Othello - Bei Jette Steckel ist Othello eine Frau, das macht aber nichts
Es gibt keinen Kern
von Dirk Pilz
Berlin, 27. November 2009. Aber Jago müsste dann doch auch von einer Frau gespielt werden, oder? Wahrscheinlich ist das jedoch bereits die falsche Frage, denn ob Frau oder Mann – es soll hier ja keine Rolle spielen.
Jette Steckel hat "Othello" inszeniert, und ihr Othello ist Susanne Wolff. Am Anfang sitzt sie mit Meike Droste, der Desdemona, in Reihe zwei. Sie küssen sich. Es küsst sich da also ein lesbisches Paar, gefilmt von Jago, Ole Lagerpusch, einem Mann. Aber das tut nichts zur Sache.
Gleich darauf nämlich wird Othello von Desdemona "Mann" gerufen, wobei "Mann" auch nur ein Name ist. Die beiden Frauen Othello und Desdemona stehen auf der Bühne und Meike Droste fasst Susanne Wolff ins Langhaar: "Nicht mein Aussehen lehrt mich, wer Othello ist." Sondern? Das innen Drin, irgendwie. Weil man nach innen aber nicht schauen kann, muss sich einzig durch des bzw. der Othello(s) Handeln erweisen, wer oder was der Mann bzw. die Frau Othello in Wirklichkeit ist.
Oder ist dies schon wieder falsch gedacht?
Othello, die Frau
Wir werden am Ende jedenfalls nicht wissen, wer Steckels Othello sein soll. Wir werden wissen, was auch schon bei Shakespeare nachzulesen ist, wo Othello unzweifelhaft ein Mann und Desdemona ohne jede Frage eine Frau ist. Dort ist "Othello" Jagos Stück, aber Othellos Tragödie. Denn Jago ist als Intrigant ein sehr freier Künstler seiner selbst, ein Marionettenspieler, der alle Spielfäden in Händen hält, der die Vernichtung des Othello zuwege bringt, indem er ihm eine Welt vorgaukelt, die nicht existiert: Er lässt ihn einen Liebestreuebruch durch Desdemona glauben, der nie stattgefunden hat. Ohne Othello wäre dieser Jago jedenfalls nichts, in seiner Vernichtungsschlacht gegen ihn ist er alles.
Das ist auch bei Jette Steckel noch so. "Ich hasse diesen Menschen", sagt ihr Jago über Othello. Er hasst ihn, also sie, weil sie anders als die "Landesüblichen" ist, wie es in der (stark gekürzten) Übersetzung von Frank-Patrick Steckel, Jette Steckels Vater, heißt. Aber nicht, weil er – so Shakespeares Pointe – ein schwarzer Fremder, sondern weil sie – so Jette Steckels Dreh – eine homosexuelle Frau ist.
Othello, das Konstrukt
Gut, das ist ein bedenkenswerter Punkt: Rassismus kann viele Anlässe finden. Steckel will aber mehr, sie will uns erzählen, dass aller Rassismus nichts weiter als ein psychologischer Projektionsmechanismus ist, unabhängig davon, ob er sich an Hautfarbe oder Geschlecht festmacht. "Es gibt keinen Kern", sagt sie im Programmbuch.
Deshalb ist Susanne Wolff erst die Lang-, dann die Kurzhaarige, steht sie in einem Ganzkörperaffenkostüm, als Clown und als Blondperückte im knallroten Kleid auf der Bühne. Deshalb auch werden, wenn sie sich am Ende mit einem Messer bearbeitet, auf der Rückwand lauter verschieden geschminkte und frisierte Susanne-Wolff-Videogesichter durchrattern. Was jemand in Wirklichkeit ist, ist immer das Produkt einer Zuschreibung.
