Presseschau vom 27. April 2012 - die taz über einen "neuen Akt im Drama 'Ernst Busch'"
Millionen versenken
27. April 2012. Der geplante Neubau für die Berliner Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" steht wieder auf der Kippe, berichtet Esther Slevogt in der taz.
"An dieser Summe könnte das Vorhaben nun scheitern." Denn am Dienstag habe nach Informationen der Ernst-Busch-Schule die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus signalisiert, das Vorhaben Zentralstandort aufgrund der Mehrkosten aufzugeben und stattdessen die aktuellen Standorte zu sanieren.
Bis heute seien in der Sache "Zentralstandort Ernst Busch" bereits mehrere Millionen Euro Steuergelder versenkt worden. "Der auf der Kippe stehende Plan ist der dritte Versuch seit 2005, einen Standort für Deutschlands älteste Schauspielschule zu finden, die 1905 von Max Reinhardt gegründet und 1951 als Staatliche Schauspielschule der DDR wiedereröffnet wurde."
Das Künstlerhaus Bethanien in Kreuzberg und ein Standort am Ostbahnhof seien bei der ersten Suche vor sieben Jahren schnell verworfen worden. "Dann standen lange die Pankower Garbaty-Höfe im Mittelpunkt des Interesses." 2008 habe Rot-Rot die Planungen abgebrochen. "Ein Projektentwickler klagte, der Senat musste am Ende 1,4 Millionen Euro an die brüskierten Investoren zahlen."
Für die Entwicklung des Standorts an der Chausseestraße seien inzwischen ebenfalls rund 2 Millionen Euro ausgegeben worden, allein 400.000 Euro für den Kauf des Grundstücks, auf dem der Erweiterungsbau errichtet werden soll. "Hinzu kommen die Kosten für den Architekturwettbewerb, das Architektenhonorar für den Siegerentwurf und laufende Kosten für ein Jahr Planung." Kippe diese, näherten sich die in der Sache bereits verschwendeten Gelder langsam der 4-Millionen-Euro-Grenze – "bei zurückhaltender Schätzung". Also mehr als doppelt soviel Geld, wie dem Projekt zur Realisierung jetzt noch fehlt.
Eine Reihe prominenter Absolventen hätten vergangenen Sonntag einen Aufruf an das Abgeordnetenhaus veröffentlicht, das fehlende Geld für den Bau zu bewilligen, und damit endlich eine adäquate Unterbringung der Schule zu ermöglichen, statt das Projekt zu kippen. Zu den Unterzeichnern gehörten die Schauspieler Jan Josef Liefers, Nina Hoss, Devid Striesow, Lars Eidinger und Karoline Herfurth, der scheidende Maxim-Gorki-Intendant Armin Petras sowie die Schaubühnen-Direktoren Friedrich Barner und Jürgen Schitthelm.
Gemeinsam mit Wolfgang Engler, dem Rektor der Schule, wolle Ernst-Busch-Kanzler Kai Schlegel am Donnerstagnachmittag Vertretern der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus weitere Einsparvorschläge präsentieren, die Schlegel zufolge zusammen genau die fehlende Summe ergäben. 550.000 Euro sollten bei der Studiobühne gespart werden, die nun zunächst ohne Bühnentechnik gebaut solle. Die Gestaltung der Außenanlagen (130.000 Euro) stehe ebenso auf der Streichliste wie eine Mensa, deren Errichtung mit 750.000 Euro kalkuliert sei.
(sd)
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ERSTENS.das fundament
Theater ist eine Ensemblekunst. Eine selbstbewusste Künstlerpersönlichkeit, die gemeinschaftlich kreativ sein will, kann nicht in Isolation entstehen. Im Theater zeichnet sich ein Auflösen der hierarchischen Strukturen ab. Müssen Regisseure Monarchen und Schauspieler Bühnenbeamte sein? Sind Puppenspiel und Choreographie Abseits- und Zuarbeiterdisziplinen? Wir wollen Schauspieler, die selbst Projekte initiieren können. Wir wollen Regisseure und Dramaturgen, die neue Formen der Zusammenarbeit erforschen. Wir wollen Puppenspieler und Choreographen, die zu gleichberechtigten Impulsgebern der Theaterlandschaft werden. Das lässt sich nur an EINEM Ort verwirklichen. Wir brauchen eine Akademie. Eine Akademie, die nicht nur handwerklich exzellent ausbildet, sondern – wie es in nahezu allen anderen Kunsthochschulen längst der Fall ist – ein gemeinsames Lernen und Arbeiten ermöglicht. Nur so kann die „Busch“ als hervorragende Stätte für die Ausbildung des Theaternachwuchses bestehen und ihre Studenten auf die kulturelle Wirklichkeit vorbereiten. Es ist an der Zeit, das Theater von morgen zu bauen statt die bröcklige Fassade von vorgestern zu sanieren. Eine solche Kraft können wir nur gemeinschaftlich entwickeln.
