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Daniel Kehlmann greift in seiner Salzburger Eröffnungsrede das Regietheater an
Schrumpfform linker Ideologien
26. Juli 2008. Der Schriftsteller Daniel Kehlmann hat in seiner Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele das Regietheater scharf angegriffen. In Zeiten, da niemand mehr Marx lese und kontroverse Diskussionen sich nur noch um Sport drehten, sei das Regietheater "zur letzten verbliebenen Schrumpfform linker Ideologien degeneriert", sagt Kehlmann in seiner Rede, der in diesem Jahr "Dichter zu Gast" in Salzburg ist.
"Bei uns ist etwas Absonderliches geschehen", sagte der Sohn des österreichischen Regisseurs Michael Kehlmann am Samstag. "Irgendwie ist es in den vergangenen Jahrzehnten dahin gekommen, dass die Frage, ob man Schiller in historischen Kostümen oder besser mit den inzwischen schon altbewährten Zutaten der sogenannten Aktualisierung aufführen solle, zur am stärksten mit Ideologie befrachteten Frage überhaupt geworden ist. Eher ist es möglich, unwidersprochen den reinsten Wahnwitz zu behaupten, eher darf man Jörg Haider einen großen Mann oder George W. Bush intelligent nennen, als leise und schüchtern auszusprechen, dass die historisch akkurate Inszenierung eines Theaterstücks einfach nur eine ästhetische Entscheidung ist, nicht besser und nicht schlechter als die Verfremdung, auf keinen Fall aber ein per se reaktionäres Unterfangen."
Es erfülle ihn mit Melancholie, im Ausland "grandiose Stücke lebender Dramatiker zu sehen, die bei uns praktisch unaufführbar sind, weil ihre Autoren keine verfremdenden Inszenierungen gestatten", führte er außerdem aus, ohne jedoch konkrete Namen zu nennen.
(sle)
Hier lesen Sie eine Zusammenfassung der öffentlichen Reaktionen.
Und hier die nachtkritik-Texte zur Kehlmann-Debatte:
Kommentar zur Eröffnungsrede (27.7.2009)
Redaktionsblog über das Mediengemurmel (4.8.2009)
Kommentar zum Pressegespräch (11.8.2009)
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http://www.kurier.at/kultur/1925770.php
(Ist übrigens in der Meldung verlinkt. Einfach Kehlmanns Namen anklicken. die Red.)
Während Maxxer noch von Rechtschreibung träumt...
Kehlmann hat in seiner Rede gesagt, was längst fällig war, historisch adäquat und zeitgemäß müssen sich nicht ausschließen, siehe Shakespeare, den muss man nicht unbedingt nackt aufführen, oder Hamlet mit einem Schweinskopf herumlaufen lassen, nur weil dem Regisseur sonst nichts substanzielles einfällt oder er sich - noch schlimmer an Substanzen vergriffen hat.
Außerdem sagte Schiller: Ich will ein Dichter aller Zeiten sein.
Weiter: es gibt selbstverständlich keine „historisch akkurate Inszenierung“, denn die ist ja nicht von dem abhängig, was die Schauspieler auf der Bühne anziehen, sondern wäre nur im Zusammenhang mit der gesamtgesellschaftlichen Perspektive denkbar, also undenkbar, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.
Im übrigen disqualifizieren sich pauschale Äußerungen über die formalen Mittel des Theaters (Zucken, Schreien, Schmieren und Video?) selbst, wenn sie sich von einer inhaltlichen Diskussion abkoppeln und damit wie der vielzitierte Luster im freien Raum schweben.
Befreien Sie Ihre Natur von Konvention und Gewohnheit, vermessen Sie Ihre Welt und begegnen sie dem Theater mit dem Respekt, den ich Ihrem Vater gerne unterstellen will.
Ein stets angemehmer und doch so verzweifelt des Zuspruchs bedürftiger Mensch.
denn warum herrn kehlmann so eine rede erst halten lassen?
weil die festspiele jetzt jeden sommer 10 (zehn) NICHT-"regietheater"-inszenierungen vom "jedermann" zeigen wollen? dass jedermann großartige unterhaltung hat?
buchverkäufe steigen...
ist daniel die welt, ist kehlmann vermessen, vermisst kehlmann das theater, vermiss ich seine welt, ess ich sie, fehlt daniel ihr? wer weiß.
So was kann das Theater. Deshalb gehe ich da weiter hin, aber die meiste Zeit leer aus.
lassen Sie doch bitte die Kirche im Dorf (nehmen wir der Einfachheit halber doch gleich eine der vielen in Salzburg) und inszenieren Sie nicht so ein Sommertheater.
Ich verzichte jetzt einmal darauf, auf die Spitzen einzugehen, die gegen ein künstlerisches Schaffen gerichtet sind, das Sie so einfach als „linke Ideologie“ abklassifizieren wollen. Das ist einfach ungut, wie Sie die Begriffe Regietheater und sogenannte „historisch akkurate Inszenierung“, sowie linke und rechte politische Gesinnung in einen Topf werfen, wild durcheinander wirbeln und gegenüberstellen. Das verursacht mir Kopfschmerzen.
