Folgenreiche Malversationen

23. Mai 2014. Das Burgtheater hat in der vergangenen Woche beim Wiener Arbeits- und Sozialgericht eine Klage gegen seinen ehemaligen Intendanten Matthias Hartmann eingebracht, berichtet Judith Hecht in der Tageszeitung Die Presse (Printausgabe von heute).

Es geht um Geld, etwa zwei Millionen Euro, die Hartmann (verlängerter) Vertrags-gemäß noch zustehen – Ende Juni oder Anfang Juli, so weiß Die Presse, beginnt der Prozess, bei dem Hartmann seine Entlassung bekämpft.

Die Anwälte des Burgtheaters würfen Hartmann nun in der Gegenklage vom 14. Mai vor, seine Vertragsverlängerung erwirkt zu haben, in dem er seine Vorgesetzten arglistig in die Irre geführt hat. "Diese Vereinbarung wäre 'niemals abgeschlossen worden', hätte man von Hartmanns 'Malversationen und Verhaltensweisen' Kenntnis gehabt, steht in der Klage", so Die Presse.

"Ausgerechnet jene SP-Kulturministerin Claudia Schmied, die Anfang 2012 – also schon zweieinhalb Jahre vor dem Ende der ersten Amtsperiode Hartmanns – entschieden hat, seinen Vertrag bis 31. August 2019 zu verlängern, soll nun als Zeugin gegen ihn aussagen." Als weitere Zeigen gegen Hartmann würden geführt: Bundestheaterholding-Chef Georg Springer, sein Stellvertreter Othmar Stoss und Sektionschef Michael P. Franz.

Das Drama um Geld, Macht und Intrigen fordert auch viele unbeteiligte Opfer, schreibt Judith Hecht. Die Budgetverhandlungen mit den Holding-Töchtern gestalteten sich schwierig. "Kein Wunder. Bei der Art for Art Theaterservice GmbH plant man sich von über 50 Mitarbeitern mit Ende August zu trennen, nachdem die Umsätze im letzten Jahr massiv eingebrochen sind." Betroffen seien vor allem die Mitarbeiter der Dekorationswerkstätten im Wiener Arsenal, aber auch bei den Kostümwerkstätten in der Goethegasse solle es Kündigungen geben. "Und wohl auch an den Bühnen selbst."

(sd)

Unsere Chronik der Burgtheaterkrise

Kommentare  
Burg gegen Hartmann: beliebter Direktor
Vor allem in den ersten Saisonen herrschte eine echte "Hartmann"-Stimmung unter den Theaterbesuchern, auch unter den Abonnenten (und die sind ja schließlich auch Menschen). Kein Mensch hätte je verstanden, dass die als Unterrichtsministerin schon mit Lehrergewerkschaften kämpfende, den beliebten Burgtheaterdirektor in "die Wüste schickt". Auch, glaube ich, war damals für die Kulturpolitiker sehr verlockend, endlich wen im Burgtheatersessel zu haben, der der Erinnerung und Sehnsucht nach den Peymann-Jahren Schwung und Akzeptanz in Wien entgegensetzen konnte.

Jetzt eine vorsätzliche arglistige Täuschung durch Hartmann zum Joberhalt daraus zu machen, finde ich pervers. Es stinkt leider - und das sage ich als ganz echte Wienerin - der Abgang Hartmanns doch eher nach Arglist österreichischer Seilschaften.
Burg gegen Hartmann: beliebig-buntes Programm
Nur um dem etwas gegenüberzusetzen: Ja, Hartmann hat in Wien für Auslastung gesorgt. Allerdings gab es auch eine große Anzahl an Theaterbegeisterten, die das Haus unter seiner Leitung gemieden haben wie die sprichwörtliche Pest. Ich - und sehr, sehr viele in meinem Umfeld! - waren während seiner Intendanz so selten in der Burg wie nie zuvor! Und wenn, dann "nur" für Aufführungen von Regisseuren, die schon zuvor erfolgreich in Wien gearbeitet haben (Andrea Breth, um nur eine zu nennen). Das heisst - er hat ein sehr beliebiges (um es negativ auszudrücken) bzw. buntes (um es positiv zu sagen) Programm gemacht, das für die Masse viel geboten hat. Unter gerade jüngeren Theaterbegeisterten gab es aber auch große Ernüchterung ob der Einfallslosigkeit und Mutlosigkeit des Spielplans. So viel nur der Vollständigkeit halber...

Etwas wütend macht aber der Hinweis auf die "Arglist der Seilschaften". Nicht, dass es diese nicht gäbe - sie sind aktiv wie nie zuvor! Aber angesichts eines Defizits, das ein Haus an den Rande des Absturzes bringt, den Täter zum Oper zu machen, da bleibt einem dann doch die Spucke weg. Das ist österreichischer als jede "Arglist".
Burg gegen Hartmann: Unschuldsvermutung
ad "weggebliebener Spucke von Nummer 2"
Bis zu einem rechtskräftigen Urteil gilt die Unschuldsvermutung. Daher ist eine Täterrolle Hartmanns wie sie bereits von Nummer 2 und den Medien festgelegt ist, eigentlich gar nicht zulässig. Ich erlaube mir nur der Gegendarstellung Hartmanns, dass er "gelegt worden ist" und bereits vorhandene Defizite und Malversationen "unterjubelt bekommen hat" auch Glaubwürdigkeit zuzugestehen.
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