Presseschau vom 5. Juni 2012 – Zoff um Sparmaßnahmen und Besucherschwund am Düsseldorfer Schauspielhaus
Wie in der Bauernökonomie
Wie in der Bauernökonomie
Düsseldorf, 5. Juni 2012. Nicht dass jemand glaubt, allein in Köln wird kulturpolitisch gern kräftig auf das Porzellan gehauen. Jetzt zieht der alte rheinische Rivale Düsseldorf nach. Am Ende seiner ersten Spielzeit am Düsseldorfer Schauspielhaus stehen Intendant Staffan Valdemar Holm massive Kürzungen bevor, was verständlicherweise zu Frust führt. In einem Interview mit der Rheinischen Post vom Montag (4.6.2012) beziffert Holm die anstehenden Sparmaßnahmen auf 800.000 Euro. Sonderzahlungen würden gestrichen und anstehende Tariferhöhungen nicht durch die Stadt ausgeglichen. In der Konsequenz müssten am Theater in der kommenden Spielzeit Produktionen wegfallen, so Holm.
Diese Entwicklung sei bei seinem Amtsantritt nicht absehbar gewesen. Es verspüre "eine sehr große Enttäuschung". Zu den Sparzwängen im finanziell eher gut gestellten Düsseldorf sagt er: "Ich halte das für einen Wahn, das ist wie die Bauernökonomie des 18. Jahrhunderts. Man denkt, wir sind frei, weil wir schuldenfrei sind. Auf der anderen Seite werden riesige Investitionen getätigt wie in die Wehrhahnlinie, den Tausendfüßler und viele andere."
Holm steht derzeit auch wegen der geringen Auslastung seiner Spielstätten, insbesondere des Jungen Schauspielhauses, in der Kritik. Im Interview äußert er sich auch zu diesen Vorwürfen: "Alle Theater haben ein Zukunftsproblem, mehr Menschen und vor allem junge Menschen an das Haus zu binden. Diesem Problem müssen wir uns alle stellen. Wir müssen die Menschen in einer digital vernetzen Welt für das Live-Erlebnis im Theater stimulieren." Die Auslastung an seinem Haus liege in einer Größenordnung, wie sie das "hochgelobte Thalia Theater Hamburg" mit 73 Prozent vorweise.
Vehement wehrt sich Holm gegen den Quotendruck: "Mein Job hier ist es, dieses Theater zu verteidigen, mir geht es um Qualität, Standard und Entwicklung. Wenn es nur um Auslastung geht, dann muss man einen anderen dummen Schweden anrufen." Als Rücktrittsdrohung will Holm diese Aussage allerdings nicht verstanden wissen.
In der Düsseldorfer Stadtpolitik sorgte das Interview für gehörige Verstimmung, wie die Rheinische Post heute (5.6.2012) berichtet: Kulturdezernent Hans-Georg Lohe bezeichnet Holms Kritik als "mehr als überflüssig und auch falsch". Der Wegfall der jährlichen Sonderzahlungen in Höhe von 350.000 Euro sei lange bekannt gewesen; die anstehenden Tariferhöhungen von 3,5 Prozent müsse das Theater keineswegs allein schultern, sondern im Verbund mit Land und Stadt (die 2 Prozent davon übernehmen würden). Die restlichen etwa 300 000 Euro könne das Theater aufbringen, indem es seine Auslastung verbessere, wieder Geld für die Garderobe nehme und eine Rücklage von 146 000 Euro einbringe, habe Lohe auf einer Pressekonferenz erklärt.
(Rheinische Post / chr)
Wir halten Sie auf dem Laufenden
Wir sichten täglich, was in Zeitungen, Onlinemedien, Pressemitteilungen und auf Social Media zum Theater erscheint, wählen aus, recherchieren nach und fassen zusammen. Unterstützen Sie unsere Arbeit mit Ihrem finanziellen Beitrag.
mehr medienschauen
meldungen >
- 06. Mai 2024 Bochum: Sabine Reich leitet ab 2025 das Prinz-Regent-Theater
- 06. Mai 2024 Wiener Festwochen: Kritik an Rede an Europa
- 05. Mai 2024 Heidelberger Stückemarkt: Autor*innenpreis 2024 vergeben
- 04. Mai 2024 Deutsche Filmpreise für "Sterben" und Corinna Harfouch
- 04. Mai 2024 Russland: Theaterkünstlerinnen weiter in Untersuchungshaft
- 03. Mai 2024 12. Festival Politik im Freien Theater läuft 2025 in Leipzig
- 03. Mai 2024 Kleist-Preis 2024 für Sasha Marianna Salzmann
- 03. Mai 2024 Wiener Theatermacher Karl Schuster gestorben
neueste kommentare >
-
Wasserschäden durch Brandschutz Sehr kurze Antwort
-
Kolumne Hussein Glaub-Würdigung
-
Heidelberger Stückemarkt Halbiert
-
Kolumne Hussein Ein klarer Geist
-
Leser*innenkritik Hamlet, Hamburg
-
Heidelberger Stückemarkt Geschichte wiederholt sich
-
Wasserschäden durch Brandschutz Völliges Rätsel
-
Duo für Theater des Westens Musical nach bewährtem Rezept
-
RCE, Berlin Kritikenrundschau
-
State of Affairs, Hamburg Langweilig
nachtkritikcharts
dertheaterpodcast
nachtkritikvorschau
Ich weiß nicht genau, worauf Sie sich mit Ihren Einwänden beziehen, vielleicht machen Sie das noch anschaulicher.
