Elfriede Jelinek

von Teresa Präauer

Erwähnungen von Elfriede Jelinek auf nachtkritik.de bisher: 343 Mal

20. Oktober 2016. Es brennt uns unter den Nägeln, wir sitzen seit Tagen auf Nadeln, es juckt und kitzelt uns vor Aufregung und Vorfreude: wir wollen Elfriede Jelinek zum 70. Geburtstag gratulieren!

kolumne 2p praeauerWir wollen es als Redaktion tun, einmal als Kollektiv agieren!, und wir haben unsere Autorin vorgeschickt, die sich als der größte unter den Fans zu erkennen gegeben hat (wer bietet mehr?), es wird also auch Fan-Post werden, die wir hier aus Anlass des Geburtstages an Elfriede Jelinek schicken möchten. Wir wissen nicht, ob sie feiert und wo und wie, aber wir wollen sie feiern, weil wir damit uns selbst Mut zusprechen oder so etwas, wir sagen uns: Wenn es Jelinek gibt, dann kann es uns auch geben, dann kann es zum Beispiel die Literatur geben, die von ihrer Autorin als Textwurst benannt wird, sie füllt sie und bindet sie ab, da und dort und dann und wann. Das passt nicht allen, selbst der Redaktion passt es nicht, sie fügen gerne Zwischentitel in Texte ein (nicht in Jelinek-Texte!) der Lesbarkeit wegen, aber mit Jelinek dürfen wir heut drauf scheißen, wir schreiben eine Textwurst als Hommage zum Geburtstag! Jelinek: das ist die junge Autorin im knappen Sixties-Kleid, wie sie als Foto lange im Salzburger Literaturhaus gehangen ist, gestanden vielmehr, und das ist die ältere Autorin in Yamamoto oder so, verschränkte Arme und eine Pullman-Mütze, Zöpfe und langes Kleid oder Kaftan, das sind die Postkarten, die wir von ihr gesehen haben. Im Bubble Chair von Eero Aarnio, mit der Tolle über der Stirn, mit kurzem Haar (ah, ich verrenne mich im Frisurenthema, kann mal jemand mit Vektorgrafiken ein animated GIF dazu produzieren wie für David Bowie?). Sie ist das Image, das Bild, sie ist der Text, den man aber auch immer gern dabeihat, wie Kollege Schmalz gesagt hat jüngst in der Presse, ja, so sehe ich das auch, Jelinek muss man dabeihaben, da führt auch nix dran vorbei. Wie dabeihaben? Zum Beispiel auf einem iPad (ah, ich brauch auch ein iPad, das werd ich mir zu meinem eigenen Geburtstag von der Redaktion schenken lassen, dafür, dass sie die Textwürste so gern abbindet, aber man muss ihnen auch dankbar sein, wer macht diese Arbeit nämlich sonst für wenig Geld und nur mittelmäßig viel Ruhm. Die Redaktion ist die Fleischhauerei, wo die Därme gelagert sind, die es zu füllen gilt, und wo man das Fleisch ausbluten lassen kann und aufhängen. So, abbinden.) Jelinek, das ist die Homepage http://www.elfriedejelinek.com, die wie ein kostenloser Service fürs iPad Textwürste frei Haus liefert, ich lese sie sehr oft oder gucke nur rein, wie die Deutschen sagen, gucke ziemlich gern rein, es gibt wirklich einen Button dort, der sich Aktuelles nennt, und dort findet man dann die Textwürste, die aktuell gepresst worden sind. Zur Bedeutung der Kornblume und zu Asli Erdogan in den letzten Tagen, auch Wut und die Schutzbefohlenen. Alles im Netz, alles Freeware to share. Wer tut das, welcher Autor, der 70 Jahre alt ist, tut so etwas? Jelinek ist einfach jung im Schädel, das sag ich euch, und auch daher muss man ihr zum 70er gratulieren, weil das glaubt man ihr sonst gar nicht, wenn man beim Nestroy-Preis die alten Männer meckern hört, dass das Theater nimma das ist, was es einmal gewesen ist. Ja, sorry. Wir denken an ihre Arbeit mit Christoph Schlingensief, wir denken daran, dass sie angeblich zu Stemann gesagt haben soll: Sie können meine Texte verwenden, sie können mich als Autorin verulken oder so ähnlich. Jelinek ist die überlebensgroße Jelinek-Puppe und die kleine Jelinek-Handpuppe, aber sie ist auch ganz unpuppenhaft, nämlich sehr wach und