Der Kulturinfarkt - vier Kulturpolitiker wollen die Kulturlandschaft umkrempeln
Mit dem unbeugsamen Willen zum Erfolg
von Nikolaus Merck
20. März 2012. Von Zeit zu Zeit liest man den Spiegel gern, erfährt man daraus den neuesten Klatsch des Landes doch. Wenn es darum geht, mal wieder einer vermeintlich heiligen deutschen Kuh in den Hintern zu treten, sind die journalistischen Krawallmacher aus Hamburg jedenfalls vorne dran. So war es vor sechs Jahren bei der sogenannten Ekeltheaterdebatte, als ein rechter Tor auf die Reise zu den Pisse-Blut-und-Sperma-Sümpfen auf deutschen Stadttheaterbühnen geschickt wurde. Und so ist es jetzt wieder, da vier arrivierte Kulturmanager und –berater das dringende Bedürfnis verspürten, mal ordentlich ins eigene Nest zu kleckern. Der Spiegel bläst in die Posaune: Die Hälfte der Theater, Museen, Bibliotheken muss weg! Und schon schlagen Radio, überregionale Presse, Fernsehen und Internet aufgeregt mit den Flügeln (hier die ausführliche Presseschau). Schönes Spiel. Jedenfalls wissen wir jetzt wieder, wer die Macht hat, Themen zu setzen. Bloß, ging es wirklich darum, die Hälfte der Kunstinstitute hierzulande (und in Österreich und der Schweiz) kurzerhand ersatzlos zuzusperren?
Die schönen Tage der "Kultur für alle" seien vorbei, sagen Pius Knüsel, Direktor der Stiftung Pro Helvetia, Stephan Opitz, Leiter des Referats für kulturelle Grundsatzfragen im Kieler Bildungs- und Kulturministerium, Dieter Haselbach, Professor für Soziologie in Marburg, und Armin Klein, Professor für Kulturmanagement in Ludwigsburg, in ihrem Buch "Der Kulturinfarkt". Es gebe "von allem zu viel und überall das Gleiche", in Zeiten, in denen sich die Schulden auf zwölfstellige Zahlen summieren, könnten Staat und Städte das bisherige Kunst- und Kulturangebot schlicht nicht mehr bezahlen. Und "für alle" sei das Angebot ja eh nie gewesen, sondern nur für Gebildete und andere Kulturbürger, denn gefördert werde immer nur Hochkultur, deren Konsumtion dem Bürger Distinktionsgewinn verspreche, während der "Normalo zwischen 30 und 60, erwerbstätig mit Familie" lieber Popkonzerte oder Sommerfestivals besuche.
Die ominöse Hälfte
Fürderhin gehe es um "Rückbau", um Verknappung des überreichlichen Angebots. Wie viel wovon allerdings erhalten werden solle, sei eine politische Entscheidung, mithin das Ergebnis öffentlicher Willensbildung. Und da kommt die ominöse "Hälfte" ins Spiel.
Denn die vier Verfasser fänden es nicht wirklich schlimm, würde man jede zweite Kulturinstitution zusperren. Geschätzte 2 Milliarden von 9,6 Milliarden Euro im Jahr ließen sich (in Deutschland) so einsparen und gezielt in die Förderung von Spitzeninstituten, Laienkultur, kulturelle Bildung umleiten sowie in den Aufbau einer Kulturindustrie investieren, die, um "Inhalte für die vielen" bereitzustellen, sich unverzüglich an "Herstellung und Vertrieb von ästhetischen Erlebnissen in Warenform mit dem unbeugsamen Willen zum Erfolg" machte.
Ob allerdings die stärkere Förderung von Volkstanzgruppen und Musikschulen oder die Subventionierung der Entwicklung von Computerspielen, wie es die Autoren vorschlagen, die Streichung jeder zweiten Bibliothek und die Halbierung der Museums- und Theaterlandschaft aufwiegen und das kulturelle Angebot dadurch demokratischer, massentauglicher und zukunftsfähiger gestaltet würde, ist doch mehr als zweifelhaft.
Das freie Spiel der Kräfte
"Unbeugsam" scheint vor allem der Glaube der Autoren an die Heilungskräfte des Marktes und den Primat der Ökonomie. "Die Kritiker des Marktes haben seit der Bankenkrise Oberwasser. Das ändert nichts daran, dass es zum freien Spiel der Kräfte keine Alternative gibt", auch nicht im Kulturbereich, sagen die Verfasser, die es eigentlich besser wissen müssten, da sie einer wie der andere in Kulturförderung und Kulturberatung heftig verwickelt sind.
Schon die Behauptung, es fehle einfach das Geld, um die Kulturlandschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz in vollem Umfang zu erhalten und sogar auszubauen, hat nach den 100 Milliarden Euro, die alleine für die Rettung der Hypo Real Estate-Bank im Nu aufgebracht werden konnten, jede Plausibilität verloren. Entscheidend sind der politische Wille und die politische Prioritätensetzung. Und da mag es sein, dass es für Kulturpolitiker wie den Pro Helvetia-Chef Pius Knüsel oder den Kieler Kulturplaner Stephan Opitz einfacher ist, ein ausgeprägtes Stockholm Syndrom zu entwickeln und sich mit den aggressiven neoliberalen Marktfanatikern zu identifizieren, als gegen sie politische Mehrheiten zu organisieren.
Der Kampf um Verteilung
Trotzdem bleibt natürlich die Beobachtung der glorreichen Vier richtig, dass es wohl wenig Sinn hat, Museen und Bibliotheken zu erhalten ohne Anschaffungsetats oder Theater, in denen die Schauspielsparte und das Ballett dicht gemacht werden, um Orchester und Bühnentechnik nach gesetzlichem Tarif bezahlen zu können.
Allerdings handelt es sich hier eher um einen Schnappschuss als um die treffende Beschreibung des Status Quo. Denn längst werden ja alle Institutionen auf den Prüfstand gestellt. Längst hat etwa die Diskussion darüber, was von der ostdeutschen Theaterlandschaft erhaltenswert sei, auch auf den Westen übergegriffen. Überall werden Sparten oder ganze Häuser zur Disposition gestellt.