http://www.facebook.com/derbauhfs
- genug Platz für jegliches Gebäude, Lager, Open Air
- gut angebunden
- keine Grundstückskosten
- Ruhe
- kein Asbest
- Interaktion mit anderen Nutzern des Geländes (vlg. Jahrestagung der dramaturgischen Gesellschaft)
- keine weitere Yuppisierung
- günstiger Wohnraum für Studenten in unmittelbarer Nähe
- Campus/Akademie-Gegebenheiten
- keinerlei Verzögerungen/Einschränkungen durch Umgebung weil genug Raum/Abstand möglich
Praktisch sehe ich die Problematik vor allen Dingen in den gesundheitsschädigenden Mängel der einzelnen Standorte. Wollte man diese Beseitigen bräuchte man mehr Geld als die Spd vorschlagt, man müsste abreißen und neubauen. Dass das Praktikable des Spd-Vorschlages verschwiegen wird, ist für die Politik zwar nichts ungewöhnliches, aber umso empörender, wenn man die Arbeitsbedingungen der Ernst-Busch-Studenten miterlebt und die Unmöglichkeit einer Anwendbarkeit des Spd-Vorschlags unmittelbar nachvollziehen kann.
Genauso polemisch ist es von der Ernst-Busch-Schule als von einer "Kaderschmiede" zu reden. Ich war vor etwa 15 Jahren selbst dort und kann nur versichern, dass wir uns niemals als elitär empfunden haben, vielmehr von Aussen offenbar aus irgendwelchen Neidgefühlen heraus als arrogant angefeindet wurden.
Fakt ist, dass die Ernst-Busch Schule vor allem deshalb besonders gut ausbildet, weil eine sehr hohe Unterrichtsdichte herrscht, soweit ich weiss wird sonst an keiner Schule z.B. so viel Zeit in Einzelsprechunterricht investiert, meine Sprecherzieherin hat das immer "Denkerziehung" genannt. Das Geraune, an dieser Schule würden Persönlichkeiten gebrochen und tote Perfektion gezüchtet, ist vollkommen blödsinnig, was stimmt ist, dass man sehr genau, ja auch technisch genau ausgebildet wird, was einem im späteren Beruf sehr hilft und dass keine psychologischen Selbstfindungsseminare abgehalten werden, in denen tränenreich die eigene Vergangenheit nach dramatisch Verwertbarem durchstöbert wird.
Ein grosser Vorteil der Busch-Schule ist auch, dass sehr vielfältig ausgebildet wird, also auch in Regie, Choreographie und Puppenspiel. Und bisher war der rege Austausch unter den Abteilungen und Studenten zwar immer sehr beliebt, aber nur sehr bedingt möglich, weil man dafür immer durch ganz Berlin fahren musste, da die Ausbildungsstätten über die ganze Stadt verteilt waren. Das würde sich durch einen Neubau, in dem alle versammelt sind, natürlich zum positiven ändern. Und dass manch Neider fürchtet, dass die Ernst-Busch-Schule dadurch dann noch besser ausbildet, damit muss man leider rechnen. Das ist aber kein Grund, einen längst geplanten und abgesprochenen Neubau durch fadenscheinige Argumente zu kippen.
Die ewigen Neidkampagnen, wo könnte man das Geld "besser" unterbringen, gehen mir auf die Nerven. Es wird sich immer jemand finden, der das Geld gern haben möchte und es gut gebrauchen kann, aber die Buschler sind nicht mehr in der Situation sich für ihre Forderungen rechtfertigen zu müssen, das haben sie längst getan!
dass die schule einen neubau bekommen sollte, empfinde ich auch als richtig obwohl die sanierungszahlen ersteinmal auf dem tisch liegen sollte, bevor diese idee sofort wieder eingestampft wird.
