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Streit um Brecht–Uraufführung
Finnische Konterbande
5. September 2008. Wie der Österreichische Rundfunks ORF auf seiner website meldet, gibt es Streit um die für den 11. September 2008 angekündigte Uraufführung des nachgelassenenen Brecht-Stückes Die Judith von Shimoda im Wiener Theater in der Josefstadt. "Wer hat denn da geschlafen?", überschreibt Claus Peymanns Berliner Ensemble eine Stellungnahme: Da werde pompös die Sensation einer Brecht-Uraufführung gefeiert, die gar keine sei.
Denn: Brechts "Die Judith von Shimoda" sei bereits am 20. Dezember 1997 im Berliner Ensemble unter der Regie von Jörg Aufenanger und Judith Kuckart uraufgeführt worden, und zwar als Koproduktion mit dem Teatro Vascello in Rom, wo es dann ebenfalls zu sehen war.
Ungeachtet dessen kündigt das Theater in der Josefstadt jedoch nun ebenfalls die Uraufführung des Stücks in der Regie von Heribert Sasse an, dem ehemaligen Generalintendanten der Staatlichen Schauspielbühnen Berlin, in der Mavie Hörbiger die Hauptrolle spielt. 1997 seien in Berlin nur fünf von elf geplanten Szenen aufgeführt worden, die sich in Brechts Nachlass gefunden hatten, entgegnet man der Josefstadt.
Die von dem Literaturwissenschaftler Hans Peter Neureuter rekonstruierte Spielfassung, die nun in Wien zur Aufführung käme, gehe dagegen auf die finnische Fassung des Stückes zurück, die im Nachlass von Brechts Co-Autorin Hella Wuolijoki enthalten gewesen sei. "Diese im Suhrkamp Verlag 2006 erschienene Fassung kommt am 11. September 2008 im Theater in der Josefstadt zur Uraufführung", so eine Stellungnahme des Theaters.
Zum Hintergrund der Auseinandersetzung schreibt der Kölner Stadt-Anzeiger heute auf seiner website mit Bezug auf dpa: Bei der Wiener "Judith von Shimoda" handele es sich in der Tat um eine andere Fassung als in Berlin, doch die Entstehungsgeschichte des Stückes um die entehrte Geisha Okichi sei kompliziert: "Brecht hatte sich 1940 im finnischen Exil gemeinsam mit der finnischen Schriftstellerin Hella Wuolijoki mit der Geschichte um die japanische Volksheldin Okichi beschäftigt. Sie wollten nach Texten des Japaners Yuzo Yamamoto gemeinsam eine Fassung für die europäischen Bühnen schaffen. Im Nachlass Brechts waren mit fünf von elf geplanten Szenen jedoch bisher nur Fragmente des Stückes erhalten – diese inszenierte das Berliner Ensemble 1997."
Hans Peter Neureuter sei 2004 bei Nachforschungen im Haus der finnischen Schriftstellerin auf ein Manuskript des kompletten Stückes in finnischer Sprache gestoßen. Dieses habe er übersetzt und mit Hilfe der deutschen Fragmente eine komplette Geschichte mit Rahmenhandlung rekonstruiert. Wer von den beiden Dramatikern nun genau was zu dem Werk beigetragen habe, sei indes schwierig zu rekonstruieren. Der Titel der finnischen Version laute Neureuter zufolge übersetzt: "Okichi. Die japanische Judith. Ein Schauspiel von Yamamoto Yuzo. Westliche Bearbeitung mit Vorspielen von Hella Wuolijki und Bertolt Brecht."
(sle/jnm)
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