Dabei ist die gegenwärtige Finanzierungskrise der Kulturinstitutionen jedoch nicht der Ausdruck von fehlender Akzeptanz beim Publikum. Und genauso wenig handelt es sich um einen naturwüchsigen Prozess, weil das Geld fehlte wegen "Griechenland und Spanien". Vielmehr ist die Krise Symptom einer in jeder Generation wenigstens einmal geführten Auseinandersetzung darüber, was sich Gesellschaft und Staat an kultureller Ausstattung leisten wollen. Das ahnen auch die Verfasser, wenn sie schreiben: "Es geht wie bei jedem Verteilungskampf um gesellschaftliche Ressourcen."
Aus dem Anfängerhandbuch
Doch bleibt es bei der Ahnung. Denn weitgehend kenntnislos zeigen sich die vier, wenn es ums Detail geht. Beispielsweise hätte es den Herren vielleicht die Sprache von der "Förderungscouch" auf der es sich die Geförderten "bequem" machten, verschlagen, wenn sie einen Blick in den Report Darstellende Künste geworfen hätten, in dem 2010 die miserable soziale Lage von Schauspielern und Tänzern aufgezeichnet wurde.
Auch die für den Theaterbereich vorgeschlagene Abschaffung des Ensembletheaters und der Erhalt nur mehr weniger "repräsentativer großer Bühnen", um "die Tradition des Sprechtheaters" fortzusetzen, die nebenbei aber noch die Aufgabe hätten, Autoren zu fördern und sich um die Theaterliteratur zu bekümmern, klingt eher wie ein Ratschlag aus dem Anfängerhandbuch von McKinsey als nach durchdachten oder wenigstens kohärenten Vorschlägen. Weder nennen die Verfasser die Akteure, die diese Ideen durchsetzen könnten, noch scheint es ihnen aufgefallen zu sein, dass sie im Falle der von privaten Unternehmen verlegten Dramenliteratur ihren sonst hoch gehaltenen ordo-liberalen Grundsatz, der Staat soll sich mit Subventionen nicht einmischen, wo der Markt das Gewünschte hervorbringen kann, flagrant verletzen.
In stalinistischer Sachlichkeit
Neben den Leuchttürmen soll ein "europaweit vernetztes Koproduktionssystem", entstehen, vielleicht so wie es Repräsentanten der Freien Szene wie Matthias von Hartz fordern – vielleicht aber auch nicht. Denn detailliert sind die Vorschläge, mit denen die Opitz, Haselmann, Knüsel und Klein den "Patienten" heilen wollen, nicht ausgefallen. Dafür kommen sie in einem Ton daher, der einen schaudern macht. So schreiben sie den überlebenden großen Institutionen, die sie sich wohl als eine Art Theaterkombinat vorstellen, eine "steuernde Verantwortung für Nachwuchs an Tänzern und Schauspielern, Autoren, Choreografen" zu, denn nur so "lässt sich die Überproduktion an Rohstoff begrenzen". Spätestens hier ist man dem zwischen stalinistischer Sachlichkeit und ökonomistischer Besserwisserei changierenden Ton überdrüssig geworden.
Wenn man dann fast am Ende des Buches noch auf den Satz stößt: "Die Erweiterungsflügel aller Museen brauchen nur noch virtuell gebaut werden", fragt man sich, ob die vier Herren nicht vielleicht doch in untergeordneten Planungsabteilungen von Google besser aufgehoben wären und klappt das Buch entnervt zu.
Dieter Haselbach, Armin Klein, Pius Knüsel, Stephan Opitz:
Der Kulturinfarkt. Von allem zu viel und überall das Gleiche.
Albrecht Knaus Verlag, München 2012, 287 Seiten,
19,99 Euro, e-book 15,99 Euro.
Alle Stimmen, Erwiderungen, Reaktionen auf das Buch finden Sie hier.
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schade, dabei wollte ich dies Buch doch noch diese Woche als Geburtstaggeschenk weiter reichen. Doch irgendwie hält mich ihre Kritik davon ab, die jedoch im Ton auch verrät, dass sie am liebsten nichts von den Autoren übrig ließen, was einen eher skeptisch ihnen gegenüber stimmt.
In einem liegen sie dann aber doch völlig falsch, denn die 100 Milliarden für die eine oder andere Bank sind wohl nicht aus den selben Töpfen gespeist worden, wie die Finanzierung und/oder Subventionierung vieler Theater, denn sonst wären diese Summe nie zustande gekommen. Da wünschte man sich als auch ein wenig mehr Differenzierung.
sie sind wohl mit ihrer Argumentation anscheinend ganz unten angekommen und hoffen, dass man sich für ihre Ansinnen zum dummen Schaf macht und ihren höchstpersönlichen Fragen nachhängt.
Nein, tu ich nicht. Eine Berlusconi Debatte dürfen sie gerne mit sich selber führen. Sie werden wahrscheinlich sehr viel Konsens ernten, sogar bei mir. Das sollte ihnen zu denken geben.
Von wegen "höchstpersönliche Fragen"!
verstecken sie sich doch nicht hinter Frau Mnouchkine. Sagen sie uns doch einfach etwas über Berlusconi, dass wir nicht schon wissen und stellen einen Zusammenhang zu dieser Debatte her, von dem wir uns nicht schon längst denken, dass sie ihn sehen.
Wenn es zur Lösung des Konfliktes beiträgt? Warum nicht?!
Trotzdem teile ich einige Ansätze des Buches:
- Die deutsche Theaterlandschaft ist tatsächlich unglaublich gleichförmig, außer der künstlerischen Qualität gibt es sehr wenige Unterschiede in der Art und Weise, wie in deutschen Theatern Kunst entsteht. Die in den letzten 20 Jahren in anderen europäischen Ländern entwickelten Produktionsarten (Künstler an ein Haus binden, nicht nur ein Ensemble; Projektarbeit; internationale Kooperationen; Serienspielen) finden in Deutschland nur an einigen wenigen Häusern statt, die relativ wenig Geld haben. Ich plädiere nicht für die Abschaffung der Stadttheater, aber eine größere Diversität täte der Theaterlandschaft gut.
