Kudlich - Marco Štorman besorgt die Uraufführung von Thomas Köcks anachronistischer Puppenschlacht am Schauspielhaus Wien
Rebell Duckface
von Theresa Luise Gindlstrasser
Wien, 25. November 2016. "Ach Kudlich", sagen sie am Ende. Sie. Also wir. Weil wir, das Publikum, wir bekommen Pappschilder in die Hände gedrückt. Wir sind aber auch sie. Also ein historisches Publikum, das sich mit dem Ende der Erbuntertänigkeit zufrieden gibt, die gleichzeitige Fesselung in das durch die Raiffeisenbank entstehende Kreditwesen gar nicht recht bedenken will. "Ach Kudlich", sagen die und nehmen den Politiker Hans Kudlich somit sowas von nicht ernst. Er, der "Bauernbefreier", der 1848 im österreichischen Reichstag den Antrag auf Aufhebung der bäuerlichen Untertänigkeitsverhältnisse gestellt hat, er ist in der Inszenierung von Marco Štorman immer schon eine lächerliche Gestalt.
Medea - Am Wiener Volkstheater unter der Regie von Anna Badora bezaubert Stefanie Reinsperger als Kindsmörderin in Kriegsstiefeln
Meine Tänze passen nicht in deine Glitzerstöckelschuhe
von Eva Biringer
Wien, 20. November 2016. Es ist ein Trauerspiel. Medea, die Fremde, soll Walzer tanzen, in absurd hohen Glitzerstöckelschuhen und einem Lilifee-Rock, der ständig im Weg ist. Eine Demütigung auch, weil sie unter Beobachtung jener Frau steht, die ihr den Mann ausspannt. Wie Medea, die Nicht-Entfremdete tanzt, haben wir bereits gesehen. Unter einem roten Schleier, Symbol einer lange zurückliegenden Bluttat, zuckt sie über die Bühne, prügelt die Erde, stößt Urschreie aus. Ein archaisches Bild, ähnlich den rasenden Tänzern in Pina Bauschs "Sacre du printemps". Für diese Art Ausdruckstanz ist kein Platz in der Fremde, weil er die Praktizierende als eben genau das kennzeichnet: fremd.
Romeo und Julia - Lily Sykes mischt Shakespeares Familienfehde in Graz mit seinem Sommernachtstraum
Shakespeare as Shakespeare can
von Reinhard Kriechbaum
Graz, 18. November 2016. Kaum hat das freundliche Mädchen im roten Plisseerock den Prolog gesprochen, ändert es den Gesichtsausdruck. Fast wutentbrannt rammt die junge Dame (ziemlich genau im Alter, wie Shakespeare Julia festschreibt) Blume um Blume in den Boden. Es sind Mohnblumen und nicht Rosen. Das Mädchen ist eher nicht Amor, sondern ein getarnter Psychopompos. Eine neugierige Beobachterin der Handlung, die dann Mercutio, Tybalt, Graf Paris und schließlich die beiden Hauptfiguren durch eine Tür ganz hinten ins Jenseits führen wird.
Die Verdammten - Elmar Goerden und Ulf Stengl suchen am Wiener Theater in der Josefstadt mit Luchino Viscontis Film die größtmögliche Eskalation
Hui, ein Sodom und Gomorra
von Theresa Luise Gindlstrasser
Wien, 10. November 2016. "Heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt", singen die jungen Mädchen Thilde und Erika, dirigiert von Hauptsturmführer Wolf von Aschenbach. Die Inszenierung "Die Verdammten" am Theater in der Josefstadt versucht sich am in sich geschlossenen historischen Drama. Dabei kommt die Vorlage zum Abend, der gleichnamige Film von Luchino Visconti, ohne homophobe Hetze oder antisemitische Witzchen aus. Dabei verfällt der Film aufgrund seiner artifiziellen Opulenz nicht in den Versuch, geschichtlich zu sein. Die Bühnenfassung von Ulf Stengl in der Regie von Elmar Goerden gönnt sich keinen solchen kunstvollen Zugriff auf nationalsozialistische Geschichte. Sondern scheint diese vordergründig ernsthaft erzählen, also ohne deutlich gemachten Zugriff ausbreiten zu wollen.
Immersion. Wir verschwinden. - Das eben Nestroy-gekürte Aktionstheater Ensemble aus Wien widmet sich in Salzburg den Grands Guignols eines nicht bewältigten Alltags
Der große Haufen Frust
von Reinhard Kriechbaum
Salzburg, 10. November 2016. "Zuerst verarschen wir uns selbst", versichert Regisseur Martin Gruber, Gründer und Leiter des Aktionstheater Ensemble (Wien). Dieser Tage erst haben er und seine Truppe den Nestroy-Preis für die beste Off-Theater-Produktion ("Kein Stück über Syrien") entgegengenommen. "Schnelle Eingreiftruppe", schrieb die Nestroy-Jury, "was unter den Nägeln brennt, gehört auf die Bühne". Doch nichts läge Martin Gruber ferner, als sich und die Seinen als moralische Besserwisser, als Straßenverkäufer für fein gewebtes Gutmenschentum auf die Bühne zu schicken.
Regie: Florentina Holzinger, Vincent Riebeek et. al.
Regie: Clemens Bechtel
Regie: Oliver Frljić
Regie: Árpád Schilling
Regie: Tomas Schweigen
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