Medienschau: Diverse – Streit um Besetzungspolitik am Zürcher Theater Neumarkt

Nach den Regeln der Hisbollah?

Nach den Regeln der Hisbollah?

12. Dezember 2023. Über einen Konflikt um die Besetzungspolitik am Zürcher Theater Neumarkt berichten diverse Schweizer Medien.

Der aus Israel stammende Schauspieler Yan Balistoy hat in einem offenen Brief an die jüdische Gemeinde dem Theater vorgeworfen, ihn aufgrund seiner Herkunft gezielt aus Stücken herauszulassen: "Seit August 2021 werde ich nur bei der Hälfte aller Stücke besetzt, weil ich Israeli bin", zitieren Isabel Heusser und Tobias Marti in ihrem Bericht für die NZZ aus der Stellungnahme. Grund dafür sei eine libanesische Kollegin, die um ihre Sicherheit fürchte, wenn ihre Zusammenarbeit mit einem Israeli öffentlich werde, heißt es in dem NZZ-Artikel weiter. Für Balistoy bedeutet diese Praxis den "Einbau eines 'anti-Israelischen Boykott der Hisbollah in die Arbeitsstrukturen am Theater Neumarkt'", so die NZZ.

Das Theater Neumarkt weist gegenüber der Zeitung die Vorwürfe zurück und unterstreicht, dass man "ein Haus der Vielheit und Offenheit" sei, an dem "'anti-israelisches und anti-jüdisches Gedankengut' keinen Platz hätten". Um dem Verdacht auf antisemitische Diskriminierung entgegenzutreten, hebt das Theater der NZZ zufolge "zahlreiche Kollaborationen mit israelischen wie jüdischen Künstlerinnen und Künstlern" hervor. Die umstrittenen Besetzungsfragen seien aktuell Gegenstand eines Arbeitsrechtsprozesses, den Balistoy angestrebt habe.

In einer Facebook-Stellungnahme unter dem Titel "Antwort eines jüdischen Mitarbeiters" erwähnt Hausdramaturg Eneas Nikolai Prawdzic vom Neumarkt das libanesische Gesetz, das "es Libanesen verbiete, mit Israeli zusammenzuarbeiten". Das stelle das Theater vor ein "Dilemma". Man habe, um Yan ins Ensemble aufzunehmen, in Absprache mit allen Beteiligten entschieden, die schon vorher im Ensemble engagierte libanesische Schauspielerin nicht in denselben Stücken einzusetzen wie ihren israelischen Ensemble-Kollegen. "Die Leitung, die in der Fürsorgepflicht für alle Mitarbeitenden stehe, sei bemüht gewesen, niemanden zu benachteiligen", schreibt Prawdzicic in seiner Stellungnahme, die auch die NZZ zitiert.

Kommentare

Die NZZ beschließt ihren Bericht mit offenen Fragen: "Geht es um einen rein arbeitsrechtlichen Konflikt? Lassen sich Balistoys Vorwürfe erhärten oder entkräften? Warum kümmert sich eine Schweizer Theaterführung um ein libanesisches Gesetz? Klar ist: In einem Theater, das aus lediglich sieben Ensemble-Mitgliedern besteht, dürfte es schwer sein, diesem Konflikt aus dem Weg zu gehen."

Im St. Galler Tagblatt kommentiert Julia Stephan: "Sollte er sich bewahrheiten, wäre das der Beweis, dass die vielen rhetorischen Stolperer, die man in öffentlichen Briefen linker Kulturschaffender irritiert zur Kenntnis nahm, alles andere als harmlos sind." So schreibt Stephan mit Verweis auf einen von 8000 Kulturschaffenden unterschriebenen Offenen Brief in der US-Zeitschrift "Artforum", der Israel "Genozid" vorwirft: "Wer sich in seiner Bubble aber eigene Gerechtigkeitskonzepte nicht nur ausdenkt und über sie debattiert, sondern diese auch umsetzt, gefährdet längerfristig unser Zusammenleben und das unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger." Der ausführliche Bericht des Tagblatts steht ebenfalls hinter Paywall.