- Gerade der Report Darstellende Künste zeigt doch, dass strukturell etwas nicht stimmt: Wenn nämlich bei 8 Mrd € Zuschüsse in Kunst und Kultur pro Jahr ein Großteil der ausführenden Künstler mit Hungerlöhnen auskommen müssen. Da würde ich mir, gerade auch von den Kulturschaffenden selbst, eine größere Bereitschaft zum Infragestellen von Strukturen wünschen. Nicht, um Geld zu sparen, sondern um Kunst unter guten Bedingungen zu ermöglichen.
Leider wird das Buch durch seine sehr polemische Art wahrscheinlich nicht dazu beitragen, hierüber zu diskutieren.
Die ausdrückliche Bezugnahme der Besetzer auf die deutsche Theatersituation (die staatliche Förderung) muss zu denken geben - ginge es nach den Verfassern der in Rede stehenden neoliberalen Kampfschrift, sollen hierzulande die Zustände einreißen, gegen die in Rom gekämpft wird - und sie sind ja auch schon eingerissen, was die Verfasser des Pamphlets allerdings weniger zu schrecken als vielmehr zu ermutigen scheint.
„Lass fallen, was fällt, gib ihm noch einen Tritt!“ (Brecht)
Ich war unter Arno Wüstenhöfer Oberspielleiter in Bremen - wie stolz war 'Sir Arno' auf das neue, 1966 von ihm eröffnete Wuppertaler Schauspiel - Eröffnungspremière: DIE WUPPER von Else Lasker-Schüler. Und jetzt?
Im Übrigen gibt es keine „Töpfe“, es gibt nur Taschen - unsere.
Darüber hinaus sehe ich die öffentliche Verarmung nicht so wie sie. Und ich bin auch nicht so sehr an der italienischen Situation interessiert, wenn es um ein deutsches Buch geht, was besprochen werden soll. Hierzu Lande fließen aus privaten Gewinnen immer noch erhebliche Teile in die öffentlichen Kassen, dass es dabei den Städten und Komunen immer schlechter geht, ist auch mir nicht entgangen und wurde hier schon ausführlich in anderen Threads besprochen. - Diese verarmten öffentlichen Kassen sind doch immer noch zu Erstaunlichem in der Lage, wenn es um Banken geht.
Aber bevor ich in ähnliches Schwadronieren gerate wie sie und in althergebrachten verbrauchten Ton von Töpfen und Taschen, den eigenen fasel, bitte ich sie doch lieber weiterhin sich zu sensibilisieren und eine differenzierte Debatte zu diesem Buch anzuschieben, bei der sie sich bitte nicht meiner oder anderer Personen bedienen, die ihnen als dummer August für die Überhöhung ihrer eigenen Person genügen sollen.
Die Ausplünderung der öffentlichen Hand ist ebenfalls keine Frage des Blickwinkels, sondern eine Tatsache. Nimmt man die „Schuldenbremse“ hinzu, sieht man, dass die Politik ihren fiskalischen Spielraum planmäßig immer stärker einschränkt: Auf der einen Seite Steuersenkungen- und vorteile für die Vermögenden, auf der anderen Seite Sparprogramme für die Vielen - und das bei ständig steigenden Sozialausgaben in den Bundesländern, Ausgaben deren Anstieg sich u.a. dem irrsinnigen Axiom verdankt, dass der Steuerzahler für die gewinnbringenden Personalreduktionen von Unternehmen zu zahlen habe, oder, wie im Falle Schlecker, für deren Scheitern. Untersucht man die Strukturen des Steueraufkommens zeigt sich, dass die unteren drei Einkommensgruppen 56,57% des gesamten Steuervolumens leisten, die oberen drei Einkommensgruppen jedoch nur 36,2%. Die obersten 10% der Einkommen leisten tatsächlich mit 24,43% nur ein knappes Viertel an den Steuereinnahmen des Staates. Das ist weniger als die zwei niedrigsten Einkommensgruppen mit 30,57% leisten. Da hat sich schon Herr Sloterdijk vertan, als er behauptete, die Reichen finanzierten (über die Einkommensteuer, die aber höchstens ein Drittel des Gesamtsteueraufkommens ausmacht) den Staat. Und ich rede hier gar nicht von dem, was dem Staat per Hinterziehung und Verschiebung in Steueroasen entzogen wird. Die Deutsche Bank unterhält in Georgetown auf den Cayman-Inseln mehr Niederlassungen und Zweckgesellschaften als am Konzernsitz Frankfurt am Main. Im Steuerparadies Delaware in den USA ist die Deutsche Bank an mehr Unternehmen beteiligt als in allen deutschen Städten zusammen. Insgesamt hat die Deutsche Bank mehr als die Hälfte ihrer Tochter- und Zweckgesellschaften sowie assoziierten Unternehmen in Steueroasen angesiedelt. Und diese Bank ist bei weitem nicht das einzige deutsche Unternehmen, das so verfährt. Die für die „Bankenrettung“ aufgebrachten Summen belasten über den restriktiv verwalteten Bundeshaushalt (siehe die „Schuldenbremse“) die kommunalen Haushalte, indem die vom Bund zu tragenden Anteile der kommunalen Einnahmen im Verhältnis zum gesteigerten Bruttosozialprodukt immer mehr schrumpfen lassen. Da es keine Bundeskulturpolitik gibt, müssen die Kommunalpolitiker zusehen, wie sie mit den von ihren eigenen Parteizentralen verordneten Spardiktaten zurecht kommen - und exakt da, wo Räume aller Art und in jeder Bedeutung des Wortes geöffnet werden müssten, werden sie geschlossen. Und genau in dieses Horn tuten die vier Herren. Noch ein Satz zum Begriff der Kultur, der ihrer Kampfschrift zugrunde liegt: Wenn wir von der „Kultur der Maya“ reden, reden wir nicht von ihren Theatern, Museen, Bibliotheken und Orchestern, wir reden von den Lebensformen eines Volkes. Wir sollten uns abgewöhnen, ständig Kultur und Kunst zu verwechseln - was die Herren meinen, ist ein Kunstinfarkt, nicht ein „Kulturinfarkt“. Betrachtet man die Dinge so, wird der reaktionäre Blödsinn offensichtlich.