beweglich in ihren Texten, ich sag nur: Button Aktuelles. Dabei komplex, ich habe grad wir sind lockvögel baby! neben mir auf dem Schreibtisch liegen und frage mich, wie um alles in der Welt konnte es mit der Lesefähigkeit so bergab gehen innerhalb weniger Jahrzehnte, die Kritikerkritikerkritiker würden jammern oder kapitulieren, würden sie ein derart gesetztes und geschriebenes Buch heute in ihren Sendungen besprechen müssen. Zum Beispiel auf Seite 104 der Taschenbuchausgabe: ein megalanges aaaaaaaaaaaaaaaaaaaa…ah! Das darf man heut alles nicht, aber man muss es natürlich trotzdem machen, aaah, wie beim Zahnarzt. Woran denke ich noch? Mir geraten die Jelinek-Bilder durcheinander, ja, die junge, wie sie im Radio spricht mit Anfang 20 (alles dokumentiert!): so verdammt genau, klug und selbstbewusst-analytisch. Was noch? Ihre Filme und die Filme zu ihren Büchern. Ich sitze im Filmcasino um 10 Uhr morgens, eine strenge Dame führt in den Film ein, führt uns sowas von ein, erzählt nach und interpretiert vor. Der Regisseur Novotny macht das Gegenteil, einen guten Film, die Ausgesperrten aus 1982, und ein paar recht joviale Worte über die Zusammenarbeit. Wie sehr passt das alles eben gar nicht zu ihrer Arbeit, Jelinek ist viel witziger, ironischer und vieldeutiger als die strenge Einführdame (die sublimierte Lust wird dargestellt durch das Klavierspiel der Figur Anna) und sie ist viel genauer, klüger und intellektueller als der Herr Regisseur (entschuldige, Herr Regisseur, dein Film ist aber wirklich lässig!! Empfehlung von meiner Seite, die Redaktion schließt sich sicher an). Was noch, Jelinek? Ist das eigentlich noch ein Geburtstagsgruß, wenn ich hier meine Jelinek-Rezeption aufzähle? Liest sie nachtkritik.de? Ich könnte mir vorstellen, sie liest es manchmal heimlich. Also nicht heimlich, weil es gibt ja nichts daran zu verheimlichen, Lesen ist ja eine Tätigkeit, die man noch immer mit und für sich macht (es bedarf keiner öffentlichen Kommentarfunktion Wut), auch wenn, wie Stemann sagt, es ihm helfe, Jelinek-Texte öffentlich mit verteilten Rollen zu lesen, was verständlich ist und leseverständnisfördernd. Woran denke ich noch? Ich denke an ihre Zusammenarbeit und ihre Freundschaft mit der Wiener Autorin Elfriede Gerstl, manchmal sagen Katharina und ich, wir gehen wie die Gerstl und die Jelinek mit Hut und Brosche ins Café Korb und trinken einen Kaffee oder ein Achtel Rot und so machen wir das dann auch (touristische Empfehlung hier). Und in die Parfümerie am Graben! Da denk ich, was liest eigentlich Elfriede Jelinek, wenn sie nicht im Hoodie vor ihrem Computer sitzt und nachtkritik.de liest oder nicht liest? Was glaube ich zu wissen: sie sei eine Vielleserin, lese Thriller, liest überhaupt, was es zu entdecken gibt. 1998 bei den Festspielen, Dichter zu Gast: ausgewählt von Jelinek und eingeladen sind zum Beispiel Wolf Haas oder Brigitta Falkner, die Dichterin mit den Palindromen und den Comics. Oder ich denke an ihre Zusammenarbeit mit der Komponistin Olga Neuwirth, da haben wir sie wieder: auch bei ihr die Liebe zum Film, Kunst, Mode, Comics. Ha! Wenn das nicht Kraft gibt, das alles aufzuzählen und daran zu denken! Wenn das nicht ein herrlicher runder Geburtstag ist, wenn das nicht mehr ist als die oft zitierten lahmen Labels zwischen "Nestbeschmutzerin" und "Nobelpreistägerin"?! Ha, ich glaube schon. Liebe Elfriede Jelinek, wir wünschen alles Gute zum Geburtstag! Und dass Ihnen jemand einen Hoodie vorbeibringt, wie ihn Cara Delevingne mal getragen hat. Mit Salami-Print. So in etwa: https://de.aliexpress.com/item/2016-Unisex-Harajuku-Sweatshirt-Hoodies-3D-Print-Sausage-Cheese-Pizza-Hip-Hop-Loose-Coats-Casual-Sweatshirt/32564641876.html

