Weltwärts (UA)

von Noah Haidle
Deutsch von Barbara Christ

Schauspielhaus
Dauer – ca. 1:45 Std, keine Pause
Wiederaufnahme
Spielzeit 2021/22

Haben wir das Recht, unser Lebensende selbst zu bestimmen? Ja! – Wenn es nach Anna geht. Die 36-Jährige möchte sich ihren Abgang nicht von ihrer Krankheit diktieren lassen, sondern ihr Ende selbst datieren und zelebrieren.
Die Seelenwanderungsfeier hat ihre Mutter Dorothy organisiert, die als Hebamme über 10.000 Seelen „weltwärts“ gebracht hat, bevor sie die Seiten wechselte, um professionell Suizide zu choreografieren. Annas Onkel Buddy, Zahnarzt und Amateurschauspieler, stellt die Medikamente bereit und unterschreibt den Totenschein. Während ihre Tochter Rose, die als Einzige Stopp sagen könnte, nach den perfekten letzten Worten für ihre Mutter sucht, hat deren auf die schiefe Bahn geratene Zwillingsschwester Baby Schwierigkeiten mit dem Gedanken daran, Anna ziehen zu lassen. Der einsame Geigenlehrer Louis kommt gerade rechtzeitig, um mit Anna die perfekte Hymne an die Götter einzustudieren, aber viel zu spät für ihr beiderseitiges Liebesgeständnis.
Noah Haidle erzählt die letzten Stunden von Annas Leben in Echtzeit, bis zu dem Punkt, an dem die Zeit stehen bleibt und Diesseits und Jenseits sich verbinden. Weltwärts ist ein leidenschaftliches Plädoyer für einen offensiven Umgang mit dem Sterben und eine berührende und warmherzige Familiengeschichte. Dank Haidles kräftigem Humor wird daraus aber kein sentimentales Drama, sondern eine lebensbejahende Tragikomödie.

Uraufführung: Sa – 29. Feb 20

Rahmenprogramm

So – 03. Mai 20:
Einführung Spezial
mit Dr. Corinna Schmohl, Pfarrerin und Seelsorgerin.
14:00 Uhr
Mi – 19. Mai 20:
Einführung Spezial
mit Britta Falke, Leiterin der Brückenschwestern des OSP Stuttgart e.V. und PCT Stuttgart, Palliative Care Fachkraft
18:30 Uhr

Florian Etti – phenomenology of sth

Ausstellung im Schauspiel Stuttgart

Vernissage 29. Feb 20, 18 Uhr
Begrüßung durch den Intendanten Burkhard C. Kosminski
Eröffnungsrede Ralph Güth
Der Künstler ist anwesend

Publikumsbefragung

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Umfrage zum Thema Sterbehilfe

Pressestimmen

Südwest Presse
Otto Paul Burkhardt, 02. Mär 20
"… es geht hier nicht um Naturalismus oder Pflicht-Betroffenheit, schon gar nicht um exaltiertes Heul- und Brülltheater, sondern um Fragen des Lebens im Angesicht des Todes. ... Haidle gelingt es, ein Tabuthema zu öffnen – nicht als papierne Moraldebatte. Und die Regie lässt so etwas wie Optimismus durchklingen, der … beflügelt. Ein Fall von Self-Empowerment."

"Stark, wie Elmar Roloff diesen Möchtegern-Gründgens spielt, der sich als Krishna-Gott aufgedonnert hat, um mit erbaulichen Texten von Shakespeare bis Bhagavad Gita zu nerven – wobei es Roloff schafft, dieser Karikatur ihre Würde zu lassen. Ähnliches gelingt Klaus Rodewald, der famos ambivalent den ekligen Nachbarn Kevin verkörpert, der Annas begleiteten Suizid der Polizei petzt, sich dann aber einfügt und entkrampfend wirkt …. Im Lauf der 100-minütigen Suizid-Feier findet die Inszenierung zunehmend eine Balance zwischen Witzelei und Verzweiflung, befreiender Distanz und berührender Nähe."

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Die deutsche Bühne
Manfred Jahnke, 01. Mär 20
"Dramaturgisch ist das Spiel mit der Echtzeit geschickt angelegt mit dem Kniff, vor einer ahnungslosen Person die ganze Vorgeschichte zu enthüllen. Auch werden in den Dialogen die verschiedenen Haltungen und Widersprüche vom Autoren deutlich ausgestellt."

"Onkel Buddy, in Krischna-Kostüm, wird ständig gestört bei der Rezitation des "Bhagavad Gita". Elmar Roloff spielt diese Figur großartig aus. In abrupten Wechseln führt er den besorgten Zahnarzt vor, dann wieder den begeisterten Laienschauspieler, zeigt aber auch jene dämonischen Züge, die hinter der Oberfläche des netten alten Mannes sich auftun. Eine Bombenrolle für Elmar Roloff."

"Die Personenführung, das Herauskitzeln feiner psychologischer Erzählstränge ist eine Stärke der Regie von Burkhard C. Kosminski. Er lässt sich ernsthaft auf den Text ein."

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Stuttgarter Zeitung
Roland Müller, 02. Mär 20
„die Uraufführung von "Weltwärts", textgetreu und – wie vom Hausherrn gewohnt – in starke Bilder übersetzt"

"Im Girlie-Outfit knallt Josephine Köhler ihre Wut über den assistierten Suizid heraus – eine klare Figurenzeichnung, die unter anderem noch Klaus Rodewold als misanthropischem Nachbarn Kevin und Gábor Biedermann als frisch verliebtem Geigenlehrer Louis gelingt."