Und Othellos Tragödie soll hier sein, dass sie für die Zuschreibungen des Projektionsprofis Jago empfänglich ist – Desdemona trägt auch einmal das Affenkostüm, sie aber bleibt immer die eine treue, liebende Desdemona. Ist es jedoch so, dann wird Othello zum Opfer von Rassismus, weil sie für Rassismus empfänglich ist, weil sie sich – doppelt unterstrichen durch die vielen Kostümwechsel – zur wandelnden Projektionsfläche anbietet, sich – durch ihre Um- und Mitwelt – dazu machen lässt, warum auch immer. Offenbar ist das Steckels These.
Othello, das Missverständnis
Spätestens hiermit gerät ihr Konzept in merkwürdige Schieflage. Erstens nämlich ist diese These selbst ein Theorem, das unter Rassismusverdacht steht. Und zweitens liegt hier ein, mit Verlaub, poststrukturalistisches Missverständnis zugrunde. Es besteht darin, zu glauben, alle Identität, jedes Selbst- und Fremdbild sei durch und durch konstruiert.
Alle Konstrukte sind jedoch notwendig aus Realien gemacht; sie werden nicht einfachhin aus der Luft gegriffen – eben das ist ja der heikle Punkt. Oder anders, mit Shakespeare gesprochen: Es gibt Differenzen (zum Beispiel zwischen Männern und Frauen), und das ist sowohl das Problem (weil alle Differenzen rassistisch missbraucht werden können) als auch das Glück (weil erst Differenzen Liebe zum Beispiel überhaupt möglich macht). Die Idee eines in Wirklichkeit differenzlosen innen Drin, das nur durch die fremde Außenwelt zur Identität wird, nimmt im Grunde Shakespeare (und der Dialektik von Innen und Außen) die gesamte Brisanz.
Aber gut, auch darüber ließe sich trefflich streiten – mit einem Theaterabend jedoch kann man nicht streiten, nur über ihn. Über Steckels "Othello" als Theaterabend wiederum lässt sich so schlecht streiten, weil zum einen der dramaturgische Ansatz so halbfertig gedacht ist und zum anderen, vor allem, der hier aufgefahrene theoretische Bombast für das Schau-Spiel folgenlos bleibt.
Und Jago, der Mann
Steckel lässt zwar die Feuerwand effektvoll umfallen, aus dem Schnürboden weiße Tüchlein regnen, einen Mikrofon- und Mundgeräuscheperformer lustige Pantomimebegleitmusik erfinden, immer wieder das Publikum abfilmen und erzählt im übrigen die Geschichte konventionell herunter. Schön, wie Susanne Wolff das Aufkeimen der Eifersucht mit wenigen Blicken spielt, schön auch, wie Meike Droste ihre Desdemona der Verniedlichung entreißt und Ole Lagerpusch für seinen Jago Facetten eines fiesen Strippenziehers ausprobiert.
Sie spielen aber, als solle (oder dürfe) es keine Rolle spielen, was die Regie groß herausstellt: dass Othello eine Frau ist. Sie spielen also gegen die Sichtbarkeit an – und spielen damit wider Willen einem anderen Projektionsmechanismus in die Hände.
Denn eigentlich müsste ja Steckel gemäß vor allem Jago, der Strippenzieher, eine Frau sein: Wenn Identitäten nur auf Zuschreibung basieren, gilt dies genauso für die Zuschreibenden. Hier aber nicht. Also haben wir es augenscheinlich mit einer sehr einfachen Zuschreibung zu tun – der Mann als Urheber rassistischer Logiken. Es bleibt zwar auch so Jagos Stück, doch Othellos Tragödie findet dann nicht mehr statt; sie wurde einem Konzept geopfert, das komplex tut, jedoch auf Vereinfachung hinausläuft. Das hat man von dramaturgischen Thesen über kernlose Identitäten: Sie dekonstruieren sich selbst.
Vielleicht ist das der Grund, warum der Abend letztlich so zäh und ermüdend ist: Er hat keinen Kern, nur eine papierne Theorie.
