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Roland Schimmelpfennig gewinnt Mülheimer Dramatikerpreis 2010
3:2 für Roland Schimmelpfennig
4. Juni 2010. Der Mülheimer Dramatikerpreis 2010 geht an Roland Schimmelpfennig und sein Stück Der goldene Drache, von ihm selbst im Burgtheater uraufgeführt. Das entschied die Jury (Vasco Boenisch, Wolfgang Kralicek, Katja Lange-Müller, Josef Mackert und Laura Olivi) nach einer zweistündigen Debatte über die nominierten Stücke. Schimmelpfennig setzte sich mit 3:2 Stimmen gegen Elfriede Jelineks Die Kontrakte des Kaufmanns durch. Der Publikumspreis ging an Dea Loher für ihr Stück Diebe, uraufgeführt am Deutschen Theater Berlin von Andreas Kriegenburg.
(sle)
Alles zu den Mülheimer Theatertagen 2010 auf nachtkritik-stuecke2010.de. Dort finden Sie auch einen Kommentar zur Jury-Entscheidung.
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Keine Auseinandersetzung mit Äußerungen anonymer Blogger!
Für die Überschrift kann ich nicht, die macht die Redaktion. Ich meine nur das diesjährige Stück von E. Jelinek und das ragt meilenweit über die anderen Beliebigkeiten diesen Jahres und ist kein bisschen langatmig. Dass E. Jelinek bereits 3mal gewonnen hat, liegt einfach an ihrem Können mit Sprache und Text umzugehen.
Was ist nun an Schimmelpfennig tatsächlich so preiswürdig? Seine durchaus interessante Gestaltung, eine Short-Cut-Technik, schnelle Rollen- und Ebenenwechsel? Ähnliches macht auch Dea Loher in Diebe. Dazu kommt die Parabel der Grille und Ameise innerhalb der Rahmenstory, die sich einem erst nicht recht erschließen will, bis die Auflösung sie direkt in die Handlung einbezieht. Das ist aber auch der Knackpunkt, ab hier kommt es knüppeldick. Aus der Grille wird die Zwangsprostituierte Asiatin, der Händler wird zum Zuhälter und der von seiner Freundin verlassene Nachbar zum fiesen Sextouristen im eigenen Land. Da interessiert es kaum noch, das im Asia-Imbiss der junge chinesische Aushilfskoch an einem gezogen Zahn verblutet. Die Stewardessen sehen ein kleines Boot im Meer (Achtung Flüchtlinge!) und eine von ihnen wirft den Zahn, der in ihrer Suppe gelandet ist, nach ein paar vergeblichen Gefühlsregungen ins Wasser. Der illegale Chinese wird in den Wandteppich mit dem goldenen Drachen gewickelt, das Symbol der Freiheit für ihn und in den Fluss entsorgt. Ohne seine Schwester im Nebenhaus gefunden zu haben, tritt er als Leiche eine wundersame Reise zurück nach Hause an. Das Schicksal schlägt halt gnadenlos zu, wer hätte das gedacht? Die Geschichte ist überladen mit Ausrufezeichen und lässt einem kaum noch die Möglichkeit der eigenen Reflexion.
Schimmelpfennig ist ein Meister des Einkleisterns in märchenhafte Bilder, das hat durchaus seinen Reiz. Jürgen Gosch hat diese überbordenden Phantasien immer wieder gut geerdet. Nur, nun ist Gosch weg, Schimmelpfennig entdeckt sein soziales Gewissen und gewinnt. Wo da plötzlich diese Brisanz herkommen soll, erschließt sich nicht so ganz. Ähnlich ist es mit Dea Loher, die uns jahrelang mit düsteren Beschreibungen der zwischenmenschlichen Abgründe erfreut hat und das meine ich durchaus ernst. Sie hat plötzlich einen Hang zur Komödie und die Theaterwelt jubelt. Ist es nicht eher die Inszenierung Andreas Kriegenburgs, die hier so hervorscheint? Denn die Geschichten um die eher banalen Figuren in Diebe, sind genau so übermotiviert und mit Fingerzeigen gepflastert, das man gar nicht weiß, worum es Loher hier eigentlich wirklich geht. Vielleicht sollte man die Stücke in Mühlheim in Zukunft auch nur noch szenisch lesen, um Sie von den vorgefertigten Bildern einer Inszenierung zu befreien. Es wird aber mit beiden Stücken, die zur Zeit vorherrschende Ästhetik genau getroffen und so gehen die Preise, eben auch der Publikumspreis, natürlich auch an die Richtigen. Eine Jury ist ja auch nur ein Abbild eines bestimmten Geschmacks.
Mit dieser Juryentscheidung wird aber wieder ein Text abgewertet, der einfach nur Text sein will, ohne das Schielen nach der möglichst kongenialsten Umsetzung. Die Kontrakte des Kaufmanns bräuchten diese ja nicht einmal, man kann das Stück auf einem Sofa sitzend vorlesen, das einem nachher unterm Hintern weggezerrt wird und alles wäre darin enthalten. Elfriede Jelinek hat mit diesem Stück eine Darstellung der sich immer wieder selbst pervertierenden für den normalen Menschen kaum noch zu durchschauenden Maschinerie der imaginären Geldvermehrung und -vernichtung auf den Finanzmärkten dieser Welt geschaffen. Der Text findet dafür immer wieder Begriffe die im normalen Sprachgebrauch bereits wie selbstverständlich erscheinen und zeigt uns deren Doppeldeutigkeit als Spiegel für unsere Reflexionen. Der Rückschluss ins Private kommt schlagartig mit der Axt.
Dieser Text ist ein Angebot an jeden Regisseur, jenseits der vorherrschenden Mentalität Texte auszuplündern, sich immer wieder neue Bilder zu bauen. Um noch mal auf den Chor-Gedanken zurück zu kommen, es geht heute eben nicht mehr nur um Individuen, wir sind alle verstrickt. Und genau das zeigt der Text von Elfriede Jelinek, wie kein anderer, nur will das wohl nicht jeder wahrhaben.
Versteh es überhaupt nicht - und Dea Loher eigentlich auch nicht:sad:
(Anm. d. R.: Danke für den Hinweis, ich gelobe Besserung. geka)
Meines Erachtens legt das Chor-Thema es bereits nahe. Einerseits kann durch das Gemeinsam-Sprechen, durch das gemeinsame Formulieren politischer Anliegen, eine energetische Kraft zur Veränderung entstehen. Andererseits werden wir auch gesprochen, und zwar als Chor von vermeintlichen Individuen vom ökonomistischen Diskurs gesprochen. Das Tragische liegt für mich also darin, dass das Individuum aus diesem kapitalistisch-religiösen Chor heraustreten will. Dass es von sowas wie "Wahrheit", "Sinn", einem unverwechselbaren "Ich" und einer individuellen Handlungsmöglichkeit nicht ablassen will. Es muss einen geben, der sagt: "Ich leide".
