Presseschau vom 15. Oktober 2015 – In der FAZ sieht Lukas Bärfuss die Schweiz "auf dem falschen, rechten Weg"

Reiche Extremisten an der Macht

Reiche Extremisten an der Macht

15. Oktober 2015. "Das Land ist auf dem falschen, rechten Weg. Mit der Kultur geht es bergab und mit den Medien auch", schreibt Lukas Bärfuss in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) über seine Heimat, die Schweiz. Die nationale Rechte lasse "die Bären tanzen, wo und wann sie will". "Was die Schweiz von Ländern wie Frankreich und Österreich unterscheidet, sind die 3,6 Milliarden Privatvermögen, über die der Extremismus hierzulande verfügt."

"Neue mediale Front"

So spendiere der rechte SVP-Politiker und Multimillionär Christoph Blocher sich "zum Frühstück" "die erste öffentliche Ausstellung seiner privaten Gemäldegalerie in einem respektablen Kunstmuseum, dem Oskar Reinhart Museum in Winterthur", und kaufe sich gleich die passende Publikation dazu. Denn das Du-Magazin, "über Jahrzehnte das Zentralorgan des honorablen, kunstbeflissenen Bürgertums", habe praktischerweise sein Konzept gewechselt. "Nun kann jeder, der sechzigtausend Schweizer Franken zu zahlen bereit ist, das Blatt komplett buchen, und niemand stört sich daran, dass eine Zeitung, die einmal bekannt war für die Arbeiten von Werner Bischoff und Hugo Lötscher, eine Woche vor den nationalen Wahlen den politischen Extremismus mit den Weihen der Kunst bemäntelt und rechtfertigt", schäumt Bärfuss.

Das bunte Blatt im Hochformat reihe sich damit ein in "die neue mediale Front, die von der Zürcher Weltwoche über die Basler Zeitung alle jene verbindet, die bereit sind, ihre journalistischen Standesregeln zu verhökern". Beispiele: Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) habe einen neuen Kulturchef; "ein Schuft, der an seiner Haltung zweifelt, nur weil sein letzter Arbeitsort eine Publikation mit einschlägig faschistischer Vergangenheit ist", so Bärfuss. Das Staatsfernsehen habe kürzlich einen kritischen Film über die Schweiz vom Schriftsteller Robert Menasse und dem Übersetzer Stefan Zweifel aus dem Programm gekippt.

Große Worte gegen Ohnmacht

"Vertrauen kann ein Schweizer Bürger heute eigentlich nur noch auf die Justiz. Allerdings nicht auf die schweizerische, sondern auf die amerikanische". Sie sorge regelmäßig dafür, dass die Eidgenossenschaft den Kontakt zu den zivilisatorischen Nationen nicht ganz verliere. "Ohne die Staatsanwälte aus Übersee hätten die Banken das Gold der ermordeten Juden bis heute nicht zurückbezahlt. Die internationalen Steuerhinterzieher würden sich immer noch auf das Bankgeheimnis verlassen können. Und korrupte Sportfunktionäre könnten weiterhin unbehelligt von Zürich aus die Jugend der Welt an den Mammon verkaufen."

"Als Schweizer hat man in der globalisierten Welt nichts mehr zu sagen", erklärt sich Bärfuss das alles. Gefühle der Ohnmacht würden gerne mit großen Worten kompensiert. "Und wenn große Worte nicht mehr reichen, nimmt man eben unanständige." Der Populismus werde immer frecher, die Anwürfe immer primitiver. "Im Schweizer Fernsehen muss sich ein Moderator zur besten Sendezeit auf eine Weise antisemitisch angehen lassen, die in keinem anderen Land möglich wäre, vielleicht mit Ausnahme Irans. Die Empörung darüber hält sich in sehr engen Grenzen." Am hellichten Tage sei kürzlich ein jüdischer Mitbürger in Zürich von einem braunen Mob angegangen worden. "Zusammenhänge? Man wird doch nicht so paranoid sein!"

(sd)

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