Was bedeutet „historisch akkurate Inszenierung“ denn überhaupt? Schiller, den Sie so gerne in „historischen Kostümen“ sehen wollen, scheint, so fürchte ich, jemand zu sein, der keineswegs ein „Diener des Autors“ gewesen ist. Hat er doch in seiner Inszenierung von Shakespeares „Macbeth“ einfach die Pförtnerszene unterschlagen und durch ein frommes Tagelied ersetzt, weil ihm die Szene zu obszön war. Auch Goethe hat es mit der Dienerschaft nicht so genau genommen und ganz eigenmächtig gehandelt. Er hat „Romeo und Julia“ gemäß seinen Vorstellungen der damaligen Zeit angepasst und zur Aufführung gebracht.
Was bedeutet „historisch akkurate Inszenierung“ also? Das mitunter irreführende Ergebnis von Begrifflichkeiten dieser Art („Werktreue“ ist ja auch so ein Unwort) ist, dass sie vorgaukeln, es gäbe so etwas wie eine quasi objektiv richtige Lesart oder Aufführung. Ich denke, es handelt sich hier um einen Mythos, der begraben werden sollte, und nicht, wie Sie das tun, immer wieder ins Rampenlicht gezerrt werden sollte. Denn eine solche Aufführung wäre im besten Fall eine gut recherchierte, letztlich subjektive Interpretation der Vergangenheit. Denn Geschichte ist doch immer Rekonstruktion, also eine Geschichte der Geschichte. Und da haben Sie Recht: Alles nur eine Frage der ästhetischen Entscheidung, wie man Geschichten erzählen will. Aber ich frage mich, was Sie eigentlich wirklich wollen? Wünschen Sie sich so etwas wie einen Themenpark Theatergeschichte a lá Disneyland. Wollen sie den auf dem Gelände der Salzburger Festspiele veranstalten?
Des Weiteren zitieren Sie Samuel Beckett als Beispiel für einen Autor, der sorgsam auf seine Rechte gepocht hat. Im Kontext Ihrer Rede, wird mir unwohl, das Sie das Genie dieses Autors für Ihre Zwecke vereinnahmen. Deshalb möchte ich mit einem Gegenbeispiel antworten: Wie gut, das es begabte Künstler gibt, die nun mal ihren eigenen Kopf haben. Die Interpretationen, die George Tabori von „Warten auf Godot“ und „Endspiel“ erarbeitet hat, gehören für mich zu den schönsten Inszenierungen der jüngeren Theatergeschichte.
Ich als sogenannter „Linker“ wünsche mir lebendiges und wahrhaftiges Theater. Und das entwickelt sich hoffentlich stets weiter, schafft neue Erzählweisen, unterhält, irritiert, verstört, geht manchmal auch in die Hose und muss selbst mir nicht immer gefallen. Peter Brook, den Sie ebenfalls zitieren, hat das, glaube ich, das „unmittelbare Theater“ genannt. Und irgendwie werde ich den Verdacht nicht los, dass das Theater, von dem Sie sprechen und welches Sie als „historisch akkurat“ bezeichnen, der Gefahr ausgesetzt ist, jenes Theater zu sein, welches Herr Brook als das „tote Theater“ bezeichnet hat – oder „von allen guten Geistern verlassen“ wie sich Herr Reinhardt ausgedrückt hat.
Mit freundlichen Grüßen,
Marcus Kohlbach
Geradezu ungeübt und ungeschickt kommt es einem vor, wie Kehlmann schnell und pathetisch in die Polemik abrutscht, anstatt zu differenzieren und zu wirklichem Nachdenken anzuregen.
Ein völlig berechtigter Kritikpunkt ist das viel zu beliebig-gewordene Zusammenstreichen von Theatertexten, wobei -natürlich immer wieder auch mit vielen, tollen Ausnahmen- Stücke, die allein auch in ihrer Gesamtheit ein Werk s i n d, auf der Strecke bleiben.
Egal wie man den "Marat" von Volker Lösch in Hamburg fand - das Stück von Peter Weiss, das man ja nicht nachbuchstabieren muss, ist allein in seiner Form so viel intelligenter als Löschs Fassung, die diese sprengt um lieber eine Michael-Moore-Argumentation fürs Theater zu pinseln.
Bei Kehlmann werden interessante Gedanken (wieviel Inszenierung braucht das Stück? wieviel Stück vom Stück tut dem Stück selbst gut?) von einer -sorry- peinlichen Rührseligkeit (so ungefähr "dem Papa haben sie erst die Inszenierungen und dann auch noch das Gedächtnis genommen") und einer erstaunlichen Ahnunglosigkeit bzw. beschränkten Sicht über die Vielfalt von Inszenierunsarbeit, verwässert.
Warum sollte denn die überall stattfindende Re-Feudalisierung, ausgerechnet, am Theater vorbeigehen?
K. spricht nur geltungsgeil aus, worauf die Mehrheit der Kleinbürger schon seit längerem wieder, systematisch, konditioniert ist. Alles kommt, neogewendet, wieder.