(NZZ / St. Gallener Tagblatt / chr)

Kommentare  
Medienschau Neumarkt: Was für ein Dilemma??
Von was für einem "Dilemma" spricht dieser Hausdramaturg? Dass man glaubt, einem antiisraelischen Gesetz aus dem Libanon vorauseilenden Gehorsam leisten zu müssen? Man stelle sich mal vor, was los wäre, wenn der betroffene Schauspieler aufgrund seiner sexuellen Orientierung und nicht wegen seines Passes der Hisbollah nicht in den Kram passen würde... es muss endlich Schluss sein mit diesem Doppelstandards! Zeigt sich da wieder die "hässliche alte Welt", die Esther Slevogt in ihrer Kolumne so treffend beschrieben hat?
Medienschau Neumarkt: Wasser auf die Mühlen
Das ist Wasser auf die Mühlen der «anti-woken» SVP-Eidgenossen und ein gefundenes Fressen für Köppels «Weltwoche», die sich vermutlich in den nächsten Tagen fragen wird, ab wenn in Zürich die Scharia gilt.
Medienschau Neumarkt: Was der SWR sagt
Hier gibt es noch was zu dieser heiklen Causa und dem komischen Gefühl, dass der ganze Umgang damit erzeugt..
https://www.srf.ch/kultur/buehne/offener-brief-wie-es-zu-antisemitismus-vorwuerfen-gegen-das-theater-neumarkt-kam
Medienschau Neumarkt: Nicht so einfach
Es scheint unbestritten, dass Yan Balistoy bereits bei seiner Anstellung über die Problematik informiert war und wusste, dass sich die Theaterleitung genötigt sieht, ihn nicht gemeinsam mit seiner libanesischen Kollegin zu besetzen. So gesehen frage ich mich, weshalb er erst jetzt protestiert, dazu noch öffentlich. Ob das "Befolgen" fremder Gesetzte durch die Intendanz richtig ist, kann man sich fragen. In meiner Arbeit am Theater habe ich aber wiederholt Rücksicht auf Darsteller:innen genommen, welche Repressalien in ihren Heimatländer fürchten mussten. Es ging um das Thema Homosexualität bei Künstler:innen aus Afrika und Russland und um politische Inhalte bei Künstler:innen aus China. Man darf die Bedrohung nicht unterschätzen. Unsere Theater setzten sehr stark auf Online Präsenz und Social Media, Bilder von Aufführungen und Proben sind weltweit abrufbar und können kaum mehr entfernt werden. Da ist es für eine misstrauische Regierung naheliegend, mittels Suchmaschinen, möglicherweise noch ergänzt um eine AI-Gesichtserkennung, missliebige Bürger:innen (und dazu gehören Künstler:innen schon beinahe per Definition) auf Dissidententum und Verletzung archaischer Gesetze abzuklopfen. Viele Regimes belegen auch die Familien mit Sanktionen, da nützt es wenig, in Berlin, Paris oder Zürich zu leben.
Medienschau Neumarkt: Erst später
Ich hab es so verstanden als sei die Kollegin erst später ans Haus gekommen, das hieße als ER seinen Vertrag unterschrieben hat wusste er noch nicht, dass er nur in der Hälfte der Produktionen besetzt werden würde.
Medienschau Neumarkt: Gesetze
...was haben libanesische Gesetze an einem Theater in der Schweiz zu suchen?
Medienschau Neumarkt: Fremde Gesetze
Die polemische Frage "...was haben libanesische Gesetze an einem Theater in der Schweiz zu suchen?" geht zweimal in die falsche Richtung. Erstens: Natürlich haben libanesische Gesetze in der Schweiz nichts zu suchen. Mögliche Sanktionen für das Verletzen eines fremden Gesetztes gibt es trotzdem. Daher hat das Theater offensichtlich entschieden, darauf Rücksicht zu nehmen. Zweitens: Nur weil ein Gesetz bei uns nicht existiert, bedeutet noch lange nicht, dass es nicht trotzdem für Bürger:innen des entsprechenden Landes gilt. Als harmloses Beispiel sei hier das US-Amerikanische Steuergesetz genannt. Egal wo jemand mit einer US-Staatsbürgerschaft lebt, die Person ist in Amerika steuerpflichtig und zwar zusätzlich zu den am Wohnort bezahlten Steuern. Ein schweizerischer Schauspieler mit einer amerikanischen Doppelbürgerschaft, auch wenn er immer in der Schweiz gelebt hat, muss zusätzlich zu den schweizerischen Steuern auch Steuern in Amerika bezahlen. Ganz egal wie das schweizerische Steuergesetz lautet. Fremde Gesetze können bei uns also sehr wohl Konsequenzen haben, selbst wenn sie von unserem Gesetz abweichen.
Medienschau Neumarkt: Kommunikation
Wenn die Leitung diese Entscheidung bewusst und in Absprache mit den beiden Spieler:innen getroffen hat, wäre da nicht eine Medienmitteilung richtig gewesen? Hier wird mal wieder abenteuerlich spekuliert und vorgeworfen – weil die Leitung und der VR nichts dazu sagen. Aber wieso diese Entscheidung nicht publik machen? Es wirkt halt so, als wäre niemand informiert worden, auch nicht die Spieler:innen. Was eigenartig an so einem kleinen Haus ist. Und wieso gibt es nicht spätestens jetzt ein Statement des Dreierteams, sondern von einem Dramaturgen? Weil er jüdischer Abstammung ist? Bitte Leute, Mund aufmachen. Danke.
Medienschau Neumarkt: Verantwortung
@"Theatermensch": Über den angesprochenen Aspekt denke ich seit dem ersten Lesen auch nach, habe aber das Gefühl, dass der Vergleich hinkt. Bei Repressalien in Bezug Homosexualität scheint es mir möglich, dass der Wirkungskreis beider besetzten Person bleibt und weniger die "Freiheit" anderer Personen angreift. Wenn eine Person keine homosexuelle Rolle spielen möchte/kann, dann betrifft das die Spielpartner:in eher weniger und diese bekommt eine:n neue Partner:in zugeteilt.
Wenn ich den Fall hier richtig verstehe, so wirken sich die Entscheidungen der Leitung fundamental auf die Besetzung und damit Arbeit von auf zwei Menschen aus. Wie es im offenen Brief dargestellt wird, ist aber Herr Balistoy an den Entscheidungsprozessen nicht beteiligt gewesen, obwohl sie ihn grundlegend betreffen. Das finde ich nicht richtig. Das scheint keine Entscheidung auf Grund von Konsens zu sein und über den Kopf einer beteiligten Person hinweg getroffen zu sein. In dem Dreieck also ein äußerst asymmetrisches Machtverhältnis, dass reflektiert gehört. Da frage ich mich schon, wer hier welche Verantwortung trägt. Wer ist von den Gesetzen eines anderen Landes betroffen und wer hat da für sich selbst Entscheidungen zu treffen? Wer hat hier zugunsten jemand anders ein-/wegzustecken und würde es für die Zukunft einen anderen, besseren Weg geben?
Medienschau Neumarkt: Zurückgehalten
@redaktion, wieso haltet ihr meinen Kommentar zurück?