Eine andere Frage ist es, ob die Künstler, sofern sie in den attackierten Institutionen und Gruppen die das Gesicht dieser Einrichtungen und Gruppierungen prägende Arbeit leisten, genügend widerständige Kraft entwickeln, um sich nicht in den Sog einer politischen Niedertracht ziehen zu lassen (wenn Italien nicht interessiert, dann vielleicht Holland?), welche zunehmend keinen Wert mehr auf diese Arbeit legt. Und unter „widerständiger Kraft“ verstehe ich nicht nur die Fähigkeit zum Zusammenschluss und zur vernehmlichen Opposition (wie sie jüngst der Zusammenschluss der Freien Szene in Berlin an den Tag gelegt hat), sondern auch den Willen, an ihrer Existenz als Künstler, also an dem Widerspruchsmoment zu arbeiten, das ihrer Kunst einbeschrieben ist. Dass es Menschen gibt, die sich für einen Theaterbesuch nicht interessieren, ist kein Grund zur Verzweiflung. Aber auch kein Freifahrtschein für den spektakeligen Tumult, der allenthalben in der Hoffnung veranstaltet wird, diese Menschen zu Theaterbesuchern zu machen. Die politische Position des Theaters wird so nicht gestärkt, ganz im Gegenteil, wie das kampfeslüsterne Büchlein der vier tüchtigen „Kulturmanager“ beweist. Wo, um bei unserem Métier zu bleiben, gibt es sie schon noch, die „muffigen“ Theater und Inszenierungen, gegen die hier zu Felde gezogen wird? Überall Remmidemmi, Klamauk, neoliberales Schießbudentheater, behängt mit nihilistischem Lametta. Die Freien drängen ins Stadttheater, das Stadttheater gebärdet sich, so gut es eben geht, ästhetisch wie eine Freie Gruppe, alles löst sich in einem kunterbunten Wirbel der immergleichen Stücke auf - gerechtfertigt wird dieser kopernikanische Trubel (hier danke ich Herrn Sloterdijk!) durch seine Originalitätssucht, die es als unterhaltsam ansieht, uns vier „grundverschiedene“ Vorführungen ein- und desselben Tschechow-Textes in ein- und derselben Stadt zur gleichen Zeit vorzuführen. Dieser Betrieb hat natürlich keine Zukunft. Er ist, bei aller Hektik, nur Ausdruck eines großen gesellschaftlichen Wegdämmerns, welches ihn fortschwemmt wie ein Strom entwurzelte Baumstämme, aus denen auch der Markt nie wieder einen Wald macht - allenfalls Möbel. Aber das ist ja nicht, wovor die Herren Haselbach, Klein, Knüsel, Opitz uns das Fürchten lehren wollen.
Ich habe als Maler zeit meines Lebens mit etwa 1OO Euro pro Monat, Miete abgerechnet,
auskommen müssen...
ihr Mischung aus politischen Klischees und Vorurteilen ist auf seine Art rührend. Wie sie es den Reichen nehmen und den Armen geben wollen, dies wäre schon eine Robin Hood Gedenkmedaille wert. Aber nebenbei wischen sie den aktuellen Theatermarkt mit einer arroganten Geste einfach weg und nehmen den Apparat wieder in Geiselhaft für ihre politische Bewusstseinsbildung.
Doch am Ende gerät das Geld, welches sie gerne für die "Häuser" auf solche Art herbei agumentieren wollen, weder im übertragenen Sinne noch direkt in den Taschen der Armen und Unterdrückten, denen sie so gerne politische Bildung von der Bühne aus Einflößen wollen. Die Gelder gelangen zu geringen großformatig Teilen in die Taschen einer kleinen Gruppe von Künstlern, zu denen sie auch einmal gehörten, und der Bärenanteil versickert in den Strukturen, innerhalb derer die weitaus größere Gruppe der Künstler, die auf der Bühne arbeiten nur kleine Gehälter erlangt, umringt von einem Vielfachen von Mitarbeitern, die mit ihrer Festanstellung mehr verdienen als jeder Tänzer und Schauspieler es je könnte. Ausnahmen auf beiden Seiten eingeschlossen. Aber ich will die verschiedenen sozialen Gruppen am Theater nicht gegeneinander ausspielen. Und für eine genauere Darstellung der Verhältnisse ist hier wohl nicht genügend Raum.
Hinter jedem ihrer Sätze lauert die Auffassung eines geselschaftsumwälzenden Denkens, wie sie es sich schon seit ewigen Zeiten angeeignet haben. Und wenn dann die Revolution endlich stattgefunden hat, wird alles gut?! Aber bis dahin müssen wir kämpfen?!
Diese Grundhaltung geht soweit an dem aktuellen Konflikt vorbei, dass man sie eigentlich aufgeben möchte, wenn es da nicht so Beispiele wie das Radialsystem in Berlin gäbe, um deren Geschichte sich sicherlich eine sinnvolle Debatte ranken ließe, ebenso um die Arbeit von Frau Langhoff, denn dieses Haus in Kreuzburg ist ja in seinem Bestand ebenfalls schon wieder gefährdet.
Stattdessen ziehen sie scheinbar große Bögen, um Konkretem auszuweichen. Zugleich ersticken sie sozusagen nebenbei im Handstreich eine Debatte, die an sich sinnvoll wäre und deren Überschrift ungefähr so lauten könnte: Wie löst man sinnvoll Teile aus den festgeschriebenen Finanzierungen und Subventionen von Stadt- und Staatstheatern heraus und setzt sie frei für neue Strukturen. Auch hier gilt es wiederum nicht die verschiedenen Gruppen gegeneinander auszuspielen, aber eben doch neuen Produktionsformen Raum zu stiften, auch Finanziellen.
Tja, und da wäre dann noch der Begriff "reaktionär", den sie, in alter Gepflogenheit so dahin schmeißen. Letztendlich eine Definitionsfrage. Denn begreift man reaktionär als eine Verhaltensweise, die sich neuen Entwicklungen aggressiv entgegenstellt, dann ließe sich dies Wort auch recht gut auf sie anwenden. Aber soweit geht mein Hang zu Klischees und Vorurteilen nicht.
Was ich aus diesem Thread mitnehme, ist die Erkenntnis, dass es wohl wenig Sinn macht in dieses Büchlein hineinzublättern.