"Gewaltig aber ist das Bühnenbild von Florian Etti, ebenso das Bilderprogramm, mit dem er auf der weißen Großleinwand die Kosminski-Inszenierung begleitet. Von der Abstraktion geht es in die Konkretion, hinein zu Kinderfotografien der Schauspieler, die im Rund des graublauen Monds erscheinen, der sich hinter der Leinwand verbirgt. Anna ist da schon hinter die "Schleier der Zeit ins Unendliche getreten", umhüllt vom Kosmos, der sich zuvor von oben herab sanft und schützend um sie und die Transmigrationszeremonie gelegt hat. Ein wunderbares Bild."

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Frankfurter Rundschau
Judith von Sternburg, 04. Mär 20
"… der stärkste Moment des Abends [ist] das Ende, wenn auch die anderen Figuren an die Rampe treten und kurzerhand berichten, wann und wie sie selbst sterben werden. Genau, jeder von uns hat seine kleine eigene, ganz konkrete Geschichte und am Ende davon wird jeder von uns tot sein, so einfach und so fürchterlich ist das."
Theater der Zeit
Otto Paul Burkhardt, April 20
"[Die Regie] schafft es, Haidles Suizidparty zwischen sanfter Ironie und lähmender Todesangst, zwischen befreiendem Witz und berührender Verzweiflung hindurchzumanövrieren."
Online Merker
Alexander Walther, 01. Mär 20
"Im weiträumigen, kreisförmigen Bühnenbild von Florian Etti … werden die letzten Fragen ziemlich unverblümt und schonungslos gestellt. Die von Therese Dörr mit vielen Nuancen gespielte 36jährige Anna ist unheilbar krank und hat sich entschlossen, ihren Suizid selbst zu planen – und zwar im engen Kreis ihrer Familie. Das Abschiedsfest wird dann allerdings zu einem entlarvenden psychologischen Kammerspiel, das die unterschiedlichen Charaktere der Protagonisten aufeinanderprallen lässt."

"Rebekka Roller spielt sehr überzeugend und mit erstaunlicher Reife die kleine Rose, die nach den perfekten letzten Worten für ihre unglückliche Mutter sucht."

"Burkhard C. Kosminski hat sich in seiner gelungenen und mutigen Inszenierung dem offensiven Umgang mit dem Sterben und dem schwierigen Thema "Sterbehilfe" in leidenschaftlicher Weise angenommen. Und man spürt, dass seine Schauspieler hier ganz bei der Sache sind. Da gibt es keine Langeweile, keine Pausen und Leerstellen. Gelegentlich treten zwar kleinere Schwächen in der szenischen Dichte zutage, doch der Zuschauer wird mit einem starken Schluss bei dieser Inszenierung mehr als entschädigt. … Da tun sich dann eindrucksvolle Bilder auf, die kreisrunde Scheibe auf der Bühne dreht und verändert sich in geheimnisvoller Weise – und man spürt, wie Anna zwischen Licht und Schatten ganz allmählich ins Jenseits hinübertritt. … Beim Publikum kam dieser ungewöhnliche Abend glänzend an, die Begeisterung und der Applaus waren groß."

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Ludwigsburger Kreiszeitung
Arnim Bauer, 02. Mär 20
"Ein Stück, … das das Thema [Sterbehilfe] anfasst, es beleuchtet, schon einmal an den Tabus rüttelt, die sich um das Thema ranken. Ein Stück, das nicht sagen will: "So muss es gehen!", sondern eines, das eine ganz individuelle Möglichkeit aufzeigt, wie es gehen könnte. Und das damit das sagt, was öffentlich zu sagen ist: Nämlich dass eine solche Entscheidung immer individuell ist und sein muss, dass Gesetz, der Staat und die Gesellschaft da wenig reinzureden haben. ... Nicht mehr und nicht weniger lässt sich aus diesem Stück mit nach Hause nehmen."
Esslinger Zeitung
Elisabeth Maier, 02. Mär 20
"Aktueller kann Theater kaum sein."

"Das Ringen der Mutter mit dem eigenen Schicksal und die Angst, das Mädchen allein zu lassen, zeigt die Schauspielerin stark. … Immer wieder gelingen Therese Dörr berührende Momente, wenn sie sich in behutsamen Schritten von ihren Lieben verabschiedet. Plötzlich versagen ihr die Beine. Dann lässt sie spüren, wie das Leben aus ihr schwindet. Der Anblick berührt zutiefst. Besonders schwer fällt Anna der Abschied vom einsamen Geigenlehrer Louis. … Dörr und Biedermann gelingen sehr tiefe Augenblicke, in denen die entsetzliche Fallhöhe der schwerkranken Frau greifbar wird."

"Wie entsetzlich schwer es ist, das Sterben eines geliebten Menschen zu akzeptieren, zeigt Anke Schubert als Annas Mutter Dorothy überzeugend. Die Hebamme, mit deren Hilfe 10 000 Babys auf die Welt gebracht worden sind, choreografiert nun Suizide. Das klingt anfangs so, als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt. Aber als sie ihre eigene Tochter loslassen soll, scheitert die verzweifelte Frau an den eigenen Ansprüchen. Ehrlich interpretiert auch Josephine Köhler die Rolle von Annas Zwillingsschwester Baby. Wie schwer der Prozess des Loslassens ist, bringt sie mit ihrem Spiel und ihrer grandiosen Stimme zum Klingen."

"Weltwärts (UA)" Trailer am Schauspiel Stuttgart