Das heisst, es geht hier in meiner Perspektive um das prozessuale Wechselspiel zwischen Chor und Individuum. Dass man immer wieder bereit sein muss auszusteigen, nicht mehr mitzuspielen, sich der Widersprüche im eigenen Handeln bewusst zu werden. Auch der Finanzkapitalismus funktioniert ja nur deswegen so gut, weil "wir Individuen" an diese immer weiter in die Zukunft aufgeschobenen Werte glauben wollen. Am Beispiel der Hypotheken und Kredite wird das besonders deutlich:
"[...] und manche haben Kredite aufgenommen, also etwas, das sie gar nicht besessen haben aufs Spiel gesetzt (ohne zu wissen, dass sie es aufs Spiel gesetzt haben, denn das Mehr, das sie erzielen wollten, wurde ihnen ja als 'sicher' verkauft, als Gewissheit), um noch mehr zu bekommen als sie je schon eh nicht hatten." (Elfriede Jelinek im Programmheft)
Dieses Argument kann ich nicht ernst nehmen: die Unwahrscheinlichkeit einer Geschichte sei Beleg für ihre mangelnde Qualität. Surrealismus? Absurdes Theater? Parabeln? Gilt das da auch? Bitte nicht ein Stück als schlecht bewerten, weil es keinen Naturalismus bedient, den es offensichtlich überhaupt nicht bedienen will. Auf dem Niveau sollte man in der Öffentlichkeit nicht diskutieren.
Vielleicht unterscheiden sich derlei "Personengruppen" nur in Details, die den Gebildeten längst bekannt und Gemeinplatz sind
und die anderen nicht interessiert, um mit "Ohm Vaanja" zu sprechen. Innere Beweggründe: Not, Elend, politische Verfolgung, Hartz IV, Wohlstand für alle, und dann unterscheidet sich "so einer" plötzlich garnicht vom Steuerhinterzieher und Linkegehwegseitebenutzer von nebenan: ein Jammer, ach.
Natürlich gibt es erstaunlich gelungene Sachen zB. im Film: da ist schon Interesse für das Personal und dennoch: innere Beweggründe ?? Ja zB. im Film "Es ist überall besser, wo wir nicht sind" von Michael Klier, aber: innere Beweggründe !? Nein, bei "inneren Beweggründen" bin ich schon beim Nachbarn nicht gar so schnell: Herr Stockmann mag sich für die Plattenbauleute aufrichtig interessieren: er erreicht sie schlichtweg nicht! Und damit ist er halt nicht allein; so geht es "uns" fast allen.
Und die "Bilder" von Schimmelpfennig: Nichts gegen diese; ich war vor "Auf der Greifswalder Straße" und danach in der Greifswalder
Straße: "Biene, "Bienchen" heißt die Suche nach dem Hund im Stück, und dann tatsächlich überall diese "Suchzettel" nach verlorenen Katzen vor allem: "Schnitzel", diesen Katzennamen habe ich heute noch so gut parat, ich entdeckte ihn auf einem dieser Suchzettel an einer Laterne, unweit des Restaurants "Schnitzel König" ....
Gibt es eigentlich auch einen Kommentatorenpreis für solche Beiträge oder werden meine Wahrheiten wieder wegzensiert, weil sie zwar böse, aber nicht böse genug sind?
bitte werden sie feuilletonist oder autor oder so was ähnliches.
Na, da dürfte es Ihnen aber bei der Durchsicht des DT-Spielplans 2010-11 wieder ganz schummerig werden. Schimmelpfennig mit einem tollen Stücktitel „Peggy Pickit sieht das Gesicht Gottes“ (Regie: Kusej), Sibylle Berg mit neuem Stück, Stockmann „Ein Schiff wird kommen“ (hatten wir das nicht erst), Laucke, Palmetshofer und ein neuer Schlingensief, dazu noch Hacks (Regie: Kuttner/Kühnel) und Kaurismäki (Gottscheff). Das ist zwar irre viel neue Dramatik, aber immer die gleichen Namen. Die Starregisseure Kimmig (Kinder der Sonne), Thalheimer (Die Weber) und Kriegenburg (Sommernachtstraum) sind mit nur je einem Stück dabei. Haben die jetzt Zwangspause wegen der vielen in die Hose gegangenen Inszenierungen in dieser Spielzeit oder gründen die jetzt wo anders schon neue Kartelle?
Ich will hier mal auf einen kleinen Gedankenaustausch von Christian Rakow mit Oliver Bukowski auf der Stücke-2010-Seite hinweisen, den die beiden zur Dramatik der „kleinen Anzeichen“ geführt haben, dem Artikel von Christian Rakow, der hier auch zum Preis der Mühlheimer Theatertage angezeigt war und den meisten Autoren dort eher Oberflächlichkeit und Kunstgewerblichkeit vorwirft. Bukowski findet das Thema sehr diskussionswürdig. „Schön, wenn hier mal eine Debatte auf diesem argumentativem Niveau weitergehen könnte.“ Na bitte, dann führen wir sie doch offen und nicht im stillen Kämmerlein.
Bukowski legt genau noch mal den Finger in die richtige Wunde. Was will man haben, sauber recherchierte und „tiefschürfende“ Stücke die „nicht nur Knöchelchen ins Parkett reichen, um dann auf die fleischbildende Erfahrungskompetenz des Zuschauers zu hoffen“ (so Bukowski) oder „virtuose“ (Lange-Müller) Fantastereien a la Schimmelpfennig. Von Bukowski werden das Gespann Oskar Negt und Alexander Kluge angeführt, als die Beobachter und politischen Berichterstatter des realen Alltags schlecht hin, oder Felicia Zeller mit ihrem wunderbaren Stück "Kaspar Häuser Meer“ über die Ohnmacht der Jugendämter. Wie genau realistisch darf es denn nun wirklich sein, oder gibt es gar einen Mittelweg?
Ich glaube nicht, man sollte es doch jedem Autor selbst überlassen zu seinem Stil zu gelangen. Es ist sicher hilfreich auf Unzulänglichkeiten aufmerksam zu machen, aber Jungautoren wie Laucke, Palmetshofer und Stockmann ständig vorhalten zu wollen, das ihre neue Dramatik nur an der Oberfläche kratzt, ist doch zu viel des Guten. Stockmann zeigt sich zum Glück auch sehr resistent, wenn nicht sogar renitent dagegen, wie man ja bei Stücke 2010 lesen konnte.
Da stellt sich mir jetzt eigentlich auch gar nicht die Frage „Wie es sein sollte“, um der von Rakow diagnostizierten „thematische Armut" begegnen zu könnten, sondern eher Was wird im Vorfeld schon falsch gemacht? Da kann man jetzt den Ball getrost wieder an Bukowski zurückspielen und um wieder an den Anfang zurück zu gelangen an die Theater und Dramaturgen sowieso.
Das Maxim Gorki Theater in Berlin macht nämlich genau das Richtige, jährliche Themenschwerpunkte mit der Möglichkeit für junge Autoren sich in bestimmte Themen ein zu arbeiten und darüber in einem eigenen Stück zu reflektieren. Die Ergebnisse sehen zumindest in dieser Spielzeit sehr passabel aus.
Zum Schluss noch eine Frage an Christian Rakow. Was meinen Sie denn mit „bleibenden Repräsentationsleistungen“?. Was ist das denn für ein Unwort? Hat das wirklich was mit der zunehmenden Relevanz der Stücke in Mühlheim zu tun? Alles andere verstehe ich ja, was Sie mit der „Rückgewinnung komplexerer Zeichen- und Wirklichkeitszusammenhänge“ meinen. Und übrigens gegen Kritik habe ich mich auch nie ausgesprochen, nur eben gegen zu viel Genörgel an Jungautoren/innen.
