Kolumne: Als ob! – Was vom Theaterjahr 2024 zu erwarten ist
Wetten, dass ...?
9. Januar 2024. Noch liegt das neue Jahr frisch und offen vor uns. Was bringt es fürs und im Theater? Ein paar Prognosen, die so oder so ähnlich gewiss eintreffen werden.
Von Michael Wolf
9. Januar 2024.
Januar
Uwe Eric Laufenberg kündigt an, nach Ende seiner Intendanz am Staatstheater Wiesbaden eine Zeitung zu gründen. Ihr Name: "Der Hessische Landbote". Primäres Ziel der Zeitung sei der Kampf gegen einen Missbrauch von Freiheit, insbesondere der Pressefreiheit.
Februar
Auf der Website petition.org veröffentlicht ein Künstlerkollektiv einen Offenen Brief. Die Initiatoren bleiben anonym, ein Adressat ist nicht angegeben, ein Thema nicht erkenntlich. Die Debatte tobt!
März
René Pollesch verstärkt sein Leitungsteam. Die posthumanistische Theoretikerin Donna Haraway übernimmt für ein Jahr die Leitung der Spielstätte Prater. Ihr Plan sieht vor, die im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg gelegene Halle mit Erde und Unkraut zu versehen und ein Jahr lang verwildern zu lassen. Der Titel der Spielzeit: "Ohne Moos nichts los."
April
Wegen eines Streiks der Deutschen Bahn strandet Regisseur Milo Rau überraschend in Köln. Bei einem Besuch des Doms besetzt er spontan den Zugang zum Dreikönigsschrein und fordert die Freigabe der dort liegenden Gebeine der drei Weisen, denn: "Was wollen die drei Herren aus dem Morgenland dort?" Kritiker werfen Rau "Othering" vor.
Mai
Sibylle Berg wird ins Europäische Parlament gewählt. In ihrer ersten Rede fordert sie dessen Verlegung in ihre Heimatstadt Zürich. Auf den Einwand, die Schweiz sei nicht einmal Teil der EU, entgegnet Berg: "L'État, c'est moi!"
Juni
Zahlreiche Kulturakteure distanzieren sich in einer öffentlichen Stellungnahme von der Zurücknahme ihrer Unterschriften unter dem Offenen Brief des anonymen Künstlerkollektivs. "Sollten wir mit unserem Verhalten andere verletzt haben, möchten wir uns dafür entschuldigen."
Juli/August
Durch ein Datenleck auf dem Server von nachtkritik.de sind für mehrere Stunden die Klarnamen hinter den in den Kommentarthreads verwendeten Pseudonymen sichtbar. Der Vorfall führt zu großer Aufregung im Theaterbetrieb. Im Laufe der Sommerferien werden zahlreiche Verträge annulliert und Arbeitsbeziehungen aufgekündigt.
September
Der Choreograph Marco Goecke, inzwischen Kolumnist des "Hessischen Landboten", nimmt in der Debatte um die Rücknahme der Unterschriften unter dem Offenen Brief der anonymen Künstlergruppe Stellung: "Ich bin menschlich enttäuscht."
Oktober
Florentina Holzinger bespielt die Berliner Max-Schmeling-Halle mit einer Theater-Version der beliebten TV-Show "Wetten, dass …". Höhepunkt dieser "Stuntshow für die ganze Familie“ ist der Auftritt einer nackten Artistin, die wettet, sie könne sich – mit einem Bein auf einem Slalom fahrenden Gabelstapler balancierend – selbst einen Anker in die Magenwand tätowieren.
November
Der Dramatiker und Intendant John von Düffel kündigt an, die Debatte um den Offenen Brief des anonymen Künstlerkollektivs, inzwischen als "Die-Offene-Brief-Debatte" bezeichnet, als Drama zu adaptieren. "Es ist Zeit, zu den großen Fragen des Lebens zurückzukehren."
Dezember
Frank Castorf wiederum kehrt an die Berliner Volksbühne zurück. An alter Wirkungsstätte inszeniert er die Weihnachtsgeschichte: mit Sophie Rois als Maria, Martin Wuttke als Josef, Marc Hosemann als Jesuskind und Kathrin Angerer als Weihnachtsstern.
Kolumne: Als ob!
Michael Wolf
Michael Wolf hat Medienwissenschaft und Literarisches Schreiben in Potsdam, Hildesheim und Wien studiert. Er ist freier Literatur- und Theaterkritiker und gehört seit 2016 der Redaktion von nachtkritik.de an.
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