierung des Jahres" mit jeweils 6 Stimmen teilen sich Karin Beiers/Roland Schimmelpfennings Laios und Die Hundekot-Attacke von Hannah Baumann, Pina Bergemann, Nikita Buldyrski, Henrike Commichau, Linde Dercon, Leon Pfannenmüller, Anna K. Seidel und Regisseur Walter Bart vom Theaterhaus Jena.

Das Stück des Jahres ist Roland Schimmelpfennigs Laios mit 8 Stimmen. Das Kostümbild des Jahres schuf Sabrina Bosshard mit ihren Bodies für Werner Schwabs Übergewicht, unwichtig: Unform am Staatstheater Nürnberg (Regie: Rieke Süßkow). Das Bühnenbild des Jahres stammt von Lorenz Vetter, Signa Köstler und Tristan Kold für die SIGNA-Installation Das 13. Jahr am Deutschen Schauspielhaus Hamburg (3 Stimmen).

Als Theater des Jahres wird das Deutsche Schauspielhaus Hamburg unter der regieführenden Intendantin Karin Beier mit 8 Stimmen ausgezeichnet.

Weitere Nennungen entfallen auf:

  • Dramaturgin des Jahres (mit je drei Stimmen): Hannah Baumann (für Die Hundekot-Attacke), Sybille Meier (für Anthropolis I–V) und Angela Obst (mit 2 Voten für Brüder Karamasow und einem für Trauer ist das Ding mit Federn am Schauspielhaus Bochum).
  • Video des Jahres (mit je vier Stimmen): das Team für Kay Voges' Sibylle-Berg-Inszenierung RCE am Berliner Ensemble.
  • Nachwuchs-Autorenschaft des Jahres (sechs Stimmen): Hannah Baumann, Pina Bergemann, Nikita Buldyrski, Henrike Commichau, Linde Dercon, Leon Pfannenmüller, Anna K. Seidel und Regisseur Walter Bart mit Die Hundekot-Attacke.
  • Nachwuchs-Schauspielerin des Jahres (mit jeweils drei Stimmen): Linde Dercon in Die Hundekot-Attacke und Lucia Kotikova für ihren Berner Auftritt in Kim de l'Horizons Blutbuch.

In der alljährlichen Umfrage werden die teilnehmenden Kritiker*innen auch nach dem "Ärgernis" des Jahres gefragt. Hier werden vor allem "kulturpolitischen Reglementierungsversuche, Positionierungen und Nicht-Positionierun gen, aber auch zunehmenden Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit nach dem 7. Oktober" genannt, wie es in der Zusammenfassung von Theater heute heißt. Zudem nutzen viele Kritiker*innen den Platz, um den viel zu frühen Tod des Autors, Regisseurs und letzten Volksbühnenintendanten René Pollesch zu betrauern.

(Theater heute / chr)

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Kommentare  
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LINA!!!
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Beckmann , Lina