Man könnte Schimmelpfennig schon als einen fleischlosen Fantasten beschreiben, der lediglich an einen groben Erfahrungskonsens beim Publikum anschließt und damit mehr oder weniger virtuos herumspielt. Seine Akrobatik besteht doch darin Teilmengen mit den Zuschauern herzustellen, auf die man sich schnell einigen kann und dann eine Art stille Lacher zu erzeugen. In diesem undifferenziertem Vorgang geht einiges an falscher Wahrhaftigkeit unter.
Es wäre doch ein Leichtes aus dieser Küchencrew eine Gruppe deutscher Köche zu machen, die einen asiatischen Hilfskoch zu Tode bringen. Da müsste man kaum etwas ändern und es käme der Wirkungsrealität dieser Szenen am nächsten, denn diese asiatischen Köche gehen tatsächlich mit einer sehr "deutschen" Grausamkeit vor. Wären es wirklich Asiaten, die in die Zahnlücke die daheim gebliebenen Verwandten des Hilfskochs hineinphantasierten, die Szene sähe wohl etwas anders aus.
Aber dieses Unwahrscheinliche, Unwahrhaftige gefällt den Dramaturgen, den Juroren, den Zuschauern und dagegen ist noch kein Kraut gewachsen. Ihre schon längst vorhandenen persönlichen Wahrhaftigkeiten werden da aufs einfachste bedient. Und man kann sich zugleich so schön ein wenig sozialkritisch einwiegen, weil es sich ja um Einwanderer handeln soll. Und mehr Anspruch an Genauigkeit, wirklichem Leben, dass sich zu einer Bühnenpoesie aufschwingt ist da eben nicht. Und diese Anspruchslosigkeit bedient Schimmelpfennig recht gut mit diesem Stück. Die Kritiker und Juroren und Dramaturgen bekommen da nicht mehr zu lesen, zu spüren, zu sehen, als das was eh schon so in ihnen vorliegt. Und sie sehen ja, der Mann darf trotzdem ständig an prominenten Orten weiter produzieren. Die Kritik, die hier geäußert wird, wird von Dramaturgen kaum aufgegriffen, ja eigentlich schon im Vorab abgetan. Die Geschäfte laufen wie üblich weiter.
Da ist doch so ein Zugriff, wie ihn Castorf gerade auf sein eigenes Haus probiert geradezu innovativ. Er müsste halt mal ein neues Credo formulieren. Den Schriftzug "Ost" von seinem Haus entfernen und vielleicht "Real" dort hinsetzen, meinetwegen auch in Anspielung auf diese dämliche Kaufhauskette. Sich ganz neuen Stoffen zuwenden und sich vom "Realen" abstossen, weit in den Bereich der Poesie, der Schönheit und der Kunst hinein, ohne den Kontakt zum Wirklichen zu verlieren, was er natürlich oft genug getan hat. Aber Aufklärung ist auch eine Art Tagesgeschäft.
Der Nachschub an Realität, die geklärt werden sollte fließt ohne Unterbrechung. Wie jeder im einzelnen diesen Sprung, diese Bogenspannung zwischen Real und Phantasie gestaltet, und wieviel Wahrhaftigkei er dabei schürft, ist seinen Fertigkeiten, seinem Talent, seiner Erfahrung überlassen und natürlich seiner aktuellen Verfassung gegenüber dem Realen. Wer vor die Wirklichkeit immer nur die Kulissen der Unterhaltungsphantasie eines Schimmelpfennig schieben will, dessen Sprung wird halt immer recht kurz ausfallen, und zur Zeit kann man damit ja recht gut von einem Erfolg in den anderen hineinplumpsen. Jedoch, je dräuender das Wirkliche wird, um so weniger kann man es auch aus der Kunst hinausdrängen. Und das Dräuende nährt sich aus der Verdrängung von Wirklichkeit.
Das habe ich gar nicht so gemeint, das eine oder das andere. Das gibt es zwar und wird hier auch kritisiert, was aber der richtige Weg wäre und wie man den erreichen will, bleibt offen. Einen Mittelweg würde ich ablehnen, man kennt ja das Sprichwort, das Kluge auch als Filmtitel verwendet hat. Den totalen Realismus finde ich aber auch langweilig. Junge Autoren müssen experimentieren können und in Themenvorgaben, die nicht zu eng gefasst werden, können sie sich auch austoben, lernen aber gleichzeitig sich nicht völlig zu verrennen und auch mal wirklich recherchieren zu müssen. Man will immer gleich die Eier legende Wollmilchsau, um mal beim Fleischbild zu bleiben. Die gibt es aber auch nicht.
Was Castorf betrifft, sehe ich da keine innovativen Entwicklungen wie Sie. Trotz Befreiungsschlag wird in der nächsten Spielzeit kaum etwas Neues kommen können, dafür dürfte es zu spät sein. Schade. Nur mit einem neuen Schriftzug wäre es auch nicht getan und er muss aufpassen, dass aus OST oder Real, wie Sie vorschlagen, nicht bald ALDI wird, ALDI-OST sozusagen.
Sie sind auf dem besten Weg, sich auf Nachtkritik ein Ressort zu schaffen, bei dem Sie die Rolle eines Anwalts der Ethnologie-Ecke übernehmen können. Als Ober-Guru und Apologet von Randgruppen können sie mit bestem moralischen Gewissen irgendwelche Fremdinteressen vertreten und sich lax in eine künstliche Verärgerung hineinsteigern, um irgendeinem angestauten Ressentiment Luft zu verschaffen. Wer 1967 schon in Seminaren gesessen hat, weiß sicherlich einiges zu erzählen und versucht, aus einem Ausblick einen Überblick zu machen. Diese Art von Beschäftigung scheint Ihnen den Erhalt Ihrer Lebensqualität zu sichern...
Warum so viel Getöse um das mittelmäßige Stück von Schimmelpfennig? Richtig, Schimmelpfennig bedient sich aus Genre-Elementen der Unterhaltungsindustrie, die er in ästhetischer Überhöhung präsentiert, um die von Seichtheiten eingeschläferten Gehirnzentren der Kritiker zu verführen. Schimmelpfennig wirkt rein optisch wie ein Annäherungsversuch an Diedrich Diederichsen – Doderer redete im Roman „Dämonen“ von der Verwirklichung einer physiognomischen Grundidee -, nur dass es dem Dramatiker an der nötigen Eloquenz gebricht
Carl Hegemann schreibt in der "Theater Heute" vom Juni 2009 also davon, dass sich die Kunst nach Niklas Luhmann "durch die Unwahrscheinlichkeit ihres Entstehens" definiert. Das heisst, indem die Kunst den zweckbestimmten (politischen, pädagogischen, gesellschaftlichen) Erwartungen entspricht, die man an ihr Kreativitätspotential stellt, ist es keine Kunst mehr.
