Medienschau: diverse Medien – Zur Berliner Antisemitismus-Klausel
Unter Generalverdacht?
Unter Generalverdacht?
6. Januar 2024. Mehrere Medien, vom Berliner Tagesspiegel über die FAZ bis zum Kunstmagazin monopol, kommentieren die neue Klausel gegen Diskriminierung und Antisemitismus, die die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt unter Senator Joe Chialo zu Jahresbeginn eingeführt hat.
Als eine sehr "weitreichende Maßnahme" stuft Rüdiger Schaper die Regelung im Berliner Tagesspiegel ein und sieht den Kulturbetrieb "unter Generalverdacht" gestellt: "Antisemitische, rassistische, queerfeindliche Übergriffe stehen nicht auf dem Berliner Kulturprogramm", gibt er zu bedenken und fragt: "Wer darf noch eingeladen werden aus dem Globalen Süden, wo andere Perspektiven und Denkweisen anzutreffen sind, wer darf über israelische Politik in welcher Form diskutieren?" Der "Chialo-Erlass" schaffe "Unsicherheit und ein Klima des Misstrauens". Und, so Schapers Fazit: "Es kann einmal ein Beispiel für antidemokratische Parteien sein, die im Grundgesetz verankerte Freiheit der Kunst anzugreifen."
"Fraglos reagiert Chialo auf ein Problem", argumentiert dagegen Thomas Thiel in der FAZ. Der Berliner Kultursenator lege die Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance als Maßstab an, die auch den israelbezogenen Antisemitismus erfasst. "Das dürfte manchen Kulturinstitutionen nicht gefallen, die sich Doppelstandards zu eigen machen oder gern Künstler einladen, die NS-Vergleiche zu ihrem Repertoire zählen", so der Autor. Außerdem solle die Klausel verhindern, dass Gelder in terroristische und extremistische Kanäle gelangten: "Die zeitweise populäre Vorstellung, man müsse Extremismus mit gemäßigten Varianten des Extremismus bekämpfen, hat dazu geführt, dass Fördergelder an dubiose Projekte flossen, teils soll sogar die Hamas davon profitiert haben", schreibt Thiel. Gleichwohl sieht auch er einen problematischen Aspekt in der neuen Klausel: "Das Unbehagliche ist, dass sie an eine Bekenntniskultur anknüpft, die Künstler unter den Zwang setzt, sich ständig zu positionieren, was in anderer Richtung schon zu vielen kenntnislosen Kommentaren über den Nahostkonflikt beigetragen hat. Sie macht Vorgaben, die sich von selbst verstehen, und am Ende doch nur am Ergebnis geprüft werden können."
Das Kunstmagazin monopol berichtet unterdessen vom "Widerstand in der Kunstwelt" gegen die Maßnahme und verweist auf einen Offenen Brief, in dem Hunderte Kulturschaffende gegen die Regelung protestieren. Darin heißt es, der Entzug finanzieller Förderung und öffentlicher Plattformen werde als Druckmittel eingesetzt, um kritische Positionen zur Politik der israelischen Regierung und zum Kriegsgeschehen in Gaza aus dem öffentlichen Diskurs auszuschließen. Ferner kritisieren die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner, dass die Maßnahme ohne eine vorherige offene Debatte eingeführt worden sei. Sie stellen die rechtliche Verbindlichkeit der Klausel in Frage und fordern die Senatsverwaltung auf, diese umgehend zurückzunehmen.
Update 9. Januar 2024. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, schreibt in einem Statement: "Die Klausel der Senatsverwaltung für Kultur Berlin zur Antidiskriminierung bei Fördergeldern setzt neue Maßstäbe und reagiert damit auch auf die Erfahrungen der letzten Jahre. Gerade antisemitische Darstellungen in der Kunst wurden viel zu wenig erkannt, benannt und kritisiert; wirkliche Konsequenzen blieben meist aus. Berlin wird durch die Antidiskriminierungsklausel seinem Vorbildcharakter als wichtigster deutscher Kunst- und Kulturstandort gerecht. Dass eine Kulturverwaltung ihre Aufgaben der Kulturpolitik- und Förderung klar und deutlich definiert ist ihr gutes Recht und absolut sinnvoll. Kunstproduktion wird in keiner Weise eingeschränkt. Es gilt: Mit öffentlichen Geldern dürfen keine Darstellungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit oder Ausgrenzung gefördert werden. Für Antisemitismus ist die Anwendung der Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) dabei ein anerkannter Standard, um Antisemitismus in all seinen Formen zu bekämpfen."