Ich fand es genau umgekehrt: mit Ausnahme des wirklich scheußlichen Flops "Medea" habe ich da nur Inszenierungen gesehen, die mit Sicherheit nicht alle gut waren, aber doch immerhin, den ein oder anderen interessanten Ansatz oder zumindest irgendwas, mit dem zu beschäftigen sich lohnt.
Am Gründgens-Platz dagegen jagte doch ein Desaster das nächste, da gab es doch kaum einen Abend, der nicht in die Hose gegangen ist: lahmes Rumstehtheater hier, gelangweiltes Textaufsagen da, desinteressierte Schauspieler und Regisseure wohin man schaut.
Das sind keine "Migranten" die man degradieren muss, sondern ganz normale DEUTSCHE!
Wegen Leuten wie ihnen bleibt das Theater in Deutschland ca. 1000000 Jahre zurück.... Ignoranz hat sich noch nie bezahlt gemacht.... Und Hass noch weniger....
Denken sie mal drüber nach. Oder besser bleiben sie dem Theater in Zukunft fern, bis sie sich auf Menschen einlassen können!
Die Formulierung ist doch im besten Sinne launig, liebe Kira.
Gewiß wollte Herr Holm weder damit andeuten, daß er sich selbst als
"dummen Schweden" versteht, noch, daß überhaupt nur ein (dummer) Schwede für diesen Job in Frage kommt (so wie die Römer ihre griechischen Hauslehrer hatten oder so, also weil in etwa andere als Schweden es garnicht (mehr) verstehen oder anders (!) nur die Schweden meist so schön blauäugig sind) -wie es immerhin auch, falsch wohl, verstanden
werden könnte-); auch wird er nicht versuchen, seinen "Migrationshintergrund" als Joker auszuspielen (kann man das ??). Bei "Schweden" denkt der Theatergänger hierzulande meist reflexartig an August Strindberg, und bei August an den "dummen August", einen anderen August also: das ist schon nahe am "dummen Schweden" dran. Hier in Kiel gibt es ja viele Schweden (siehe Stena-Line), ohne diese wäre jenes (Handball) THW-Triple und das legendäre 68:o desweiteren kaum denkbar,
und ich stehe ganz bestimmt nicht auf "Ausländer raus"-Rufe; als ein Betrunkener auf einem Kieler Innenstadtsflohmarkt aber einmal rief "Schweden raus, Schweden raus", mußte ich irgendwie an Polleschs "weiße Hete" denken und schmunzeln; auch dürfte der Mann kein Fall für den Verfassungsschutz geworden sein und/oder ernsthaft einen des Deutschen kundigen Schweden verletzt haben.
"Ein anderer dummer Schwede", das ist jetzt natürlich nicht (unbedingt) die Formulierung eines Betrunkenen, aber verschroben genug, um eine grundsätzliche Haltung dahinter anzudeuten, die zunächst "Verhandlungsgeschick" nicht nötig hat, wo die Ansprache vom Gegenüber keineswegs diejenige dessen ist, der 1:1 in etwa und auf Augenhöhe überhaupt verhandelt/verhandeln will: so habe ich das letztlich verstanden..
neben der irritation über ihren geschmacklosen usernamen, stellt sich die frage ob sie nicht ein wenig über das ziel hinausschießen, wenn sie haß unterstellen, wo es vielleicht um ästhetische auseinandersetzungen hinsichtlich relevanz geht. leider läßt der überschäumende ton ihrer mail nicht darauf schließen, dass es möglich ist diese auseinandersetzung mit ihnen zu führen. menschenverachtung o. Ä. zu unterstellen erscheint mir auch bedenklich hinsichtlich der administration dieses forums. PS ich freue mich über jeden menschen auf der bühne in jeder erscheinung. alles andere mir zu unterstellen ist unverschämt. meine arbeit in multinationalen ensembles in mehreren ländern möchte ich hier nur ein mal nennen, um die dummheit und gefährlichkeit von derartigen vorverurteilungen zu unterstreichen.