Mehr als verdient! Es gibt keine wie sie!!
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Es ist und bleibt eine West-Umfrage! Von und für Westdeutschland.
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und da fragt ihr euch, wie z.B. unlängst eure Christine Wahl, warum die deutsche Theaterlandschaft so langweilig ist? Weil man diese auch noch dafür belohnt. Laios- keine eigene Feder, zusammengesucht von anderen, größeren Autoren. Das Dt. Schauspielhaus in Hamburg: so weit entfernt von den Zeiten Baumbauers, als dieser ein Theater des Jahres daraus machte, wie lange nicht davor. Lina Beckmann, ja. Sie ist gut. Aber was wird hier vertreten? Was vertritt sie hier? Bürgerliche Sichtweisen, bürgerliche Schmerzen, immer und immer von Bürgis für Bürgis wiedergekäut. Kein Wunder also.
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#4 Finde ich schon bemerkenswert. Frau Beckmann spielt für 82 Mio. Menschen, und das mit
Erfolg. - Oder habe ich ev. überlesen daß Sie extraterrestrisch sind ?
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@3. Wo das Theaterhaus Jena in mehreren Rubriken so stabil neben Hamburg und Berlin auftaucht, wäre ich auf diesen Vorwurf nun nicht gekommen.
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Das Theaterhaus Jena hat mit seiner Inszenierung wirklich einen Hit für die Theaterszene gelandet und kritisiert ja im Stück selbst, dass die Kritikerk*innen nur schauen kommen, wenn eben so etwas stattfindet. Dass jetzt die Kritiker*innen diese Inszenierungen kennen, liegt am Konstrukt der Produktion und dass die Kritiker*innen in Heidelberg oder Berlin die Gastspiele sehen konnte. Der Osten wird von Kritiker*innen einfach selten bereist, wenn ich richtig zähle haben die Theater in Sachsen Anhalt in der letzten Spielzeit hier 5 Nachtkritiken bekommen, allein das Schauspielhaus Hamburg hatte 11.
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Ich stimme Zuschauer voll zu. Wenn Jena nicht gereist wäre, hätte es niemand von den Kritiker:innen wahrgenommen. Wer kommt denn in den Osten? Die Lokalmedien vor Ort sind tot, das überregionale Feuilleton fährt lieber nach NRW, Hamburg oder München. Ich wohne in Halle und habe in Magdeburg ("Blutbuch"), Leipzig ("Woyzeck") und Schwerin ("Sancta") gesehen. Aber wer von den Theater Heute - Kritiker:innen den auch, geschweige von der TT-Jury?
Das wohlfeile Gejammere der "Kulturblase West" über die Landtagswahlen in Ostdeutschland im September und wie schrecklich und traurig es dort doch ist, kommt mir jetzt schon aus dem Hals.
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Was für einen schlechten Geschmack die deutschen Kritiker haben, man fasst es nicht. So biederes Zeug, daß die da nennen, außer Jena vielleicht.
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#8. Ich will das Problem, dass reisende Kritiker*innen selten in kleineren Häuser in den Regionen auftauchen, nicht klein reden, kann man auch nicht. Aber dass es sich um ein Ost-West-Problem handelt, würde ich nun doch bestreiten wollen. Gerade bei den von Ihnen genannten Arbeiten funktioniert(e) das "Sichtungssystem" doch ziemlich gut: Das Magdeburger "Blutbuch" wurde zum Münchner Festival "radikal jung" eingeladen und gewann dort den Publikumspreis. Enrico Lübbes "Woyzeck" wurde von SZ und FAZ besucht, bei "Sancta" in Schwerin und hernach überall (u.a. Wiener Festwochen) kann man die Resonanz kaum mehr messen, was natürlich mit der Künstlerin Florentina Holzinger und ihrer überregionalen Präsenz zu tun hat. Alle drei Arbeiten wurden von nachtkritik.de wahrgenommen, bei Schwerin war es uns sehr wichtig, die Premiere in Mecklenburg zu besuchen.