In einem Gastbeitrag für die Zeit (11.1.2024) erinnert der Jurist Ralf Michaels an das Scheitern einer ähnlich unbestimmt formulierten “Extremismusklausel” der damaligen Bundesfamilienministerin Kristina Schröder vor über zehn Jahren und kommt zu dem Schluss: “In Deutschland bietet das bestehende Antidiskriminierungsrecht eine etablierte rechtliche Grundlage für die Diskriminierungsbekämpfung; eine Antidiskriminierungsstrategie sollte die Verpflichtung von Förderungsempfängern damit vernetzen, anstatt ein eigenständiges Regime zu entwerfen.”
(Tagesspiegel / FAZ / monopol / Zentralrat der Juden / cwa / miwo / sd)
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Offenbar ist antisemitisches Denken mitten im deutschsprachigem Kulturbetrieb angekommen und fest verankert.
es ist faszinierend, wie Sie zu dem Schluss kommen, Kunstschaffende sprächen sich gegen ein Antisemitismus-Verbot aus. Was verleitet Sie zu dieser Annahme? Offenkundig wird doch vielmehr um die Antisemitismus-Definition gerungen, welche die Berliner Senatsverwaltung aktuell zugrunde legt.
Zur Auffrischung: auf der Seite des Senats steht die Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA, 2016) samt ihrer durch die Bundesregierung ergänzten Erweiterung um den "Staat Israel, der als jüdisches Kollektiv verstanden wird"); die Unterzeichner*innen des offenen Briefes präferieren einen Antisemitismus-Begriff gemäß der Jerusalem Declaration (JDA, 2020, vgl. https://jerusalemdeclaration.org/).
In der Sektion FAQ haben die JDA-Entwickler zusammengefasst, worin sie die Vorteile ihrer Definition vs. jener (IHRA) sehen.
Wer spricht, wenn von JDA die Rede ist? Eine Gruppe von Wissenschaftler*innen aus dem Bereich der Antisemitismusforschung erweitert um Jewish Studies, Holocaust Studies, Israel Studies, Palestine Studies & Middle East Studies, die sich sich trotz unterschiedlicher Perspektiven und Ansichten nach einjähriger Beratung auf die JDA-Definition einigen konnten, mit dem Ziel ein präziseres Auslegungsinstrument für die Identifizierung und Bekämpfung von Antisemitismus an die Hand zu geben und dabei gleichwohl Auswirkungen auf die akademische Freiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung im Blick zu behalten.
Bislang habe ich lediglich zusammenfassend paraphrasiert.
Ob das Anliegen einer klareren, kohärenteren, nuancierteren und kontextualisierteren Definition tatsächlich geglückt ist, überlasse ich Ihrer und anderer Interpretation/en.
Aber man wird insbesondere in dieser aufgeheizten Debatte erwarten dürfen, dass Sie sich mit den verhandelten Inhalten auch wirklich beschäftigen, bevor Sie gegen den deutschsprachigen Kulturbetrieb pauschal austeilen und - einmal mehr - ins Antisemitismushorn blasen. Soviel Differenzierung muss sein - da nehme ich Sie in die Pflicht!
Erlauben Sie mir zum Schluss, mich einer kühnen Hoffnung hinzugeben:
Was wäre, wenn wir uns allesamt darauf besännen, unsere Kräfte tunlichst gegen die wirklichen Herausforderungen unserer Zeit zu bündeln, um uns vereint jenen mannigfaltigen Ausdrucksformen von Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung entgegen zu werfen, die die demokratiezersetzenden Kräfte immer wieder versuchen salonfähig zu machen? Stattdessen lassen wir, die kulturaffine Linke, uns ein ums andere mal verwickeln in Grabenkämpfe, die uns spalten und weiter fragmentieren - und haben der Rechten irgendwann nichts mehr entgegenzusetzen. Wie fahrlässig!
