Medienschau: Der Tagesspiegel – Das drohende Zerbrechen des Kulturbetriebs

Drohende Diskreditierung

Drohende Diskreditierung

19. November 2023. In einem Gastbeitrag trägt der Kunstwissenschafler Wolfgang Ullrich im Berliner Tagesspiegel (hinter Paywall) seine Befürchtung vor, der Kunstbetrieb könne unter dem gegenwärtigen Bekenntnisdruck zerbrechen.

Mit ihrem traditionellen Anliegen, jeweils die Opfer zu unterstützen, haben sich die Institutionen des Kulturbetriebs aus Ullrichs Sicht (€) angesichts des Nahost-Konflikts in eine nahezu aussichtslose Rolle gebracht. "Künstler und Intellektuelle", die er bisher immer für die selben Ziele eintreten sah, "die dieselben Petitionen unterstützten und geneinsame Projekte machten", fänden sich nun plötzlich auf entgegengesetzten Seiten wieder. Die hier entstandenen Verletzungen und Brüche scheinen Ullrich zunehmend irreversibel, die daraus für ihn resultierende Verdachtskultur für den Betrieb insgesamt zunehmend bedrohlich. Denn speziell revisionistische Kräfte erhielten hier nun ein Instrument für die Durchsetzung ihrer fremden-, queer-, frauenfeindlichen und anderer rechter Agenden. 

Schon jetzt ist für Ullrich absehbar, das vieles künftig nicht mehr stattfinden kann und die Globalisierung des Kulturbetriebs teilweise rückgängig gemacht werden wird. Bisher ungehörte Stimmen blieben auf diesem Weg weiterhin ungehört. "Vielleicht wird man sogar insgesamt unpolitischere Programme machen, um nicht so viele Angriffsflächen zu bieten."

Doch wenn die Gegner der auf Inklusion und Minderheitenrechte zielenden Projekte erst einmal merkten, "dass ihre Diskreditierungskampagnen Erfolge zeitigen, werden sie nur noch lauter agitieren", so Ullrichs Befürchung. "Dass gerade der Antisemitismus aktuell zu einer rassistischen und minderheitenfeindlichen Agenda genutzt wird, mit der statt das Recht der Schwachen das Recht des Stärkeren durchgesetzt wird", macht Ullrich fassungslos.

(Der Tagesspiegel / sle)

Mehr dazu: Wolfgang Ullrich ist u.a. Autor des Buchs "Die Kunst nach dem Ende ihrer Autonomie", das auf nachtkritik.de Janis El-Bira besprochen hat

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