Alleinjuror Till Briegleb ändert Modus der Autorentheatertage Berlin
Experiment gegen die Amnesie
Berlin, 27. Januar 2014. Der Journalist und Kritiker Till Briegleb wird bei den Autorentheatertagen Berlin 2014, die vom 5. bis 14. Juni am Deutschen Theater stattfinden, als Alleinjuror fungieren. Auf Anregung Brieglebs hin wird in diesem Jahr auch einmalig der Modus geändert: Briegleb wird nicht aus neu eingesandten Texten auswählen, sondern unter dem Motto "Innehalten" aus allen Siegerstücken aus 20 Jahren Autorentheatertagen in Hannover, Hamburg und Berlin.
Till Briegleb führt in seiner Begründung für diese Vorgehensweise aus: "Am Ende einer mehrjährigen Tätigkeit im Auswahlgremium des Mülheimer Stücke-Festivals (…) war mein Resumee zu der ständig steigenden Produktion neuer Dramen jedenfalls ein erschöpftes: Die Vervielfältigung der Theatertexte, die seit zwanzig Jahren von Bühnen, Festivals und Universitäten massiv befördert wird, führt nicht zu mehr Vielfalt. Sie führt zu mehr Strickmustern, mehr Selbstüberschätzung, mehr Chatten mit dem Anspruch, Literatur zu sein. Die Inflation der neuen Texte führt aber vor allem dazu, dass qualitative Ansätze definitiv versiegen müssen. Denn was unter dieser massiven Autorenförderung vor allem leidet, ist die Autorenförderung."
Tief, kunstvoll, kanontauglich?
Brieglebs Vorschlag habe "allerdings nichts mit Jubiläum, Schlusspunkt oder klassischer Rückschau zu tun. Es ist einerseits ein Plädoyer gegen den zügellosen Verbrauch von Stoffen, den alle am Theater beteiligten Akteure (auch die Kritiker und Juroren natürlich) vorantreiben, als ginge es in der Kunst um Wachstumszahlen. Zum anderen verstehe ich dieses Nachlesen als ein Experiment gegen die Amnesie."
Die Frage, unter der der neue Juror antritt, lautet: "Lassen sich vielleicht ein paar Autoren rehabilitieren, die zu Unrecht von der Scheibe geflogen sind, ein paar Texte finden, die ungebrochen aktuell, tief, kunstvoll oder sogar kanontauglich sind? Und ergeben sich aus dieser Retrospektive vielleicht auch ein paar notwendige Fragen darüber, ob Theater wirklich so eventfixiert und gefräßig sein muss wie kommerziellere Kultursparten?"
Auseinandersetzung mit den Verwertungszusammenhängen
Wie in den vorigen Jahren wird die Auswahl des Alleinjurors auch bei diesen Autorentheatertagen in Form von Werkstatt-Inszenierungen und Lesungen vorgestellt. Das Deutsche Theater kündigt aber darüber hinaus an, dass sie auch intensiv diskutiert werde – "in Form einer kritischen Auseinandersetzung mit den Verwertungszusammenhängen neuer Theatertexte."
Als Alleinjuroren der Autorentheatertage am Deutschen Theater waren in den vergangenen Jahren Sigrid Löffler (2013), Tobi Müller (2012), Elke Schmitter (2011) und Michael Althen (2010) tätig.
(wb / Deutsches Theater Berlin)
Auch der Stückemarkt des Berliner Theatertreffens sieht in diesem Jahr von der Einreichung neuer Texte ab. Wünsche an einen Wettbewerb zur Autorenförderung formulierte daraufhin Frank Kroll.
Wir halten Sie auf dem Laufenden
Wir sichten täglich, was in Zeitungen, Onlinemedien, Pressemitteilungen und auf Social Media zum Theater erscheint, wählen aus, recherchieren nach und fassen zusammen. Unterstützen Sie unsere Arbeit mit Ihrem finanziellen Beitrag.
mehr meldungen
meldungen >
- 06. Mai 2024 Bochum: Sabine Reich leitet ab 2025 das Prinz-Regent-Theater
- 06. Mai 2024 Wiener Festwochen: Kritik an Rede an Europa
- 05. Mai 2024 Heidelberger Stückemarkt: Autor*innenpreis 2024 vergeben
- 04. Mai 2024 Deutsche Filmpreise für "Sterben" und Corinna Harfouch
- 04. Mai 2024 Russland: Theaterkünstlerinnen weiter in Untersuchungshaft
- 03. Mai 2024 12. Festival Politik im Freien Theater läuft 2025 in Leipzig
- 03. Mai 2024 Kleist-Preis 2024 für Sasha Marianna Salzmann
- 03. Mai 2024 Wiener Theatermacher Karl Schuster gestorben
neueste kommentare >
-
Wasserschäden durch Brandschutz Nachfrage
-
Kolumne Grand Guignol Wer soll das sehen?
-
Heidelberger Stückemarkt Halbwürdigung
-
Wasserschäden durch Brandschutz Sehr kurze Antwort
-
Kolumne Hussein Glaub-Würdigung
-
Heidelberger Stückemarkt Halbiert
-
Kolumne Hussein Ein klarer Geist
-
Leser*innenkritik Hamlet, Hamburg
-
Heidelberger Stückemarkt Geschichte wiederholt sich
-
Wasserschäden durch Brandschutz Völliges Rätsel
nachtkritikcharts
dertheaterpodcast
nachtkritikvorschau
Autoren und Autorinnen nun die 40iger Marke überschritten haben.
Einige wohl schon weit. Ist das erlaubt am DT?
Und wie geht man dort damit um?