Das Ensemble als Star

25. Oktober 2011. Am Theater Vorpommern enden mit der Saison 2011/12 nicht nur die Verträge von 15 Schauspielern, sondern auch der von Schauspieldirektor Maththias Nagatis. Nagatis' Nachfolger, der designierte Intendant Dirk Löschner, hat sie sowie weitere Mitarbeiter der Dramaturgie und Ausstattung nicht verlängert.

In der Ostseezeitung schreibt Uwe Roßner nach einem Gespräch mit Nagatis, dass dieser die Kritik Löschners zurückweise, die Schauspielsparte sei zuletzt stagniert. Nach über 50 Inszenierungen in 14 Jahren, an deren Anfang eine Spartenschließung diskutiert worden war, verteidigt er die Leistung seines Ensembles: "Jeder einzelne Schauspieler konnte sich über die Jahre hinweg entwickeln. Es gab keine Stagnation."

Bewusst habe er für die Inszenierungen auch starke Gastregisseure wie Johanna Schall oder Katja Paryla ausgesucht, sagte er Roßner. "Sein Credo bezüglich der Schauspieler: Wer heute einen Hamlet spiele, der müsse morgen auch ein Tablett über die Bühne tragen können. Nagatis setzte auf das Ensemble als Ganzes und nicht auf einzelne Stars." Zumal dieses Ensemble immer wieder verjüngt worden sei, mit den anderen Sparten des Theaters Vorpommern zusammengearbeitet und sich an Kooperationsprojekten beteiligt habe.

Vor allem will Nagatis mehr Würdigung dieser Leistung: "Das Publikum hat die Schauspieler über die Jahre hinweg lieb gewonnen. Dank auch der vielfältigen Aktivitäten, mit denen die Sparte in die Stadt hineinwirkte." Dazu zähle auch, dass das Ensemble jahrelang in Schimmel und Fäulnis sowie in unterkühlten, verstaubten und schlecht beleuchteten Räumen proben musste, aber dennoch große Inszenierungen gestemmt habe. Außerdem habe es Jahre gebraucht, "das Vertrauen des Publikums auf Anrechte zurück zu gewinnen. Das festigte die Abteilung und machte sie zu dem, was sie heute ist. Das ist unsere Leistung als Ensemble."

(geka)

 

Mehr zu Matthias Nagatis? Auf nachtkritik.de wurden seine Inszenierungen von Maria Stuart und Der Widerspenstigen Zähmung besprochen.

Kommentare  
Greifswald/Stralsund: Zu viel Eifer schadet
tja, da kann ich nur sagen, nur weil was anders wird, muss es nicht besser werden. ich fand nagatis auch verdienstvoll. als regisseur auf jeden fall erwiesenermaßen erfahrener und langjähriger gut(und manchmal toll), als den puppenspieler, verwalter, intendant löschner. jedenfalls weiss ich bei nagatis mehr woran ich bin, als bei löschner. dass der 15 und mehr menschen kündigt, wirkt sehr eifrig. und schon heiner müller sagte, zu viel eifer schadet.
Greifswald/Stralsund: wie verantwortungsvoll?
Dass Löschner an seinem neuen Haus mehr als ein Dutzend Mitarbeiter nicht verlängert - geschenkt. Das gehört dazu und zeigt doch nur, dass Theater von menschen gemacht wird, also gemeinsame Erfahrungen und vertrauen wichtig sind. Natürlich ist das auch ein Risiko, vielleicht wird es schlechter, das wird man sehen. Eibe veränderung eben und keine Katastrophe.
Zu diskutieren wäre anderes: was bedeutet der Weggang Löschners für Stendal? Wie verantwortungsvoll ist Run Intendant, wenn er nach nicht einmal zwei Jahren mitteilt, dass er zum nächstgrößeren Haus wechselt? Und auch, wie sicher kann am Theater Vorpommern sein, dass Löschner, nachdem er einen personellen Schnitt durchgesetzt hat, auch bleiben will?
Greifswald/Stralsund: Verantwortung ist wichtig
Ich gebe meinem Vorredner gern Recht. Und glaube, dass die vielzitierte Stadttheaterkrise eng damit zusammenhängt, wie viel Verantwortung ein Intendant für "sein" Theater übernimmt. Herr Löscher ist m.E. ein gutes Beispiel dafür, dass persönliche Karriereplanung wichtiger ist als die Leitung und kontinuierliche Entwicklung eines übernommenen Hauses.
Greifswald/Stralsund: Aufforsten dauert
Hier äußern sich Leute, die keine Ahnung haben. Es geht hier um Menschen, die sich in Greifswald einen Lebensraum geschaffen haben, die sich engagieren, die den Weg geebnet haben, dass ein Her Löschner überhaupt Intendant werden konnte. Das sind Schauspieler, die immer wieder beweisen,was sie könne, die immer wieder neu Facetten zeigen, wegen denen man gerne ins Theater geht, um zu sehen, ob sie diese neue Rolle denn auch wirklich schaffen. Sicher muss ein neuer Intendant für frischen Wind sorgen, aber einen Hurrican mit Tsumami muss er nun gerade nicht verursachen. Er sollte erstmal sehen, was los ist, welche Vielfalt sich entwickelt hat, und nicht mit der Axt im Walde alles abholzen. Aufforsten dauert.
Greifswald/Stralsund: Chance geben!
Sehr geehrter KaHo sie irren sich. Ich weiß genau, wovon ich rede. Eine Kündigung bei Intendantenwechsel ist keine überraschende Naturkatastrophe, sie ist eine wahrscheinliche Zäsur im Berufsleben eines Schauspielers, eines Dramaturgen, eines beliebigen Künstlers am Theater.
Aber das Risiko den Job zu verlieren ist doch ohnehin groß, wir haben alle nur Zeitverträge, im Grunde sind wir in den Städten in denen wir arbeiten nur zu Besuch, mal langer mal kürzer. Trotzdem lassen wir uns auf diese Städte ein, leben dort und investieren eine ganze Menge Kraft und Herzblut. Aber trotzdem wissen alle, dass es irgendwann vorbei sein kann.
Wenn sie die zwei vorherigen Kommentare genau gelesen hätten, hätten sie gemerkt, dass es dort um verantwortung eines Intendanten geht, um dessen entsorgt für "sein" Haus und für seine Mitarbeiter. Und natürlich gehört dazu auch Fingerspitzengefühl bei Entlassungen und Einstellungen. Eventuell lässt Löschner das vermissen. Aber geben sie ihm und den neuen Kollegen auf der Bühne doch einfach eine Chance.
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