Es wird von "Verfremdung" geredet und sie träumen dabei von den politischen Verhältnissen zur Entstehungszeit der Werke und dem damit verbundenen Machtzuwachs der Totalitären.
"Die Sprache der Literatur wird, wie es die extreme Rechte immer tut, von der brutalen Eindeutigkeit ihrer inzwischen sattsam bekannten Aussprüche, die das gesunde Volksempfinden hinter sich wissen oder zu wissen glauben, sozusagen niedergeknüppelt."
Elfriede Jelinek.
Die Sprache des Theaters kommt jetzt an die Reihe.
und dann stehen mir schauspieler an der rampe gegenüber, lassen irgendwelche monologe ab, allein oder in gruppen, untermalt mit zu lauter "musik", was kein problem ist, alle haben ja mikroports, im hintergrund wird irgendetwas projiziert.
freue mich schon auf den tag, wenn diese art von "regietheater" ENDLICH zu grabe getragen wirde
Die Rede von Kehlmann im einzelnen brauche ich nicht zu besprechen. Ich finde es unnötig. Ihre Substanz ist dürftig, aber sie sollte auch nicht substantiell sein. Ich denke, Kehlmann kann soweit präzise denken, dass ihm bewusst ist, wie wenig die Anekdote vom Beleuchter hinter dem Rücken des Regisseurs ein Argument nach welchem methodischen Maßstab auch immer sei. Weder nach statistischen oder ästhetischen Gesichtspunkten. Ihm dürfte einleuchten, dass „Autor“, der seinen sacht vergessenen Vater als „Diener der Autoren“ preist, nicht als neutraler Zeuge vernommen werden kann. Er dürfte sich erinnern, dass Lottmann, der Satiriker, in dessen Phillipika gegen das Theater bekannte, nie ins Theater zu gehen und lediglich aus Anlaß seines Artikels drei ausgewählte Aufführungen besucht zu haben, was ebenso rabiat wie offenherzig war als ob er geschrieben hätte, er entsichere seinen Revolver, wenn er Kultur höre – in diese Kategorie gehört allenfalls auch Kehlsmanns Erinnerung, dass das Hochziehen eines Lusters seines schönste Theatererinnerung sei:, nicht einmal die Aufführung selbst. Kunstblut für sich, er mag mir recht geben, ist ebenso wenig ein Qualitätsmerkmal, wie ein historischer Schlüpfer, auf diesem Wege streicht man in der Gleichung alles auf Null zusammen. Es wird Kehlmann einleuchten, dass ein versierter Romanschreiber noch keine Begabung als Dramatiker haben muss (oder Lyriker, Essayist etc.). Im weiteren weiß Kehlmann, der einen historischen Roman geschrieben hat, dass selbst die akribischste Historie der absoluten Verfremdung des einzelnen Gehirns unterliegt – dass kein historisches Kostüm dem Autor „dient“, der in Jamben schreibt, dass Mozart, wie Hesse meint, ein Saxophon benutzt hätte, hätte er es gekannt, dass die Welt für Kleist grün gewesen wäre, hätte er stets eine grüne Brille getragen, und dass jede Figur, die ich mir beim Lesen vorstelle, anders ausschaut als meines Mitreisenden (ich las „Vermessung der Welt“ auf der Strecke Köln – Berlin, das passt genau in den Zeitraum), und gleiches gilt auch beim Theater, welches ein Text ist wie alle andere Welt auch.
Im Zusammenhang mit dieser Rede kam der Begriff „Re-Feudalisierung“ auf. Der Begriff ist äußerst bündig. Jüngst in der Süddeutschen und FAZ quasi zeitgleich waren Artikel zu lesen über die Krise des Theaters in NRW, einem Land, dessen Regierender das Kultusminsiterium auflöste und Kultur zur Chefsache erklärte. Der Artikel zitierte Kulturdezernenten (ich meine das, bitte mich zu korrigieren), die freimütig nicht ins Theater gehen. Zugleich sind Festivals, also keine regelmäßigen Ensemblearbeiten, sondern „Events“, ebenso zunehmend wie die von Ensembles entkernten Rumpftheater, die nach Marktlage / Publikumsnachfrage Vorstellung „einkaufen“. Es hat nichts mit Marx zu tun oder links. Es geht um eine bestimmte Form von Theater, das, sofern es dem Autoren „diene“, verläßlich, kalkulierbar ist. Der Text verbrieft die Aufführung. Das Publikum wird in seinem vorbesessenen Wissen nicht gefährdet. Der Zustand ist stabil, ist (siehe oben) sicher genormt. Die Folge des Autorendienstes ist eine berechenbare Theaterkunst, die nur die Gesichter der Schauspieler austauscht, nicht aber die Herausforderung an das Publikum. In Zeiten der Krise, ich schäme mich fast, diese wieder anzuführen, ist ein Sicherheitsbedürfnis logisch. Die Re-Feudalisierung auch. Kehlmanns Text bedient eine ungute Konservative. Nämlich eine, die einen Wert an sich kennt. Eine, die sich nicht scheut – das ist der Skandal seines Schlußes – die Wahrheit von der Kunst zu fordern. Dies ist eine religiöse Forderung. Dies ist eine sakramentale Forderung. Das Unmessbare, Unabgleichbare zum Kriterium zu erheben, ist die Aufforderung zur Frömmigkeit, zum Dienst am Jenseits, und bequem stets von Inquistoren abzustrafen, denn die Wahrheit steht nicht im Vermögen des Menschen. Die unerreichbare Wahrheit ist aber auch ein Totschlagsargument. Das nicht wahr, das also schlecht. Kunst, die Wahrheit zu verkünden sich anpreist, ist Progaganda; ich wiederhole es. Vor allem: wenn Wahrheit – und dies ist der infame Schluß – mit Werktreu, also der „Wahrheit“ des Autors gleichgesetzt wird: als gäbe es zwar keine objektive Wahrheit auf Erden, aber die subjektive im Autorenhimmel, die wenigstens der Theaterschaffer als sterbliches Pendant zur objektiven Wahrheit anhimmeln müsse.
