Medienschau: Die Presse – Marina Davydovas Pläne für Salzburg

Dialog der Kulturen

Dialog der Kulturen

2. Januar 2024. Im Interview mit Thomas Kramar von der Wiener Tageszeitung Die Presse spricht die neue Schauspielchefin der Salzburger Festspiele über ihre Pläne für die erste, von ihr verantwortete Ausgabe des Festivals. 

Es fallen Namen wie Nicolas Stemann, der eine "Orestie" inszenieren soll, auf der Basis der Texte von Euripides, Aischylos und Sophokles. Davydova: "Sie zeigen drei unterschiedliche Interpretationen des Verhältnisses des Menschen zu seinem Schicksal, zu den Göttern. Bei Aischylos stehen die Götter für ein höheres Gesetz, sind besser als die Menschen. In der Welt des Euripides repräsentieren sie schreckliches, blutiges Chaos, sind den Menschen sogar moralisch unterlegen. Und bei Sophokles wissen wir gar nicht mehr, ob überhaupt etwas Höheres die Welt regiert. Es bleibt nur mehr der Mensch als Maßstab. Wir wissen nichts sicher, nur, dass wir selbst Verantwortung übernehmen müssen. Das entspricht der stoischen Philosophie."

Auch Krystian Lupa wird genannt, der Thomas Manns monumentalen Stoff "Der Zauberberg" in litauischer Sprache auf die Bühne wird. Frage von Thomas Kramar: "Aber er ist doch Pole. Warum Litauisch?" Davydova: "Die polnische und die litauische Kultur sind historisch stark miteinander verbunden. Und das Theater in Litauen und Polen verbindet eine Neigung zur spirituellen Suche. So verbindet diese Produktion drei Kulturen: die deutsche, die polnische, die litauische. Für mich ist so ein Dialog der Kulturen ein wichtiger Aspekt beim Programmieren eines Festivals."

"Der Zauberberg", der vor dem ersten Weltkrieg spielt, soll in Lupas Neudeutung in eine Kriegszeit verlegt werden. Davydova: "Ich habe mein bisheriges Leben verloren, als ich Russland Anfang März 2022 verlassen musste, weil ich gegen den Angriff auf die Ukraine protestierte. Und ich sehe nicht nur diesen Krieg, ich sehe eine weltweite Spaltung: zwischen einer archaischen Welt und einer modernen Welt. Das ist der wesentliche Konflikt unserer Zeit."

Michael Maertens, der 2023 die Titelrolle im "Jedermann" spielte, eine Inszenierung, die Davydova nicht übernehmen will, wird aus den Briefen von Alexei Nawalny aus der Gefangenschaft lesen. 

(Die Presse / sle)

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