Presseschau vom 26. März 2015 – Die Süddeutsche Zeitung über den Fall des Rostocker Volkstheaters
An der Küste der Ahnungslosen
An der Küste der Ahnungslosen
26. März 2015. Helmut Schödel von der Süddeutschen Zeitung (25.3.2015) hat sich nach Rostock begeben und sieht das dortige Theater im "Würgegriff kulturferner Politikfunktionäre". Hier laufe es anders als in Provinzorten wie Hof oder Plauen, die unter schwierigen Bedingungen "Kunst Marke Eigenbau" pflegten, und damit ihren Teil zum Erhalt der deutschen Theaterlandschaft als Teil des immateriellen UNESCO-Kulturerbes beitragen.
Rostocks neuer Intendant Sewan Latchinian sei eigentlich "ein gewiefter Theatermacher, ein Charaktertyp, ein heute seltener Fall". Er sei vom Schlage derer, die in "einer Kultur des dominierenden Desinteresses und fortschreitender Gleichgültigkeit" gegensteuern könnten. Aber gerade in Rostock komme es nun "zu einem Konflikt, der alle Reibereien um den Fortbestand des theatralischen Erbes himmelschreiend übertrifft." Denn der als "Retter" geholte Latchinian, mit dem die Zeichen am kriselnden Volkstheater "auf Aufbruch" gestanden hätten, sehe sich nun seitens der Politik mit dem "Abbau von zwei Sparten: Oper und Tanz" konfrontiert.
Intellektueller Kollaps
Mit Schärfe konturiert Schödel die Lage vor Ort: "Ein Abgeordneter der UFR (Unabhängige Bürger für Rostock) sagte: 'Für mich bleiben vier Sparten erhalten, wenn zwei Sparten kooperieren. Für das Publikum zählt die Aufführung. Wir alle fahren ja auch Autos, die nicht in Rostock produziert wurden.' Schon an diesem intellektuellen Kollaps kann man das Debattenniveau erkennen", so Schödel.
Oberbürgermeister Roland Methling finde "nichts dabei, Rostock kleiner zu machen und das eigene Theater aufzugeben", Kulturminister Brotkorb aus Schwerin setzte "auf sinnlosen Aktionismus und fuchtelt mit Bürokratenlatein als Nebelwerfer herum". Schödel resümiert: "Es ist wie immer, wenn die Inkompetenz an die Macht kommt, dann bleiben List, Tücke und Frechheit"; Rostock liege "offenbar an der Küste der Ahnungslosen". Fazit: "Rostock ist, zugegeben, ein besonders krasser Fall. Ein Fall, dem man Einhalt gebieten muss. Sonst macht er am Ende noch Schule."
(chr)
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so souverän muß man bleiben, ansonsten gilt: wer sich in die ( schlechte ) Provinz begibt, kommt darin um.
latchinian, bitte halten Sie kurs ...
Und ganz nebenbei wird langsam klar, dass die Abfindungen an unbequeme Intendanten wahrscheinlich höher sind als die zum Erhalt des Theaters fehlenden Mittel.
Wann schaut man endlich wieder auf das, was in diesem kleinen, unscheinbaren Haus geleistet wird statt auf das Theater im Rathaus?
Immerhin ist er nicht der Einzige, der aus München kommt, das Theater in Rostock zu retten. Die Agentur Metrum wäre da ebenfalls zu nennen. Auch sie sehr bemüht, allerdings mit anderem Ansatz.
http://www.svz.de/lokales/rostock/dem-volkstheater-fehlen-die-besucher-id8354481.html
Da Sie sich so freundlich um Vollständigkeit bemühen, was ich sehr fair und aufschlussreich finde, wäre es fairer gewesen auch die Zahlen für Dezember - März mitzuteilen, dann wäre etwas deutlich geworden, was Ihnen möglicherweise zu vollständig wäre, im März.
Wer, der hier Schreibenden findet die Vorgänge in Rostock in Ordnung? Ich wohne und lebe dort. Wenigstens mein unkundiges Empfinden als Bauingenieur sagt mir, dass Latchinian irgendwas mit mir gemacht hat, der ich jahrelang vorher der Eintönigkeit Rostocker Theaterschaffens ferngeblieben bin. Heute gehe ich wieder gern hin. Und wie geil sind denn diese Backdiscount Mahagonny und GeizigerMolière Sachen!!! Und gleich kommt der Kleist'sche Krug!!! DAS ist ein Verdienst Latchinians. Nicht, das andere das nicht auch könnten. In Rostock macht er es aber momentan. Und das offensichtlich so gut, dass er unter den Uninspirierten Angst verbreitet! Heute steigen die Zahlen (als ob das DAS Kriterium wäre, pah, technokratisches Geömmel), ...sie steigen, wie die Wahrnehmung und die Akzeptanz des Theaters.
Und eins noch... Kollegen von mir, keine Theatergänger, gute Facharbeiter, anständige Menschen, ...diese Kollegen sagen, wer so mit seinem Angestellten umgeht... der - und sie meinen DIE DA OBEN - brauchen sich dann nicht wundern, wenn die Menschen nicht nur nicht wählen, sondern den Nazis hinterher laufen! Dieses Fazit ist mir tausendmal mehr Wert, als eitle Nabelschau auf diesen SZ Journalisten, Diesen der über diesen Journalisten alles besser weiß und alle, die nicht merken, dass es längst um mehr geht, als Latchinian, das Theater in Rostock und all die Alfred Kleinscheiß, welche ihren minderen Maßstab an die großen Dinge unseres kleinen Lebens anlegen.
Es geht schlicht darum, ob aus Rostock das Signal in deutsches Land gesendet wird, das Geld regiert die Welt.
Das gefährdet Demokratie und Gesellschaft!
Ich halte Latchinian aus und zu ihm.
Helge Bothur
Kleine Anmerkung am Rande: die auflagenstärkste Zeitung des Landes, die Ostsee-Zeitung, ist seit der Übernahme der Intendanz Medienpartner des Volkstheaters. Dort sind diese Zahlen nicht erschienen.
@alle: ganz ehrlich, wer will nun in Rostock noch Intendant werden? Herr Latchinian kam ambitioniert und motiviert. Es wurden ihm nur Steine in den Weg gelegt, dem gesamten Theater. Sie konnten sich nicht konzetrieren auf das, was wirklich wichtig ist: Das Publikum mit tollem (Tanz-/Musik)-theater zu erreichen.
BlaBlaBla....Verzweiflung kennt keine Grenzen! Krug heute nahezu ausverkauft, jede Mahagonny Vorstellung ausverkauft, Szenen einer Ehe-Premiere ausverkauft....ich arbeite da!!!! Es geht aufwärts am Volkstheater, alles andere ist Meinungsmache! Das ist ein Fakt! Punkt!
Ich sehe seit Amtsantritt Latchinian viele BeGEISTERTE junge Leute im Theater, die heute auch für ihn auf die Straße gehen!!! Er ist gerade mal 7!!!! Monate da!!!!
Dass sich ein Kulturfunktionär, zumal vollumfänglich alimentiert, als Superstar gebiert, ist genau das, was die Kommentatoren hier kritisieren. Derlei Persönlichkeiten gab es und gibt es ausreichend. Was es hingegen in Mecklenburg-Vorpommern nicht gibt, sind freie Künstler. Musiker, Maler, Schriftsteller.