Medienschau: Friedrich-Ebert-Stiftung – Ost-Repräsentanz in Theaterleitungen
Sag mir, wo der Osten ist
Sag mir, wo der Osten ist
14. November 2023. Unter dem Motto "Zukunft erproben" hat die Friedrich-Ebert-Stiftung ein "Dossier zur Theaterarbeit in Ostdeutschland" veröffentlicht. Ausgangspunkt der Materialsammlung ist eine Datensichtung zur Repräsentation Ostdeutscher in den Intendanzen der Darstellenden Künste in der Spielzeit 2023/2024.
Der zentrale Befund: Unter den insgesamt 161 Intendant:innen an 147 Theatern des Landes sind nur 25 ostdeutscher Herkunft. 108 stammen aus Westdeutschland, 28 haben einen internationalen Hintergrund. Zudem nimmt die Repräsentanz Ostdeutscher mit steigender Hausgröße signifikant ab.
Das von Franziska Richter herausgegebene Dossier, das neben Beiträgen aus Ostdeutschland stammender Dramaturg:innen und Theaterwissenschaftler:innen auch Interviews mit Regisseur:innen und Intendant:innen wie Jessica Weisskirchen, Carena Schlewitt oder Franziska Werner enthält, fragt zudem, wie Theaterschaffende auf die Zukunft der Häuser und generell auf die politische Öffentlichkeit in (Ost)Deutschland schauen.
Das Dossier kann auf der Website der Stiftung kostenlos heruntergeladen werden.
(Friedrich-Ebert-Stiftung / cwa)
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Das offenbar so tut, als könnte man an den geschaffenen Tatsachen noch was ändern. Geht aber - im Gegensatz zu den Frauen-Durchsetzungen - nicht mehr.
Und: Leider sind auch gar nicht die noch nicht DDR-angepassten ex-ostdeutschen DramatikerInnen berücksichtigt. Die könnten ja immerhin ab sofort entschlossen gespielt werden... Oder überhaupt erstmal verlegt werden...
15,5% aller Intendant*innen (25 von 161) haben ostdeutsche Herkunft.
Dann braucht es doch höchstens noch eine Quote für die großen Häuser?
Das alles kann natürlich auch für Westdeutsche zutreffen, gilt aber eben grundsätzlich strukturell für die meisten Menschen mit DDR Hintergrund (oder Einwanderungsgeschichte).
Es ist - und da gebe ich Ihnen recht - etwas irreführend das Thema auf eine Himmelsrichtung hin zu formulieren. Es ist vielmehr eine Klassenfrage.
Es geht um ex-DDR Sozialisation und nicht um heute ost-deutsche Herkunft. Es gibt schließlich genug nach 1990 in den Osten umgezogene altbundesdeutsche KünstlerInnen, LehrerInnnen, JuristInnen. Aus Gründen: Da gab es billig Grundstücke, Land, Bauaufbauauf-extra-eingerichtet Jobs und 'ne Menge Extra-Ost-Förderung. Und die Fördergeldverteiler haben sehr oft nicht gefragt nach struktureller Benachteiligung für Menschen mit DDR-Hintergrund, die zu End-DDR-Zeiten unspektakulär (also propagandistisch nicht verwertbar) nicht zum Zuge gekommen sind z.B.! Und die Kultur- und sonstigen Journalisten haben auch nur sehr kurz wiederum danach gefragt. Dann waren auch die Lektorate und Redaktionen entsprechend ideologisch gesichert ExDDR-bereinigt. Ablesbar ist das einschließlich der NK-Redaktion, einschließlich ihrer AutorInnen. Ich hatte das einmal vor etwa einem Jahr geprüft anhand der Werdegänge und biografischen, bzw. weggelassenen, biografischen Angaben zu ihnen... Wäre aber nie auf die Idee gekommen, aus solchen interessegeleiteten Prüfungen ein Dossier zu machen!
