Redaktionsblog - Pausengespräch bei Kriegenburg in Hamburg
Mein Faust oder dein Faust?
17. Januar 2009. "Urfaust" gestern in Hamburg, Thalia Theater. Pause nach anderthalb Stunden. Die Raucher stehen draußen vor der Tür. Kalt ist's, die Mützen sind tief ins Gesicht gezogen. Die Mütze von Michael Thalheimer geht fast bis an den Rand seiner Brille. Er raucht, und er schimpft. Über den Urfaust von Andreas Kriegenburg. "Ich bin von den Socken!" ist durch die Hamburger Winterluft zu hören. Und soll, schnappen wir noch auf, dieses Psycho-Zeugs etwa an David Lynch erinnern? Thalheimer meint vermutlich, dass sich Mephisto bei Kriegenburg vom weißen Lemming in einen fiesen Grinse-Clown verwandelt.
Er könnte auch die Psycho-Spielchen mit Taschenlampentanz und Gruseldunkel meinen. Jedenfalls, so Thalheimer, "hat das doch nichts mit Lynch zu tun. Meine Masken damals in 'Rose Bernd', das war David Lynch!" Da hat er wahrscheinlich recht. "Rose Bernd", das selten gespielte Stück Hauptmanns, hat Thalheimer vor drei Jahren am Thalia Theater gemacht. Mit Masken, echten Lynch-Masken, wie wir jetzt wissen. Und Kriegenburg?
Thalheimer erklärt seinem Gesprächspartner jetzt, immer noch laut und gut verständlich für die Raucher-Gemeinschaft, was der Unterschied zwischen "Urfaust" und "Faust I" ist. Kein Osterspaziergang, kein Pakt mit Mephisto, keine Walpurgisnacht im "Urfaust". Fehlt alles. Ohne macht das Stück aber so recht keinen Sinn, und bei Kriegenburg schon gar nicht. Da hat er wahrscheinlich wieder recht. Thalheimer hat übrigens selber schon "Faust" gemacht, den richtigen, und zwar alle beide Teile. Das muss schließlich auch noch mal gesagt werden in dieser Hamburger Raucherpause.
(dip)
Hier geht's zu den gesammelten Blog-Beiträgen im Menü "gemein & nützlich".
Wir bieten profunden Theaterjournalismus
Wir sprechen in Interviews und Podcasts mit wichtigen Akteur:innen. Wir begleiten viele Themen meinungsstark, langfristig und ausführlich. Das ist aufwändig und kostenintensiv, aber für uns unverzichtbar. Tragen Sie mit Ihrem Beitrag zur Qualität und Vielseitigkeit von nachtkritik.de bei.
meldungen >
- 03. Mai 2024 12. Festival Politik im Freien Theater läuft 2025 in Leipzig
- 03. Mai 2024 Kleist-Preis 2024 für Sasha Marianna Salzmann
- 03. Mai 2024 Wiener Theatermacher Karl Schuster gestorben
- 03. Mai 2024 Musterklage gegen Salzburger Festspiele abgewiesen
- 30. April 2024 Ehrung für Ulrich Matthes
- 29. April 2024 Theaterneubau in Rostock begonnen
- 29. April 2024 Auszeichnung für Kurzfilmtage-Leiter Lars Henrik Gass
- 29. April 2024 Publikumspreis für "Blutbuch" beim Festival radikal jung
neueste kommentare >
-
Thesen zum Mülheimer Dramatikpreis Vorstoß ins Wesentliche
-
Liveblog Theatertreffen Aktualität der Ringparabel?
-
Liveblog Theatertreffen Halbherziges Pflichtpensum
-
Liveblog Theatertreffen Schweigen unserer Generation?
-
Medienschau Theater-Challenge Es gibt auch Bielefeld
-
Liveblog Theatertreffen Eröffnung mit "Nathan"
-
Pollesch-Feier Volksbühne Antwort an #8
-
Pollesch-Feier Volksbühne Namensnennungen @rabea
-
Medienschau Theater-Challenge Echt jetzt?
-
Musterklage Salzburg Offene Frage
nachtkritikcharts
dertheaterpodcast
nachtkritikvorschau
Ich verstehe nicht, warum Thalheimer keine Meinung zur Inszenierung seines Kollegen Kriegenburg erlaubt sein sollte Und ich begreife auch nicht, was daran so schlimm sein soll, wenn er diese Ansichten in der Rauchpause einem Freund oder Bekannten mitteilt.
Oh ja, das brauchen wir. Die Rache des kleinen Mannes hieß ja schon immer Denunziation.