Eine Odyssee - Volksbühne Berlin
Unter Würstchen
La forza del destino - Deutsche Oper Berlin
Indigniert Euch!
von Janis El-Bira
Berlin, 8. September 2019. Es gibt ja selten Anlass, grundsätzlich zu werden – diesmal aber schon. Der Auslöser hierfür ereignete sich exakt zwischen dem dritten und vierten Akt eines bis dahin mäßig aufregenden Frank-Castorf-Debüts an der Deutschen Oper Berlin, das aller Voraussicht nach zugleich sein Abschied von derselben gewesen sein dürfte. Denn kurz bevor der Plot von Giuseppe Verdis "La forza del destino" zur letzten seiner stets abstrusen Wendungen ansetzen sollte, hatte ein großer Teil des Premierenpublikums die Nase offenkundig gestrichen voll. "Musik, bitte!", rüpelte es aus einer der hinteren Reihen. Das sorgte für einen wahnwitzigen Dammbruch, der in die umfangreichen Annalen der Berliner Opernskandale eingehen dürfte: Minutenlang schien der alte Kasten an der Bismarckstraße am Rande einer Saalschlacht. Sänger wurden auf offener Bühne beschimpft und der Vorstellungsabbruch gefordert. Erwachsene Menschen brüllten einander potenziell Justiziables entgegen, und ein einzelner Rufer forderte direkt den Rücktritt des Intendanten Dietmar Schwarz. Staunend erlebte man die Verlagerung der Internet-Trollerei ins anonymisierende Dunkel eines Opernhauses.
Ausweitung der Kampfzone - Deutsches Theater Berlin
Tristesse ironique
von Michael Wolf
Berlin, 8. September 2019. Unlängst erschien in Frankreich der Spielfilm "Thalasso", in dem Gerard Depardieu und Michel Houellebecq in einem Wellnesshotel aufeinandertreffen. Sie spielen sich selbst, oder zumindest tragen die von ihnen verkörperten Figuren ihre Namen. Wie viel Houellebecq tatsächlich in seiner Figur steckt, das ist eigentliches Thema des Films. Der französische Autor ist ein Meister der Selbstinszenierung, das Spiel mit seiner Persönlichkeit lässt sich als integraler Bestandteil seines Werks bezeichnen. Hier setzt Ivan Panteleev in der Kammer des Deutschen Theaters mit "Ausweitung der Kampfzone" an. Er adaptiert nicht nur den Roman, sondern kommentiert zugleich das politische Weltbild des Autors.
Baal - Berliner Ensemble
Fühl, Baal!
von Elena Philipp
Berlin, 6. September 2019. Da steht der Unhold. Après le déluge, nach der Sintflut, wie es bei seinem Autor heißt: Baal hat eben die Geliebte seines Schützlings Johannes entjungfert. Auf deren Frage, "hast du mich lieb?", antwortet er erbarmungslos entnervt, er habe es (oder vielmehr: sie) satt. Denn noch schwelgt Brechts amoralischer Wüstling mit den lyrischen Empfindungen hemmungslos in weißen Leibern. Von bürgerlichen Sittenvorstellungen lässt er sich zu brutalen Transgressionen anstacheln. Hässlich und brutal, wirkt er unwiderstehlich anziehend. Stefanie Reinsperger ist dieser Baal und steht nun also da. Beobachtet, wie Johannes von seiner ruinierten Johanna Abschied nimmt: Judith Engel, in Ersan Mondtags "Baal" ebenso crossgender besetzt wie Reinsperger und Kate Strong als Eckart, berührt – bleich, schmal und verzehrt – Emma Lotta Wegners Gesicht. Und Baal, der böse Baal, der asoziale, weint. Flennt, haltlos sentimental! Wie kann das sein?
Regie: Michael Laub / Remote Control Productions
Regie: András Dömötör, Peter Kastenmüller, Clara Weyde
Regie: Julia Lwowski
Regie: Elizabeth LeCompte
Regie: Árpád Schilling
Regie: Oliver Frljić
Regie: Lars-Ole Walburg
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