Medienschau: FAZ – Kritik am Frankfurter Intendanten Anselm Weber

Feuerwehrmann ohne Löschmittel

27. September 2023. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zählt Sandra Kegel Frankfurts Schauspielintendanten Anselm Weber an. Der Anlass ist eine aus Kegels Sicht massiv misslungene "Orlando"-Premiere, bei der der Intendant kurz zuvor die Regie an sich genommen hatte. 

Primäre Leidtragende dieses Vorgangs sei demnach die Regisseurin Jessica Glause gewesen, die zusammen mit ihrem Team von der "Orlando"-Produktion zurückgetreten sei, nachdem der mit dem Probenstand offenbar unglückliche Weber zunächst "das Bühnenbild entsorgt, dann die Schauspielerinnen und Schauspieler umbesetzt, dann die Kostüme in den Fundus getragen" und schließlich "die Textfassung weggeworfen" habe, so die Autorin in ihrem Artikel

Was Weber nach Übernahme der Regie dann allerdings zur Aufführung gebracht habe, sei "eine schiere Zumutung" gewesen: "Der selbst ernannte Feuerwehrmann, der einer Produktion im Entstehen beschied, sie brenne so lichterloh, dass er nur mit vollständigem Abbruch reagieren könne, hatte selbst nichts Hilfreiches im Angebot." 

Sandra Kegel diagnostiziert darüber hinaus eine handfeste Krise am Schauspiel Frankfurt unter Webers Leitung: Es scheine "einsam um ihn herum geworden zu sein", ein regelrechter "Braindrain" sei zu verzeichnen, seitdem Chefdramaturgin Marion Tiedtke genauso von Bord gegangen sei wie "renommierte Regisseure wie Roger Vontobel, Andreas Kriegenburg, Ulrich Rasche, Julia Hölscher und Luk Perceval", die nun nicht mehr in Frankfurt gastierten. 

Angesichts der "prekären Lage" der Frankfurter Kulturpolitik und Theaterlandschaft wirke "die künstlerische und kommunikative Schwäche eines Intendanten doppelt negativ", so Kegel, die letzthin fragt, "warum die Kulturdezernentin Ina Hartwig im Jahr 2020 Anselm Webers Vertrag vorzeitig um fünf Jahre verlängert hat". 

(FAZ / jeb)

Kommentare  
Medienschau Frankfurt: Nicht überzeugend
Selten hat die FAZ Weber so enthemmt verrissen. Und es entbehrt allerdings nicht der Peinlichkeit, wenn ein Intendant sich rühmt, für die neue Spielzeit nur Frauen als Regisseure verpflichten zu wollen, und dann bei der ersten Premiere der beauftragten Frau das Heft aus der Hand nimmt und die Inszenierung selbst zu Ende führt. Doch die Aufzählung der "renommierten Regisseure", die ihm angeblich den Rücken gekehrt haben, überzeugt keineswegs. Denn es kann wohl kaum ein Argument sein gegen einen Intendanten, wenn er neuen Leuten, darunter so originellen und radikalen wie Rieke Süßkow oder Claudia Bauer eine Chance gibt, statt den im zitierten Artikel aufgezählten alten verdienten Kämpen, deren Engagement nicht unbedingt Ausweis großer Risikofreudigkeit und Originalität wäre. Und die Dramaturg:innen des Hauses machen gute Arbeit. Zudem gab es gerade ein großartiges "Theater der Welt"-Festival, das Webers Schauspiel-Crew mit organisiert hat.
Medienschau Frankfurt: Unschöner Ton
Der Rundumschlag von Frau Kegel in der FAZ ist völlig fernab der Realität. Künstlerisch entwickelt sich das Haus gerade in den letzten Jahren weiter mit spannenden Handschriften. Mir tut es für das Ensemble leid, dass liefert.
Unschöner Ton Frau Kegel.
Medienschau Frankfurt: Ernst jetzt?
"Claudia Bauer eine Chance gibt"? Eine vielfach gefeierte und mehrfach ausgezeichnete Regisseurin? Ich würde sagen, bei diesem Deal ist Weber derjenige, dem von Bauer eine Chance gegeben wird.
Ansonsten, was Kandra Segel sagt. Es ist wirklich alles sagenhaft peinlich und dass Weber der Regisseurin öffentlich in den Rücken fällt, obwohl man offenbar eine gemeinsame Sprachregelung gefunden hatte, ist ein heftig schlechtes Benehmen to say the least.
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