Kinder der Sonne - Staatsschauspiel Dresden

Schatten auf den Sonnenkindern

von Michael Bartsch

Dresden, 8. Februar 2020. Selten ergibt sich die Gelegenheit, in einer Stadt innerhalb von knapp drei Wochen zwei völlig unterschiedliche Inszenierungen desselben Stückes zu sehen. Beim "Karussell"-Festival zeitgenössischer russischer Kunst im Festspielhaus Hellerau gastierte auch das legendäre "Rote Fackel"-Theater aus Nowosibirsk. Regisseur Timofej Kuljabin zeigte in Maxim Gorkis "Kinder der Sonne" Psychogramme und Gruppendynamik in einem Kammerspiel der Stanislawski-Art, freilich auch mit politischen Bezügen zur beginnenden Putin-Ära.

Peter Holtz. Sein glückliches Leben erzählt von ihm selbst - Staatsschauspiel Dresden

Peter im Bällebad

von Rico Stehfest

Dresden, 7. Februar 2020. Aus der Psychiatrie heraus, also vom Ende her, erzählt er seine Geschichte, dieser Peter Holtz, und wie er dazu gekommen ist, das ganze viele Geld anzünden, es einfach verbrennen zu wollen, um es endlich los zu werden. Moritz Kienemann liegt dabei splitterfasernackt auf dem weißen Bühnenboden, der gesteppten, weichen Fläche seiner eigenen "Gummizelle", nackt aber nicht verletztlich. Er, der allen nur als Tor gilt, begrüßt das Publikum mit einem breiten Grinsen und lädt dazu ein, zu verfolgen, wie er seine Erinnerungen, seine Vergangenheit noch einmal durchspielt und zu diesem Zweck alle Figuren dieses Kaspertheaters noch einmal aufmarschieren lässt, als wäre das ein Heidenspaß.

Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß - Theater junge Generation Dresden

Eine typische Geschichte

von MIchael Bartsch

Dresden, 25. Januar 2020. In welchem Gewand werden die Nazis und die Guten wohl diesmal daherkommen? Ein Buch wie Manja Präkels "Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß" könnte zu plakativer Darstellung verführen. Doch in der ersten Bühnenfassung des 2018 mit dem Jugendliteraturpreis und dem Anna-Seghers-Preis geehrten Romans der Journalistin und Autorin am Dresdner Theater Junge Generation muss man sich nicht auf Drastik einlassen, sondern stattdessen auf feine Nuancen: Bühnenfassung und Regie von Nils Zapfe versuchen weder die meist unbefriedigende szenische Illustration des Textes, noch halten sie eine szenische Lesung ab. Ein bisschen euphorisiert könnte man von Neuland sprechen, das Zapfe mit seiner Herangehensweise betritt.

Im Westen nichts Neues - Staatsschauspiel Dresden

Theaterfotos in Bewegung

von Matthias Schmidt

Dresden, 11. Januar 2020. Am Anfang ist der Lärm. Anschwellender Kriegslärm. Dann Stille. Dunkelheit. Schemenhaft zu erkennen, fünf nackte, im Wasser hockende Menschen, die versuchen, sich eine Zigarette anzuzünden. Sie beginnen, Sätze aus dem Roman vorzutragen. Der brutal wie kaum ein anderer den Ersten Weltkrieg sezierende Text, die fünf im kurzen Flackern der Feuerzeuge erkennbaren Gestalten, 19jährige Jungs (in Dresden allerdings, warum auch immer, drei Männer und zwei Frauen), eben noch Schüler, jetzt nacktes Menschenfleisch, das seine Haut in einem Schützengraben zu Markte trägt. Verstörende Töne erklingen – düstere Bässe, sphärische Sounds, das Programmheft beschreibt sie als binaural (darf gegoogelt werden). Das Setting ist gespenstisch. Es ist vielversprechend. So beginnen Theaterabende, die man nicht vergisst.

Karussell: Zeitgenössische Positionen russischer Kunst - Festspielhaus Hellerau Dresden

Einladung an Russlandversteher

von Michael Bartsch

Dresden, 10. Januar 2020. Die Verunsicherung ist bei aller Aufgeschlossenheit gegenüber den russischen Gästen im Festspielhaus Hellerau spürbar. Sie sind zumindest den Ossis noch vertraut und doch seltsam fremd geblieben, östlich anders und doch überraschend ähnlich in der Adaption westlicher Entwicklungen. Ihre Experimentierfreude überrascht auch immer wieder. Weil man sich bei den räumlichen Gegebenheiten des Festspielhauses Hellerau der Nähe gar nicht entziehen kann, entsteht eine unmittelbare Herausforderung.