(Anm. Redaktion. Der Kommentar operiert mit Insiderwissen und enthält persönliche Unterstellungen. Zu den Kommentarregeln: https://nachtkritik.de/impressum-kontakt#kommentarkodex)
Medienschau Neumarkt: Beste Absichten
Es greift doch zu kurz, nur zu fragen, ob ein diskriminierendes Gesetz aus dem Libanon in der Schweiz gelten sollte - nein, sollte es nicht. Trotzdem ist es ein reales Problem für die betreffende Schauspielerin, wenn sie mit harten Repressalien rechnen muss, sobald sie gegen dieses Gesetz verstößt - ggf. ihr Heimatland nicht mehr besuchen kann, negative Konsequenzen für ihre Familie fürchten muss o.ä.. Ich kann schon nachvollziehen, wenn da ein Theater im konkreten Einzelfall versucht, eine Regelung zu finden, die ihr unter diesen Voraussetzungen ein angstfreies Arbeiten ermöglicht. Nicht, weil man dieses Gesetz gutheißt, sondern weil es für sie nunmal harte Realität ist, der sie sich nicht entziehen kann. Natürlich darf das nicht einseitig zu Lasten des Kollegen gehen, für den diese Situation sicher auch schwer zu ertragen ist. Wäre nicht in dieser Situation möglichst viel Empathie für die schwierige Situation beider Seiten vonnöten? Sollte man nicht versuchen, im Konkreten, in der Arbeit, im tagtäglichen Miteinander einen Ausgleich zu finden? Ich würde erstmal annehmen, dass dieser Versuch mit bester Absicht gemacht wurde - und jetzt gescheitert ist. Das finde ich zunächst mal vor allem tragisch, schlimm wahrscheinlich für alle Beteiligten... Dass das jetzt von rechten Medien entsprechend instrumentalisiert wird, dürfe niemanden überraschen. Ist es wirklich nötig, dass hier einige in das gleiche Horn blasen?
Medienschau Neumarkt: Emphatie, richtig
Empathie. Das ist das richtige Stichwort. Um die Leute nicht zu gefährden - denn diese Gefahr scheint ja real zu sein - muss das Haus sofort aus den Schlagzeilen. Das geht nur, wenn das die Stadt und der Kanton - die in dem Verwaltungsrat sitzen - diesem Haus erlauben, sich schützend vor das Haus stellen und sagen: Das Haus braucht nun zwei Wochen Zeit, das Problem zu lösen. Der Lappen darf runter. Wenn der Verwaltungsrat, Stadt und Kanton nun aber auf Performanzdruck setzen, machen sie sich schuldig und beschädigen Menschen.