Nein, eine andere Sache kann ich auch noch sagen: Das Buch (...) rauscht meilenweit an einer sinnvollen Debatte um Kürzungen im Kulturbereich vorbei. Gut verdienende Kulturpopulismusjournalisten schreiben über ihre eigene Sicht auf den Betrieb und schlagen vor, einfach die Hälfte des Ladens dicht zu machen ... tolle Idee ... wenn man das Geld hat zu einer vier Bahnstunden entfernten Theaterpremiere zu fahren oder sich ein Buch ohnehin lieber kauft als es aus der Bibliothek zu leihen.
Ich denke ja, man sollte die Shoppingbahnhöfe in Deutschland verbieten. Essen, Trinken und Zeitschriften in den Zügen selber zu einem vernünftigen Preis anbieten und auf jedem Bahnhof Kunstausstellungen, Präsenzbibliotheken und Performancebereiche ansiedeln. Abfahrtszeiten würden danach ausgesucht werden, ob man vorher lieber eine Goethe-Lesung oder ein Tschaikowsky-Konzert besuchen möchte ...
Überhaupt und ohnehin: Lieber doppelt soviel Kultur denken anstatt sie zu halbieren. Was ist denn mit dem Land der Dichter und Denker passiert? Warum nicht dazu stehen, dass man in jeder Stadt eine "Zauberflöte" inszenieren will? Warum darf das kein Markenzeichen dieses Landes sein?
Übrigens, Herr Baucks: Völlig richtige Erkenntnis.
Mir schleierhaft, wie Sie das den Mitarbeitern der Theater nahebringen wollen, die aktuell unter Einsparungsdruck stehen, z.B. den Mitarbeitern des Staatstheaters Mecklenburg-Vorpommern, deren Demonstration vor dem Rathaus in Schwerin in diesen Minuten beginnt (www.theater-schwerin-kulturschutz.de/).
Diese Menschen erleben seit Jahren, wie „Teile“ aus den keineswegs „festgeschriebenen Finanzierungen und Subventionen von Stadt- und Staatstheater herausgelöst und frei gesetzt“ werden - einzige Begründung: der Sparzwang.
Ich habe angenommen, eine „Freie Gruppe“ begründet ihre „Freiheit“ mit der Freiheit von staatlicher Bezuschussung und der ihr auf dem Fuße folgenden politischen Bevormundung. Sie erklären mir nun, dass ich einem Missverständnis unterliege, man wolle zügig an die „Teile“. Sollte dem so sein, ergibt sich die Notwendigkeit einer neuen Definition dessen, was das „Freie“ an einer „Freien Gruppe“ sein soll.
Und kommen Sie mir bitte nicht mit den meinen uralten Überzeugungen in nichts nachstehenden Klischees von den „neuen Strukturen“ und „neuen Produktionsformen“. Erstens haben diese „neuen“ Strukturen und Formen die Angewohnheit, sich rasend schnell in die „alten“ zu verwandeln und zweitens lässt ein gut finanziertes und gut geführtes Staats- oder Stadttheater alle Strukturen und Produktionsformen zu, von denen seine Kritiker gerne quengelnd delirieren, um dann, sobald die Gelegenheit da ist, sich der Gelder, der Mitarbeiter, der Werkstätten, der Ausrüstungen, der Räume und nicht zuletzt der Publikumskontingente zu bemächtigen, die dieses Theater bietet. Wie viele ehemalige künstlerische Leiter bedeutender „freier“ Gruppierungen aus dem In- und Ausland haben in den letzten Jahren den Weg in die Leitungsetagen der bundesdeutschen Staats- und Stadttheater angetreten! Haben sie das getan, weil sie sich davon eine Beschädigung ihrer künstlerischen Arbeit durch einschränkende Strukturen und veraltete Produktionsformen erhofften - Strukturen und Produktionsformen, die sie längst, und z.T. höchst erfolgreich, hinter sich gelassen hatten?
Denken sie denn tatsächlich, dass all diese Mitarbeiter nicht längst mitbekommen hätten, dass es andere Formen von Produktionen gibt? Und glauben Sie tatsächlich, die bräuchten Sie oder mich, um ihnen dies zu erklären? Wohl kaum. Wenn jemand auf dem Arbeitsmarkt einer prekären Situation entgegensteuert, ist er wahrscheinlich der Erste, der es mitbekommt. Wie schnell er darauf persönlich reagiert und wie gut seine Chancen sind, dies zu tun, hängt von vielen Faktoren ab. Sicherlich ist Solidarität von Außen bei solchen Vorgängen schön und angenehm, garantiert aber gar nichts und ersetzt nicht die eigene Reflexion der Zusammenhänge in denen man steckt.
Dem ein oder anderen wird es vielleicht ebenfalls sinnvoll erscheinen sich neuen Produktionsformen zuzuwenden. Andere klammern sich an das Alte. Dies sind zum Teil auch recht persönliche Entscheidungen. Unstrittig erscheint mir, dass vorgegebene Strukturen und Formen auf die lange Strecke auch erheblichen Einfluss auf die Inhalte und Ästhetiken hat. Aber Sie müssen diese Meinung nicht mit mir teilen.
Herr Sandig postete heute direkt aus dem Kulturausschuss Berlin, dass er während der Sitzung auf die Idee kam, es gäbe heute eigentlich keine Hoch- und Subkultur, sondern nur eine hochsubventionierte und subsubventionierte Kultur. Dieser Gedanke gefiel mir. Denn auch, wenn viele Stadt- und Staatstheater längst mit ihren Sparvorgaben am Rande stehen, heißt dies noch lange nicht, dass die Gelder auf alle Kunstschaffenden gerecht verteilt werden.
Das Sie das gute alte Stadttheater bevorzugen, mag mit ihrer beruflichen Laufbahn zusammenhängen. Aber erklären sie das mal all den Mitarbeitern, die sich in anderen Strukturen selbst ausbeuten, obwohl sie zum Teil das kulturelle Aushängeschild ihrer Stadt sind, während andere, wie Herr Beilharz in Wiesbaden ihre Theater seit Jahren am ästhetisch und inhaltlichen Abgrund hochsubventioniert vorbeisteuern, ohne eine größere Wirkung nur in ihre Stadt hinein, obwohl sie doch eigentlich Leuchtturm in einem Bundesland sein sollten.
Sie reden immerfort von der Verteilung des Kuchens. Ich rede von einer anderen Konditorei.