@ 123: Das heisst, wenn Sie nun eine politisch korrekte Darstellung der Verhältnisse in Asia-Restaurants in Deutschland fordern, nehmen sie der Kunst möglicherweise gerade wieder ihre diese Verhältnisse potentiell aufsprengende Kraft. Was bei Schimmelpfennig fehlt, ist vielmehr die Auseinandersetzung mit den Realitäten der Globalisierung, auch der Globalisierung des Finanzkapitals (Stichwort: "Heuschrecken"), woran sich Jelineks "Kontrakte des Kaufmanns" dagegen obsessiv abarbeiten.
Ich bin kein Anwalt. Machen sie sich doch nicht lächerlich. Und ich vertrete keine Fremdinteressen, in die ich mich dann selber einlulle. Ich kann nur diese Deutschen nicht mehr ertragen, die sich über alle Kulturen beugen, als ob sie schon längst begriffen hätten, wo die Fahrt in diesem Jahrhundert hingeht. Das ist doch alles Schnee von gestern. Die Deutschen haben einmal als Kultur komplett versagt, und nun zeigen wir den Völkern dieser Welt, wo es langgeht? Castorf erklärt den Russen Cechov usw. ...
@Haltenstein. ...und was Oberender da fabuliert...ein Wellenreiter...kaum noch zu ertragen...Lesen sie mal die "Zertanzten Schuhe" von ihm. Dann wissen sie ungefähr, wo der Mann steht.
Immerhin standen Sie auch an Neujahrstag mit ihren mongolischen Freunden an Lenins Grab, aber nicht wegen der historischen Stätte, sondern um von ihren mongolischen Freunden zu lernen. Vielleicht haben Sie auch in Ihrem Berliner Mongolen-Restaurant mit dem Küchenjungen über einen Zahn gesprochen, über Rohrzangen, seine Sicht der Dinge und über Schimmelpfennig.
Wissen Sie, 123, Schimmelpfennig wollte vielleicht nur ein Motiv der Weltliteratur aufgreifen. Thomas Buddenbrook starb nämlich auch an einem Zahn. Und das nach der Lektüre von Schopenhauer, nach der Ästhetik des fin de siecle, die in sein bürgerliches Leben eingriff und aus einem einst vitalen Menschen durch Verinnerlichung einen Moribunden machte. Ja, ein von Tatendrang diktiertes Leben wird mitunter jäh beendet durch so etwas Profanes wie ein Zahn. Schimmelpfennig hat sich mit diesem Stück nicht unbedingt in die schöngeistige Literatur eingereiht – aber zumindest ist er auch ein Zahn-Autor. Wissen Sie, was mit Menschen passiert, die keine Zähne haben?
Ein vielgrößeres Problem sind doch die Balzers: "Vorschlag zur Güte: 1 2 3 trifft sich mit Stefan, die Beiden tauschen sich aus und uns bleibt manches erspart!
Udo Balzer-Reher", diese Menschen, die sich in einem "Uns und Wir-Zustand befinden", und sich und andere Ungenannte als die "Richtigen" empfinden, denen man eine solche Debatte eigentlich zu ersparen hätte. Sie wollen ihre Ruhe haben vor jedem unkontrollierbarem Raum, den sie gleich als feindlich empfinden, weil er ihre Kreise stört. Da soll Kunst auf kritisch repräsentative Affirmation reduziert werden. Bloß nicht den Rahmen sprengen. Diese Anonymen sind Balzer ein Graus. Er kann sie nicht in den Griff bekommen. Sie reizen ihn. Und mit seiner gereizten Stimmung und seinen Aufrufen versucht er hier eine ganz und gar unfreie Stimmung zu verbreiten, und die Debatte auf den Schulhof zurückzudrücken, auf dem er gerne den Direktor gäben möchte, so scheint es. Da wird ein Niveau behauptet, dass hier so gar nicht durchgehend vor handen ist. Von den Kommentaren, möchte man den Eindruck gewinnen, geht schon ein Impuls, ein Einfluss aus. Das belegt dieser Balzer Aufruf und nicht nur der. Da kann man den Angstschweiß des Kulturbetriebes spüren, der sich vor kritischem Nachfragen fürchtet, weil er schon ahnt, dass er seit sehr langer Zeit nicht mehr wirklich rund läuft, weil er um seine Macken weiß, um seine Netzwerke, weil er sich in sich selbst auskennt und weiß wie morbide und lobbyistisch eingefahren er läuft, und da wird jede vernehmbare Kritik gerne als Nörglerei abgetan. Dienen sie dieser Lobby nich weiter zu, indem sie sich unnötig untereinander anfeinden!!! Formulieren sie so scharf wie sie können. Immer mit dem Ziel vor Augen Ungereimtheiten aufzudecken, verkommenes Urteilsvermögen zu ächten. Und nehmen sie aktiv Einfluss auf die Gestaltung von Kunst und Kultur. Man kann dies nicht den Balzers überlassen, denn die leben in einem Zustand von "Ruhe jetzt!" und "Weiter so wie bisher, bitte!" Und das ist wahrhaft unerträglich. Wo sind denn jetzt all die Liebhaber von Herrn Schimmelpfennig hier? Indem Moment, wo sie ihn verteidigen könnten. Immerhin er hat einen Preis erhalten und hier findet sich keiner, der ihn auf einer sachlichen Ebene ernsthaft verteidigen will gegen die Flut von kritischen Anmerkungen? Seltsam.
Meine Damen, meine Herren irgendwann kommt diese Art der Kritik vertieft im Gedächtniss der Zuschauer an und dann können sie nur noch hoffen, möchte man meinen...
Vorschlag zur Güte Herr Balzer: Schwingen Sie sich doch mal zu einer echten Verteidigung dieses Stückes auf !!!
Wenn Sie daran glauben wollen, dass die Kunst auch heute noch eine gesellschaftsverändernde Kraft habe, dann tun sie das. Ich würde eher sagen, dass die Freiheit der Kunst und der politische Freiheitskampf zwei differente Wirklichkeiten sind, welche aufeinander bezogen sind, aber nicht in einem Ursache-Wirkungs-Verhältnis zueinander stehen.
Zudem besteht das Paradox, dass im globalen Kontext des Konsum- bzw. Kulturkapitalismus jeder künstlerische Widerstand immer auch ein potentieller Marketingfaktor bzw. vom Marktdenken durchdrungen ist. Label drauf, vermeintlich Politisches drin. Oder: Mit dieser Inszenierung verkaufen wir Ihnen die von Ihnen nachgefragten revolutionären Werte der "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit"!
Ich würde zunächst mal von der potentiellen Veränderung des Denkens und der Wahrnehmung der umgebenden Realität durch die differente Realität der Kunst sprechen wollen. Ob das dann tatsächlich zum gemeinsamen politischen Handeln führt, das ist eine offene Frage.
Übrigens, diesen permanent wiederholten und vorurteilsbehafteten Vorwurf der "elitären bürgerlichen Perspektive" empfinde ich einfach nur als dumm, weil er eine mögliche Solidarität zwischen menschlichen Subjekten - unabhängig von Schicht/Milieu, Beruf, Rasse, Geschlecht usw. - von vornherein verhindern will. Mir erscheint es dann immer so, als ob Sie mit "gesellschaftlicher Veränderung" durch Kunst eigentlich immer nur "Terror" meinen. Bloß, wenn Menschen zu Schaden kommen, dann ist das keine Kunst mehr.