Es muss betont werden, denke ich: jeder Angriff auf das sogenannte Regietheater ist ein Angriff auf das Theater an sich. Das Theater gleicht insofern einem Parlament: wenn man der einen Partei die Rederechte einschränkt, ist das Organ in Gesamtheit vergiftet.
Ich sage, Herr Kehlmann würde niemals dulden wollen, wenn ihm jemand das Schreiben vorschriebe. Er möge bedenken, dass jene Intellektuellen, die sich zum Handlanger und Zeugen einer Kunststrafgerichtsbarkeit machten, grundsätzlich sehr übel in dem System aufwachten, das aufzurichten sie halfen.
Thomaspeter Goergen
ich fürchte, herrn kehlmann war NICHT bewußt, wie vermessen und kleingeistig sein Kronleuchtervergleich war..ich fürchte, er ist wirklich so naiv, daß er seine romantisierende kindheitserinnerung als ein tatsächlich adäquates beispiel für ein theaterwunder hält... eine wenig durchdachte und im kindlichen steckengebliebene nebulöse gedankenwelt...- ohjeee..
Vielen Dank, Herr Georgen.
Rät jemand, vom wem das, seinerzeit als Radio-Vortrag, allzeit gültig, geschrieben wurde?
"Wo der Hochmut des Intellektes sich mit seelischer Altertümlichkeit und Gebundenheit gattet, da ist Teufel.
Und der Teufel, Luthers Teufel, Faustens Teufel, will mir als eine sehr deutsche Figur erscheinen, das Bündnis mit ihm, die Teufelsverschreibung, um unter Drangabe des Seelenheils für eine Frist aller Macht und Schätze der Welt zu gewinnen, als etwas dem deutschen Wesen eigentümlich Naheliegendes.
Ein einsamer Denker und Forscher, ein Theolog und Philosoph in seiner Klause, der aus Verlangen nach Weltgenuss und Weltherrschaft seine Seel dem Teufel verschreibt, - ist es nicht ganz der rechte Augenblick, Deutschland in diesem Bilde zu sehen, heute, wo Deutschland* buchstäblich der Teufel holt?"
PS.
*Deutschland würde ich natürlich gerne mit 'Theater' ersetzen.
Schließe mich dem o.a. Dank Hildes für Thomaspeter an, nur, den K's allerorten wirds reichlich wurscht sein. Die wittern Morgenluft, sind jetzt wieder wer, kriegen Applaus, sind die Leute der Stunde und von Morgen ...
Das klingt nach Faust, würde ich sagen.
Aber ich sehe für das Theater nicht ganz so "schwarz" wie Sie, Herr Unger. Dafür gibt es doch einfach zu viel gutes Theater, auch in Deutschland.
Experimentier-Kabarett der von den Herren Kerr und Genossen gelobten Regisseure wie Piscator usw. und ‚Stars‘. Verschwunden war der ehrlich kämpfende und sich dem Dichtwerk verbunden fühlende Schauspieler und Theaterleiter...“, Völkischer Beobachter, 26.3.1936
an Goethes statt:-) hielt die Rede 1945 Thomas Mann, in seiner legendären BBC Vortragsreihe, später als Buch, "Deutschland und die Deutschen", aus dem dieser Auszug stammt.
Klar stimme ich Ihnen zu, es gibt (noch) viel gutes Theater!
Nur, stellen Sie sich mal 1933 vor: das kulturelle, intellektuelle, weltbürgerliche Leben in den deutschen Großstädten dieser Zeit, mit seiner weltbewegenden Avantgarde in Literatur, Malerei, Musik, Architektur. Hat alles nichts genützt.
Von 1925 bis 1939 waren für die damaligen Zeitgenossen doch auch lange Jahre, in denen 'nichts' geschah, doch alles in 'bester' Ordnung war. 1936 war sogar die Welt zu Gast ...
Selbst Walter Benjamin hat das unterschätzt. So unterschätzen wir die großen, zunächst für uns nicht so existenten Massen der Kleinbürger, die ewigen (deutschen) Spießer und Rohlinge aller Altersklassen und beiderlei Geschlechts, die sich immer nach dem großen 'Vereinfacher' sehnen.
