Medienschau: Die Welt – Interview mit Ersan Mondtag zu seiner Mitwirkung an der Kunstbiennale in Venedig

Nicht nur die Nazis

Nicht nur die Nazis

4. Februar 2024. In der Welt interviewt Manuel Brug den Regisseur Ersan Mondtag, der zusammen mit der israelischen Künstlerin Yael Bartana den deutschen Pavillon bei der diesjährigen Kunstbiennale in Venedig gestalten wird.

"Ich bin zwar deutscher Staatsbürger, aber im deutschen Pavillon bin ich nur Künstler, der ihn bespielt. Basta", sagt Mondtag. Für ihn sei der Deutsche Pavillon, die ganze deutsche Geschichte bis heute, "nicht nur die Nazis. Meine Arbeit wird darauf unbedingt und sehr bewusst Bezug nehmen."

Er spricht sich außerdem gegen "die Boykottaufrufe, das Gegeneinander in der Kunstszene" aus. "Kunst ist dafür da, dass man sich begegnet." "Kunst, Kunstfreiheit, die Gegenwart mit ihren Diskursen, sie muss sich bei uns wiederfinden. Aber eben nicht unbedingt auf aktivistische Art. Wir haben in der bisherigen Vorbereitung unsere Integrität bewahrt, keine Relevanzdebatten angezettelt", sagt er zu seiner Zusammenarbeit mit Yael Bartana und den anderen vier Künstler*innen im Biennale-Team.

"Ich komme von der Bühne, aber Yaels installative Räume sind in gewisser Weise auch theatralisch, das ist unsere Schnittstelle. Unsere bisherige Praxis setzt sich in der Arbeit für den Pavillon fort, bei mir sind zum Beispiel auch performative Elemente inkludiert. (...) "Unser 'Schwellen'-Projekt will die Geschichte des Gebäudes wieder neu überschreiben, im besten Fall ihr etwas hinzufügen."

(Die Welt / sd)

Kommentare  
Medienschau Biennale Venedig: Nur zur Hälfte
In Fernseh- und Rundfunkbeiträgen, sowie in Zeitungsartikeln wurde die performative Installation von Ersan Mondtag sehr positiv besprochen. Zur Zeit ist jedoch nur der materielle Teil zu sehen. Nach Aussage der am (Seiten-) Eingang des Pavillons sitzende Biennale-Mitarbeiterin war der performative Teil nur bis Ende Juni zu sehen.

Deshalb ist jetzt nur noch eine leblose Hülle zu sehen? Wenn jemand nicht deutsch spricht oder türkischsprachige Dokumente nicht entziffern kann, ist wohl der ganze Aufbau nicht nachvollziehbar. Was bedeuten die Brechtbücher in der ersten Etage?

Warum lässt sich der Regisseur darauf ein, dass seine Idee (wohl eine Hommage an seinen Opa Aygün) nach ein paar Wochen nicht mehr umgesetzt wird? Weil die Kritiker längst weg sind? Finanziell es nicht länger machbar war? Den Akteueren eine tägliche oder täglich mehrmalige bis November dauernde „Auftritt(e)“ nicht zumutbar gewesen ist (sind)? Oder ist es nur eine Ist-mir-doch-egal Haltung?
Werden wir wohl nie wissen … was Schade ist.
Medienschau Biennale Venedig: Übliche Praxis
Hallo „Pfeffer“, das ist doch eine übliche Praxis in der Bildenden Kunst, dass performative Arbeiten nicht für die komplette Dauer der Ausstellung in Live-Präsenz gezeigt werden und bloß eine „leblose Hülle“ bleibt bzw. eine Dokumentation. Die Institutionen sind eben (auch finanziell) nicht ausgelegt auf Repertoire- bzw. Ensuite-Betrieb. Mit Sicherheit wird es darüber aber Gespräche seitens des Regieteams gegeben haben. Die Antworten auf deine / Ihre Fragen werden aber eher in den unterschiedlichen Betriebsstrukturen von Theater / Bildender Kunst liegen und nicht in den persönlichen Motivationen der einzelnen Akteur*innen.
Medienschau Biennale Venedig: Dank, trotzdem schade
#2: Vielen Dank für Ihre Erläuterung. Dass diese Praxis üblich ist, wusste ich nicht. Meine Erwartung im Rahmen dieser Biennale war wohl zu naiv. Und ich finde auf der Internet-Seite der Biennale nicht, bis wann die Performer auftreten / aufgetreten sind oder dass sie gar nicht mehr auftreten … aber dort steht ja auch lediglich von einem „space“ … alles „abgesichert“ …
Es ist letztlich die Entscheidung von Herrn Mondtag, die Bedingungen zu akzeptieren oder nicht. Eben das ist schade.
Kommentar schreiben