Udo Balzer hat recht: Sie sollten wirklich auf voller Namensnennung der Blogger bestehen!
Das ist kompletter Humbug, was Sie da schreiben. Sie reden von der "anonymität des mobs", als würde die Tatsache der Anonymität Kraft verleihen. Was machen Sie eigentlich, wenn jeder seinen bürgerlichen Namen preisgibt? Achso, nicht mehr ernst nehmen.
Was muss denn alles gelebt worden sein, um die Rede zu belegen? Was wollen Sie? Universitäre Abschlusszeugnisse oder Fernsehauftritte? Anscheinend haben Personen, die den Kritikerberuf ausüben oder einer Jury vorstehen, eine gewaltige Biographie hingelegt.
Kommentatoren mit richtigem Namen hat nur dann einen Sinn, wenn das hier alle machen. Bleibt ein Teil anonym, kann man es vergessen.
Im Übrigen: wir wollen doch vermeiden, dass hier tatsächlich jemand zu schwitzen beginnt.
Worüber regt sich Herr Balzer-Reher eigentlich auf? Er braucht das Gerede von einer Fülle anonymer Niemands doch gar nicht zu lesen.
Und nun macht Nachtkritik ein kleines Experiment, läßt beißende Majestätskritik zu, ohne den üblichen unerträglichen Theaterheute-ichbinjasoschlau-Sound, siehe den lächerlichen Obermeier-Artikel nee Oberender im aktuellen Heft. Nachtkritik achtet dennoch darauf, daß persönliche Beleidigungen unterbleiben. Für mich ist das hier so ein bisschen wie wenn man in der Pause den Foyergesprächen lauscht. Oft interessanter als die Kritiken. Ich bin übrigens erstaunt, wie viele Leute hier die Kommentare lesen. Die sind zwar manchmal blöd, die Kommentare, und es tummeln sich auch die Zukurzgekommenen, aber es ist lebendiger als der übliche Kanon der Veröffentlichungen oder gar das übliche Diskussionspodiumsgesabber. Natürlich macht Nachtkritik da vor allem mit, weil es Klicks bringt und das wollen die Werbekunden, aber man kann nur hoffen, das diese anarchische Ecke erhalten bleibt und das sich noch viele darüber aufregen.
Ich habe vor allem in Zweifel gezogen, dass die Rufe aus der Anonymität irgendwelche Effekte hervorrufen. Anynomität verleiht keine Autorität - Sie scheinen aber vom Gegenteil überzeugt zu sein.
Ihr Bild mit der Bombe passt nun wirklich nicht.
Immerhin scheint der Blog Herrn Balzer-Reher doch ein wenig zur Transpiration gedrängt zu haben, sonst hätte er nicht zu einem Boykott aufgerufen. Nach Goethe bleibt nach verstärkter Transpiration noch ein wenig Platz für Inspiration. Schwitzen ist gesund! Goethe sagte einmal zu Eckermann, in einem Kunstwerk stecken 90 Prozent Transpiration und 10 Prozent Inspiration. Vielleicht gilt das auch für die Leitung eines Festivals.
Äußerungen wie "...erst die Juden, ... armen Asiaten..." in Verbindung mit "...Ethnologie-Ecke..." und "...Randgruppen..." und "...Fremdinteressen..." sind eindeutig chauvinistisch. siehe @42.
Ich verstehe nicht, wieso Sie das nicht sehen und wieso ich das nicht schreiben darf.
Die Geschichte mit dem "Balzer-Reher-Eintrag" verlief seinerzeit, ich wundere mich jetzt wirklich nicht schlecht, daß das fast ne Woche brauchte, um hier wieder die alte "Klarnamensache" aufzurühren, zu der man ja durchaus auch Gedanken entwickeln könnte, die einerseits allgemein für Internetforen von Bedeutung sein dürften, andererseits aber auch ein wenig das Kontinuum zwischen Extrempositionen aufnehmen ins schreibende Handeln hier, das, wenn "man" so an den Sachen "hängt", die "man" so von sich gibt, durchaus mit Schweiß verbunden sein darf: in meinem Falle jedenfalls ist das so zumeist.
Der erste Balzer-Reher-Eintrag befand sich, als ich ihn das erste Mal sichtete, glaube ich, unter § 8; ich nahm mir vor, später darauf zu antworten, und als ich dann meine Antwort tippte, wollte ich mich noch einmal versichern, den richtigen Artikel anzusteuern in der Anrede und gewahrte, daß der Balzer-Reher-Eintrag ganz
verschwunden war.
Ich dachte nun, die "Rückversicherung" bei Herrn Balzer-Reher seitens der Redaktion hätte ergeben, daß wieder so ein Dopplerspaßvogel am Werk war, Sie, Stefan, kennen das ja am eigenen Leibe recht gut, und noch später war ich dann halt nicht schlecht überrascht, plötzlich zwei Balzer-Reher-Statements hier zu gewahren.
In einem Beitrag meinerseits, der gestrichen wurde, fragen Sie nicht nach den Gründen, nannte ich das Vorgehen Herrn Balzer-Rehers schlichtweg selbstherrlich.
Ja, das ist garnicht sonderlich diskussionswürdig: wir sollten ihn besser unsererseits ignorieren !
Anstatt "man" sich allgemein freut, daß zwei recht unterschiedlich aufgemachte, starke Seiten wie "Kultiversum" und "Nachtkritik" laufen, gibt es immer wieder die Bemühungen von allerlei Angleichern: keine Ahnung, warum diese einerseits nicht bei der von ihnen favorisierten Seitenform bleiben und sich andererseits bei ihren
Anfeindungen so schreiend dämlich verhalten, daß es allemal eher Zulauf für Nachtkritik bedeuten muß im Grunde.
Wäre ich so ein intrigantes und feiges Wesen, dem es hier aus einer irgendwie gesicherten Lage, ob mit oder ohne Klarnamen, heraus darum ginge, Nachtkritik de. offen zuzusetzen, zu schaden: ehrlich, der Gedanke ist, so blöd ich ihn finde, kaum abzuwehren, ich bin wahrlich überzeugt davon, daß ich das dann besser könnte.
(...)
@ Flohbär
Danke, daß Sie das "Zitat" noch einmal benutzten und die Quelle nannten: Goethe !
Bei mir war das seinerzeit die Agentur "Vladi" aus dem Truffaut-Film, an den ich mich auch sehr gerne erinnere: wahrscheinlich werden noch einige "meiner" Zitate in der Zukunft so in der Luft hängen: Ihre Hilfe wäre da gewiß wohltuend !!
@ 123
Ja: mehr Hausautorenstellen; Ihr Anliegen ist durchaus nicht obsolet: so sehe ich das selbst auch !
Ich frage mich auch ganz ehrlich, warum der prinzipielle "Wunsch nach Klarnamen und persönlicher Begegnung" immer wieder gegen die Üblichkeiten dieses Forums ausgespielt werden muß.
