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Türkische Demonstranten setzen Theater Konstanz unter Druck
Gegen den Begriff "Völkermord"
Konstanz, 20. März 2014. Das Theater Konstanz wird von türkischen Demonstranten unter Druck gesetzt, die für den 21. März geplante Premiere des Romans "Das Märchen vom letzten Gedanken" von Edgar Hilsenrath abzusetzen. Das geht aus einer Pressemitteilung des Hauses hervor. Der 1989 erschienene und mit mehreren Preisen ausgezeichnete Roman des deutsch-jüdischen Schriftstellers, der die Shoa überlebte und seit 1975 wieder in Deutschland lebt, verhandelt den Massenmord der Türken an den Armeniern von 1915 in Form eines Märchens.
Ausgang des Protests ist die Verwendung des umstrittenen Begriffs "Völkermord" u.a. im Ankündigungstext des Theaters. Das türkische Generalkonsulat in Karlsruhe hat das Haus in einem Schreiben, das auf der Website des Theaters einsehbar ist, darauf hingewiesen, dass der "Begriff 'Völkermord' ... eine offensichtlich begangene Straftat" darstelle. Die "Ereignisse von 1915" seien hingegen "ein legitimes akademisches Diskussionsthema" und viele Historiker nicht der Meinung, dass es sich dabei "um einen 'Völkermord' handelt". "Damit eine Handlung den Straftatbestand des Völkermords erfüllt, bedarf es eines Urteils eines zuständigen Gerichts. Ein solches Gerichtsurteil existiert für die Ereignisse von 1915 nicht." Deshalb bittet Generalkonsul Serhat Aksen in seinem Brief an Intendant Christoph Nix darum, das Publikum bei jeder Vorstellung über die gegensätzlichen Positionen zu informieren.
Eingriff in die künstlerische Freiheit
Für den Tag der Premiere ist eine Demonstration vor dem Theater angemeldet worden, die deren Absetzung fordert. In einem Aufruf an "Türkische Mitbürger und Sympathisanten", der nachtkritik.de vorliegt, wird zum friedlichen Protest aufgerufen: "Für die Bildung der heutigen Türkischen Republik mussten die meisten UNSERER Großeltern in den FREIHEITSKRIEG ziehen! ... WIR müssen unsere Geschichte und die Märtyrer, die für uns gestorben sind VERTEIDIGEN und EHREN! ... Wenn du dich als Türke und als Nachfahre von unseren ehrenhaften Großeltern in deinen Rechten und Ehre verletzt siehst, dann unterstütze diese GEMEINSAME Demonstration!" In E-Mails an das Theater wird diesem außerdem unterstellt, es sei "durch armenische Propaganda beeinflusst worden", so die Pressemitteilung.
Intendant Nix sieht im Versuch, die Aufführung zu verhindern, "einen massiven Eingriff in die künstlerische Freiheit eines Theaters". In der Romandaption soll es laut Regisseur und Theaterleitung vor allem darum gehen, "den dramatischen Konflikt der armenischen Hauptperson, also einen Menschen darzustellen, der sein Leben erforschen will, seine Geschichte, seine Identität und seine Heimat".
Hilsenraths Roman wurde in Deutschland schon mehrmals für die Bühne adaptiert. Unter anderem hat 2009 das Kreuzberger Ballhaus Naunynstraße, damals geleitet von der türkisch-stämmigen Intendantin Shermin Langhoff, eine Inszenierung unter der Regie von Miraz Bezar herausgebracht. 2006 war am Berliner Theater unterm Dach eine armenisch-deutsche Kooproduktion unter der Leitung von Rolf Krieg zu sehen.
(Theater Konstanz / ape)
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Kann mir jemand diesen irren Satz erklären?
Wie viele Tote braucht es für einen Völkermord? Und wer will das juristisch entscheiden?
"Für die Bildung der heutigen Türkischen Republik mussten die meisten UNSERER Großeltern in den FREIHEITSKRIEG ziehen! WIR müssen unsere Geschichte und die Märtyrer, die für uns gestorben sind VERTEIDIGEN und EHREN!" Unter den Folgen dieses Krieges leiden heute noch Millionen Türken und Griechen. Aber in einem Land, in dem man auf SS-Friedhöfen Kränze niederlegt (Kohl) und KZ-Gedenkstätten erst auf Einladung von Opfervertretern besucht(Merkel), muss man sich eigentlich über nichts mehr wundern. Herr Nix, lassen Sie sich nicht einschüchtern.
(Lieber Stefan, die Stelle die Sie ansprechen war unglücklich paraphrasiert; "Verbrechen" wurde nun in "Handlungen" geändert. Für den genauen Wortlaut des Schreibens nutzen Sie bitte auch den Link, der auf das Original verweist. Danke!
mw für die Redaktion)
http://de.wikipedia.org/wiki/Völkermord_an_den_Armeniern
http://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_an_den_Armeniern_1894–1896
Dass es nationalistische Bestrebung auf dem Gebiet des damaligen osmanischen Reichs auf allen Seiten (das zaristische Russland, Griechenland, Armenien etc.) vor und nach dem 1. Weltkrieg gegeben hat, bestreitet keiner. Aber eine dermaßen penetrante Geschichtsvergessenheit wie in der Türkei, ist schon erstaunlich. Aber wie gesagt, die Deutschen leben es vor. Und in Russland und der Ukraine steht man wieder kurz davor. Was soll man dazu noch sagen?
