Presseschau von 2. Januar 2016 – Die Schriftstellerin Sibylle Berg über den Terroranschlag am Neujahrstag in Tel Aviv, den sie als Augenzeugin erlebte
Wir alle, die nicht morden, sind betroffen
Wir alle, die nicht morden, sind betroffen
2. Januar 2016. "Es ist Freitag der erste Januar, ich sitze in der Wohnung, versuche ein Drehbuch zu schreiben, es ist Nachmittag, ich habe keine Lust auf den Familienbesuch, auf noch mehr Essen, und draußen gehen Böller los," schreibt Sibylle Berg in der Tageszeitung Die Welt. Sie hält sich zur Zeit in Tel Aviv auf, wo am Neujahrstag in einem Restaurant ein Mann zwei Menschen erschoß und mehrere schwer verletzte. Gestern twitterte sie bereits darüber.
"Moment mal denke ich – Böller zu Silvester gibt es nicht in Israel. Zu nervös die Menschen, zu angespannt die Situation. Die Böllerserie endet nicht. Ich gehe auf den Balkon. Schreiende Menschen kommen auf der Straße in meine Richtung gelaufen. Kinder weinen. Sie ducken sich, sie flüchten in Hauseingänge. (...) Das war das Magazin einer automatischen Waffe, die da leergeschossen wurde. Zwanzig Meter von meiner Wohnung entfernt."
"Wir sind betroffen. Wir alle, die nicht morden, sind betroffen, denn unser kurzes Leben ist von einer neuen, realistischen Angst bedroht. Der Angst um unsere Familien. Unsere Liebsten. Der Angst, dass die Welt wohl doch nicht der freundliche Ort ist, den wir uns früher erträumt haben."
(sle)
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