Othello
von William Shakespeare
Deutsch von Frank-Patrick Steckel
Regie: Jette Steckel, Bühne: Florian Lösche, Kostüme: Pauline Hüners, Musik: Mark Badur, Mando, Dramaturgie: Anika Steinhoff.
Mit: Susanne Wolff, Meike Droste, Ole Lagerpusch, Peter Moltzen, Simone von Zglinicki, Helmut Mooshammer, Paul Schröder, Mando/Philipp Zeidler.
www.deutschestheater.de
Mehr zu Jette Steckel im nachtkritik-Archiv: Zuletzt brachte sie im August 2009 bei den Salzburger Festspielen die Uraufführung des Trojanow-Romans Die Welt ist groß und Rettung lauert überall heraus. Beim Münchner Festival Radikal Jung gewann ihre Caligula-Inszenierung (September 2008, DT Berlin) den Publikumspreis.
Kritikenrundschau
Darauf, dass Othello nichts als "ein Bild ist, eine Vorstellung oder Projektion", könne man schon kommen, findet Andreas Schäfer vom Tagesspiegel (29.11.2009), denn handele nicht das ganze Drama "von Projektionen, von dem Flächenbrand der Imagination, den Jago (...) im hochbegabten Othello auslöst?". Jette Steckels "naseweiser Befund" laute: "Es gibt keine Realität. Die Welt besteht nur aus Bildern." Susanne Wolff als Othello verfüge über eine "unerhörte Bühnenpräsenz", nach ihrem starken ersten Auftritt werde aus dem Spiel jedoch "eine blutleere Spielerei". Einen "Mehrwert" hätten die "Brüche und penetranten Verweise auf das sogenannte Gemachte nicht", zumal sie "auf einem Denkfehler" beruhten: Bestünde die Wirklichkeit "tatsächlich nur aus Zuschreibungen, so wären doch immerhin die Gefühle, die diese Zuschreibungen nach sich ziehen, real". Die aber dürften "ihre Wirkung nicht entfalten, weil Steckel den Erzählfluss immer wieder abwürgt, um Identifikation zu verhindern". Dieses "Wirkungsverbot" zwänge vor allem Ole Lagerpusch ein, er spiele den Jago "mit der spätpubertären, schwitzigen Intelligenz eines ewigen 19-Jährigen, der sich an seinen Klassenkameraden für die Demütigungen rächen will" und wirke, als wolle er "das Korsett abschütteln, dass die Regisseurin ihm und den anderen umgeschnürt hat".
Wohl noch nie habe es eine "Othello"-Inszenierung gegeben, vermutet Volker Corsten in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (29.11.2009), "bei der so ziemlich jede Szene, in der die Titelfigur nicht mit dabei ist, so komplett überflüssig und oft sogar albern erscheint". Einzig Meike Droste als Desdemona, "ein jungenhaft liebenswerter Trotzkopf, zeigt im Duett mit Othello schöne Szenen einer Ehe". Dieser "Othello" sei "mehr oder weniger gewollt ein Solo für die großartige Susanne Wolff. Es ist ihr Abend, ihre Kunst. Sie ist sich als Othello selbst genug. Der Rest ist nicht Schwachsinn – aber schwach".