Aha, das ist ja tatsächlich ein Drehung um 180 Grad, was die Sache nun aber auch nicht gerade besser macht. Verbrechen oder Handlungen, die zu bis zu 1,5 Millionen Toten einer bestimmten Volksgruppe führen, nicht als Genozid zu bezeichnen, fällt mir ehrlich gesagt schwer.
"Wäre auch nur einer von ihnen kaltblütig, außerhalb eines Kampfes, gegen die Regeln der Genfer Konvention, aber auch gegen die Grundregeln der Menschlichkeit getötet worden, wäre das ein Massaker. Diese Logik taugt jedoch nur für Pazifisten, nicht aber für die kriegerisch-militärische Maschinerie der NATO. Denn für sie und ihre medialen Helfer, die globalen TV-Sender, zählt ein Zivilist nicht, selbst zehn sind noch zu wenig - und so bot das Spiel mit den großen Zahlen den Grund für das Einschreiten." (Quelle: Theater der Zeit, Mai 2004, H. Nr. 5)
Und auch in der Ukraine teilen sich die USA und Russland das Territorium auf. Bloß, wo bleiben auch da wiederum die Bürger?
jetzt ist die verwirrung vollends komplett. werter herr ransmeier, nicht die armenier haben völkermord begangen, sondern die türken. über 1 million armenier sollen verschiedensten, auch deutschen quellen nach grausamst getötet worden sein durch türken. leider haben auch viele deutsche offiziere und soldaten als bündnispartner der türkei vor ort eher weggeschaut, aber einige haben zumindest berichtet.
ich gegrüße jede theateraufführung dazu deshalb besonders auch in deutschland.
Die Mehrheit der Historiker ist sich weltweit einig, dass der Völkermord an den Armeniern ein planmäßiger,systematischer Völkermord war. Staaten wie Schweden, Frankreich, Russland, Kanada, Schweiz, Niederlande, Argentinien z. B. und deren Historiker haben dies sogar politisch für sich mehrheitlich so eingeordnet. Deshalb schäme ich mich als Türke für die Leugnung diese Völkermords durch die meisten Historiker und Politiker meines Staates.
Und nicht wie hitler zur rechtfertigung der vernichtung der juden ausgerufen hat: “Wer spricht heute noch von den Armeniern?” - stehen wir vor herrn nix, wir sagen, herr konsul: erkennen sie jetzt den genozid an, nach 100 jahren leugnung ist das ihre chance!
"Der Historiker Prof. Rudolf Grulich spricht in einem Interview mit KIRCHE IN NOT über den Beginn des Völkermords an den Armeniern vor 97 Jahren und über die Gegenwart des armenischen Christentums in der Türkei."
Uebrigens wuerde ich es sehr begruessen, wenn nach kosovo und krim auch westarmenien wieder zum mutterland zurueckkehrt.
So einfach ist es nicht. Der Europäische Gerichtshof etwa hat letztes Jahr festgestellt, dass das Leugnen des Armenischen Genozids - ausdrücklich im Unterschied zum Leugnen des Holocausts - durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist, weil dieser Genozid tatsächlich umstritten ist. Einige Staaten stellen das Leugnen unter Strafe, die meisten aber nicht. Warum ist diese Unterscheidung wichtig? Jeder Mensch, jede Organisation, auch die türkische Regierung darf den Genozid an den Armeniern leugnen. Es ist eine Minderheitenmeinung, aber sie hat seriöse Wissenschaftler und Argumente auf ihrer Seite. Was sie nicht darf: Presseorgane zensieren, Journalisten einsperren, Theater unter Druck setzen etc. Das tut sie leider, und genau dieser Unterschied geht in der politischen Diskussion - "viele tote Armenier" = "Genozid" = "die Türkei darf nicht leugnen" - oft verloren. Auch in der Diskussion diesem Thread.
(Lieber Ronny Goldmann, die Premiere hat stattgefunden. Eine Nachtkritik gibt es nicht. MfG, die Redaktion)
(Liebe Konstanzerin,
es gibt keine Kritik, weil unsere Möglichkeiten beschränkt sind und wir jeden Monat entscheiden, wohin wir gehen und wohin wir nicht gehen bei ca 150 Premieren im Berichtsgebiet, von denen wir ca. 50 machen können. Die Entscheidungen, welche Premieren besucht werden, fallen nach unterschiedlichen Gesichtspunkten. Konstanz wird genauso wenig wie irgendein anderes Haus in A, CH und D geschnitten, wie kommen Sie darauf?