Enrico Lübbe ist mit seinem in neuer Dramatik gut positionierten Schauspiel Leipzig Stammgast bei den Mülheimer Theatertagen; seine mit der freien Szene koproduzierten Arbeiten (Julian Hetzel) tauchen beim NRW-Festival "Impulse" auf. Dresden, Leipzig, Weimar kommen in "Theater heute" regelmäßig in Besprechungen vor. Dresden/Leipzig sind immer auch für Theatertreffeneinladungen gut (wenn Sebastian Hartmann, Ulrich Rasche oder Claudia Bauer dort aktiv werden). Potsdam und Cottbus kriegen von Berlin aus viel Aufmerksamkeit. Schwerin wird oftmals von Hamburg, mitunter auch von Berlin aus bereist. Um Rostock steht es etwas schlechter. Halle und Magdeburg kommen sicher unter Gebühr und meist nur mit größeren Produktionen vor. Aber diese Klage werden Sie in vergleichbaren westdeutschen Städten wie Darmstadt oder Kassel auch hören. Denn, wie gesagt, es handelt sich eher um ein Problem von Zentrum und Peripherie, nicht von Osten und Westen.
Jahresbestenliste Theater heute: Chancen , Arroganz und nüscht
Rakow (#10) ist zuzustimmen, wenn er von dem Problem von Zentrum und Peripherie spricht, wobei die Peripherie früher "Provinz" hieß. Die Theater meiner Region tauchen in der Wahrnehmung der überregionalen Kritik eigentlich nur auf, wenn sie etwas Besonderes machen, vielleicht die Uraufführung eines schon etwas bekannten Autors oder einer solchen Autorin oder ein besonderes Projekt. Der tausendste Cechov in Berlin hat eine größere Chance wahrgenommen zu werden als eine großartige "Jungfrau von Orleans" in Bielefeld oder ein "Othello" in Paderborn.
Ich kann die Kritiker:innen allerdings ansatzweise verstehen: Bestimmte Orte sind schlechter zu erreichen als andere, da muss die Motivation schon groß sein. Rakow erläutert das sehr gut. Andererseits ist es dann arrogant, auf der Basis einer in einem kleinen Radius (mit Erweiterungen durch z. B. Festivals) erworbenen Kenntnis ein Urteil abzugeben über die beste Inszenierung, das beste Haus etc. Und: Wie wird eigentlich berücksichtigt, dass die einzelnen Häuser finanziell sehr unterschiedlich ausgestattet sind? Ein reines Schaupielhaus hat vielleicht andere Möglichkeiten sich in einem einzigen Bereich zu profilieren als ein Mehrspartenhaus.
Was sagen also die Rankings aus?
Nüscht, wie man wohl in Berlin sagt
Jahresbestenliste Theater heute: Relatives Ranking
Ich halte diese Kritiker:innenumfragen grundsätzlich für interessant, weil man in ihnen ablesen kann, welche Kritiker:innen was gesehen und für gut befunden haben. Wenn man die Fragen nicht absolut lesen würde ("Was war die beste Inszenierung?"), sondern subjektiv ("Welches war die beste Inszenierung, die Sie gesehen haben?", eigentlich eine Selbstverständlichkeit, das so zu verstehen), entstünde auch gar kein Problem. Letzteres tritt erst auf, wenn man die einzelnen Kritierker:innen-Aussagen als Stimmen in einem Wahlprozess wertet und kumuliert. Das ist im Grunde unstatthaft, weil dann all die Ungleichgewichte in der kritischen Rezeption (West-Ost, Zentrum-Peripherie, prominente vs. weniger prominente Künstler:innen, reisende bzw. Festivalproduktionen vs. stationäre Produktionen etc.) ausschlaggebend werden. Eine nicht von der tt-Jury gesichtete Produktion aus - sagen wir einmal - Krefeld kann dann vielleicht maximal 2 "Stimmen" von lokal verhafteten Kritiker:innen einsammeln.