Wir können uns doch sicherlich einigen, dass Antisemitismus als Haltung zu verdammen ist, oder?
Welcher Definition sie dann folgen, ist mir persönlich schnuppe, solange ich weiß, dass wir auf der gleichen gedanklichen Linie sind.
In meiner Betrachtung ist der offene Brief eben aber nicht der Ausdruck dieses Konsenses in der Berliner Kunstschaffendenszene, sondern vielmehr Ausdruck von "unseren Antisemitismus lassen wir uns nicht verbieten". Man sei klar gegen Rassismus, Queerfeindlichkeit wie auch sonstigen Diskriminierungen, da sei man sich einig, beim Antisemitismus aber - da hat man sofort ein "ja, aber" parat.
Und das finde ich in der Tat erschütternd.
In einer Zeit, in der ein Mob an Studierenden die Ermordung israelischer Soldaten feiert (durch das Zeigen rot bemalter Hände bei einem Happening an der HdK - in Erinnerung an die Ermordung zweier Soldaten in Ramallah 2000) und sich jüdische Studierende nicht mehr in ihre Akademie gehen trauen, in der jüdische Theaterschaffende sorgen haben, dass in der Kantine ihres Theaters ihr jüdisch sein kritisiert wird, und in einer Welt, die Mühe hat die Vergewaltigung und Ermordung hunderter Frauen zu verdammen, weil sie Jüdinnen sind (ich verweise hier auf den Text von Eva Illouz) finde ich diesen Brief in der Tat mehr als fragwürdig.
Da Sie meinen Klarnamen kennen, ist es Ihnen offenbar ein leichtes mir vorzuwerfen, ich würde den Antisemitismusvorwurf schon öfter erhoben haben - leider habe ich nicht das Vergnügen, Sie anhand Ihrer Aussagen kennenlernen zu können. Auch das ist sicherlich ein Sign o' the times, dass nur wenige offen unter ihrem Namen agieren.
Das Problem bei Antisemitismus scheint zu sein, dass sich dieser auch ausdrücken kann, ohne dass die betreffenden Personen das zwingend merken müssen. Die Geschichte des u.a deutschen Antisemitismus ist zudem auch älter als die Gründung des Staates Israels und hat insofern auch nichts mit "Israel-Kritik" zu tun, die (scheinbar) mit der Klausel unterdrückt werden soll.
Hier lohnt sich das kleine Gespräch mit dem Psychoanalytiker Peter Schneider (besonders ab Minute 6, Schneider spricht hochdeutsch, nur der Moderator Dialekt):
Link:
https://open.spotify.com/episode/4jvgxDUeTiP60wpYrXnh4U?si=35451f22461d41c1
Solche Sensibilsierungen und Aufklärungen, was Antisemitismus denn genau ist, scheinen mir nun wichtig zu sein. Da gibt es durchaus einiges zu lernen von den Expert:innen. Ihr Argument beispielsweise ist auch schon wieder sehr schräg. Namen, die sich nicht deutschsprachig anhören, sind in keinster Weise ein Beleg für „nicht existierenden Antisemitismus“. Diese Leute sind im deutschen Kulturraum sozialisiert worden und könnten durchaus auch mit solchen „nichtdeutschen“ Namen „deutsche“ Mitbürger:innen sein. Auch sind "jüdisch" und "deutsch" kein Gegensatz-Paar. Man würde sich hier wirklich weniger identitäre Zuschreibungen wünschen. Es ist bemerkenswert, dass über die Feiertagen, in denen normalerweise die meisten Menschen die Füsse hochlagern, auch Theaterschaffende, die Energie für eine solche Liste (gegen eine Anti-Antisemitismus-Klausel) mobilisiert werden kann. Was ist das für eine Energie? Es wird hier durchaus von deutschen Künstler:innen gegen eine Anti-Antisemitismus-Klausel mobilisiert. Das ist beunruhigend, da gebe ich Herrn Klemm Recht.