Mit freundlichem Gruß
nikolaus merck)
Lieber Armenier,
wir haben auf die Frage beim vorigen Post geantwortet.
jnm)
Salafisten vertreiben Armenier aus Kasab
Peter Mühlbauer 27.03.2014
Türkei lässt al-Nusra-Front angeblich ungehindert die Grenze passieren
Die syrische Stadt Kasab ist ein Überrest des mittelalterlichen Königreiches Kleinarmenien. Bis letzte Woche war die Kleinstadt ein Anlaufpunkt für armenische Flüchtlinge aus Aleppo, ar-Raqqa und anderen Gegenden, aus denen radikale Sunniten Angehörige religiöser Minderheiten vertrieben. Nun mussten die Bewohner der Stadt selbst in die Hafenstadt Latakia fliehen[1]. Grund dafür war die salafistische al-Nusra-Front, die die bis dahin fast ausschließlich christliche Stadt und mehrere armenische Dörfer in ihrer Umgebung am letzten Wochenende mit Mörserattacken verwüstete und eroberte.
Die wenigen Verbleibenden, die zu alt oder zu krank waren, um zu fliehen, wurden von den Salafisten als Geiseln genommen. Alte Leute folterte man angeblich, damit sie verraten, wo Schmuck und ihre Wertgegenstände versteckt sind. Augenzeugen berichten außerdem, dass die Angreifer die nur wenige Kilometer entfernte Grenze ungehindert überschreiten konnten und das einige unter ihnen kein Arabisch, sondern Türkisch sprachen.
Die syrische Regierung legte deshalb beim UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon offiziell Beschwerde[2] ein. Und armenische Verbände in den USA[3] und in Europa[4] appellierten an Barack Obama, den US-Kongress und die EU-Kommission, Druck auf die türkische Regierung auszuüben, damit diese die Dschihadisten nicht länger passiv unterstützt.
In ihren Bittschriften erinnern[5] sie an die Deportationen und Massenmorde an Armeniern im Ersten Weltkrieg[6]. Damals wurden auch zahlreiche Bewohner Kasabs in die Wüstenstadt Deir ez-Zor[7] und nach Jordanien verschleppt. Nachdem Kasab durch den Vertrag von Sèvres französisches Mandatsgebiet wurde, konnten sie zurückkehren. Als Frankreich den Sandschak von Alexandrette, zu dem Kasab damals gehörte, 1938 an die Türkei abtrat, fürchteten die Armenier, erneut vertrieben zu werden und erreichten vor der Rückgabe eine Ausgliederung ihrer Heimat.
Kasab. Foto[1]: Kevorkmail[2] at en.wikipedia[3]. Lizenz: CC BY-SA 3.0[4]:
Die Berichte über eine türkische Passivhilfe zur Vertreibung der Armenier durch die al-Nusra-Front werfen auch neue Fragen zum Absturz einer syrischen Militärmaschine[8] auf, die am Sonntag von einer türkischen F16 beschossen wurde. Die türkischen Behörden behaupten, die Maschine wäre in den türkischen Luftraum eingedrungen und habe nicht auf warnende Funksprüche reagiert. Der Absturz des Flugzeugs erfolgte jedoch nicht über türkischem Gebiet, sondern in der Nähe von Kasab.
Anhang
Links
[1]
http://asbarez.com/121079/armenian-homes-in-kessab-looted-occupied/
[1]
https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Kessab21.jpg
[2]
http://asbarez.com/121007/reports-cite-80-dead-in-kessab-churches-desecrated/
[2]
https://en.wikipedia.org/wiki/User:Kevorkmail
[3]
http://www.todayszaman.com/news-343024-us-armenian-group-says-turkey-assisting-rebels-in-kessab.html
[3]
http://en.wikipedia.org/
[4]
http://www.panorama.am/en/politics/2014/03/27/anc-of-europe-appeal/
[4]
https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.de
[5]
http://blogs.wsj.com/middleeast/2014/03/26/latakia-offensive-stirs-dark-memories-for-armenian-syrians/
[6]
http://www.heise.de/tp/artikel/32/32433/
[7]
http://www.heise.de/tp/news/Syrische-Rebellen-fuehrten-in-Kusseir-Massenvertreibung-durch-2024171.html
[8]
http://www.heise.de/tp/artikel/41/41324/
Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/41/41350
"He, ihr Herren in den Generalkonsulaten und Lohnempfänger des türkischen Staates, die ihr bezahlt werdet als Unruhestifter: Nennt das, was passiert ist, wie ihr wollt. Sagt, dass eine halbe, eine oder zwei Millionen Menschen 1915 ihre Heimat verließen, weil sie ein wenig spazieren gehen wollten, nennt es Holocaust, oder Genozid, oder Vertreibung oder Auslöschung oder einfach einen moralischen Totalausfall, nennt es wie ihr wollt, es spielt keine Rolle mehr."
"He, ihr Friedensverhinderer und Geiferer: Eure Zeit ist abgelaufen. Eure Worte sind abgenutzt. Eure Kämpfe längst verloren. Ihr wollt einen Keil zwischen uns den nachfolgenden Generationen treiben, ihr wollt, dass wir denken, lügen, verleugnen und hassen, wie ihr es tut. Diesen Gefallen können wir euch leider nicht erfüllen."