Lesen Sie doch nur mal deren Kommentare hier im Forum, wie die sich wieder in ihrer reduzierten Weltsicht brüsten und grosstun. Genau wie K., der das bedient, nur noch primitiver.
Mit dem "züchtigen Theater", über mir, kommen wir langsam drauf, worum es hier geht, was hier gespielt wird: Deren Zeit dämmert wieder herauf. Natürlich in entgegengesetzter Orchestrierung des "Dr. G", in dessen diametraler Methodik. Neogewendet, und dazu in der Zangenbewegung einer globalen Re-Feudalisierung.
So möchte ich mit einem weiteren Zitatfragment als Rätsel schließen, stammt von einem populären deutschen Mundartdichter, hier auf hochdeutsch:
" ... es kommt vor, daß ich mein das was klirrt, daß sich irgendwas in mich verirrt, ein Geräusch nicht mal laut, manchmal klirrt es vertraut, selten so daß man's direkt durchschaut, ..."
Nun gut, Ihr auf hochdeutsch zitierter Text dürfte mit Wolfgang Niedecken auf kölsch so weitergehen:
" Mer weed wach, rief die Aure un sieht
en'nem Bild zweschem Brueghel un Bosch
kei Minsch, dae oem Sirene jet jitt
weil Entwarnung nur half su vell koss
et'ruesch noch Kristallnaach
Von BAP nach hochdeutsch übersetzt:
Man wird wach, reibt sich die Augen und sieht
in einem Bild zwischen Breughel und Bosch
keinen Menschen, der um Sirenen was gibt
weil Entwarnung nur halb soviel kostet.
Es riecht nach Kristallnacht."
Ich bin zwar nicht Nostradamus, aber meine Kristallkugel hat mir verraten, dass etwas wie nach 1933 in diesem Jahrhundert nicht mehr passieren wird. Wenn das keine Falschmeldung ist, hätten wir demnach noch mindestens 91 Jahre Ruhe.
Aber was viel schlimmer ist: es ist eine neue, unsichtbare Version der Diktatur in Umlauf, so wie sich auch Computerviren und Krankheitserreger ständig weiterentwickeln. Die Tyrannei genauso wie Bakterien oder Viren entwickeln sich weiter. ABER auch die Formen des Widerstands entwickeln sich weiter, oder?
Auch diese sind subtiler, unsichtbarer geworden, nicht wahr. Und doch existieren sowohl Unterdrückung wie Widerstand dagegen. Oder sehe ich das total falsch? Wichtig ist doch, dass es Widerstand GIBT. Sie schreiben oben, es gab eine tolle Avantgarde in den 20er Jahren, aber es "hat alles nichts genützt". Doch, denn die Schriften und Werke der Künstler vorher und der Nazi-Gegner leben weiter und ich denke, wir haben den Glauben an "Menschlichkeit" nur deshalb nicht verloren, weil es diese Zeugnisse der Widerständler, Opfer und tapfer sich selber treu Bleibender gibt!
Viele sind in den "Untergrund" gegangen, das hat Konstantin Wecker schon in den 80ern gesungen, oder noch früher.
Die Veränderung muss auf geistige Weise geschehen, das kann natürlich noch dauern...
Aber wenn man bedenkt, dass der Mensch nur ein Fliegenschiss in der Millionen Jahre dauernden Evolution des Universums ist, kann man Zeit relativ betrachten.
Ganz schön viel Philosophie am frühen Morgen...
Da muss ich selber noch drüber nachdenken, Herr Unger. Gibt es eine Lösung? Oder bleibt es immer nur eine Annäherung in einer evolutionären Spirale?
Was meinen Sie?
Was ich meine ist, daß wir, heute, wesentlich gleichgeschalteter und gleichgültiger sind als es die Menschen 1933 waren. Giorgio Agamben sagt dazu: Je mehr sie (die Geheimdienste) alle Macht in ihren Händen konzentrieren, desto mehr wird dies als Sieg der Demokratie begrüßt.
Im heute herrschenden Zeitalter des 'Absoluten Markts' setzen dessen zivile Machthaber (allen voran WMP / McKinsey / BCG) alles daran, ihren globalen, farblosen Kapital-Faschismus im jetzigen, disparaten und somit für sie optimalen, Zustand zu halten.
Treppenwitz der Geschichte: mit den Aktionen gegen 'Rechts' vom z.B. "DGB" bis zum "Schwarzen Block" der Antifa, sind diese genau auf der Linie des 'Absoluten Markts', dessen Machtinteressen so gedient wird.
Noch mal Agamben:
"Entgegen allem Anschein droht die Organisation des Global-Demokratisch-Spektakulären die schlimmste Tyrannis zu werden, die in der Geschichte der Menschheit je dagewesen ist."
Nur, von unten, vom Kleinbürger drückts. Dort herrscht Sehnsucht nach, egal, Braun oder Rot. Hauptsache drauf! Wie schon Tucholsky genau wusste: Niemand, kein Blutrichter, nicht der ärgste Zuchthaus-Schinder, ist schlimmer, als der entfesselte Deutsche Kleinbürger.