(Mitgefühl können wir übrigens haben mit Israel und gleichzeitig auch mit den Palästinensern!)
Aber eines haben wir doch wohl auch endlich kapiert, dass die antisemitische BDS-Bewegung antisemitisch ist. Und spätestens nach dem 7. Oktober müssen wir doch sofort die Finger von der "Weltoffenheits-Initiative" lassen und jegliche Unterschrift zurückziehen. Wir lassen sonst Israel so schamlos im Stich! Und daher finde ich es richtig, dass die Berliner Senatsverwaltung für Kultur unter Senator Joe Chialo diese Klausel gegen Diskriminierung und Antisemitismus zu Jahresbeginn eingeführt hat.
Es wurde in den Medien schon oft aufgegriffen, aber "der Diskurs" findet doch gar nicht statt. Wo treffen denn Menschen aufeinander, um sich diesbezüglich auszutauschen. Da werden lapidar und mit Automatismus immer wieder Phrasen gedrescht. Ich denke die wenigsten Kulturschaffenden werden hier einer tiefgreifenden Diskussion standhalten. Es ist ja auch gar kein Interesse da, wie Meron Mendel mit seinem Gesprächsangebot auf der Dokumenta feststellen musste.
Den Mut zur Öffentlichkeit und zu öffentlichem Dissens, wie ihn beispielsweise Masha Gessen und die Heinrich Böll Stiftung im Dezember zeigten, steht da auf verlorenem Posten.
https://www.youtube.com/watch?v=Vb4yypPG-OE
Da ist er zu finden, der Intellekt, der die geballten Emotionen zu ordnen weiß und das Gespräch nicht scheut. (Auch wenn ich nicht ihrer Meinung bin.)
Auch habe ich einer Veranstaltung in Berlin von Saba-Nur Cheema und Meron Mendel zu ihrer Publikation "Frenemies" beigewohnt. Ein Buch, in dem Essays zu verschiedenen Meinungen über den Israel/ Palestinakonflikt publiziert wurden und im Gespräch die Schwierigkeit dargestellt wurde, dieses Buch überhaupt zu realisieren. Das war vor den letzten Entwicklungen. In der Fragerunde wurden sie teilweise vehement und unsachlich angegriffen. Meine Begleitung meldete sich nicht, wollte aber im Anschluss noch nicht mal am vertreten Bücherstand hinschauen und schimpfte auf dem Weg zur U-Bahn wie man sich nur "so positionieren könnte". Als ob es überhaupt zwei oder mehrere Meinungen geben könnte.
Und überhaupt. Was künstlerische Darstellungen betrifft gibt vergleichbare Beispiele. Wenn ich eine/n PolitikerIn als fettes Schwein oder Raffzahn male, dann ist es politische Verarbeitung oder Satire. Wenn ich Merkel oder Schäuble wie zur Griechenlandkrise mit Hitlerbart darstelle, ist es Satire oder wie auf zahlreichen Demos gesehen gar keine Kunst. Wenn ich zu den Reichsbürgern gehöre die Deutschland abschaffen wollen, dann hoffe ich werde ich vom Verfassungsschutz beobachtet und bekomme keine Fördergelder. Wenn ich eine Masse an Menschen äusserlich zu eine Bevölkerungsgruppe zugehörend zusammenfasse und ihnen eine bestimmte Eigenschaft zuschreibe beziehe ich mich nicht auf ein bestimmtes politisches Ereignis oder eine bestimmte Regierung, oder eine bestimmte Person, sondern dann ist das Rassismus. Da ist dann der eine Karnevalswagen der andere nicht.