Was die Lösung angeht, wir hier sind ja durchaus fast alle Profis und wenn man auch nur bisschen länger über das Problem nachdenkt, liegt eine Lösung nahe: Wie bei Schauspieler:innen, die viel Filme drehen, aber für das Haus wichtig, müsste man die libanesische Schauspieler:in nun mit Stückverträgen anstellen. Dann könnte die Leitung auch - wie bei Gästen üblich - die Produktionen so zusammenstellen, dass es für alle geht, aber die Ensemblemitglieder nicht in Geiselhaft von diesem Gesetz genommen werden.

Aber was defintiv nicht geht: Jemand im Ensemble zu haben, der mit solchen Regeln andere wegdrängen kann. Auch ist ja keine Teambildung möglich, kein interner Diskurs, auch kein Widerstand gegen die Leitung. Das ist absolut intolerabel und ja, eben antisemitisch und auch hausintern totalitär.
Medienschau Neumarkt: Polemik?
Lieber Theatermensch,

diese Frage ist nicht polemisch. Sie ist juristisch interessant und würde sicherlich vor Gericht genau so behandelt werden. Dass sie nun einen solchen Fall wie am Neumarkt- Theater, der die Grundrechte eines Menschen tangiert mit einem Steuergesetz (Geld) vergleichen irritiert schon eher.
Moral, egal wie gut gemeint führt hier nicht weiter. Ich hätte an Stelle des Schauspielers deutlich früher Anwälte eingeschaltet.
Die Kunstfreiheit ist ein hohes Gut. Dieser Raum muss offen bleiben. Dies gelingt immer weniger. Ein Theaterensemble wird gebildet, um miteinander zu spielen. Das ist doch eigentlich Allen klar, oder?
Wie kommen Sie auf den Gedanken, ein Gesetz-woher auch immer- als Möglichkeit durchzuspielen, dass ausschliesst, mit einem Menschen aufgrund seiner Ethnie oder religiösen Zugehörigkeit zusammenzuarbeiten.
Medienschau Neumarkt: Zurückgehalten?
ich würde immer noch gern wissen, wieso mein kommentar zurückgehalten wurde liebe redaktion