Ignorieren und Bezugnahmeleisten, Querlesen etcpp.: das ist doch das 1 mal 1 in sämtlichen Lese-Lebensbereichen, und es lassen sich immer wieder Szenarien denken, wo der Chef einer Firma, der sich in Kulturforen tummelt und vielleicht großtut, es nicht verzeiht, wenn ihm ein Leiharbeiter in seiner Firma dort mit besseren Argumenten begegnet: warum allein diese Phantasie hier so selten als Lehrstück zu vernehmen ist ??
Wer das aber nicht zuwege bringt, sollte wohl weder über alte noch mittelalte, schon garnicht über junge Dramatik rechten !!
Also gut, dann mache ich aus den armen Asiaten eben reiche Asiaten, die eine Gruppe der Mitte sind. Zufrieden?
Wenn Sie mich kennen würden, würden Sie mich wohl kaum eines übersteigerten Nationalismus bezichtigen - und das ist ja Chauvinismus.
Ob die deutsche WM-Truppe die Vorrunde übersteht oder nicht, ist mir gleichgültig. Sie können ja mitfiebern...
Ich kann mir nicht helfen, bei so einem Allgemeinplatz dreh ich gleich voll ab. Ich höre in meinem Ohr immer noch diesen hingerotzten Satz: Du hast sie ja ganz kaputt gemacht.
Gemeint war die Grille, die vorher mit ein wenig Blut am Boden hergerichtet wurde, dieses männliche Wesen in Frauenkleidern mit einem Vogelnest auf dem Kopf. Von Kritik war da nichts zu spüren, eher so ein aggressives Einvernehmen mit dem Lauf der Dinge...und schlussendlich stand irgendwie stumm im Raum, es war ja nur eine Grille...oder war es doch mehr...da blieb viel Raum für die Phantasie des Zuschauers, Grauzone der Phantasie so zusagen, wo man sich über eine scharfe und luzid ausgeleuchtete Inhaltlichkeit sehr gefreut hätte. Aber wer fühlt und denkt schon wirklich bei einem solchen grillenhaftem "Vogelnest" mit? Irgendwie ein scheußlicher und zugleich ein diffuser Moment der Inszenierung, den betrauert wurde eigentlich nur, das die "Grille", nicht zu verwechseln mit der "Asiatin" nun nicht mehr zu gebrauchen war. Aber so eine Grille hat es vielleicht auch nicht besser verdient? Stand zu gleich im Raum, denn sie ist ja faul und schön, wohin gegen die Amseisen fleißig sind? Nein, auf dem Weg möchte ich mich nicht mit dem Thema "käufliche Liebe" auseinandersetzen. Ich weiß nich wo da der Moment sein soll, der über das "Sosein" hinausweißt...und ich werde den Eindruck nicht los, dem Autor gefiel dieser Satz: Du hast sie ja ganz kaputt gemacht. ...so sehr, dass er darüberhinaus nichts weiterführendes mehr denken wollte oder konnte. Wie kann man eine einmal so derart ins Bizarre hineingezogene Figur dann noch retten? - Gerade denke ich an die Darstellung der "Lulu" im letzten Akt von Susanne Lothar. Das war ein Lebenskampf, der einem die Augen öffnete. Davon weht in der Schimmelpfennig Inszenierung nicht mal ein Hauch. Bedauerlich, dieses abgezirkelte Wirkungsspiel, wirklich traurig.
Nanu, da setzen Ihnen ja plötzlich Menschen mit richtigen Namen zu. Und was haben die jetzt davon? Sie wollen nicht ihnen reden. Wo liegt das Problem Herr Balzer-Reher, ein paar Worte zur Sache zu verlieren, oder ist ihnen gar nicht daran gelegen? Daran sollten Sie mal denken, bevor Sie hier, mit Namen, über Leute herziehen, die sich ernsthaft Gedanken zur deutschsprachigen Dramatik machen. Beteiligen Sie sich an der Diskussion oder gründen Sie Ihren eigenen Blog, wie Sie es den ganzen Namenlosen empfehlen. Ihr Stefan
www.blog.theater-nachtgedanken.de auch nur so ein anonymer, namenloser Blog.
Ich habe mit Strauss, Stein und Stadelmaier nichts am Hut. Aber ich habe eine Meinung zu dem was sie sagen und tun. Mein Name ist dabei völlig uninteressant, weil Sie ihn so wie so nicht kennen. Genau das ist nämlich das Problem, das sich nur Leute mit Stallgeruch zum Theater zu äußern haben. Da mir dieser zu fehlen scheint, bin ich als Gegner wohl nicht mehr „satisfaktionsfähig“. Bei 123 ist das vielleicht etwas anderes, aber eben auch seine ganz persönliche Entscheidung. Trotzdem ist es hoffärtig diese Meinungen hier zu ignorieren und auf Kampf mit offen Visier zu plädieren. Lesen sie meine Sachen und schicken Sie mir eine Email, vielleicht kann man dann ja so ins Gespräch kommen.
Ich benutze nicht ein Pseudonym, weil ich mich verstecken will, ich benutze es, weil ich damit ein Ziel verfolge, ein Konzept eben. Nehmen Sie das bitte endlich zur Kenntniss. Mein Name ist Konzept.
Und außerdem bin ich weiterhin der Meinung, dass Kathargo nicht zerstört werden sollte, auch wenn Herr Balzer alle zwei bis drei Tage hier vorbeischaut und sturr verlangt, man solle die Anonymität abschaffen.
Ich sage nur: Freiheit! Freiheit! Freiheit!
(Ästhetik der Existenz. Schriften zur Lebenskunst, p.110)
Seitdem ist doch eben das eingetreten, was wahrscheinlich keiner will: es geht nicht mehr ums Theater. Glückwunsch! Prima gemacht.
Das passiert wohl, wenn jemand versucht, uns das Internet zu erklären.
Was schreiben Sie von Zorn, bleiben Sie doch bei der Sache. Aber wie ich schon festgestellt habe, darum geht es ihnen anscheinend gar nicht. Ich vertrete wenigstens noch eine Meinung und Sie nichts, null, es reicht nicht mal für einen Nickname. Das sich niemand für die Meinung der Kommentatoren hier interessiert, kann ja nicht sein, sonst würden Sie sich nicht ständig wieder melden und genau das ist meine Bestätigung. Es geht nicht um das Abreagieren an Computermäusen, sondern um ein konkretes Thema, zu dem Sie offensichtlich nichts beitragen können oder wollen. Ich persönlich mag uninteressant sein, das Thema ist es aber nicht.
Das sehe ich zwar ebenso, aber manchmal ist es wie im richtigen Leben, bevor man zur eigentlichen Tagesordnung übergeht kann, muss diese erstmal erarbeitet werden. Um diesen Punkt so lange wie möglich heraus zu zögern, werden von allen Seiten dann Anträge eingebracht und im Moment diskutieren wir eben die Anonymität oder die Wichtigkeit der Sache überhaupt. Auch daraus kann man eine Menge ablesen.
@ 92
Die Sache an sich ist schon wichtig, die Person, die diese im Moment vertritt, ist in der heutigen Zeit austauschbar. Politiker, Philosophen, Künstler oder auch Sportler, einige werden berühmt andere nicht. Aber das Werk bleibt, darum geht es und das sage ich ganz ohne Foucault, einfach so.
@ 123
Genau, Sie haben recht, jeder nach seiner Fasson. Leben und leben lassen.