85 % der Bevölkerung kommen aus dem früheren Westdeutschland. Aber nur 67% der Intendanten kommen von dort.
15 % der Bevölkerung kommen aus dem früheren Ostdeutschland. Und 15 % der Intendanten kommen von dort.
Dieser Einwand allein spricht dagegen, diese Ergebnisse zum Skandal hochzustilisieren. Und die schrillen Kommentare hier im Forum (etwa von #1 und #2) sind deshalb nicht weiter ernst zu nehmendes Wutbürgergerassel.
Der eigentliche Skandal ist die im 21. Jahrhundert schlicht nicht mehr haltbare Konservierung des Nationaltheatergedankens - und das auch dann, wenn man ihn neu auffaltet, indem man verfolgt wie die Vereinigung von zwei Nationen zu einer sich ausgewirkt hat.
Nebenbei gefragt: Wieviele Intendant:innen haben Migrations- oder Flüchtlingshintergrund? Wieviele stammen aus den Ländern, auf deren Ausbeutung unser Reichtum basiert? Und wenn wir schon die Klassenfrage ansprechen wollen: Wieviele stammen aus Nicht-Akademiker:innen-Elternhäusern?
Zum Thema Klassenfrage, da ist es ganz sicher nicht im Sinne der (marxistischen) Begrifflichkeit, diese Problematik an einer Himmelsrichtung festzumachen, vielmehr sind die angesprochenen strukturellen Punkte in ganz Deutschland zu beobachten. Man könnte sogar sagen: In Westdeutschland ist das Kapital wirkungsmächtiger, bringt seine Töchter und Söhne auf ebenjene Laufbahnen, die dann evtl. zur Intendanz führen, während die Vermögenslosen es im Westen ebenso schwer haben wie im Osten. Damit wäre der Osten im Sinne der Klassenfrage sogar weiter als der Westen. Es ist wirklich bedauerlich, wenn eine Begrifflichkeit, die ihre Stärke gerade aus der Internationalität/Universalität bezieht, weil es ein Problem ist, das uns alle betrifft, dazu benutzt wird, Gruppen gegeneinander auszuspielen.
Es bringt doch wirklich die Debatte nicht weiter, hier die Zahlen zu ignorieren und auf fragwürdige Art mit Begriffen zu hantieren - nur, um mal wieder die immergleichen gefühlten Wahrheiten zu verbreiten!
1. Gesetzt den Fall, hier wäre von allein 10 - 15 Tophäusern die Rede, dann ist es statistisch gesehen schon von Relevanz, wenn da KEINES von einem Menschen mit ExDDR-Sozialisation besetzt ist. Statistisch gesehen ist alles von Relevanz, was sinnvoll in ein Zahlenverhältnis gesetzt werden kann. Das ist ja der Sinn von Statistik. Wenn die statistischen Ergebnisse nicht genehm sind, bastelt man ja gerne mal am einmal konkret definierten Befragungs-Sinn herum, um die sichtbar gewordene Relevanz zu schwächen...
2. Es bringt auch KEINE Debatte - gleich zu welchem Thema! - weiter, "gefühlte" Wahrheiten zu ignorieren oder gar als lediglich gefühlte Wahrheiten herabzuwürdigen. Zumal sie als "immergleiche" konstatiert werden können! Aus folgendem Grund: Äußerungen über auf massenhaft gleicher oder ähnlicher Wahrnehmung beruhenden Gefühlen sollten stets sehr ernstgenommen werden. Weil Wahrnehmung eine Wahrheit ist, die sich der Berechnung auch bei bestmöglicher Kontrolle verweigern kann. Und zwar eine menschliche Wahrheit. - Ist aber im Zeitalter der digitalen Allmachtsphantasien leicht zu vergessen...
3. Einen Skandal sehe ich allerdings ebenso wie Sie nicht, sondern schlicht ein w.z.e.w.: "Was zu erwarten war" nach den politschen Verhandlungen um den 1990 so geschlossenen Einigungsvertrag.