Fast Forward - Staatsschauspiel Dresden

Entschleunigung nach vorn

von Michael Bartsch

Dresden, 19. November 2019. Der Festivaltitel "Fast Forward" suggeriert Sturm und Drang. Aber zumindest dieser neunte Jahrgang war doch überwiegend von Entschleunigung geprägt. Ein bemerkenswerter Kontrast zur Teilrebellion des klima-, ja zukunftsverängstigten Nachwuchses gerade in diesem Jahr 2019. Jugend an sich ist noch kein Synonym für Ungestüm und schon gar nicht gleichbedeutend mit Avantgarde. Das lehrt auch dieses Theaterfestival.

Transit – Staatsschauspiel Dresden – Wie Data Tavadzes Inszenierung komplett bei Anna Seghers bleibt und damit exakt im Heute landet
Transit
nach Anna Seghers
Regie: Data Tavadze
Dresden - 08. November 2019
Woyzeck – Staatsschauspiel Dresden – Jan-Christoph Gockel zelebriert den geschundenen Menschen zwischen Horrorshow und Apotheose
Woyzeck
Georg Büchner
Regie: Jan-Christoph Gockel
Dresden - 19. Oktober 2019
Der Kirschgarten – Staatsschauspiel Dresden – Andreas Kriegenburg zeichnet Tschechows Niedergangsansicht des russischen Adels einfühlsam und voll Heiterkeit
Der Kirschgarten
Anton Tschechow
Regie: Andreas Kriegenburg
Dresden - 14. September 2019
Mit der Faust in die Welt schlagen – Staatsschauspiel Dresden – Liesbeth Coltof erzählt mit Lukas Rietzschels Roman die schwer aushaltbare Geschichte einer Rechtsradikalisierung
Mit der Faust in die Welt schlagen
nach dem Roman von Lukas Rietzschel
Regie: Liesbeth Coltof
Dresden - 13. September 2019
Schuld und Sühne – Staatsschauspiel Dresden – Sebastian Hartmann malt mit Dostojewski und Wolfram Lotz das 20. Jahrhundert schwarz-weiß
Schuld und Sühne
nach Fjodor Dostojewski
Regie: Sebastian Hartmann
Dresden - 31. Mai 2019
Kasimir und Karoline – Staatsschauspiel Dresden – Nora Schlocker erzählt mit Horváth vom Durchgriff des Ökonomismus auf alle Lebensbereiche
Kasimir und Karoline
Ödön von Horváth
Regie: Nora Schlocker
Dresden - 11. Mai 2019
Eine Straße in Moskau – Staatsschauspiel Dresden – Sebastian Baumgarten besticht mit Michail Ossorgins monumentalem Roman aus dem revolutionären Russland
Eine Straße in Moskau
nach Michail Ossorgin
Regie: Sebastian Baumgarten
Dresden - 05. April 2019
Früher war alles – Jan Gehler erzählt mit Dirk Laucke und Freitaler Bürgern von einer exemplarischen Stadt im Osten
Früher war alles
Dirk Laucke
Regie: Jan Gehler
Dresden - 09. März 2019
Das Blaue Wunder – In Dresden lässt Volker Lösch zusammen mit Thomas Freyer und Ulf Schmidt die AfD zu Wasser
Das Blaue Wunder
von Thomas Freyer, Ulf Schmidt
Regie: Volker Lösch
Dresden - 26. Januar 2019
Mit freundlichen Grüßen Eure Pandora – Laura Naumanns popfeministischer Rundumschlag von Babett Grube in Dresden uraufgeführt
Mit freundlichen Grüßen Eure Pandora
Laura Naumann
Regie: Babett Grube
Dresden - 19. Januar 2019
Der Prozess – Das Festival
Der Prozess
nach Franz Kafka
Regie: Krystian Lupa
Festspielhaus Hellerau - 01. Dezember 2018
Ein Sommernachtstraum – Am Staatsschauspiel Dresden inszeniert Friederike Heller die Shakespeare-Komödie mit Freude am Klamauk
Ein Sommernachtstraum
William Shakespeare
Regie: Friederike Heller
Dresden - 24. November 2018
Fast Forward – Das Nachwuchsfestival wirft Schlaglichter auf die Arbeit junger europäischer Theatermacher*innen
Fast Forward
Staatsschauspiel Dresden - 19. November 2018
9 Tage wach – Sebastian Klink taucht am Staatsschauspiel Dresden den autobiographischen Drogenbericht von Eric Stehfest in halluzinogene Bilder
9 Tage wach
John von Düffel nach Eric Stehfest und Michael J. Stephan
Regie: Sebastian Klink
Dresden - 10. November 2018
Odyssee – Tilmann Köhler inszeniert am Dresdener Staatsschauspiel Roland Schimmelpfennigs Irrfahrten-Interpretation
Odyssee
Roland Schimmelpfennig
Regie: Tilmann Köhler
Dresden - 15. September 2018