Einen weiblichen "Othello" findet Matthias Heine von der Welt (30.11.2009) durchaus sinnvoll. Schließlich sei die Erkenntnis, "dass Shakespeares Stück einen 'protofeministischen' Aspekt hat", ja "mittlerweile sogar in der Fachliteratur" angekommen: "Nicht der Schwarze Othello ist in der venezianischen Männergesellschaft der wahrhafte tragische Außenseiter, sondern die Frauen sind es." Hier konkret: eine "sich ständig wandelnde Susanne Wolff. Zu Beginn hat sie lange Haare, als ob die Liebe zu Desdemona ihren weiblichen Seelenanteil hervorgekehrt hätte. Dann, als sie in den Krieg mit den Türken zieht, werden die Haare kurz. Und als Jago (...) Othellos Eifersucht immer mehr anheizt, schlüpft sie in ein Affenkostüm. Nun ist sie der Wilde, den die Venezianer immer in ihrem militärischen Angestellten gesehen haben." Wolff beweise, "dass sie auch für ein Spitzenensemble (...) noch ein Zugewinn ist", Lagerpusch schreie zu viel. "Von Meike Droste wissen in Berlin eh alle, wie toll sie ist. Und Simone von Zglinicki (...) darf als Emilia zeigen, dass früher darstellerisch auch nicht alles schlecht war." Die Inszenierung beleidige zwar "nicht die Intelligenz, aber sie hat ihre Längen und Ödnisse ".
Das Nachdenken über die konzeptionellen Setzungen der Regisseurin sei "eher unfruchtbar und führt in die Faulsümpfe politischer Unkorrektheit. Ist die Frau der Mohr von heute? Gibt es Eifersucht auch zwischen Homosexuellen?" In diesem "Grübelmatsch" möchte Ulrich Seidler von der Berliner Zeitung (30.11.) nicht gern steckenbleiben, "zumal eigentlich ein ziemlich unterhaltsamer Theaterabend vonstatten geht". Für den bei Shakespeare zentralen "Haarriss zwischen Schein und Sein" bemühe Steckel "ein amtliches Symbol": sie lasse die Sicherheitswand zwischen Bühne und Zuschauerraum (sprich: Schein und Sein) umfallen und mache sie zur "schiefen Spielebene", während am Bühnenhorizont live übertragene Zuschauerschatten erscheinen. Dieser "Theatergong" mache die "Einfallsverliebtheit", "ausgewalzte Albernheit", "zuckersaftige Melodramatik" und "gedankliche Unkonzentriertheit" des Abends verzeihlich, die unter dieser Perspektive "als Erscheinungen der immer wieder aus den Zügeln schießenden Lust interpretieren" ließen, "mit der Steckel das Theater ausprobiert". Die Schauspieler seien vom "Spieltrieb" "jedenfalls angesteckt" und preschten "mit großem, auch seelischem Druck (...) am Wesentlichen vorbei – wobei sie es immer mal wieder streifen".
Michael Laages zeigt sich im Deutschlandfunk (Kultur Heute, 28.11.2009) erstmal begeistert von Frank-Patrick Steckels "furioser" Übersetzung. Außerdem hat er einen "weithin hinreißenden Premierenabend" gesehen, deren "Grundentscheidungen" er "einleuchtend und überzeugend" findet. Eine weibliche Othello-Besetzung reduziere die "vordergründig erotische Komponente der Figurenkonstellation" und lasse "die Außenseiterschaft von Othello (...) eher aus (...) grundsätzlich gesellschaftlichen Motiven erwachsen". Der erste, in den Zuschauerraum verlegte Akt sei wohl "selten, vielleicht noch nie so klug, rabiat und direkt" gespielt worden. Überhaupt setze Steckel "auf starke Emotion", hier werde "kräftig zur Sache gegangen, gern abstrakt überhöht". Meist funktioniere "Othello als Othella prächtig", Wolff erzähle "so selbstverständlich wie nur irgendwas" ihre Eifersuchtsgeschichte mit Meike Droste als Desdemona, "die bis kurz vor Exitus lust- und liebesfroh und heiter und immer ein Sonnenscheinchen bleibt". Die "optischen Verwandlungen und akustischen Sound-Tricks" seien zwar "gewöhnungsbedürftig" und wirkten "ein wenig wie auf Effekt gesetzt. Der Grundbehauptung vom immer wieder anderen, letztlich unerkennbar-undurchschaubaren Ich im Zustand von Verführung und Raserei schaden die Effekte aber nicht, die Aufführung hat außerordentlich sicheres Tempo und Timing und erlaubt sich nur ganz wenige Atempausen".