Und so wird, mit viel Aufwand, über die WMP- beherrschten Medien versucht, den sich in Biederkeit und Überangepasstheit gerierenden Gewalt- und Blutdurst des ewigen Spießers zu kontrollieren, damit sein Faschismus nicht ausbricht.
Es ist doch kein Zufall und ganz offensichtlich, daß die hier zugrundeliegende 'Rede' eines mediokren Parvenüs, vor eben dieser Kulisse in Salzburg, genau dieser Katharsis dient.
Das zustimmende Gejohle des geist-feindlichen Mobs, "zitternd vor Neid", voll kalkulierend. Deshalb bezeichne ich K. als 'Top-Avantgarde.' Es ist eine furchtbare. Alles kommt wieder, nur halt in neuen Schläuchen.
Würde gerne noch mehr antworten, will aber (erst mal) hier nicht allzu viel Platz beanspruchen.
Gruß H.
u. a. zum "dummen theater", "dummen rundfunk", "dummen fernsehen" und der sehnsucht nach originalität, die genauso spiessig wie die werktreue daherkommt, weil sie den zuschauer/hörer für dumm verkauft.
Ihre Argumentation nimmt nun eine ganz andere Wendung. Ich habe diese
schon öfter vernommen und auch auf die Gefahr hin, von Ihnen als naive Person betrachtet zu werden, die völlig vereinfacht denkt, möchte ich Ihnen widersprechen.
Meine Frage vorher war eigentlich, ob wir uns in der evolutionären Spirale der geistigen Entwicklung des Menschen immer nur in der Annäherung an ein menschliches Ideal befinden können. Und meine persönliche Antwort ist: ja.
Wie Sie sicher wissen, gibt es mehrere Wirklichkeiten, bis hin zu parallelen Wirklichkeiten, und so ist Ihre Sicht der Dinge wahrscheinlich auf einer Ebene wahr und trotzdem meine Sicht der Dinge auf einer anderen Ebene nicht minder. Das wird Sie nicht überzeugen, dennoch versuche ich, noch mal meinen Denkansatz zu erklären.
Wenn wir davon ausgehen, dass Gut und Böse gleichermaßen im Menschen angelegt sind, mal so platt ausgedrückt, ich kann es aber gerne differenzieren, wenn es also Machtgier, Sadismus, Gewalt, Geldgier, Kriegslüsternheit, Streitsucht, Ungerechtigkeit, Ignoranz und so weiter von Natur aus im Menschen gibt – wovon ich ausgehe – müssen wir damit leben, dass es von bestimmten Leuten auf die Spitze getrieben wird, und dann in dem von Ihnen beschriebenen Horror-Szenario (Geheimdienste und globale Monsterfirmen „kontrollieren“ den „blutgierigen Kleinbürger“) gipfelt.
Wenn ich aber ebenso davon ausgehe, dass auch Vernunft, Solidarität, Großzügigkeit, friedliches Miteinander, Freude und Liebe im Menschen natürlich angelegt sind, gibt es die Chance, dass der einzelne Mensch, wenn schon nicht aus Einsicht, so doch aus erlebter Erfahrung, seine negativen Triebe „überwindet“, auch wenn sie immer noch da sind, er lässt sich nicht völlig davon beherrschen. Dieses ist ein geistiges und seelisches Vermögen, von altmodischen Menschen gern „Herzensbildung“ genannt, die der Mensch entweder im Idealfall von zu Hause mitbekommt oder im Laufe des Lebens durch andere lernt oder erwirbt. Nachahmung ist ein starker Trieb, der dabei helfen kann.
Sollten allerdings „Geheimdienste und Globalisierung und Marktführer etc.“ stärker sein, dann liegt das am Menschen und nicht daran, dass andere ihn steuern.
Dann wollen das die Menschen entweder so – oder sie haben es nicht kapiert. Und ich befürchte, gegen beides kann man nichts, aber auch gar nichts ausrichten. Es muss so weiterlaufen, bis die Erkenntnis sich durchsetzt, oder eben nicht. Wenn ich davon ausginge, dass man Leute gegen ihren Willen zu einem gerechten, freien, selbstgewählten Leben zwingen müsste, weil sie ohne Druck oder Gewalt gar nicht dazu bereit sind, dann mache ich einen Denkfehler. Autonomie kann nur selbstgewählt sein, das ist meine Meinung. Ich hoffe, ich habe einigermaßen verständlich gemacht, was ich meine und erwarte nicht, dass sie das nachvollziehen können, bin aber einem Gedankenaustausch hierüber aufgeschlossen.
Gruß H.
Ich habe um 1980 herum mehrmals Ernst Wendt interviewt, wir sprachen auch über seine umstrittene "Kabale und Liebe"-Inszenierung von 1978 an den Münchner Kammerspielen. Ich zitiere eine Passage von ihm zum Thema Werktreue. Das war genau die Zeit, in der Kehlmanns Vater allmählich "unmodern" wurde.