Sie haben offensichtlich keine Lust sich ernsthaft auseinander zu setzen und ihre pseudoallegorischen Ausführungen über Kuchen und Konditoreien langweilen mich. Dieser hochnäsige Ton der sich dahinter verbirgt, ist gut geeignet dazu wesentliche neue Entwicklungen zu verpassen. Aber ihre Versäumnisse scheinen so gravierend zu sein, dass sie sich geradezu vor neuen Erkenntnissen selber schützen müssen.
Darüberhinaus, warum sollte man sich heute nicht direkt von einer Bank finanzieren lassen? Ich hoffe, Sie erfassen die Dimension dieser Frage. Ich für meinen Teil, tauge auch nicht als Giebelschmuck für diesen Staat, wie ich feststellen musste. Denn ihr sozialdemokratisches Paradies in Bochum ist schon lange obsolet.
Die Dimension der Bankfrage - nun werde ich sie nie ermessen! Dafür Post aus Halle:
"Ein Stück aus dem Tollhaus, das da in Halle, der selbsternannten
Kulturstadt an der Saale, aufgeführt wird. Die Premiere fand vor zwei
Jahren statt, als die Rathausspitze ankündigte, wegen notwendiger
Einsparungen im Haushalt eines der derzeit noch drei Theater schließen
zu müssen. Die Wahl sei, so hieß es, aus naheliegenden Gründen auf das
Kinder- und Jugendtheater Thalia gefallen: Es ist die kleinste Bühne,
sie hat die wenigsten Mitarbeiter, den geringsten Etat und sie spielt
nicht wie das Opernhaus einen 2,5 Millionen Euro teuren "Ring" an drei
Tagen im Jahr. Sondern streitbare Stücke mit Original-Fußball-Ultras
oder Rockopern mit Hausmitteln.
Ein Proteststurm fegte durch die Stadt, die Menschen, die von ihrer
Regierung alles Mögliche erwarten und in der Regel auch alles Gebotene
sprachlos schlucken, muckten auf. Protestresolutionen wurden verfasst,
Parteien gerieten in Angst, vor der anstehenden Landtagswahl an
Zustimmung zu verlieren. Schließlich wurde die Schließung abgesagt -
mit der einzigen Bedingung, dass sich sämtliche Mitarbeiter aller drei
Bühnen bereiterklären müssten, einen Haustarifvertrag abzuschließen, in
dem sie einem Gehaltsverzicht zustimmen.
Der Vertrag kam zustande. Er gilt bis zum Jahr 2016. Aber die Uhren im
Rathaus gehen anders: Trotz bestehender Verträge hat der Aufsichtsrat
der städtischen Theatergesellschaft nun erneut die sofortige Schließung
des Thalia-Theater beschlossen. Durch absehbare Mehrausgaben aufgrund
der anstehenden Tariferhöhungen in Höhe von 300.00 Euro reichten die
vereinbarten Sparbeiträge der Mitarbeiter nicht aus, das Theater wie
vereinbart zu erhalten. Das Ensemble des Kinder- und Jugendtheaters
solle "seine Arbeit unter Nutzung der anderen Spielstätten der GmbH
bestmöglich fortführen", heißt es offiziell. Ein veränderter Spielplan
werde in den nächsten Wochen erarbeitet.
Seht ihr, Bürger, so wird das gemacht. Schon bei Abschluss des
Haustarifvertrages hatten Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass zwischen
2011 und 2016 mehrere Jahre mit automatischen Tariferhöhungen liegen.
Doch die Stadt pokerte im Wissen darum, dass die kommenden Steigerungen
bei den Gehaltszahlungen schnell zu neuen Finanzlöchern führen würden.
Die dann erneut eine Möglichkeit eröffnet, die ungeliebte Kinderbühne
zuzumachen.
Die Rechnung scheint aufzugehen. Wo letztens noch Protest laut wurde,
herrscht jetzt konsterniertes Schweigen. Es gibt keine öffentlich
wahrnehmbare Kritik, keinen Widerstand, kein lautes Hohngelächter über
die gleichzeitig mit der Schließungsankündigung verbreitete Nachricht,
dass der 70-jährige Theater-GmbH-Chef Rolf Stiska für seine
erfolgreiche Arbeit eine Vertragsverlängerung um weitere vier Jahre
erhält. Der Tod kommt in diesem Stück im zweiten Aufzug. Lautlos, als
würden die Bürger nichts anderes als solche Trickserei, solchen Verrat
von ihren gewählten Volksvertretern erwarten."
http://www.openpetition.de/petition/online/fuer-eine-lebendige-und-vielfaelt
ige-kulturlandschaft-in-halle-und-den-dauerhaften-erhalt-des-thalia
Zu den Banken etwas, dass Sie sich sicherlich selber denken könnten:
Banken, die von der öffentlichen Hand rekapitalisiert oder gesichert wurden, sind durchaus dazu geeignet öffentliche Kultureinrichtungen zu sponsorn. So würde man ein Teil der
Gelder eventuell zurückgewinnen.
Und moraliosche Skrupel kann man auch gegen staatliche Förderungen entwickeln, weil der Staat mittlerweile als Unternehmer und Finanzjongleur mitauftritt innerhalb dieser globalisierten Wirtschaft. Sehr vereinfacht und etwas verkürzt gesagt.
Aber nun schulden Sie mir eine Stellungnahme dazu, welche gemeinsame politische Grundhaltung Sie mit mir ausüben wollen.
Denn hier könnte es durchaus erhebliche Probleme geben.
Die Entwicklung in Halle ist bedauernswert, bedeutet jedoch auch weiterhin nicht, dass die knappen Gelder gerecht auf alle Kunstschaffenden verteilt werden. Und auf eine Verdoppelung aller Kulturausgaben im Bund, Ländern und Komunen zu zielen, ist eine sehr unbegründete peymannsche Hoffnung.