Ihre

Teresa Präauer mit nachtkritik.de

 

Teresa Präauer ist Autorin und Zeichnerin in Wien. Sie schreibt regelmäßig für Zeitungen und Magazine zu Theater, Kunst, Literatur, Mode und Pop. Ihre Bücher erscheinen im Wallstein Verlag, als Taschenbücher bei S. Fischer, und wurden vielfach ausgezeichnet. Zuletzt erschien der Künstlerroman "Johnny und Jean", nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse 2015. In ihrer Kolumne "Zeug & Stücke" denkt sie über die Einzelteile nach, aus denen Theater sich zusammensetzt.

 

Zuletzt schwärmte Teresa Präauer in ihrer Kolumne "Zeug & Stücke" von Toni Erdmann.

 

mehr Kolumnen

images/stories/kolumne/NAC_Illu_Kolumne_ElBira_2x2.png
images/stories/kolumne/AktuelleVisuals2024/24_NAC_kolumnen_einzel_seidel_2x2.png#joomlaImage://local-images/stories/kolumne/AktuelleVisuals2024/24_NAC_kolumnen_einzel_seidel_2x2.png?width=486&height=486
images/stories/kolumne/NAC_Illu_Kolumne_ElBira_2x2.png
images/stories/kolumne/visuals_2023/23_NAC_kolumnen_einzel_hussein_2x2.png
images/stories/kolumne/visuals_2023/23_NAC_kolumnen_einzel_hussein_2x2.png
Kommentare  
Kolumne Jelinek: schade
Seltsam, dass eine Autorin (T.P.) so wenig über eine andere Autorin (E.J.) - und also über deren Texte - zu sagen hat. E.J.s Images kennen wir zur Genüge aus den Medien. Da wär es spannender, wenn T.P. auch einmal die Texte von E.J. liest und uns etwas davon erzählt.
Kolumne Jelinek: aaaaaaaaaaaaaa
Hat doch Frau Pränauer gemacht! Sie hat erzählt, dass Jelineks "Liebhaberinnen" auf ihrem Nachtkästchen liegen. Worin sie auf Seite 104 beispielsweise ein langes "aaaaaaaaaaaaa..." usw. gefunden hätte. Und sie hat erzählt, dass das heute bei keinem Verlag mehr durchginge und ein solches wie zit. s.o. heute allerallerhöchstens bei aller Toleranz eines Lektors, der nicht aus dem Verlag als geschäftsschädigendes Subjekt fliegen will, es noch auf eine "aaah" brächte. Keinesfalls mehr. Oder auch andere, eher unbekannte Sprachvorkommnisse, die nicht aus z.B. Twitterkommentaren zusammengestellt worden sind - Was sie nicht erzählt hat: dass das v o r den Verlagen heute schon die Agenturen entscheiden, was einem Lekrorat in einem vom Buchhdandel gut beratenen Verlag (dessen, also des Lektors, Existenz gefährdend) als zur Veröffentlichung angetragen zugemutet werden kann. Ich bin vollkommen sicher, sie hat das u.a. nicht getan, weil sie gerade das Glück hatte, in einem Verlag mit einem Roman veröffentlicht zu werden. Von irgendwem las man neulich auf Twitter, Elfriede Jelinek sei sein Dissertationsthema gewesen - Naja - wohl eher die Arbeit, also so die literarische, von ihr. Vielleicht kann dieser Dr. phil. ja zur Gratulation Auszüge aus seinem Thema hier unterbringen. Die Redaktion kann ja zur Not neue Zwischentitel machen oder den Kommentarraum für ihn erweitern, weil die Auszüge schließlich ein GESCHENK sein sollten ... Und dann damit ehrwürdiger von dieser Stelle zum Geburtstag gratulieren. So, wie es so ein Ausbund an literarischem Fleiß, empathiegetriebenen Denkens und zuweilen schamhaften Irrens nach so langen Jahren unermüdlichen Schaffens verdient hat: Alles Gute, liebe Elfriede Jelinek! Möge Ihnen die Fähigkeit erhalten bleiben, sich durch nichts und niemanden lange die Sprache verschlagen zu lassen!
Kolumne Jelinek: Ressentiments
Seltsam, was so eine kleine Anregung zur Lektüre und zur Beschäftigung mit E.J.s Texten an Ressentiments gegenüber Analyse provoziert. Und dabei sind diese Texte doch das, was E.J. im Eigentlichen ausmacht.
Kommentar schreiben