Und ich auch... mist.
Zu diesem Moment. Seien Sie kein Spielverderber und lassen Sie uns an Ihrer Meinung teilhaben.
Gruß
123
Und um zum Mülheimer Dramatikerpreis zurückzukommen, auch Elfriede Jelinek hat in den "Kontrakten des Kaufmanns" auf das Paradox der Freiheit verwiesen. Zitat: "Sie werden nie gewinnen, Sie werden nichts gewinnen außer Ihrer Freiheit, nichts zu gewinnen, aber die werden Sie gewinnen!"
Theater als Verklärungsanstalt". Realitätsverhunzungsanstalt. Eine Aufführung ist doch nicht dazu da, mich verblödend, von der Realität zu entfernen. Sie soll das Reale im besten Sinne übersteigen, auf die Wirklichkeit verzögert zurückwirken, denke ich hin und wieder. Aber diese Vorgänge, die der Künstler da erfindet, sind doch zum Teil abstrus. Wenn er die Rückreise des Hilfskoch als eine Vision, einen Traum in die Phantasie der sterbenden Figur hineingelegt hätte, wäre dies nachvollziehbar; ähnlich eben der sterbenden jiddischen Mutter bei Kuban, die sich ständig in sentimentalen Liedern ergeht. Aber so. Schauerliche Verbiegung, von Gleichnis keine Spur, möchte ich fast sagen. Da wird die Kunstform eines Gleichnisses eventuel simuliert. Mehr aber auch nicht. Und so etwas gilt dann als Maßstab? - Ich weiß nicht, ob ich mich aufregen soll, aber irgendetwas in mir empört sich bei all dem, wahrscheinlich mein Empfinden für Wahrheit.
Auch würde ich gerne einmal über den Mann im gestreiften Hemd reden, der die Grille so außerordentlich schön findet. Ein vergleichbares Motiv fanden wir ja schon in der Beier Inszenierung "Die Gemeinen...". Warum macht er die Grille kaputt? Weil Männer in gestreiften Hemden so sind? Ein wirklich erbärmliches Klische ohne jede Phantasie. Ganz ehrlich, so betrunken, wie die Figur in dieser Inszenierung war, konnte die überhaupt noch irgendetwas zu Stande bringen? Ständig, wenn ich darüber nachdenke, schüttele ich innerlich nur meinen Kopf. Und wenn hier gefragt wird, ob man Konkurrent dieses Herrn wäre, dann schüttele ich abermals mit meinem Kopf. Auf dem Gebiet kann ich gar nicht konkurrieren. Dafür bin ich, glaube ich, zu sehr an Aufklärung in der Kunst und Weiterführung, Transformation in eine zukünftige Vision interessiert. Meine Leidenschaft ist ganz anders gelagert.
Bloß, warum Sie sich nun so sehr in das Schicksal der Grille hinein versteigern, das wird mir nicht ganz klar, handelt es sich hier doch um Kunst und nicht um Realität.
Was mich an diesem Schimmelpfennig-Stück stört, ist ganz allgemein dessen affirmative Botschaft an die Konsensgesellschaft. Da ist neben dem Spaß kein Schmerz über die (Selbst-)Widersprüche des menschlichen Subjekts zu erkennen, wobei diese Widersprüche auch kaum diskursiv verhandelt, sondern eher konstatiert werden.
Ich empfinde es nicht als problematisch, dass die Figurenkonstruktion nicht "wahrscheinlich" ist, denn Kunst ist nie wahrscheinlich im Sinne einer ethisch-moralisch nachvollziehbaren Abbildung von Realität. Ich empfinde es als viel problematischer, dass hier nichts zur Diskussion steht, dass hier nichts auf dem Spiel steht, dass hier keine weitergehenden Fragen in Bezug auf die außertheatrale Realität aufgeworfen werden, sondern dass es hier bloß noch um das Virtuose der innersprachlichen Konstruktion geht. Auf eine solche Art von Kunst kann ich gern verzichten, wenn nicht mehr in Bezug auf (die potentielle Veränderbarkeit von) Realität geschrieben und gedacht wird.
Abschließend würde ich jedoch trotzdem dabei bleiben, dass eher die Asiaten Ameisen und die Europäer Grillen sein könnten.
Es wäre ja eben gerade die Frage, ob man den fleißigen Arbeiter so einfach gegen die kreative Grille ausspielen kann, ohne das in einem situativen/kulturellen/globalen Kontext zu verorten.
Mit den Heuschrecken meinte ich übrigens nicht die Tiere, sondern die chinesischen Hedge-Fonds. Oder wie brachte es Pollesch mal auf den Punkt?:
"Und wenn ich an dich denke, denke ich nur an das Projekt der kommunistischen Partei, die Arbeit am kommunistischen Projekt aufzugeben und sich an den Aufbau des Kapitalismus zu machen, du Arsch, du!" (aus: "JFK")
In Erwartung Ihrer nächsten Retourkutsche (vage)
Ihr
123
Bitte, wie es Ihnen beliebt. Aber ich denke, dass eher Sie das Thema hier floskelhaft ausbreiten, um endlich sagen zu können, was Sie schon immer mal so sagen wollten, denn dies, scheint mir, ist Ihr Hauptziel; und dann ist da noch ein gerütteltes Mass an Überheblichkeit mit der Sie versuchen anderslautende Meinungen in die Esoterik, wahlweise auch ins Vage abzudrängen, statt wirklich mal an das Gesagte anzuschließen. - Wie Sie hier flugs kommunistische Kader und Arbeiter mit dem Chor und dem Individuum im antiken Drama irgendwie vergleichend gleichsetzen wollen, dass ist schon kühn und mindestens genauso vage, wie die Arbeit von Herrn Schimmelpfennig.
Ich denke mir das so: Sie wollen jetzt hier noch ein wenig weiterprovozieren, hoffen durch ein paar gezielte Verletzungen weitere Kommentare von mir zu "erpressen", um so endlich zu Ihren Kernthemen vorzudringen.
Mal schaun...wenn es der Sache dient, läßt man sich Ihre Belehrungen ja gerne mal für ein paar Momente gefallen.
Waren Sie denn schon einmal so ein richtiger Arbeiter? Ich meine jetzt nicht in China? Kennen Sie die Innenansicht solcher Tätigkeiten? Ich kenne sie und weiß, wie schwer es ist dort, in dieser Welt, ein "Individualist" zu sein.
Und wenn Sie mir jetzt weiter mit Ihrer Esoterik kommen, klären Sie mich bitte auf, welcher Form von Esoterik ich denn nachhänge, denn Sie wissen da offensichtlich mehr über mich als ich über mich selbst?
Aber wenn ich mich bei mir so umschaue, da gibt es überhaupt kein esoterisches Material, weder in meinem Bücherschrank, noch in meiner Küche, meinem Wohn oder Schlafraum und einen Zimmerbrunnen besitze ich auch nicht.
Wenig erhellend
(Liebe/r 123, liebe/r I S,
vielleicht könnten Sie die Diskussion einfach ohne persönliche Angriffe weiterführen? Das müsste möglich sein und würde der Lesbarkeit dieses Threads entgegenkommen.