Es galt lange als Ziel der Erziehung, oder Kultivation oder wie man es auch immer sagen mag in Bezug auf den Holocaust zum Beispiel sich selber zu befragen, wie schnell man selber in menschenverachtende Gedankengänge verfallen kann. Es gab dazu einige viel besprochene Arbeiten, das Standford Prison Experiment, das Buch "Die Welle" etc. beide amerikanischem Ursprungs, das fällt mir jetzt gerade so spontan ein, es kann gerne ergänzt werden. Diese Sicht lud einen ein sich selber zu hinterfragen, und die eigene Radikalität in Gedanken, falls es nicht schon zum Handeln gekommen war. Alles natürlich perspektivisch, ergänzenswert, fehlerhaft. Mir gefällt allerdings nach wie vor der Ansatz. Vielleicht kenne ich es nicht anders. Ich hinterfrage mich nach wie vor lieber selber, als anderen Kollegen (NICHT Staatshäuptern etc) das Gespräch zu verweigern.
Es waren m.E. die Sophiensäle vor einigen Jahren, die einen Theatermacher ausgeladen hatten, der anhand der Briefe seines Nazigroßvaters in einem Stück dazu seine eigene Haltung hinterfrug. Ich lasse mich hierzu gerne ergänzen oder auch korrigieren. So eine Setzung, also die Ausladung, ist in meinen Augen extrem unproduktiv und widersprüchlich. Masha Gessen beispielsweise argumentiert gerade damit, dass der Holocaust immer wieder passieren kann - dem stimme ich zu. Diese Unterhaltung zu unterbinden, die Bereitschaft das eigene Monster in sich selber nicht zu hinterfragen sondern als Unmöglichkeit in die Ecke zu stellen- das trennt mich unter anderem mit vielen, die sich als Wortführer verstanden wissen wollen.
Die Antisemitismus-Definition der IHRA ist problematisch und seit Jahren umstritten.
Die Berliner Senatsverwaltung plant einen Bekenntniszwang zur IHRA-Antisemitismus-Definition.
Die momentan rund 4'800 mit Klarnamen Unterzeichnenden halten dies für einen Fehler.
Das ist ein Klischee.
Ja, das erinnert mich an das antisemitische Klischee aus den 1990ern, als es hiess, die (jüdischen) Beasty Boys seien keine echten Rapper - sondern die täten nur so.
Nein, dem ist zu entgegnen: Das ist eine sehr grosse "Community - die aus jüdischen und nicht jüdischen Menschen besteht - die sich gegen diese Form offenen Antisemitismus wehrt.
(Anm. Redaktion: Der Offene Brief ist unter diesem Link weiter abzurufen: https://openletterberlinculture.net/)
da hast Du mich leider falsch verstanden. Es geht erstmal um die Austeilung von Fördermitteln. Und die gesamte Klausel lautet ja sinngemäß, dass weder queerfeindliche, rassistische oder antisemitische Inhalte oder Organisationen Gelder bekommen sollen. Nach Deiner Interpretation wären die erstgenannten Communities ebenso "vom Staat geschützt". Natürlich sind das -ebenso wie die jüdische Community- ebenso vitale, grosse, unterschiedliche Personengruppen die sich sehr gut selber äussern können!
Ich sehe das aber weniger als "vom Staat geschützt" an, zudem es bei Nichtbefolgung keine Repressalien gibt wie Geldstrafe oder Anzeige, oder was dann auch.
Andererseits gibt es die Möglichkeit einer Anzeige, Geldstrafe etc. wenn eine Person sich (egal ob KünstlerIn oder nicht) rassistisch, queerfeindlich oder antisemitisch äussert oder handelt. Dazu gibt es Gesetze, das wäre der "Schutz vom Staat". Gibt es dagegen etwas einzuwenden? Diese Gesetze waren die kräftezehrende Arbeit von vielen.
Weiterhin gibt es eine deutliche Lücke, die postkoloniale Theorie mit den Erkenntnissen der Antisemitismusforschung zusammenzubringen. Darum bemühen sich derzeit einige, noch nicht genügend, und ich bin gespannt auf die weiteren Entwicklungen. Bis dahin werden wohl weiterhin Menschen ausgeladen, boykottiert, niedergeschrien, oder sie ziehen sich selber zurück.
Finde ich alles nicht gut!