Der Fehler ist also m.E. der, dass man ein Ranking bildet und glaubt, damit etwas über die Theaterwelt auszusagen. Was tatsächlich geschieht, ist, dass man ein Tableau bildet, das durchaus auch ein bisschen über die Theaterwelt aussagt, aber eben auch viel über die befragten Kritiker:innen.
Jahresbestenliste Theater heute: Erinnerung an Ensembles
Mit 25 verschlug es mich von Wien nach Stuttgart. Seither haben Ensembles und noch kurz davor jene der kleineren Bühnen in Prag meine Vorstellung von Theater geprägt.
Zum Beispiel in der Intendanz Peter Palitzsch: zusammen auf der Bühne u.a. Ludwig Anschütz, Traugott Buhre, Julia Costa, Wilfried Elste, Hansjürgen Gerth, Nikolaus Haenel, Hans Peter Hallwachs, Wolfgang Höper, Valentin Jeker, Gerhard Just, Jürgen Kloth, Hans Mahnke, Ulrich Matschoss, Peter Roggisch, Ernst-August Schepmann, Elisabeth Schwarz, Werner Schwuchow, Dietz-Werner Steck (Tankred Dorst: Toller).
Zum Beispiel, ebenfalls in der Intendanz Peter Palitzsch: zusammen auf der Bühne u.a. Traugott Buhre, Julia Costa, Wilfried Elste, Ingeborg Engelmann, Hans Peter Hallwachs, Hannelore Hoger, Wolfgang Höper, Valentin Jeker, Gerhard Just, Rüdiger Kirschstein, Jürgen Kloth, Mila Kopp, Hugo Lindinger, Hans Mahnke, Ulrich Matschoss, Peter Roggisch, Karin Schlemmer, Werner Schwuchow (Isaak Babel: Marija, seither sträflich vergessen).
Zum Beispiel in der Intendanz Claus Peymann: zusammen auf der Bühne u.a. Therese Affolter, Peter Brombacher, Lore Brunner, Kirsten Dene, Urs Hefti, Ignaz Kirchner, Martin Lüttge, Hans Mahnke, Bert Oberdorfer, Anneliese Römer, Branko Samarovski, Peter Sattmann, Karin Schlemmer, Martin Schwab, Regine Vergeen, Gert Voss, Eleonore Zetzsche (Goethe: Faust).
Zum Beispiel in der Intendanz Ivan Nagel: zusammen auf der Bühne u.a. Anne Bennent, Stephan Bissmeier, Herbert Fritsch, Thomas Goritzki, Michael Mendl, Waldemar Schütz, Klaus Steiger (Robert Wilson, Euripides, Heiner Müller: Alkestis)
Solche Erfahrungen prägen für den Rest des Lebens. Über bewundernswerte Einzelleistungen, über die Euphorie von Jahresbestenlisten hinaus. Sie setzen Maßstäbe. Safranski ist schließlich auch nicht „besser“ als Kant, nur weil er noch lebt...
Jahresbestenliste Theater heute: Laios überbewertet
Boah nee - Laios! Verdient für die Performance von Lina Beckmann, die schauspielerisch das Beste rausholt und einen nichttragenden Text, eine uninteressante Story mit allseitsbekannten Bühnenmanövern durchbringt, die man auch über jedes andere schriftliche Erzeugnis kleistern könnte. Aber Text und Regie - einfach unrelevant, kein Gegenwartsbezug, keine Idee, kein Wow. Warum setzt man sowas auf den Plan? Am schlimmsten waren die Einfühlungszenen in das "Leid" der Hauptfigur. Das können sie unmöglich ernst gemeint haben...
Hinter mir saßen bei der Performance 3 Jugendliche, die hinterher meinten: "Das waren die langweiligsten 1,5h meines Leeebens!" Hab ich gefühlt.
Jahresbestenliste Theater heute: Reine Nabelschau
Die Jahresbestenliste ist mittlerweile eine reine Nabelschau aus dem Elfenbeinturm heraus.
Wie lang ist Franz Wille schon Redakteur bei Theater heute? Seit 1990, um nur ein Beispiel zu nennen.
Dieses Festsitzen, ja Festkrallen an Positionen im Kulturjournalismus verhindert innovative Veränderungen, jegliche "neue" Blicke, Aufbrüche oder Erkenntnisse. Genauso, wie die deutsche Politik mittlerweile aus einem fragwürdigen Elfenbeinturm regiert, zeigt diese Bestenliste einen reinen verkopften Expertenblick, der nichts, aber auch gar nichts mit dem Publikum oder einem Programm zu tun hat, dass das Theater derzeit bräuchte, um sein Publikum zu begeistern. Diese Kritik und ihre Kritiker:innen schaden dem deutschen Stadttheater, da sie es dazu bringen, Produktionen für ein Kritiker:innenpublikum zu machen, für die die Leute, die einfach unterhalten werden möchten und dann auch noch für ein reguläres Abonnentenpublikum, was so nach Klassikern schreit. Abschaffen und in Rente schicken!
Jahresbestenliste Theater heute: Mangelnde Perspektenvielfalt
Meinem Vorredner #15 kann ich nur beipflichten. Wir sollten mal über die Vielfalt innerhalb der Kritiker*innenriege sprechen. Wo kommt da der Nachwuchs vor? Was ist mit Diversität? All das hat auch einen erheblichen Einfluss darauf, wie geschaut wird und was gefällt.
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