Julia Amalia Heyer von der Süddeutschen Zeitung (3.11.2009) leuchtet es ein, "dass der tapfere Feldherr im Jahr 2009 eher noch Frau als 'Mohr' sein kann". Alle, die trotzdem am "Regieeinfall eines weiblichen Othello" zweifelten, erinnert die Kritikerin daran, dass Frauen "immer noch zu einer diskriminierten Minderheit" gehörten, von der, "zumindest seit geraumer Zeit, eine diffuse Bedrohung" ausgehe. Weniger nachvollziehbar sei, wen Wolff denn nun eigentlich spiele: "Unbestimmbar bleibt ihr Othello ein hyperandrogynes Wesen." "Die Crux an dieser kurzweiligen Inszenierung" sei vielleicht dies: "ihre Bestandteile sind so trefflich aufeinander abgestimmt, dass sie mitunter beinahe oberflächlich daherkommt. So ungeheuer stilsicher ist alles arrangiert". Alles passe so gut zusammen, doch "ausgeprägte Ästhetik führt leider manchmal weg vom Kern der Sache". Das Saufgelage Jagos und Cassios etwa mache "so viel Spaß, dass man die Tragik, die hier ihren Anfang nimmt, glatt vergisst". Lagerpusch spiele den Jago "als hemmungslosen Konstruktivisten" (der eigene Wille als Gärtner des eigenen Selbst) und "als alerten Jungspund, dessen Skrupellosigkeit man bereits im schamlos herausgestellten Kriechertum erahnen kann".
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es gibt keinen kern, wie nennt man so eine weltsicht, schizophrene paranoia. vielleicht sollten regisseure hin und wieder versuchen zu akzeptieren das es eine welt gibt und das sie wahrnehmens- und darstellenswert ist.
wenn ein konzept jede realität verdrängt, dann ist theater nur ein mittel zur erzeugung von kopfschmerzen.
realitätsverweigerung und autismus machen das entstehen von etwas spielerischem auf der bühne unmöglich.
Und was soll das nun? Der Kopf wird von vielen Assoziationen befreit, die der "Mohr von Venedig" sonst mit sich bringt, so dass man in ziemlich reiner Form die Geschichte einer Liebesbeziehung sieht, die unter ungünstigen Umständen (Jago) nicht hält. Und kurzweilig war's auch.
DAnke für ihren Beitrag, er spricht mir aus dem Herz, es ist von beschämender Dummheit und Ignoranz wie sich hier (wie auch andernorts) mit dem Thema "Fremd" auseinandergesetzt wird bzw, wie es sich auf eine saubere weiße Fahne geschrieben wird, um dann ausgesprochen nachlässig, eitel, und verkitscht damit munter durch die Gegend zu wehen! Der einzig "echte Neger", der dann tatsächlich auch im DT zu Wort kommen darf, wird dort aber offensichtlich lediglich höflich zur Kenntnis genommen, aber nicht verstanden! Wie ist das möglich das ein, wie ich dachte, gescheiter Mensch und Intendant wie Herr Khuon, einen solchen Pseudo-PC-Zirkus veranstaltet um sich einer Stadt wie Berlin vorzustellen. Das ist lächerlich, und für all die, deren tägliche Realität das "Fremd-Sein" ist, eine Demütigung. Ähnlich blamabel fand ich eigentlich nur Karin Beiers Neustart in Köln, die sich vor 2 Jahren als Multi-Kulti-Theater ins Rennen geschossen hat, was sich hinter dieser Strategie verbarg, ist bis heute ungeklärt. Immerhin sieht man in Köln regelmäßig dunkelhäutige Boten und Dienstboten auf der Bühne - vielleicht sind die farbigen Schauspieler ja auch einfach billiger, und wir wissen ja alle; nicht nur in Köln muß gespart werden.