Und was diese „peymannsche Hoffnung“ angeht - welche Forderung sollen wir, wollen wir denn sonst erheben, wenn nicht eine erhebliche Ausweitung der Investitionen im Bereich der - es ist nicht mein Begriff - ‚kulturellen Infrastrukturen’! Schluss mit den ‚knappen Geldern’! Weg mit der ‚Schuldenbremse’, statt dessen Rückkehr zu einer gerechten Steuergesetzgebung, welche die stark gesunkenen Einnahmen des Staats erhöht! Finanztransaktionssteuer durchsetzen! Wo bleiben diese gemeinsamen Forderungen der Kunstschaffenden? Statt dessen entweder unschlüssiges Schweigen oder mehr oder weniger bissige Zankereien um den immer fleischloseren Knochen.
Sie schreiben „Die Entwicklung in Halle ist bedauernswert, bedeutet jedoch auch weiterhin nicht, dass die knappen Gelder gerecht auf alle Kunstschaffenden verteilt werden.“ Was soll das, bitte schön, heißen? Wenn das Geld, das auf Kosten der Hallenser Theaterleute eingespart werden soll, im Sinne dieser doch recht herzlos anmutenden Anmerkung anderweitig ‚gerecht’ verteilt werden würde, statt wie üblich im Nichts zu verschwinden - was wäre gewonnen? Die Arbeitsplätze wären dennoch unwiederbringlich verloren, eine produktive Bühne, noch dazu eine des Kinder- und Jugendtheaters, wäre dennoch zerstört!
Was meine - in Ihren Augen offenbar übertriebene - Solidarität mit den Staats- und Stadttheatern angeht, so liegen sie augenblicklich in der Feuerlinie aller ‚Kulturkritiker’ (siehe das Buch, über das wir hier implizit immer noch diskutieren, aber auch die zahlreichen Einlassungen in diesen Kommentarspalten) - mag sein, dass auf diese Weise eine gewisse argumentative Asymmetrie sich bildet. Andererseits sind diese Häuser - als Bedingung der Möglichkeit einer umfassenden Theaterarbeit - die komplexesten, empfindlichsten, vielschichtigsten und leistungsfähigsten Werkzeuge und daher besonders anfällig für solche Attacken. Ich habe selbst in einer freien Gruppe angefangen („Studiobühne an der Universität Hamburg“, eine Peymann-Gründung!) und bitte mir ein für alle Mal zu glauben, dass ich die Freien Gruppen sämtlich in meine Gebete einschließe!
vorsichtig solidarische Grüße
Die Arbeitsplätze?! Gibt es denn in freien Gruppen keine Arbeitsplätze?! - Aber Sie haben an sich Recht. Denn dort gibt es keine Arbeitsplätze, dort verlassen sich alle auf die Gesetze des Arbeitslosengeld II.
Nein, Herr Steckel, ich bin alles andere als herzlos. Ich sehe nur andere Menschen vor mir. Die Menschen, die ich schon als Kind immer sah, denn ich bin gegenüber von einem Zechentor aufgewachsen. Was für ein pathetischer Unsinn. Kurt Hübner sagte mal zu mir, mein Gott wieviel schlimmer pathetisch von mir ist das denn, dies soziale Netz sei einfach zu hoch aufgehangen. Würde man es etwas tiefer hängen, dort, wo man wirklich alle auffangen müsste, würde es einfach nur furios zerreißen. Da hat der alte Mann wahrscheinlich mal wieder recht behalten.
11000 Schleckerfrauen, was immer das auch sein soll, der Kai wird´s wissen, was wollen Sie jetzt mit denen machen? Für die ist Nürnberg zuständig? Ja?!
Ich will ja gar nicht, dass die alle an den Kassen der Stadttheater aufgefangen werden. Aber wo soll denn da in den letzten Jahren die Solidarität gewesen sein?! Mmh?!
Genug Zynismus. Mir reichen ein paar solcher Sätze.
Es geht um Kunst. Nicht nur Theaterkunst. Und die entsteht eben nicht mehr in Wiesbaden, oder nur sehr bedingt. Erzählen Sie mir doch mal was zu der letzten Beilharz Inszenierung "Othello"! Ich war da, bis zur Pause. Dann habe ich meine Freundin peinlich berührt in ein Speiselokal gelenkt. ES WAR NICHT ZU ERTRAGEN. Nicht einmal gut genug für eine Diskussion über Rassismus.
2012 wurde von den Vereinten Nationen zum "Jahr der Genossenschaften" erkoren. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon begründet diese Entscheidung mit der Verbindung von Wirtschaftlichkeit und sozialer Verantwortung, die die Genossenschaften der internationalen Gemeinschaft vorleben.
Im Einklang damit steht, was das "Neue Deutschland" (13.2.2012) im Hinblick auf die Reaktionen der Beschäftigten auf die von ihnen nicht zu verantwortende Schlecker-Pleite berichtet:
"Doch nicht alle Beschäftigen wollen stumm abwarten, was mit ihren Arbeitsplätzen geschieht... Vor allem in Baden-Württemberg diskutieren die Beschäftigten die Umwandlung von Schlecker in eine von den bisherigen Mitarbeitern verwaltete Genossenschaft. Schließlich kennen die Verkäuferinnen die Wünsche der Kunden gut und könnten daher für ein entsprechendes Sortiment sorgen. Damit könnten die Läden auch wieder rentabel gemacht werden. Der Stuttgarter ver.di-Vorsitzende Bernd Riexinger unterstützt solche Konzepte ausdrücklich. 'Mit Edeka gibt es schließlich in der Branche ein erfolgreiches Genossenschaftsmodell, an dem wir uns orientieren können', meinte er gegenüber 'nd'. Die Stimmung der Verkäuferinnen sei zumindest im Stuttgarter Raum kämpferisch... Der Gewerkschafter, der auch Vorstandsmitglied der Linkspartei von Baden-Württemberg ist, findet auch in seiner Partei Unterstützer für die Genossenschaftspläne. (D)er Bundestagsabgeordnete und gewerkschaftliche Sprecher der Linkspartei, Michael Schlecht, betont, dass der Vorschlag von Verkäuferinnen kommt. Mittlerweile werde das Konzept auf allen Gewerkschaftsebenen diskutiert."
Jedoch:
"Dem widerspricht Christiane Scheller von der Pressestelle von der ver.di-Hauptverwaltung. 'Die Diskussion spielt weder bei den Beschäftigten noch in der Gewerkschaft zur Zeit eine Rolle', erklärt sie gegenüber 'nd'. Der Hauptgrund sei, dass bei einem Genossenschaftsmodell die Mitarbeiterinnen Privatvermögen einbringen müssen. Das aber könne nicht das Ziel gewerkschaftlicher Politik sein."