I love Dick – Anna Sina Fries inszeniert Chris Kraus' feministischen Roman am Staatsschauspiel Dresden|179
I love Dick
Chris Kraus
Regie: Anna Sina Fries
Dresden - 27. Mai 2018
Yerma – Andreas Kriegenburg choreografiert in Dresden sehenswert und bildreich an den heutigen Themen des Stückes vorbei|179
Yerma
Federico Garcia Lorca
Regie: Andreas Kriegenburg
Dresden - 27. April 2018
Erniedrigte und Beleidigte – Am Staatsschauspiel Dresden lässt Sebastian Hartmann mit Dostojewski die Kunst toben|179
Erniedrigte und Beleidigte
nach Fjodor M. Dostojewski
Regie: Sebastian Hartmann
Dresden - 29. März 2018
Die 10 Gebote – Im Staatsschauspiel Dresden erkundet Nuran David Calis, wie Glaube heute aussehen kann|179
Die 10 Gebote
nach Krzysztof Kieślowski und Krzysztof Piesiewicz
Regie: Nuran David Calis
Dresden - 16. März 2018
Der gute Mensch von Sezuan – Nora Schlocker holt Brecht in Dresden konzentriert und ohne falsche Aktualisierung auf die Bühne|179
Der gute Mensch von Sezuan
Bertolt Brecht
Regie: Nora Schlocker
Dresden - 24. Februar 2018
Das große Heft – Ulrich Rasche lässt den Roman von Ágota Kristóf in Dresden durchexerzieren|179
Das große Heft
Ágota Kristóf
Regie: Ulrich Rasche
Dresden - 12. Februar 2018
Maria Stuart – Thomas Dannemann setzt auf einer Bühne von Olaf Altmann am Staatstheater Dresden Friedrich Schillers Königinnendrama in Szene |179
Maria Stuart
Friedrich Schiller
Regie: Thomas Dannemann
Dresden - 19. Januar 2018
In seiner frühen Kindheit ein Garten – Friederike Heller bringt in Dresden Christoph Heins Staatsloyalitäts-Roman auf die Bühne|179
In seiner frühen Kindheit ein Garten
Christoph Hein
Regie: Friederike Heller
Dresden - 24. November 2017
Der Weg ins Leben – In Dresden lässt Völker Lösch von den Grausamkeiten der DDR-Jugendwerkhöfe erzählen |179
Der Weg ins Leben
Heiner Müller u.a.
Regie: Volker Lösch
Dresden - 23. September 2017
Professor Bernhardi – Daniela Löffner mit Arthur Schnitzlers Drama aus der Arbeitswelt der Ärzte am Staatsschauspiel Dresden|179
Professor Bernhardi
Arthur Schnitzler
Regie: Daniela Löffner
Dresden - 22. September 2017
Nachlass – Rimini Protokolls Abend über die Fragen nach den letzten Dingen am Staatsschauspiel Dresden|179
Nachlass
Rimini Protokoll
Regie: Rimini Protokoll
Dresden - 16. Juni 2017
Die Stunde da wir nichts voneinander wussten – 120 Einwohner*innen von Dresden holen sich mit einer Theaterplatz-Bespielung den öffentlichen Raum zurück |179
Die Stunde da wir nichts voneinander wussten
Peter Handke
Regie: Uli Jäckle
Dresden - 11. Juni 2017
Der Scheiterhaufen - Armin Petras inszeniert die deutsche Fassung des Romans von György Dragomán in Dresden|179
Der Scheiterhaufen - Armin Petras inszeniert die deutsche Fassung des Romans von György Dragomán in Dresden
nach György Dragomán
Regie: Armin Petras
Dresden - 22. April 2017
Wir kommen – Ronja von Rönnes neurosensatter Generation-Z-Roman am Staatsschauspiel Dresden von Tea Kolbe uraufgeführt|179
Wir kommen
nach Ronja von Rönne
Regie: Tea Kolb
Dresden - 09. April 2017
Homohalal – Das in Wien abgesagte Stück des syrisch-kurdischen Autors Ibrahim Amir wird am Staatsschauspiel Dresden uraufgeführt|179
Homohalal
Ibrahim Amir
Regie: Laura Linnenbaum
Dresden - 30. März 2017
Der Graf von Monte Christo – In Dresden zeigt Simon Solberg ein Mash-up des Dumas-Romans|179
Der Graf von Monte Christo
Alexandre Dumas
Regie: Simon Solberg
Dresden - 24. Februar 2017
kein Land. August – Jan Gehlers Uraufführung von Thomas Freyers Sprach-Fieber-Traum in Dresden|179
kein Land. August
Thomas Freyer
Regie: Jan Gehler
Dresden - 20. Januar 2017
Der Phantast – Jan Dvoraks Stück zu Leben und Legende des Karl May, inszeniert von Philipp Stölzl in Dresden|179
Der Phantast
Jan Dvorak
Regie: Philipp Stölzl
Dresden - 13. Januar 2017

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