Meine Erfahrung ist sobald "der Neger, der Türke und der Rest der Dschungel und Wüsten Völker" zu einem positiven Label dienen sollen: Beine in die Hand nehmen, liebe Neger! Hier wird vorgetäuschte Liebe zum dunkleren Teint, lediglich mangels Fähigkeit zur Bildung eines künstlerisch (und vielleicht sogar politisch?!) relevantem Profil eingesetzt! So habe auch ich das in Köln und am DT wahrgenommen - es ist schändlich und so durchschaubar und bringt die sogenannten MigrationsHintergrundLeute bzw. "die Fremden" nicht einen Deut weiter - im Gegenteil, mit derlei Klassifizierung und dem auf-der-Bühne-nochmals ausdrücklich-auf-ihren-Platz-Verweisen werft ihr die gesamte Entwicklung lediglich um Lichtjahre zurück !!!
Im Namen aller Kanaken: Danke dafür !!!
Worin liegt da ein postrukturalistisches Missverständnis? Wohl doch eher ein Missverständnis darin, was sie unter "Realien" verstehen und wie "Realien" hergestellt und immer wieder reproduziert werden, zum Beispiel duch ihre Kritik. Niemand behauptet, dass es keine "Realien" gibt oder diese nur konstruiert sind, sondern dass es Kontexte, Geschichten, Genealogien usw. gibt, die durch Machtverhältisse strukturiert sind. Identität heißt auch lesbar gemacht zu werden. Doch wer entziffert diese Lesbarkeit und stimmt diese überein mit Selbstzuschreibungen?
Wenn Sie schon zu allem was sagen wollen und müssen, dann lesen sie doch auch die Theorien, die so missverstanden werden.
PS:
"Differenzen machen Liebe erst möglich."? Woher stammt dieser Konsens, der ist mir nicht geläufig?
es ist mir nicht deutlich, was Sie mit einer "hilflosen Argumentation" meinen, denn ich sehe nicht Ihren Punkt, an dem Sie die Hilflosigkeit ausmachen. Zumindest aber kann ich sagen, dass ich nicht behauptet habe, es gebe Differenzen "einfach mal so".
Zum Begriff der "Differenz" möchte ich hier nicht auf die "ontologische Differenz" im Sinne eines "entbergend-bergenden Austrages" eingehen, wie Heidegger sie verstand, da ich mir nicht im klaren darüber bin, auf welcher Ebene Heidegger hier von Differenz spricht. Auch Derrida möchte ich nicht weiter erwähnen, weil es mir scheint, dass sein Verständnis der différance als "Ursprung des Ursprungs" wieder auf jenes hermeneutische, vor allem bei Gadamer anzutreffende Differenz-Verständnis hinausläuft, von dem sich Derrida eigentlich absetzen möchte. Anregend finde ich die Überlegungen von Peirce, zum Beispiel in seinem Aufsatz "Fragen hinsichtlich gewisser Vermögen, die man für den Menschen in Anspruch nimmt", weil hier auf strukturaler Ebene argumentiert wird (dort auch ließe sich ableiten, dass Differenzen erst Gefühle, Gedanken, Bedeutungsgehalte ermöglichen). Ich gestehe aber, dass ich noch damit befasst bin, die Anregungen von Peirce' zu verstehen.
Für den Begriff der "Realien" erachte ich Stanley Cavells "Der Anspruch der Vernunft" als hilfreich, hier findet sich auch eine ausführliche Auseinandersetzung mit "Othello" (im Kapitel "Literatur als Wissen des Outsiders"), möchte aber nicht behaupten, den Ansatz Cavells durchdrungen zu haben. Ich verweise lediglich darauf, weil es mir scheint, dass Sie, indem sie auf "Kontexte, Geschichten, Genealogien" verweisen, jenes skeptizistische Argument bedienen, mit dem sich Cavell auseinandersetzt, eben die Annahme, dass die machtstrukturierten Kontexte vor allem es sind, die etwa Identitäten stiften und die in machtstrukturierter Weise weitergegeben werden. Ich zweifle, ob es sich so verhält, oder besser: ob es sich nur so verhält.