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Werter karl,
Ihr Kommentar enthielt unüberprüfbare Tatsachenbehauptungen und verstieß daher gegen unseren Kommentarkodex. Dieser ist hier nachzulesen: https://nachtkritik.de/impressum-kontakt
Herzliche Grüße aus der Redaktion, Esther Slevogt
Medienschau Neumarkt: Verteidigung des Universalismus
#10 ihre Perspektive in allen Ehren, aber ich finde sie grundfalsch, in ihrer Selbstwidersprüchlichkeit dann doch auch wieder symptomatisch, daher: das libanesische Gesetz ist diskriminierend wie sie selbst sagen. Auf Diskriminierung, zumal in Rechtsform, mit Toleranz zu reagieren verbietet sich von selbst, wenn man sich nicht der Sympathie mit der Diskriminierung verdächtig machen will, in diesem speziellen Fall des Antisemitismus. Da bedarf es Klarheit und Konsequenz und keiner Kompromisse. Das Problem ist ja nicht neu. Wie wird sonst damit umgegangen? Wir reden hier von Künstler:innen - Künstler:innennamen sind ja nichts ungewöhnliches. Was gar nicht geht ist sich zur Kompliz:in, gar zum verlängerten Arm dieser Diskriminierung zu machen. Das wird zu Recht als "Kulturrelativismus" zurückgewiesen. Dass die Rechte dieses Thema instrumentalisiert ist ja auch nichts neues. Dass die Linke dem nichts Überzeugendes entgegenzusetzen hat leider auch. Dabei sollte die Linke doch die entschlossenste Verteidigerin von Aufklärung und Universalismus sein. An dem dröhnenden Schweigen nach dem 7.10 hat man gesehen, dass sie das längst nicht mehr ist. Deswegen fühlen sich auch so viele jüdische Linke wie Eva Illouz von der internationalen Linken verraten. Zu Recht.
Medienschau Neumarkt: Alles gesagt
Zitat aus der Meldung oben: "Man habe, um Yan ins Ensemble aufzunehmen, in Absprache mit allen Beteiligten entschieden, die schon vorher im Ensemble engagierte libanesische Schauspielerin nicht in denselben Stücken einzusetzen wie ihren israelischen Ensemble-Kollegen. "Die Leitung, die in der Fürsorgepflicht für alle Mitarbeitenden stehe, sei bemüht gewesen, niemanden zu benachteiligen", schreibt Prawdzicic in seiner Stellungnahme, die auch die NZZ zitiert." Also kannten offenbar alle die Verabredung. Die ich ausgesprochen fair finde, denn die Libanesin muss nicht persönlich Folgen fürchten für den, Entschuldigung, Hochmut der unbedrohten Eidgenossen.
Medienschau Neumarkt: Bünzlig
Lieber Ulrich Heinse, Nationale Zuschreibungen sind hier unpassend. Die formulierte Kritik der Gesellschaft als 'eidgenössisch' zu framen ist viel zu kurz gedacht. Ich zitiere aus einem Kommentar aus den sozialen Medien: 'Das Gorki Theater in Berlin unter Leitung von Yael Ronen engagiert ausschliesslich ein gemischtes Ensemble. Araber und Israelis müssen in allen Stücken auf der gleichen Bühne stehen, sonst kann man die ‘situation’ gar nicht bespielen. Noch ein Beispiel: Das East-.West Diwan Orchester unter Leitung von Barenboim besteht aus Arabern, Palästinensern und Israelis. Ebenso die in Berlin ansässige Musikschule Edward Said. Nie wird ein Beethoven Quartett ohne Araber und Israelis gespielt. Das gleichzeitige auf der Bühne stehen ist Pflicht und funktioniert wahnsinnig gut.
Dass das Neumarkt Theater vor einem anti-israelischen Gesetz einknickt, welches möglichweise gar nicht existiert, ist nicht nur lächerlich, sondern feige und spiessig, und vor allem cent pour cent, mais alors cent pour cent füdli-bünzlig.'

