Schauspieldirektor Jonas Zipf verlässt Darmstadt
Abgang mit Stillschweigen
15. Juni 2015. Schauspieldirektor Jonas Zipf wird das Staatstheater Darmstadt zum Ende dieser Spielzeit verlassen. Darauf hätten sich, wie das Theater heute vermeldete, Intendant Karsten Wiegand, der Geschäftsführende Direktor Jürgen Pelz und Jonas Zipf selbst, einvernehmlich verständigt. Über die Gründe wurde Stillschweigen vereinbart, wie es in der Meldung heißt.
Damit setzt sich der Personalweggang aus Leitungspositionen des Staatstheaters Darmstadt fort: Bereits Anfang Mai war bekannt geworden, dass Operndirektor Berthold Schneider ab 2016 als Intendant der Oper nach Wuppertal gehen wird. Auf eigenen Wunsch wird auch er bereits zum Ende dieser Spielzeit aus dem Darmstädter Leitungsteam ausscheiden, um sich auf die Vorbereitung seiner Intendanz konzentrieren zu können. Neue Leitungen für die Sparten Oper und Schauspiel werde es ab der Spielzeit 2016/17 geben.
Die Pressemeldung zitiert den Intendanten Wiegand zum Ausscheiden Zipfs mit den Worten: "Ich danke Berthold Schneider von Herzen für alles, was er für das Staatstheater Darmstadt in unserer ersten Spielzeit und der Planung der nächsten Spielzeit geleistet hat." Zipf habe "voller Phantasie und Entdeckerlust beeindruckend viele aufregende Aufführungen und Projekte initiiert und angeschoben."
In Folge des Ausscheidens von Jonas Zipf verlassen auf eigenen Wunsch auch die Schauspiel-Dramaturginnen Christa Hohmann und Stawrula Panagiotaki nach den ersten Premieren der kommenden Spielzeit das Haus. Nach Informationen des Darmstädter Tagblatts werden sich dem Exodus auch die Schauspieler*innen Julius Bornmann und Jeanne Devos anschließen, aus privaten Gründen wird Judith van der Werff das Haus verlassen.
Aus dem Ensemble des Staatstheaters Darmstadt erreichte nachtkritik.de die folgende Erklärung: "Wir, das Schauspielensemble des Staatstheaters Darmstadt, wurden soeben darüber informiert, dass Schauspieldirektor Jonas Zipf mit sofortiger Wirkung das Staatstheater verlässt. Die Gründe dafür sind uns unbekannt und wir können diese Entscheidung nicht nachvollziehen. Wir stehen hinter der künstlerischen Arbeit der Schauspielleitung und bedauern diese Entscheidung zutiefst. Das Ensemble hätte die Arbeit mit Jonas Zipf sehr gerne fortgesetzt."
(wb / Staatstheater Darmstadt / Darmstädter Tagblatt)
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"Paukenschlag am Staatstheater: Nach nur einer Spielzeit verlässt der junge Schauspieldirektor Jonas Zipf das Darmstädter Haus wieder und auch Operndirektor Berthold Schneider geht früher als ohnehin vorgesehen. Intendant Karsten Wiegand hat diese Personalien in einer knappen Mitteilung verkündet. Dass es zwischen der erst zu Beginn der jetzt zu Ende gehenden Spielzeit neu formierten Theaterleitung am Ende auch vernehmlich knirschte, war zwar kein Geheimnis mehr, der Abgang Zipfs überrascht dann doch. Gerade weil er, der in Darmstadt aufgewachsene und bestens vernetzte Theatermann, wie kein Zweiter für die Öffnung des Staatstheaters steht. Dass sein vor allem beim alteingesessenen Stammpublikum nicht immer unumstrittenes Wirken letztlich ein Anfang hätte werden können, bleibt jetzt eine Episode, die geprägt war von Mut und neuer Offenheit, der Bereitschaft, das Publikum mitzunehmen und unkonventionell neue Wege zu gehen. So hat Jonas Zipf erreicht, dass über Theater in Darmstadt wieder gesprochen und diskutiert, gar gestritten wird. Das immerhin wird bleiben."
Darmstädter Tagblatt
Muss man erstmal schaffen, sich als Intendant im ersten Jahr mit zwei Spartenleitern zu zerstreiten. Und das nach den unsäglichen Querelen der Dew-Zeit - naja, wir haben immernoch einen schönen Theatervorplatz
Wiegand sitzt aber als Chef am längeren Hebel. Und Zipf wird eben abgefunden.
Und Darmstadt bekommt eine Spielzeit ohne Dramaturgie und Schauspielleitung - das wird sicher ganz toll.
Auch dass die gesamte Schauspielleitung verabschiedet wird ist doch ein deutliches Zeichen mit sehr bitterem Beigeschmack.
Wenn es stimmt, dass Wiegand einem hier zitierten Zeitungsbericht zufolge persönlich veranlasste, die Datterich-Schulden-Demo von dubiosen Security-Guards - auf dem Video sieht das wie ein B-Movie aus/Wieso sitzen mitten im Saal? - mit Körpereinsatz beenden ließ, dann könnte auch die plötzliche Trennung in neuem Licht erscheinen. Eher wie net.
Was wurde denn aus den großen Ankündigungen von wegen "Wir müssen die Werte, die wir auf der Bühne leben, auch hinter Bühne leben?" Das Resultutat waren Entlassungen, Kündigungen, Frustrationen und eine katastrophale Stimmung am Haus.