"Das Geraune, an dieser Schule würden Persönlichkeiten gebrochen und tote Perfektion gezüchtet, ist vollkommen blödsinnig, was stimmt ist, dass man sehr genau, ja auch technisch genau ausgebildet wird, was einem im späteren Beruf sehr hilft und dass keine psychologischen Selbstfindungsseminare abgehalten werden, in denen tränenreich die eigene Vergangenheit nach dramatisch Verwertbarem durchstöbert wird."
Dies lässt im Umkehrschluss zu, dass wer sich mit solchen Dingen beschäftigt, keine richtige, echte Ausbildung erhält. Und dieser Umkehrschluss gehört dann auch häufig zum klassischen Verlauf vergleichender Gespräche über Schauspielschulen.
Und dieses "sonst an keiner Schule" ist schon vom Sound her sehr elitär.
Ich kann dir versichern, dass auch Schauspieler wie Armin Rhode, Joachim Krol, Karin Neuhäuser oder Karoline Eichorn recht anständige Ausbildungen erhielten.
Nichts für ungut. Wegen mir, kann die Ernst Busch ruhig einen Neubau erhalten. Ich denke nur, dass man den Begründungshaushalt hierfür ein wenig anders lagern sollte.
Ich habe nur mein Unverständnis geäussert, dass ein Neubau der Ernst-Busch Schule in diesem Forum dadurch in Frage gestellt wurde, dass deren vermeintliche Ost-Rückständigkeit und ihr"Kaderschmiede" Gehabe kritisiert wurde. Das sind Vorurteile, die sich vermutlich immer noch aus Herrn Veiels unsäglichem Dokumentarfilm "Die Spielwütigen" speisen. Es ist sicher irgendwie legitim dass ein Dokumentarfilmer seinen Film dadurch versucht aufzuwerten, dass er Verhältnisse dramatischer darstellt als sie sind! Ich hab in dem Film jedenfalls viel gelacht, denn er war so weit weg von jeder Realität, dass ich ihn nur als Satire verstehen konnte.
Egal, die Diskussion geht ja um den Neubau und eben nicht über die Meinung zur Qualität der Schule. Und: ich wünsche jeder Schauspielschule einen Neubau, wenn sie ihn braucht und ich wünsche jedem Schauspieler soviel Einzelsprecherziehung, bis er nicht mehr kann. Privilegien sind dafür da, auf alle ausgeweitet zu werden. Hat schon Joseph Beuys gesagt.
Das "Kaderschmiede"-Image (vor allem) auf die "Spielwütigen" zurückzuführen halte ich für weit überzogen. Daß es in der Schauspielausbildung schon ganz schön zur Sache geht (nicht nur an der "Busch"), ist den meisten ernstzunehmenden Bewerberinnen und Bewerbern ohnehin (recht schnell) klar, für die Anderen schadet es nicht, sich die Sache ein wenig "dramatisiert" näherbringen zu lassen; der Film hat ja auch ne Menge Charme, und ich glaube ehrlich, er hat eher noch eine Sogwirkung entfaltet. "Kleine Haie" war sicherlich netter und hatte auch Sogwirkung; dazwischen pendelt sich das in der Realität dann irgendwie ein in etwa, oder ?? Bei dem Film muß "man", glaube ich, immer wieder auch augenzwinkernd registrieren, wie gewisse Situation da überhaupt zustande gekommen sind für den Film: so richtig "Doku" ist das eigentlich auch nicht, spricht aber sensibel zB. gewisse "Vorauswahl- und Rollenfestlegungsmechanismen" an, nicht nur negativ. Wer sich Constanze Becker in der jüngsten Frankfurtsache vergegenwärtigt und dann "Die Spielwütigen" schaut, könnte schon
auch ein wenig "erschaudern": das spricht nicht gegen den Film..
Sehr lesenswert finde ich im übrigen das zum Film auch im Internet "nachschlagbare"
Presseheft, in dem ua. die SchauspielerInnen über ihre Erfahrungen mit dem Film
reflektieren. Geradezu im Gestus der "Identitätskritik" von "Nackter Wahnsinn/Was ihr wollt" in Leipzig ist zB. folgender Satz Karina Plachetkas (in Kleinschreibung) :
" umso mehr ich schauspielerin wurde, desto weniger wollte ich vor der kamera ich sein. ich wollte spielen. und ich habe es gemacht. ob du es immer gemerkt hast ?"
(Anrede ist gerichtet an Andres Veiel) : Dokumentation, nun gut: und Spiel !.