(füdli-bünzlig= schweizerisch spiessig).

Die Kritik am Neumarkt ist also von internationalem Geist
Medienschau Neumarkt: Vereinnahmt
Es ist nicht alles gesagt. Im Gegenteil. Und mit Hochmut hat das Ganze auch nichts zu tun. Wenn diese Angelegenheit sich so verhält wie beschrieben, dann geht es um das hohe Gut des Miteinanders, dass hier gestört werden soll durch ein zutiefst diskriminierendes Gesetz aus einem anderen Land, das in der Schweiz Anwendung finden soll. Die Leitung des Neumarkt Theaters hat sicherlich nach bestem moralischen Gewissen versucht, eine Lösung zu finden. Diese Problematik hätte an einem anderen Haus genauso auftreten können. Es ist richtig, dass sich jetzt die Gerichte damit befassen.
Die Kunst muss frei bleiben, sie wird zunehmend von Politischem vereinnahmt.
Medienschau Neumarkt: Arbeitskonflikt
Hier ein Text aus Tachles, dem jüdischen Wochenmagazin der Schweiz. Eine sehr gute Zusammenfassung der verfahrenen Lage. Und das Fazit ist eindeutig: Ein Arbeitskonflikt. Kein Antisemitismus, kein Israel-Boykott.
https://www.tachles.ch/artikel/schweiz/arbeitskonflikt-oder-israel-boykott
Medienschau Neumarkt: Spannung
Im Gegenteil. Da ist gar nichts eindeutig. Der Artikel argumentiert schwach. Auffallend wenig Leute scheinen zu wissen, was ein 'Ensemble' überhaupt ist. Und dass ein solches mit Rücksicht auf ein solches rassistisches Boykott-Gesetz für mehr als zwei Jahre unter krasse Spannung gesetzt wurde und ganz sicher nicht frei ist. Zu Recht hat dieser Schauspieler diese unmögliche Situation nun aufgedeckt.
Medienschau Neumarkt: Fassungslos
Nehmen wir an, es gibt dieses Gesetz und es ist ein hartes Gesetz: Dann ist es sicher ein Verstoß gegen dieses Gesetz, in einem kleinen Team aus sieben Menschen Ensemble gemeinsam engagiert zu sein. Es muss doch in all den Debatten über die Lösung jemandem aufgefallen sein, dass der subtile Unterschied, gemeinsam in einem kleinen Ensemble, aber nicht auf dem gleichen Besetzungszettel zu sein, für eine rigide Behörde oder Religionswächter null Unterschied machen würde, falls sie es mitbekommen. Es ist doch offenkundig völlig undenkbar, dass sich eine staatliche oder religiöse Behörde im Libanon mit völlig kaputten staatlichen Strukturen für solche Details interessiert. Entweder die bekommen davon was mit und sie hat dann möglicherweise ein Problem oder nicht. Aber ein völlig fernes unklares "Gesetz" in Zürich so "einhalten" zu wollen, ist so verrückt und fern jeder juristischen, strukturierten Überlegung - es macht mich wirklich fassungslos. Von allen anderen Aspekten, die hier hinreichend beleuchtet wurden, mal ganz abgesehen.
Medienschau Neumarkt: Immer noch alles gesagt...
Mir wird hier zu allgemein gesprochen. Die Libanesin hat auf das Gesetz verwiesen und dass sie sich offenbar daran gebunden fühlt. Die Theaterleitung hat ihre Obhutspflicht mustergültig erfüllt: sie hat die subjektive Situation der Kollegin berücksichtigt UND das Neuengagement von Balistoy - auch hier zum gegebenen Wort stehend - ermöglicht. Das Gesetz des Libanon gilt offenbar für die Kollegin - warum soll das nicht anerkannt werden? Hervorragend Verantwortung übernommen, konkret, Menschen gegenüber! - alles gesagt!
Medienschau Neumarkt: Das Problem
#22 das ist doch der Punkt: wenn die Schauspielerin sich an das Gesetz gebunden fühlt - dann ist sie das Problem...
Medienschau Neumarkt: Problem
#23: Ja, so sehen das vermutlich viele, das meinte ich weiter oben mit dem Hochmut der unbedrohten Eidgenossen. Die Kollegin ist (offenbar) Staatsbürgerin im Libanon, sie akzeptiert das Gesetz für sich (es spielt dabei keine Rolle, ob aus Übereinstimmung oder aus Angst vor Repressalien), ein Hoch auf die Intendantinnen, die das anerkannt haben! Der Blick auf den konkreten Menschen VOR den eigenen politischen / moralischen / ethischen Vorstellungen, dickes Bravo!
Medienschau Neumarkt: Sprachlos
Ich verfolge diesen fall jetzt schon eine Weile und wundere mich. Wie kann es sein, dass ein Theater in der NEUTRALEN Schweiz einfach ein solches Gesetz eines anderen Landes anerkennt und auch noch befolgt? Ist dieses Gesetz nicht außerdem praktizierte Apartheid? Ich bis eigentlich sprachlos.
Medienschau Neumarkt: National-Chauvinismus
Lieber Ulrich Heinse, ich bitte sie aufzuhören, auf diese Weise zu argumentieren. Das kommt sehr "national-chauvinstisch" rüber - und trägt zur Diskussion wenig bei. Kritik an diesem Vorgehen als "eidgenössisch" zu markieren verfehlt den Kern des Problems und lenkt ab und wirkt überheblich und unangemessen und reduziert das Niveau des Austauschs. Ich weiss ja nicht, welcher Nationalität sie sind, aber wenn sie ein "Deutscher" wären, wäre das umso schräger solches von ihnen zu hören. Dann müsste ich ihnen sagen: Wir "Eidgenoss:innen" kennen solche alle Institutionen durchdringenden Beschlüsse nicht, resp sind da viel vorsichtiger und behutsamer.