"Ich glaube, man muss auch die älteren Stücke weiterentwickeln. Die Meinungen darüber sind ja sehr geteilt, aber Shakespeare etwa, oder Schiller, haben offener geschrieben, als es von ihren heutigen akademischen Auslegern behauptet wird. Eine Annäherung an einen Text wie 'Kabale und Liebe', die genau vorschreibt, was szenisch zu passieren hat, wäre eine Absurdität. Schiller hat das gewusst, er hat das formuliert, als er das Stück an Dalberg, den damaligen Mannheimer Theaterdirektor geschickt hat. Das Stück hat so viele Risse und Widersprüche, und Schiller ist, als er das für die Mannheimer Bühne eingerichtet hat, damit so ruppig umgesprungen, wie ich mich das nie getrauen würde. Es war Selbstzensur zum Teil, es war Anpassung an Theaterkonventionen, es war der Versuch, eine Sache noch effektvoller fürs Theater herzurichten.
Wenn man das mal studiert, wie so ein Autor selber als Theatermann auf sein Werk reagiert, dann finde ich unsere heutige, eher zögernde und suchende Arbeit an solchen Texten geradezu unschuldig. Es ist ja nicht so, was immer unterstellt wird, wir hätten eine Lust daran, einen Text gewaltsam in die Gegenwart oder in unsere eigenen Obsessionen zu reißen und dabei mutwillig den Dichter zu zertrümmern. Das ist wirklich ein Quatsch. Jeder, der einmal auf einer Theaterprobe war, weiß eigentlich, daß das ein lustvoller, aber zugleich auch quälender, manchmal auch unsicher machender Vorgang ist, wenn man sich einem alten Text aussetzt -das heißt ja immer einem Text, hinter dem wir sprachlich weit zurück sind, hinter dem wir oft auch gefühlsmäßig weit zurück sind.
Wir beobachten bei der Arbeit an solchen Klassikern mit Fassungslosigkeit fast den Sprachverlust, den wir uns - in den letzten 100 Jahren wahrscheinlich - selbst zugefügt haben. Daraus entsteht ja manchmal eher ein Gefühl der Demut, der Ohnmacht auch, und andererseits natürlich der Versuch, da etwas zu retten. Dabei passieren uns auch Gewaltsamkeiten, das ist ohne weiteres möglich, Irrtümer, falsche Lesarten, aber dieser deutsche Oberlehrerglaube an Verbindlichkeiten, der ist gegenüber unserer Bemühung dann doch eher lächerlich."
Mein Rat: Ball flach halten und lustvoll arbeiten
Gruß M.Vogtmann
"DAS" Theater gibt es sicherlich nicht. Jeder gute Regisseur macht auch mal schwache Stücke. Und jedes Theater hat neben grandiosen Inszenierungen auch "Unsäglichkeiten" im Programm.
(@niko / 17: danke für den klugen einwurf)
Nur – hier im Forum ist's natürlich, wie o.a. 'Wilhelm' schon bemerkt hat, etwas über dem Thema, weshalb ich mit meinem Hinweis aufs konkret Politische, den zündelnden Trittbrettfahrer K. beleuchten wollte.
Bis auf das o.a. 'züchtige theater' und teilweise o.a. 'Thomaspeter', befassen sich die Kommentare hier allesamt ausschließlich mit dem konkreten Theater. Soweit in Ordnung.
Nur, um das Theater ging's dem K. doch gar nicht. Das ist doch nur sein populistisches Vehikel. Der will sich doch ganz woanders empfehlen. Und lacht sich jetzt schlapp, wie gut sein Coup funktioniert hat.
Marlene Streeruwitz spricht's aus, was hier gespielt wird, worum es hier geht. Wenn Sie mögen, setzen wir auf dieser Site fort. Gruß, auch H:-)
Es wäre zu wünschen, daß Daniel Kehlmann nicht der einzige bleibt.
In diesem Sinne kann eine Aufführung gar nicht ohne eine kontextabhängige Lesart des Regisseurs und der Darsteller funktionieren. Zudem materialisiert sich die Bedeutung eines Textes erst im Moment des Gesprochen-Werdens durch die Schauspieler im Zusammenspiel mit der Wahrnehmung jedes einzelnen Zuschauers. Ein Text vermittelt keine überzeitlichen Ideen und Werte, es sei denn, etwas wiederholt sich - in der historischen Differenz.
Kehlmanns Angriff auf "das Regietheater" entspringt daher möglicherweise tatsächlich eher dem Wunsch eines gesamtgesellschaftlichen konservativen Backlash', wonach dem Menschen in Zeiten der Finanzkrise auf dem Theater nicht noch mehr Experimente und Kritisches zugemutet werden dürfe, ganz nach dem Motto: Bloß keinen Stress, lasst den Leuten ihren Genuss und ihre schönen Illusionen. Schein oder Nicht-Sein, das ist hier die Frage.