Mit Grüßen: Dirk Pilz
Schade. Ich wäre am liebsten direkt am Anfang aufgestaden und gegangen. Eine Othella! und dann auch noch eine Weiße! (typische Fehlbesetzung, Männerrolle mit einer Frau! - wo bleibt da der emanzipierte Mann?!) Nicht nur die Regie hat hier an dem eigentlichen Skandal vorbei gearbeitet. Meike Droste durch Ihre flapsige und lustlose Interpretation der Desdemona und Ole Lagepusch in seiner Darstellung des Jago zogen diese so sehr in die Lächerlichkeit, dass es teilweise einer Parodie glich. Besonders das wiederkehrende Finale war nicht nur albern, sondern auch peinlich, wegen der plakativen Verallgemeinerung, die durch die angeworfenen Bilder deutlich wurde.
Bei aller Liebe für die Kunst. Slapsticknummern, naive Umsetzungen, die denen eines Schultheaters glichen und die Tatsache, dass Othello hier eine Frau mit Geschlechtsorientierungsproblemen ist, hat mir den ganzen Spaß an dieser Aufführung genommen. Nur weil Genderstudies gerade total aktuell ist, heißt das nicht, dass es überallhin übertragen werden muss.... Wobei eben diese Diskussion mehr in den Vordergrund rückt durch diese Fehlbesetzung - obwohl Susanne Wolff teilweise einen guten Mann gibt - ist es dem Stück nicht zuträglich. Da der eigentliche Konflikt und die Intrige dadurch an Bedeutung verliert, was aber auch auf mangelnde Konsequenz in der Darstellung einiger Schauspieler zurückzuführen ist.
So viel müll wie hier in manchen kommentaren steht, habe ich noch nirgends gelesen. rassitisch, sexsistisch, homophop und auch queerphop noch dazu.
Die typische angst vor dem "Fremden", ganz nach shakespears othello. Danke für diese performance.
...der Mensch als Sportler, so kann man das natürlich auch sehen. Wer rennt am schnellsten, der Sportlehrer sagt, wer ich sein soll. Da hilft dann auch nur noch beten, hoffentlich kommt kein Jaguar des Weges, der ist nämlich der bessere Sportler. Ohne Gnade, ohne Mitleid, ein Biss in die Kehle. So haben wir das doch gelernt im Sportunterricht. Am Ende sind wir alle tot, und ich will Blut sehen. Aber vielleicht frisst der Jaguar dann nur die Sportlehrer, weil andere Menschen verstehen sich zu tarnen, sich in den Bäumen zu verstecken, irgendwo in den Linden oder wo auch immer...
Jetzt ist es glaube ich auch Zeit, einmal zu sagen, dass dieses ewige Gerede, von wegen der Mensch ist immer nur das Produkt seiner Zuschreibungen und alle tragen immer Masken langsam albern wird. So eine Sicht können nur Menschen haben, deren Leben wohl äußerst langweilig verlief...völlig ungeeignet, um der Gesellschaft einen Spiegel entgegen zu halten.
...und die Bibel ist keine Handbuch für Therapeuten, gleiches gilt für Sophokles…dann pennt die Regie auch gerne...
Mich würde eher interessieren, ob und wie der militärische Kontext von Shakespeares "Othello" hier eingebaut wird. Denn dass ein solcher Kontext die (männliche) Persönlichkeit entscheidend mitprägt, davon kann jeder (gewesene) Wehrpflichtige ein Lied singen.
Und Judith, Sie haben mir übrigens immer noch nicht beantwortet, wie Sie hier jetzt auf die Bibel und Sophokles gekommen sind. Keine Antwort?