Spar-Exitus am Theater Bonn ist so gut wie beschlossen
Friss oder stirb
Bonn, 8. Juni 2011. Der Kulturausschuss der Stadt Bonn hat sich auf seiner letzten Sitzung auf eine Kürzung in Höhe von 3,5 Millionen Euro im Theateretat ab der Spielzeit 2013/2014 verständigt. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, wird der Beschluss nächste Woche am 16. Juni vom Finanzausschuss der Stadt Bonn verabschiedet. Das Theater würde damit die Hauptlast der Deckelung des Bonner Kulturetats tragen müssen, und wie mit dem verringerten Etat gearbeitet werden soll, ist noch unklar, weil Intendant Klaus Weise zwar von der Stadt aufgefordert wurde, ein Sparkonzept zu entwickeln, dies aber noch nicht offiziell vorgelegt ist.
Laut Bonner General-Anzeiger vom 2.6.2011 wünscht die Stadt-Verwaltung den Erhalt des Dreispartenmodells mit Oper, Schauspiel und Tanz (Gastspiele). Sparpotenzial sieht die Stadt in der Schließung der Kammerspiele Bad Godesberg (zwischen 1,5 und 1,8 Millionen Einsparung pro Jahr bei betriebsbedingten Kündigungen, sonst nur 0,6 Millionen), Vermietung der Halle Beuel sowie durch Reduzierung der Sachkosten des Theaters. Etwa 85 Arbeitsplätze sollen abgebaut werden, so zitiert die Zeitung Klaus Weise, rund ein Drittel weniger Vorstellungen gespielt werden.
Diese ersten Spar-Vorschläge haben allerdings Haken: Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch bekundete jüngst, dass die Kammerspiele (in denen bereits nur noch an drei Abenden pro Woche gespielt wird) nicht geschlossen werden, solange er Bürgermeister sei. Außerdem werden mit der Spielzeit 2012/13 die Rücklagen aus dem Berlin-Bonn-Fond aufgebraucht sein, aus dem das Theater bisher Tariferhöhungen finanziert hat.
Das Bonner Theater erhält von Stadt und Bund zur Zeit 27 Millionen Euro, vom Land etwas mehr als 1 Millionen, knappe 6 Millionen eigene Einnahmen werden erzielt. Der künstlerisch frei verfügbare Etat des Hauses beträgt rund 3,6 Millionen Euro. Im November 2010 hieß es zunächst, dass sieben Millionen eingespart werden sollen. Unter der Hand schien dies auch immer ein Druckmittel der Stadt gewesen zu sein, die 3,5 Milionen Euro Einsparung als kleineres Übel zu akzeptieren.
(sik)
Mehr Meldungen zu dem Thema:
26. November 2010: Bonner OB will Oper schließen
17. November 2011: Theater Bonn soll 3,5 statt 7 Millionen Euro einsparen / Offener Brief des Personalrats
9. November 2010: Die Krise erreicht Bonn
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Birte Schrein
Ensemblesprecherin am Theater Bonn
http://www.az-online.de/nachrichten/kultur/debatte-bonn-viel-geld-verdient-generalintendant-1251996.html
Man merkt einmal mehr, dass (Kultur)Politiker nichts von den Strukturen eines Theaterbetriebs verstehen. Wer z.B. behauptet, man könne ein Theater wie die Kammerspiele in einer laufenden Saison an drei tagen "Untervermieten" wie eine Betriebskantine, der weiß nicht, dass die spielfreien Abende für Proben und Wartungsarbeiten genutzt werden. Dass sich die politisch Verantwortlichen (gerade aus Bad Godesberg, wo die Kammerspiele sind nun Sorgen machen und fürchten, dass durch die Schließung des Theater die eh schon desolat verödete Godesberger Innenstadt zu einer urbanen Wüste wird - aber vor Jahren den Vorschlag nicht unterstützen, eine offene Gastronomie in den Kammerspielen zu installieren - zeigt die beispiellose Konzeptlosigkeit.
Wer sparen will und muss, sollte erst mit den Betroffenen sprechen und ein Konzept erarbeiten, bevor unseriös in der Öffentlichkeit mit Summen herumjongliert wird. Oder 300.000 Euro in eine sinnfreie und unrepräsentative Online-Bürger-Befragung zu versenken, die nur den Zweck hatte, schon jetzt viele Kulturangebote (wie den "Bonner Sommer") klammheimlich zu beerdigen.
Dass die Stadt Bonn nun auch noch laut darüber nachdenkt, sich mit Wien im Jahr 2020 als Kulturhauptstadt präsentieren zu wollen, ist unter Berücksichtungen der Ereignisse und Debatten der letzten Monate der pure Hohn!
Ich kenne die Verhältnisse in Bonn und kann nur nach den reinen Zahlen gehen und da erscheint mir die Größenordnung der Einsparungen nicht unvernönftig.
Mir ist auch der künstlerische Wert v.a. der Opersparte nicht bekannt, angesichts der Nähe zu Köln und Düsseldorf ist aber m.E. zumindest diskussionswürdig ob Bonn eine eigene Oper braucht.
Und schlielich halte ich es überhaupt nicht für absurd, dass es dem Indendanten obliegt, Sparvorschläge zu unterbreiten. Mir wäre das lieber, als wenn fachfremde Politiker vorschreiben, wo genau zu sparen ist.
Alles in allem scheint mir von der Ferne die Situation in Bonn nicht zu vergleichen zu sein mit der an anderen Theatern und in anderen Regionen Deutschlands.
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/laenderreport/1476411/
Liebe Stadtoberhäupter von Bonn (OB, Kämmerer, Kulturausschuss), verlassen Sie diesen Pfad und nehmen Sie noch einmal Geld in die Hand, um es sinnvoll auszugeben: Setzen Sie sich mit den Vertretern der betroffenen Kultur-Institute, allen voran Theater Bonn, Junges Theater Bonn, Beethoven-Orchester und Beethoven-Fest hinter verschlossenen Türen des frisch sanierten Rathauses solange an einen Tisch, bis ein von allen trag- und finanzierbares Konzept auf dem Tisch liegt! Für 300.000 Euro können Sie lange tagen...
Phatos ist völlig deplaziert. Wir leben doch in keinem Indianerfilm. Verhandeln hinter verschlossenen Türen. Und die Häuptlinge treten danach vor das Zelt und verkünden die Lösung.