Die Schweiz hat ja - im Gegensatz zu Deutschland ja beispielsweise keine Resolution erlassen, die den Einfluss eines in Deutschland als antisemitisch bezeichnete BDS-Bewegung irgendwie einschränken würde. Bei uns ist es üblich, das an grossen Stadttheatern offen BDS Werbung gemacht werden kann - ohne dass die Sprechenden unterbrochen würden, oder irgendetwas von BDS Anhänger:innen relativiert werden muss. Ich denke, ihnen würde diese grundsätzliche Haltung hier sehr gut gefallen.

Die Schweizer:innen sind auch sehr stolz auf diese ganz eigene eidgenössische Weltoffenheit.

(Das kann man natürlich auch kritisieren, ist hier aber kein Thema)

Es geht aber in dem Falle Neumarkt wirklich - wie ja auch "Tachles" schreibt, auch um einen Arbeitskonflikt. Das libanesische Gesetz beeinflusst die freie Entfaltung der Meinungsbildung innerhalb eines Ensembles. Und wie Kommentar#21 blendend beschrieben hat, ist ja libanesische Spielerin ja bereits Teil des Ensembles und als in - für das rassistische Gesetz - unzulässiger Zusammenarbeit mit einem Israeli verbunden. Das beeinflusst zudem nun nicht nur die beiden, sondern alle Ensemblemitglieder auf unzulässige Weise. Ein Ensemble ist ja auch ein Willensbildungs-Kern gegen (potentielle) Machtmissbräuche der Leitung. Deshalb muss hier nun auch geprüft und diskutiert werden, ob hier Machtmissbrauch vorliegt, wenn ein solches Gesetz Wirkung im Ensemble Wirkung entfaltet (und das nicht offen kommunziert werden darf, sondern scheinbar - so der Vorwurf des Schauspielers - sogar noch verschleiert wird durch Nicht-Erwähnung der biographischen Hintergründe, was, wenn man die Bios liest, ganz offensichtlich stimmt).
Medienschau Neumarkt: Kein Nationalproblem
Entschuldigung, die Debatte wäre vermutlich in jedem Land so möglich. Ansonsten habe ich lediglich ausdrücken wollen, dass ich den Lösungsansatz der Theaterleitung gut finde. Real, heute, Ende 2023, zwei bestehende Arbeitsverhältnisse.

