Medienschau: SZ, FAZ – Der Schauspielerin Angela Winkler zum 80. Geburtstag

22. Januar 2024. Als so empathische wie eigensinnige Schauspielerin, die sich "wie ein Gefäß für die Empfindungen und Befindlichkeiten ihrer Figuren" öffne und diese schützend hege, beschreibt sie Christine Dössel in der Süddeutschen Zeitung. "Winklers phänomenale Leuchtkraft hat auch damit zu tun: dass sie so enorm viel vom Leben aufzusaugen, zu verinnerlichen und abzustrahlen vermag." Wahr und einfach versuche sie zu sein, habe feine Antennen für das um sie herum Geschehende. "Klänge es nicht esoterisch – und mit Esoterik hat diese erdverbundene, in der Bretagne fast bäurisch lebende, Kellerasseln mit den Fingern zerquetschende Gartenarbeiterin eher nichts am Hut –, dann könnte man sie als ein Medium bezeichnen; ein hochsensibles Theatermedium, vermittelnd zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit, zwischen Poesie und Leben, zwischen der Kunst und uns."

Genial in sich Versunkene

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beschreibt Gerhard Stadelmaier die Schauspielerin als genial in sich Versunkene, die "alles Störende, Dinghafte um sich herum ins Phantastische wegrückt": "Sie kommt, wenn sie die Szene betritt, wie aus einer Welt, in der andere aufgeschmissen wären. Und sie geht, wenn sie die Szene mit sich und ihren Gesichten, ihren hellen Wahnentwürfen und ihrer dunklen Phantasmenmusik erfüllt und verzaubert hat, immer wie in eine Welt hinein, von der andere sich nichts träumen lassen möchten."

Angela Winkler liefere keine rasch fertigen Figuren, sondern lasse sich "auf ihren Reisen in Stücke und Wörter und Figuren hinein unendlich viel Zeit", so Stadelmaier. "Dabei macht sie fast nichts. Höchstens, dass sie sich das lange, dichte Haar aus dem Gesicht streicht, als wische sie eine Maske fort. Oder dass sie ihrem stets fiebrig in sanftem Rausch taumelnden Körper einen kleinen verhuschten Stop!-Ruck befiehlt. Ein kurzes Innehalten in einem unaufhörlichen Selbstverbrennungsprozess – den sie mit nichts als ihren unglaublichen Augen entfacht." Manche seien davon genervt, andere entzückt: "Man muss sich in sie verschauen – oder wegschauen. Es gibt kein Drittes."

Brief an Peter Stein

Angela Winkler wurde am 22. Januar 1944 in Templin in der Uckermark geboren. Nach einer abgebrochenen Gymnasiallaufbahn beendete sie auch die Schauspielschule in Stuttgart vorzeitig, nahm Privatstunden in München und bestand die Reifeprüfung bei der Bühnengenossenschaft. Nach kurzen Engagements in Kassel und Castrop-Rauxel wurde sie 1971 Teil desTheaterkollektivs der Berliner Schaubühne. Winkler hatte der SZ zufolge einen Brief an Peter Stein geschrieben, der daraufhin mit einer Abordnung in die Provinz kam, um sie spielen zu sehen.

Angela Winkler, die ab den frühen 80er Jahren freischaffend tätig war, arbeitete in ihrer Karriere mit so unterschiedlichen Regisseuren wie Klaus Michael Grüber, Christoph Schlingensief und Robert Wilson. Eine "Zauberfrau" nennt sie laut SZ Claus Peymann, unter dessen Direktion sie am Wiener Burgtheater und am Berliner Ensemble spielte. Für Peter Zadek stand sie in dessen berühmten Wiener Tschechow-Inszenierungen "Iwanow" (1990) und "Der Kirschgarten" (1996) auf der Bühne, und sie spielte 1999 in seiner Regie Shakespeares Hamlet, "herausragend in ihrer Tiefe, ihrer Stille, ihrer Aura der Verletzlichkeit", so Christine Dössel: "Es wurde ihr 'Hamlet', ihr Triumph. Der Weg dahin war mühsam. Bei den Proben in Straßburg floh sie zweimal vor der Last der Textmassen. Der Schauspieler Klaus Pohl schrieb über die Kämpfe, Katastrophen und Kuriosa dieser 'Hamlet'-Proben das wunderbare Buch 'Sein oder Nichtsein'."

Theater- und Familienleben

Im Film debütierte Angela Winkler 1969, in Herbert Achternbuschs "Jagdszenen aus Niederbayern“. Mit Volker Schlöndorff drehte sie "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" (1975) und "Die Blechtrommel" (1979); der Film nach Günter Grass' Roman, in dem sie Oskar Matzeraths Mutter spielte, wurde mit einem Oscar ausgezeichnet. Zuletzt sah man Winkler in der Netflix-Serie „Dark“ und als Mutter von Kaiserin Elisabeth in Frauke Finsterwalds "Sisi & ich“. "Doch der Film war ihr nie so wichtig wie das Theater, von dem Winkler mit ihrem Wildpferd-Naturell zwar Auszeiten braucht, an das sie jedoch immer wieder zurückkehrt, leuchtend wie ein Wesen aus anderen Gefilden, mit einem anderen Ton und einem anderen Tempo", schreibt Christine Dössel.

2019 veröffentlichte Angela Winkler unter dem Titel "Mein blaues Zimmer" ein Buch mit autobiographischen Skizzen über ihr Theater-, Film- und Familienleben mit ihrem Mann, einem Bildhauer, und den vier Kindern.
An ihrem heutigen Geburtstag trat Angela Winkler in Jan Bosses Inszenierung von Christian Krachts "Eurotrash" an der Seite von Joachim Meyerhoff in der Schaubühne auf. Und wurde im Haus gefeiert. Wir gratulieren!

(SZ, FAZ / eph)

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