Künstlerisch war seine erste Spielzeit ein kläglicher Offenbarungseid: Eine Peinlichkleit gab der nächsten die Klinke in die Hand. Es wäre ja noch zu verzeihen, wenn es "nur" an künstlerischer Vision und Ideen mangelte. Aber nein: Leider mangelt es vor Allem an handwerklichem Können und, gegenseitigem Respekt und viel, viel Fingerspitzengefühl.
Das nach der Datterich-Katastrophe Köpfe rollen mussten, ist nicht weiter verwunderlich.
Einzig das Staatsballet läuft erfreulich. Wahrscheinlich lässt sich da der Wiesbadener Intendant nicht so einfach die Butter vom Brot nehmen.
Bitte, Herr Zetzsche, ziehen Sie die Reissleine und begrenzen Sie den Schaden. Holen Sie John Dew zurück. Über ihn kann man zwar geteilter Meinung sein. Aber: Zu seiner Zeit konnte man einen Abend im Theater bedenkenlos geniessen! Und wenigstens hat er einem dabei in die Augen geschaut, wenn er einem sagte, dass er ihn nicht leiden kann. Und nicht vorne gelächelt und hinten das Messer gewetzt.
Egal! Beim Fußball ist Darmstadt seit den 80ern das erste Mal wieder erstklassig - so wird die Meldung in der Stadt unbeachtet genug bleiben, um zumindest den Intendanten nicht zu gefährden.
In künstlerischer Hinsicht war diese Spielzeit eine einzige Enttäuschung. Romeo und Julia, Penthesilea, Madame Bovary und viele andere Inszenierung waren missraten und wurden vom Publikum gemieden, sodass ein weniger als zur Hälfte ausgelastetes Kleines Haus in Darmstadt inzwischen keine Seltenheit mehr ist. Und dass die beim Publikum mit Abstand erfolgreichste Produktion Frau Müller muss weg noch von den Vorgängern stammt, spricht wohl für sich. Karsten Wiegand trägt an diesem desaströsen Jahr mindestens die gleiche Verantwortung wie Jonas Zipf. Ehrlichkeit für die Gründe der Trennung wäre angebracht, "eisernes Schweigen" ist absoluter Unsinn usn dorgt nur für noch mehr Misstrauen beim Publikum. Vielleicht sollte Wiegand einmal persönlich über Konsequenzen nachdenken.
Martin Apelt.
Karsten Wiegand hat jetzt oft genug gezeigt, dass er dem Amt des Intendanten nicht gewachsen ist. Aus diesem Grund sollte er am Ende der nächsten Spielzeit Platz machen für einen Nachfolger, der hoffentlich mehr Erfolg hat.
Dummerweise stehen die allerdings künstlerisch richtig gut da. Vor allem Jonas Zipf hat das Haus doch in diesem Jahr aus seinem Dornrößchenschlaf rausgeholt. Und dann noch neben einem größtenteils tollen Spielplan zwei wegweisende Festivals geleitet.
Dafür Chapeau; sonst eine klare Forderung an die Verantwortlichen eine Etage höher: Sehen Sie endlich ein, daß Sie mit Wiegand den falschen Mann geholt haben!
Ich fand die Inszenierungen unterschiedlich (Tiefpunkt: Romeo und Julia) aber insgesamt gesehen gelungen und Ausdruck eines behutsamen und erforderlichen Wandels hin zu einem jüngeren Publikum. Als fast 6o Jähriger sehe ich diesen Wandel als absolut erforderlich an.
Zipf hat da viel geleistet und insbesondere das Theater erfolgreich geöffnet und vernetzt. Da hätte noch vieles Positives entstehen könne, wenn man ihn gelassen hätte.
Dass nicht nur Zipf geht wirft für mich die Frage auf: Wird hier nicht der Falsche gegangen? Dass ein Intendant das zulässt und nicht in der Lage ist, die zweite Spielzeit durchzustehen (dann wäre der Vertrag von Zipf ohnehin ausgelaufen) und auf einem sofortigen Ende besteht lässt mich nur noch den Kopfschütteln.
http://www.echo-online.de/lokales/darmstadt/jonas-zipf-geht-zurueck-nach-jena_16395990.htm
Für mich ein Vorgang ohne Gleichen, und wieder hat ein Intendant in Darmstadt gemacht, was er will, und zwar nach Gutsherren-Art. Wann pfeifen die Verantwortlichen, Stadt und Land, Wiegand endlich wieder zurück, damit Darmstadt sich endlich künstlerisch gut und neu positionieren kann. (...) Um Personalverantwortung in so großen Häusern erfolgreich wahrnehmen zu können, gehören Erfahrung und Feinfühligkeit dazu. Man sollte ihm gleichberechtigt einen guten Opern- und einen guten Schauspieldirektor an die Seite stellen.
Ganz Ihrer Meinung, Analytikerin. Ich hatte die causa Darmstadt völlig aus den Augen verloren, ein Theater, das früher einen überregionalen Ruf hatte, und das nun völlig brach zu liegen scheint. Ihre Idee, die Intendanz aufzulösen, entspräche dem, was in Mannheim seit einigen Jahren so erfolgreich praktiziert wird. Möglicherweise sind diese großen Häuser nur noch im Rahmen von kollektiven Leitungen zu führen, jede Soarte wird durch einen Direktor vertreten, hinzu kommt ein Geschäftsführer. Drei oder vier gleichberechtigte Intendanten leiten das Theater und teilen ihr Wissen miteinander und ihre Verantwortung. Ich fürchte nur, dass die Politiker sich lieber einen alles verantwortenden Intendanten wünschen, weil sie Scheu haben vor der Polyphonie.