Der Theaterpodcast (16) - Theater und die Klimakrise
Verschwendung und Verantwortung
8. August 2019. Die Klimakrise ist ein Fakt. Auch fürs Theater. Nicht nur als Thema, sondern auch als Herausforderung für seine Praxis: Muss die Darstellende Kunst jetzt zurück zu ihren Anfängen, zu Freilichtaufführungen und Vorstellungen bei Kerzenlicht? Wie kann Theater in globalen Koproduktionszusammenhängen klimaschonend hergestellt werden?
In Folge #16 des Theaterpodcast sprechen Susanne Burkhardt vom Deutschlandfunk Kultur und Elena Philipp von nachtkritik.de mit Annemie Vanackere, Leiterin des Berliner Theaterkombinats HAU Hebbel am Ufer, über Möglichkeiten und Probleme. Alle Ambivalenzen des globalen Kulturbetriebs könnten Theaterleiter nicht auflösen, sagt die belgische Kuratorin – etwa das Machtgefälle zwischen weißen und schwarzen Kulturschaffenden, oder die Kosten von Rechercheprojekten in Krisengebieten, wie sie der Regisseur Milo Rau regelmäßig unternimmt. Was zählt ist: mit den Widersprüchen umzugehen und Verantwortung zu übernehmen.
Aktiv werden kann im weiten Feld zwischen Systemwandel und persönlicher Verantwortung jede*r einzelne Theaterschaffende. Bewusstes Handeln schont Ressourcen: Weniger produzieren und sich stärker vor Ort verwurzeln wollen die neuen Zürcher Schauspielhaus-Intendanten Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg. Auch wenn es ihnen nicht vorrangig ums Klima geht, hat ihre Setzung positive Auswirkungen auf den Footprint ihres Theaters, erzählt Nicolas Stemann.
Seit 20 Jahren nicht mehr mit dem Flugzeug geflogen ist der Künstler und Choreograph Tino Sehgal. Für den Tanz hat er sich aus politischen Gründen entschieden: Er produziert keine Objekte, sondern flüchtige Ereignisse, und obwohl seine choreographischen Situationen in Museen rund um den Globus gezeigt werden, ist ihr CO2-Footprint gering.
Für den Umbau des Theatersektors hat Tino Sehgal praktikable Ideen: Wie wäre es mit einer verbindlichen Förderauflage, Reisestrecken von weniger als 1.200 Kilometern per Bahn und Bus zu bewältigen? Zuhausebleiben ist jedenfalls keine Option, sagt die Choreographin Nora Chipaumire. Austausch sei eine Notwendigkeit, das Teilen über alle Grenzen hinweg seit jeher Kern der Kunst: "Spread the joy and share", lautet das Motto der Choreographin. Provinzialität und Abschottung im Theater – das kann's nicht sein!
Ein Podcast in Zusammenarbeit mit Deutschlandfunk Kultur
Mehr zum Thema: Im Berliner Tagesspiegel kritisiert der Choreograph Jérôme Bel den "horrenden CO2-Fußabdruck" des "choreographische(n) Milieus(s)" und hinterfragt ähnlich wie sein Kollege Tino Sehgal seine Arbeitspraxis angesichts der Klimakrise. Auf tagesspiegel.de.
In seinem Essay für nachtkritik.de "Wachstum oder Zukunft" befragt der Hamburger Dramaturg Christian Tschirner den Zusammenhang von schlechter Klimapolitik und rechter Demagogie.
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www.stadttheater-giessen.de/spielzeit/kinder-und-jugend/stueckansicht/eigentum-verpflichtet-eigentum-vernichtet-eine-einmischung.html
Das wär interessant in Bezug zu diesem Theaterpodcast und würde diesen Thread hier vielleicht ins Rollen bringen.
Oder sind Theatermacher*innen/Interessierte alle Vielflieger*innen, Fleischesser*innen, Klimabanaus*innen, die, schamvoll oder auch gar nicht, sich solchen Fragen tunlichst entziehen...?
(Lieb*e Fragende, hier ist der Link zu dem Artikel:
www.zeit.de/2019/32/greenwashing-klimaschutz-klimawandel-kunstszene-kulturwelt/komplettansicht Mit freundlichem Gruß, die Nachtkritik-Redaktion)
Im Übrigen schließt die Debatte über das eine doch nicht aus, dass auch über die von Ihnen erwähnten "Dinge wie zum Beispiel das außenpolitische Verhalten Deutschlands, das u.a. zum Ist-Zustand des Umganges mit Welt-Klima-Ressourcen wesentlich beiträgt" diskutiert und nachgedacht wird. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich den Podcast anhören würden und feststellten, wie unterschiedlich die Stimmen dort zum Thema sind! Beste Grüße Susanne Burkhardt
Ich z.B. fände es also sehr schön und auch wichtig, wenn im Zusammenhang mit diesem Thema auch über das außenpolitische Verhalten Deutschlands usw. nachgedacht und diskutiert wird und das nicht getrennt betrachtet und das eine öffentlich und das andere, vor allem im Zusammenhang mit dem anderen, nur andernorts oder eben nicht öffentlich getan wird. Diese Trennung begreife ich - z.B. - als nahezu reflexartig mainstreamhaft und auch irgendwie eines Kulturjournalismus nicht so ganz würdig. -
Ich habe ja - im Übrigen selbstbewusst genug - nicht auf Ihren Podcast reagiert, sondern auf einen Kommentar zu Ihrem Podcast.
Das ist ein Unterschied!
Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, WARUM trotz des aktuellen Themas hier keine Kommentatorenreaktion so richtig in Schwung kommen könnte und eine Vermutung dazu geäußert. Gedanken zu einer Frage, die "Fragender" in Kommentar Nr. 2 gestellt hatte. Ich hatte mir vorgestellt, dass es anderen Theaterinteressierten und TheatermacherInnen ebenso oder ähnlich gehen könnte wie mir. Es wäre also auch möglich gewesen, "Fragender" zu fragen, wie er auf die absurde Idee käme, dass sich ausgerechnet Theaterinteressierte oder TheatermacherInnen einer Diskussion über ausgerechnet diesen Podcast tunlichst entziehen wollen würden??? Und es ist doch schön, wenn das immer lebensunwirtlichere Klima namhafte TheatermacherInnen schon seit langem in der Art bewegt, dass sie ihr Reise- undoder Vertragsverhalten konkret geändert haben auf die eine oder andere Art und Weise. Das war aber nicht Gegenstand meines Nachdenkens. Gegenstand meines Nachdenkens war die konkrete Frage von #2.
Und, da sie offenbar einen sich dabei offenbarenden mainstream-Vorwurf persönlich genommen haben: So unterschiedlich die von Ihnen aufgegriffenen Stimmen zu dem Thema sind, so gleich sind sie darin, eben diese von mir erwähnten Beispiele für ZUSAMMENHÄNGE von Klima und z.B. konkret deutscher Außenpolitik n i c h t zu erwähnen! Jedenfalls nicht öffentlich in Ihrem Podcast...
Mit Vorfreude auch auf Ihren nächsten Podcast grüßt Sie herzlich d.o.