Immerhin wechselt er damit auf die Seite der für das Theater Schaffenden. Und Theater machen heisst im deutschsprachigen Raum immer gegen die etablierte Theaterkritik zu arbeiten. Egal wo. Egal ob in Hamburg, Salzburg, Leipzig oder Wien oder sonstwo, eins ist gewiss: der Verriss. Viel Glueck Herr Kehlmann!
Ich habe in dem "Parallelstrang" der hiesigen Diskussionen rund um die Kehlmann-Rede schon die Frage aufgeworfen,
wem diese Ableger der Regietheater-Debatte eigentlich nützen oder nützen könnten, wie ich mir den Mechanismus eigentlich vorstellen muß, wie diese "Theaterpolitik" eigentlich funktioniert -denn daß es sich um eine solche handelt, ist wohl unschwer festzustellen, denn sonst würden all diese Holzschnitte,
geradezu Lügen über das Theater nicht kursieren, denn sonst würden sich an dieser Stelle haufenweise nicht zu unterschätzende Personen ständig ungemein, gemeingefährlich unterbieten-.
Ist ja eigenartig, daß der Kram dann Kehlmann-Debatte
heißen kann, wenn andere Personen, wie Herr Oberender im Interview mit Peter Michalzik, ganz andere Kaliber lostritt ... und das irgendwie relevante Theater in Antwerpen und/oder Riga verortet.
So wenige Erwachene unter den Theaterschaffenden, wie dort behauptet wird, so wenige Erwachsene im Publikum von Flensburg via Bochum, Weimar, Leipzig bis
Salzburg und Wien ..., wie "man" ja zwangsläufig aus dem dort Gesagten schließen muß ??
Das alles nur ein hingeworfener Brocken zum Amüsieren ???
Ich denke nicht; und mittelstreichungswillige Politikerinnen und Politiker mögen das registrieren, daß da ja offenbar überall Schüler- und Studententheater
läuft: das gibt es in neuen Schulaulen und dergleichen Zweckräumen natürlich billiger als an einer Bühne in Nordhausen oder Frankfurt an der Oder !!
Läuft also diese Debatte auch nur annährend redlich und verantwortungsvoll ab?
Es spricht Vieles dagegen; und es sprechen sogar ziemlich wenige der betroffenden Schauspielerinnen, Schauspieler, der "Theaterleute" darüber, wie sie ihren erwachsenen Lebensplan in Sachen Theater tagtäglich versuchen ins Werk zu setzen. So aber kommt selbstredend der Verdacht auf, daß so ein Oberender-Brocken -sogar gegen eine mögliche Intention- "Recht" behält. Daß auch anders und sachlich mit dem Thema verfahren werden kann, zeigen mir z.B. die Beiträge von Thomaspeter Goergen, denen ich mich weitestgehend anschließe !
schon seltsam, wie manche Gehirnspender sich hier den Hohlraum zwischen den Ohren heißreden und völlig am Thema vorbei antworten. Ist das die Nebenwirkung, wenn man zuviel modernes "Regietheater" genossen hat?
Ein kleiner Diskussionsbeitrag zum Thema Werktreue oder Regietheater anhand der durchgehend gelobten Produktion "Quai West", deren Inhalt ich zum Zeitpunkt der Premiere nicht kannte.
Laut mehrfachen Angaben im Text herrscht undurchdringliche Finsternis am Ort des Geschehens. Die Beschreibung wurde so authentisch von tiefschwarz bis dunkelgrau umgesetzt, dass mir z.B. nicht mehr möglich war die beiden jungen Männer Charles und Fak optisch zu unterscheiden. Die anderen Personen sind im Geschlecht und Alter so differenziert, dass eine Unterscheidung zwar in den Konturen möglich war, allerdings keine Wahrnehmung einer Miene/Erregung/Erstaunen etc.
Laut einem Brief, der im Progammheft auch abgedruckt ist, wünschte der Autor Koltès eine hastige, getriebene Sprechweise, die auch von den Schauspielern korrekt umgesetzt wurde. Ich halte daher, den in vielen Kritiken verwendeten Ausdruck "Hörspielästhetik" für vollkommen falsch, da ja bei Hörspielen oder Hörbüchern eine Dramaturgie und Sprechweise gewählt wird, die das Verstehen erleichtert. Bei "Quai West" hatte ich erstmals Probleme, die sonst präzise Sprecherin Elisabeth Orth durchgehend zu verstehen.
Ich habe mir jetzt das Textbuch gekauft und kann nun die Geschichte erzählen und habe sie verstanden. Was ich aber nicht verstanden habe, ist: Ist das wirklich Werktreue oder ist das nicht doch auch Regietheater?
Jetzt macht es langsam Spaß. Leider bin ich aber kein Militarist, deshalb verweigere ich den "Befehl".
Es ist Ihnen natürlich frei gestellt keine Kategorie, keine Stilrichtung, keine Schublade erkennen zu wollen und nur ihr Empfinden in Sachen Gefallen oder Nichtgefallen sprechen zu lassen.
Andererseits sollten Sie doch bitte so weit Toleranz üben, Menschen nicht den Mund zu verbieten die Kunst, Theater oder auch Musik in einem Zusammenhang mit einer Richtung betrachten wollen.