Damit spreche ich nicht für die Gültigkeit der Gesetze anderer Länder in der Schweiz oder wo auch immer, ich anerkenne nur die geschickte Lösung der Intendantinnen, die den Druck von der Libanesin genommen hatten. (Bis jetzt jedenfalls.)

Die nächsten Wochen können zu anderen Meinungen führen. Balistoy ist seit einer Spielzeit und vier Monaten im Engagement - in seiner ersten Spielzeit war die Situation doch die gleiche, wieso jetzt? Was hat sich geändert?

Nachtrag: ja, laut Ausweis bin ich Deutscher. Und zum Glück nicht in dieser Zwickmühle, sondern nur in ungleich weniger gewichtigen :-)
Medienschau Neumarkt: Appeasement
Es geht doch um viel mehr als das Arbeitsverhältnis von zwei Ensemble-Mitgliedern. Es geht darum, sich nicht Appeasement gegenüber des Islamismus, konkret: israelbezogenen Antisemitismus vorwerfen lassen zu müssen. Das Theater am Neumarkt wird sich diesen Vorwurf leider gefallen lassen müssen. Nur wenn wir uns darauf einigen, hier klare Kante zu zeigen wird das irgendwann vielleicht auch wieder aufhören. Das Beispiel der Israel-Boykottbewegung zeigt, dass es sich lohnen kann, sich nicht erpressen zu lassen. Der Gründer des Hilton Hotels hat zB mehr Haltung gezeigt als die meisten Leiter:innen von Kulturinstitutionen heute. Erst hat das arabische Boykott-Büro gesagt: Wenn Du in Tel Aviv eine Dependance eröffnet, kannst Du in keinem arabischen Land ein Hotel bauen. Dann haben Sie klein beigegeben. Heute tagt die Arabische Liga am liebsten in Hilton Hotels... bange machen gilt nicht! So einfach ist das.
Medienschau Neumarkt: Zum Gesetz
Herbert R: Appeasement gegenüber des Islamismus? Ich bitte sie, die Schauspielerin ist aus dem Libanon und es wäre daher schon angebracht, wenigstens etwas historischen Hintergrund mitzubringen. Ich versuche es noch einmal: Das Gesetz hat nichts mit der Hisbollah zu tun und besteht seit 1948. Den Hintergrund kann Mensch, wie auch immer wir dazu stehen, nachlesen.

--
Lieber Peter,
eine Korrektur: Das Gesetz besteht seit 1955.
Quelle: https://www.nzz.ch/zuerich/zuerich-anti-israelisches-boykottgesetz-fuehrt-zu-eklat-an-theater-neumarkt-ld.1770095
Viele Grüße aus der Redaktion!
Medienschau, Neumarkt: Menschlich bitte
#28: Ja. Aber nicht auf Kosten von Menschen, die unverschuldet in die Zwickmühle geraten sind! Das und nichts anderes versuche ich, in die Debatte zu werfen! Man KÖNNTE sagen, die Libanesin hätte in keinem liberalen Land einen Vertrag unterschreiben dürfen, weil sie hätte wissen müssen... Na sie hat es nicht gewusst! Man könnte sagen, das NEUMARKT hätte sie nicht engagieren dürfen .. sie haben es zumindest seit dem Engagement von Yan gewusst, dann hätten sie ihn nicht engagieren dürfen... Das kann ganz allgemein gefordert werden, das eben stört mich so entsetzlich: es geht auf Kosten der Menschen, deswegen finde ich die Lösung der Zürcher Intendanz so toll. Aber, zugegeben, ich bin so alt, ich will auch noch Menschenschicksale auf der Bühne, vielleicht ist mir daher diese menschliche Lösung von Theaterleuten so nah.
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