Vielen Dank und beste Grüße,
Anne Peter / Redaktion)
Im Theaterbereich ist der antike Chor das Modell, an welchem sich neben Einar Schleef zum Beispiel auch Bertolt Brecht ("Die Maßnahme") oder Heiner Müller ("Mauser") orientiert haben, um mit diesem Wechselspiel zu experimentieren.
Schließlich geht es meines Erachtens auch nach den großen ideologischen Systemen bzw. der Blockkonfrontation des Kalten Kriegs (Sozialismus/Kommunismus vs. Kapitalismus) immer wieder darum, ob man sich als Individuum von den politischen Autoritäten der repräsentativen Demokratie in seinen Interessen vertreten fühlt oder nicht. Das heisst, ob man im Kontext des globalen Finanzkapitalismus von einer sozial ausgewogenen politischen Interessensvermittlung sprechen kann, das ist hier die Frage.
Ob die sozialen Interessen gegenüber den Interessen des globalen Finanzkapital in den westlichen Demokratien ausgewogen verhandelt werden, da kann man allerdings seine Zweifel haben. - Nur wo tritt das "globale Finanzkapital" denn im "Goldenen Drachen" auf? Es geht da ja nicht einmal um ein mittelständiges Unternehmen. Wie ziehen Sie denn von einem solchen Kleinunternehmen den Bogen bis hin zum Weltkapitalmarkt? Mal abgesehen von den Lebensmiteln, die ein solcher Betrieb einkaufen muss? Der Hilfskoch wird doch nicht zum Opfer des globalen Weltmarktes? Und über seine konkrete Bezahlung, ob die angemessen, ausgewogen oder nicht ist, erfahren wir doch innerhalb des enggesetzten Rahmen dieses Stückes nicht.
Stellen Sie doch bitte konkrete Bezüge zu dem Stück her. In welchem "Kontext" bewegt es sich denn, mit Blick auf den Globus? Schimmelpfennig begrenzt sich doch selber auf ein verkommenes Kleinbürgertum. Nicht eine wirklich intelligente Figur tritt da auf. Zwar ist alles mit allem verbunden, hindert aber den einzelnen Verantwortlichen nicht zwingend daran mögliche Grenzen zu überschreiten und beispielsweise Alternativen zum üblichen Lohngefüge zu entwickeln, und schon gar nicht daran seine Mitmenschen sinnvoll bei einer notwendigen medizinischen Versorgung zu unterstützen. Noch kann eine Küchencrew die einfache Extraktion eines Zahnes auch privat finanzieren, wenn sie will.
Bleiben Sie doch bitte bei dem Stück. Sonst kommen wir keinesfalls weiter, denn eine konkrete kritische Weiterführung des Stückes ist kaum zu erkennen.
Tja, sie wollen eben nicht in das Stück einsteigen. Sie sind so verliebt in ihre Vorstellung von einer komplexen Welt, dass Ihnen das Naheliegende, das Konkrete und Machbare wohl fremd geworden ist.
In der Realität setze ich mich für das "Naheliegende, das Konkrete und Machbare" ein, im Reich der ästhetischen Praxis, sprich in der Kunst, gelten andere Gesetze:
"Mitten in dem furchtbaren Reich der Kräfte und mitten in dem heiligen Reich der Gesetze baut der ästhetische Bildungstrieb unvermerkt an einem dritten, fröhlichen Reiche des Spiels und des Scheins, worin er den Menschen die Fesseln aller Verhältnisse abnimmt und ihn von allem, was Zwang heißt, sowohl im Physischen als im Moralischen entbindet."
Kunst ist nicht einfach nur die verdoppelnde Abbildung von Realität.
Das ist Esoterik pur und mehr als unterkomplex, denn die Kunst enthebt den Betrachter nicht seines physischen und moralischen Kontextes. Vielmehr gibt es eine Dynamik zwischen den manigfaltigsten Realitätsebenen. Im Theater wäre da einmal die Wirkungsrealität des Dargestellten, welche auf die Wahrnehmungsrealität des Zuschauers trifft, die individuell divergiert. Man könnte sagen: Spannend wird es im Theater, wenn alle zur gleichen Zeit etwas anderes denken, empfinden und wahrnehmen. Neben den konkurrierenden Realitäten der Wahrnehmung im Zuschauerraum, die sich aus einer Vielzahl von kleinen Gemeinden speißen kann, tritt aber auch noch die Realität der Wahrnehmung des Dargestellten nach Innen hinzu, sozusagen, die Eigenwahrnehmungsrealität des Schauspielers im Abgleich zu seinen Kollegen. Ganz zu schweigen von der biographischen Realität, die jeder Darsteller in sein Spiel mit einbringt. Der unsichtbare Autor mit seinem Werk und seiner spezifischen Wahrnehmung, die Kritik mit ihrer die Zuschauerwahrnehmungsrealität verändernden Weise und und und...und nicht zuletzt der meißt unbewußt vorgenommene Abgleich zu der angenommenen Realität jedes Einzelnen am Theatervorgang Beteiligten; da kann von einem "alle Fesseln" abnehmenden Reich tatsächlich nicht die Rede sein.
Ich hätte Ihnen tatsächlich weitaus komplexeres Denken zu getraut. Aber so leicht kann man sich täuschen. Denn ich habe nur ein paar Realitätsebenen aufgezählt. Die Ausstattung, der historische Gehalt eines Stückes und seine aktuelle Verarbeitung im Spiel und die damit verbundenen Konfontation mit einem wechselnden Heute ließ ich völlig außen vor und zudem eine Beschreibung der Dynamik dieser Realitäten untereinander.
Und nun? - All dies an dem Stück von Schimmelpfennig zu untersuchen, wäre es schon wert, wenn man damit nämlich ein Ziel verfolgte, sprechen wir es ruhig einmal aus: Das man es hier mit einem eklektizistischen Machwerk zu tun hat, dass mit allerlei Entlehnungen aus verschiedenen Stilen versucht ein eigenes Kunstwerk zu sein, zu simulieren, letztendlich jedoch mit sich selber nicht hinreichend ident wird, um ein wirklich Eigenes zu sein und leicht verwechselbar würde, wenn man es chiffrieren würde.
Was Sie mit dem folgenden Satz zu Schimmelpfennigs Stück meinen, das entzieht sich meinem Verständnis: "letztendlich jedoch mit sich selber nicht hinreichend ident wird, um ein wirklich Eigenes zu sein und leicht verwechselbar würde, wenn man es chiffrieren würde". Vielleicht könnten Sie das noch einmal anders formulieren.
Zu Schimmelpfennig kann ich nur noch einmal sagen, dass dieses Stück möglicherweise doch nur die eigene (bürgerliche) Weltsicht bestätigt, indem die Ränder der Gesellschaft von ebendieser bürgerlichen Mitte bzw. vom Zentrum aus beschrieben werden. Andererseits wird meines Erachtens aber auch klar ersichtlich, dass das Stück nicht "die Wahrheit" dokumentieren will, sondern dass der Autor hier die künstlerische Form der Parabel wählt, über welche das Thema der "Arbeitsmigration" in Analogie verhandelt wird. Ob diese Tierparabel von der Grille und der Ameise die aktuellen Widersprüche der Thematik trifft, das ist eine andere Frage.
Gruß
123