Presseschau vom 10. Juni 2015 – Florian Malzacher über das Festival Impulse, Stadttheater-Freie-Szene-Unterschiede und Bernd Stegemanns Thesen zur Frage der Repräsentation
Die Anmaßung des weißen Mittelklasse-Intellektuellen
Die Anmaßung des weißen Mittelklasse-Intellektuellen
10. Juni 2015. André Mumot hat für Deutschlandradio Kultur mit Florian Malzacher gesprochen, dessen Freie-Szene-Festival Impulse morgen in Mülheim an der Ruhr beginnt. Sehr stark gehe es diesmal um die "Kernfrage" des Theaters – und von Demokratien: "Wer repräsentiert wen, wie, auf welche Weise? Wer wird nicht repräsentiert? Wer hat das Recht zu repräsentieren?" Entsprechend übt Malzacher an Bernd Stegemanns Thesen in seinem neuen Buch "Lob des Realismus", dass gerade die Verkäuferin die am wenigsten geeignete Person sei, um die Entfremdung der Arbeit darzustellen – eine Kritik am Laien- und Expertentheater der Marke Rimini Protokoll und Co. –, seinerseits scharfe Kritik, indem er sagt: "Genau die Haltung, dass man als weißer Mittelklasse-Intellektueller das Recht hat, über andere zu reden und diese zu erklären, ist das, was wir und die Künstler, die wir einladen, nicht abbilden. Diese Anmaßung, immer über andere zu sprechen und deren Probleme zu erklären, ist ja genau ein Problem unserer Gesellschaft und ein Problem unserer Kunst."
Er glaube nicht, so Malzacher, "dass die ärgsten Feinde des Freien Theaters das Stadttheater ist. Mich interessiert dieses Entweder-Oder nicht. Ich finde Stadttheater super." Vielmehr könne das Freie Theater sich selbstbewusst als Kunstform zeigen, die große Schnittmengen mit anderen Künsten aufweise und zugleich sehr international sei – dafür brauche man "nicht die Reibungsfläche des Stadttheaters." "Das Zusammenschrumpfen von Institutionen und das Abschaffen von Arbeitsplätzen" heißt Malzacher natürlich nicht für gut. "Das projektbezogene Arbeiten war eine Notsituation, in die das Freie Theater gekommen ist, weil es kein Geld hatte." Nun zu behaupten, die Freien Gruppen hätten "das neoliberale Modell eingeführt", sei "zynisch". Er sei "total dagegen", Gelder bei den Stadttheater zu kürzen. Aber das strukturell flexiblere Freie Theater ermögliche einfach andere Kunst als die durch ihre Ensembles, ihre Immobilien und ihren Auftrag weniger beweglichen Stadttheater, weshalb es "eine größere künstlerische Bandbreite" entfaltete. Bei Impulse könne man viel unterschiedlichere Arbeiten sehen als etwa beim Theatertreffen.
(ape)
Alles zur Stadttheaterdebatte im entprechenden Lexikoneintrag.
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fast alle Menschen wollen eigentlich nur eins: Geld! -
Es gibt nur wenige Ausnahmen! - Schade!
Ein verlorener Haufen!
Uns anderen, die zum Erbteil keine politische Macht erhalten haben,
die nicht geschaffen sind, um Reichtümer zu erwerben,
ist nichts willkommener als was die Gewalt des Geistes
ausbreitet und befestigt.
Milo Rau, Gob Squad, She She Pop, Rimini Protokoll usw. sind auch weiße Mittelklasse-Intellektuelle (die Liste kann viel länger werden). Die freie Szene braucht dringend eine Diversifizierung.
Die Frage der Repräsentationen ist nicht einfach gelöst, in dem ein "Stück" von einer "Gruppe" "entwickelt" wird oder in dem die Gruppen nur über sich und die Produktionsbedingungen sprechen (was wird da repräsentiert, von wem?), anstatt dass eine "Person" ein Stück "schreibt". In beiden und anderen Fällen ist die Repräsentation eine zu reflektierende Frage und die Lösung ist niemals die Abschaffung oder Schwächung einer bestimmten Theaterform, Kunstform.
Ein "Autor" kann in dieser Hinsicht genauso sinnlich und heterogen agieren als eine Gruppe, manchmal sogar "besser".
Repräsentation fängt schon damit an, dass wir alle Namen und Nomen tragen (manchmal gerne), es fängt schon damit an, dass wir in "Demokratien" oder anderen gesellschaftlich/gemeinschaftlichen Strukturen leben und agieren, es fängt schon da an, dass wir Subjekte sind, die (wir) uns selbst auch als 'das andere Selbst' erkennen können usw. Repräsentation sollte immer diskutiert werden, aber sie bleibt immer ein menschliches Problem, wie die Freiheit, das Sein, die Zeit.
Daher ist die jetzige Kritik der Repräsentation selbst in tiefer Krise und wird es immer bleiben. Und gut so.
Wichtig finde ich genauso, die Rahmenbedingungen, in und nach denen Kunst gemacht wird immer wieder zu reflektieren und diese nicht allein vom Markt bestimmen oder vereinnahmen zu lassen und sich nicht selbst genügen.