Eines langen Tages Reise in die Nacht - Schauspiel Köln
Existenzielle Erschütterung
von Martin Krumbholz
Köln, 15. November 2019. Regieanweisungen spielen selten eine so bemerkenswerte Rolle wie in Luk Percevals Inszenierung von Eugene O’Neills Meisterwerk "Eines langen Tages Reise in die Nacht". Sie sind ja fast so etwas wie ein Stück im Stück oder ein Roman im Stück, mit dem O’Neill die Atmosphäre im Haus der Schauspielerfamilie Tyrone und die Psychologie der fünf Personen akribisch umkreist – vom ewig tutenden Nebelhorn bis zu des jüngeren Sohn Edmunds Hustenanfällen. Percevals entscheidender Kunstgriff legt diesen Code in den Mund der Spielerin des Dienstmädchens Cathleen (Maria Shulga), die – ansonsten funktionslos – das trübe familiäre Geschehen beobachtet und scheinbar emotionslos kommentiert. Das epische und zugleich hyperrealistische Moment des Dramas findet so eine plausible, dabei beklemmende, fast gespenstische Entsprechung, noch subtil verstärkt durch den englischen Akzent der Spielerin.
Das Leben des Vernon Subutex 1-3 - Schauspiel Köln
Der tote Plattengott
von Dorothea Marcus
Köln, 25. Oktober 2019. Es ist das Blöde an 1200 Seiten Romantrilogie, dass sie, auf einen Theaterabend gebracht, zwangsläufig zu Vereinfachung führen. In der dritten deutschsprachigen Bühnenversion von Virginie Despentes' bösartigem wie scharfsichtigem Bestseller "Das Leben des Vernon Subutex 1-3" setzt Regisseur Moritz Sostmann diesem Allgemeinplatz sein erwachsenes Puppentheater entgegen – und die Kraft der Playlist, die im Leben des Ex-Plattenhändlers, lädierten Frauenhelden und lässigen Obdachlosen Vernon eine so große Rolle spielt (über 200 Titel verzeichnet sie auf Spotify). Mit einem schrillen Pfiff stürmen die Darsteller von den Seiteneingängen hinter den Breitwandkasten von Christian Beck und wiegen sich als scharfe Schattentheater-Umrisse lasziv zu düsteren Bässen. Vernon Subutex wirkt als Puppe wie ein Wiedergänger von Iggy Pop: blondierte Langhaarfrisur, gediegene Rockstar-Falten, Pilotenbrille. Sein menschliches Alter Ego Aram Tafreshian rattert in einem furiosen Schnorrer-Monolog durchs Publikum ("Haben Sie vielleicht mal ne Zigarette?") Vernons Abstieg herunter: Wohnungsrauswurf, sesshaft und illusionslos gewordene Freunde, Tod des berühmten Gönners Alexandre Bleach, Couchsurfing als verdeckte Obdachlosigkeit.
Der Untergang des Egoisten Johann Fatzer - Schauspiel Köln
Unter Fleischergesellen
von Dorothea Marcus
Köln, 7. Juni 2019. Die Dokus zum D-Day tosen noch in den Ohren, da geht's noch einmal zurück, tiefer hinein in die Weltkriegsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Mit Bertolt Brechts Fragment "Der Untergang des Egoisten Johann Fatzer" setzt Oliver Frlijć beim ersten Weltkrieg an: Zwölf Feldbetten wachsen im Kölner Depot 2 aus schwarzer Erde, sieben versprengte Soldaten gießen den Boden, dazu läuft eine Abwandlung von Marlene Dietrichs Schlager "Sagt mir, wo die Männer sind".
Regie: Jan-Christoph Gockel
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