(Fortsetzung folgt)
Marx: "Wir anerkennen die Kooperativbewegung als eine der Triebkräfte zur Umwandlung der gegenwärtigen Gesellschaft, die auf Klassengegensätzen beruht. Ihr großes Verdienst besteht darin, praktisch zu zeigen, dass das bestehende despotische und Armut hervorbringende System der Unterjochung der Arbeit unter das Kapital verdrängt werden kann durch das republikanische und segensreiche System der Assoziation von freien und gleichen Produzenten." (Forderungen der Internationalen Arbeiter-Assoziation, MEW Band 16, Berlin/DDR 1975, S. 195)
Und: "Um die arbeitenden Massen zu befreien, bedarf das Kooperativsystem der Entwicklung auf nationaler Stufenleiter und der Förderung durch nationale Mittel. Aber die Herren von Grund und Boden und die Herren vom Kapital werden ihre politischen Privilegien stets gebrauchen zur Verteidigung und zur Verewigung ihrer ökonomischen Monopole. Statt die Emanzipation der Arbeit zu fordern, werden sie fortfahren, ihr jedes mögliche Hindernis in den Weg zu legen." (Inauguraladresse der IAA, MEW Band 16, S. 5-13)
Es ist immer wieder bedauerlich, wenn auch nicht überraschend, erleben zu müssen, dass die Gewerkschaftsspitzen jede Bewegung in Richtung einer Kooperative nicht nur nicht unterstützen, sondern, in einer bizarren unio mystica mit den genannten "Herren", bremsen.
Bezeichnend ist ferner, dass in den Medien des Mainstreams weder das "Jahr der Genossenschaften" der UN Eingang in die Berichte über die Schlecker-Insolvenz findet, noch dieser - gerade fin einem solchen Jahr - absolut klassische Fall einer "Unterjochung der Arbeit unter das Kapital" zum Anlass genommen wird, genossenschaftliche Alternativen öffentlich zu erörtern: Transfergesellschaft oder nicht - diese Frage allein ist Gegenstand erregter, von allerlei Informationsdefiziten gekennzeichneter Erörterungen. Die in Rede stehenden 71 Millionen Euro an Landesbürgschaften (es ging tatsächlich nur um Bürgschaften und selbst sie sind verweigert worden!) könnten jedoch auch einer Kooperative zugute kommen! Und weitere 'Fälle' warten, siehe Opel.
Sehr interessant ist auch ein Vorschlag, den Sven Giegold in einem Interview macht, das auf seiner Homepage zu sehen ist: Den Beschäftigten, die ihre Firma übernehmen wollen, das ihnen zustehende Arbeitslosengeld auszuzahlen, um ihnen bei der Übernahme zu helfen, und diese Unterstützung nicht als 'staatliche Beihilfe' zu deklarieren (www.sven-giegold.de/). Giegold spricht davon, dass solche Lösungen auf europäischer Ebene diskutiert werden - viel kommt davon bei uns nicht an!
Aber bringen Sie diesen Menschen tatsächlich die richtigen Ideen näher? Oder ist das alles nur alter Gedankenplunder? Während Sie beinahe geradezu direkt die Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer für die Kultur und damit an sich für sich selbst fordern, empfehlen sie den Schleckermitarbeitern ihr anstehendes Arbeitslosengeld, das sie vor noch schlimmeren bewahren soll, als private Einlage in ein marodes Unternehmen einbringen sollen?!
Empfehlen sie das doch mal den Mitarbeitern der Theater in Halle, Eisenach und Schwerin und deklenieren sie das dann hier genau durch, wie sowas funktioniert.
Ich kann vor Staunen kaum noch auf ihre Ausführungen warten.
Die Theater in Halle, Eisenach und Schwerin werden Zuschussbetriebe bleiben, ganz gleich, wie sie nach innen hin strukturiert sind. In diesem Land wird alles Mögliche bezuschusst, z.B. die äußerst kostspielige Kernfusionsforschung, ohne dass erbitterte Debatten vom Zaun gebrochen werden, wozu das gut sein solle. Ich spreche mich, um auch das klar zu sagen, für eine umfassende und ausreichende Unterstützung aller künstlerischen Bemühungen aus, die nicht die Chance haben, „am Markt“ zu bestehen, insofern können Sie, was mich betrifft, Ihr „Freie-Szene-Kriegsbeil“ begraben. Nicht da verläuft die Front - obwohl es immer wieder so scheint, wenn wir z.B. lesen, dass die mittlerweile ebenfalls bedrängte Karin Beier in ihren laufenden Verhandlungen mit der Stadt Köln „die Kürzung (ihres Etats - St.) zugunsten der freien Szene zurückgenommen“ wissen wollte und ihr dieses Zugeständnis offenbar auch gemacht wurde. Die Kunstschaffenden müssen das Kunststück fertigbringen, sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen.
Was Wiesbaden anlangt, wenden Sie sich bitte an Herrn Beilharz. Ich spreche hier von Theatern wie diesem als Bedingung der Möglichkeit und nicht davon, wie die amtierenden Damen und Herren diese Möglichkeit nutzen. Außerdem sind nach und nach sämtliche noch zu stellenden Sachfragen zu nicht weiter befragbaren Geschmacksfragen mutiert - davon legen die Kommentarspalten von ‚nachtkritik’ das beredteste Zeugnis ab.
PS. Soeben lese ich Ihren jüngsten Kommentar, der mit der Bemerkung schließt „Steuereinnahmen dienen erst einmal der Allgemeinheit und dürfen nicht dazu verwendet werden, dass sich einzelne soziale Gruppen außerordentliche Privilegien aneignen.“ Aha. Herr Baucks lässt die Maske fallen! Der Satz könnte nun glatt in dem Bumsbuch stehen, welches den trostlosen Anlass unserer langwierigen Korrespondenz bildet. Das sind die Slogans, in deren Windschutz Geert Wilders die holländische Kunstszene rasiert, ganz gleich ob mehr oder weniger gefördert. Gleichzeitig gedeihen die außerordentlichen Privilegien einzelner (a)sozialer Gruppen prächtig! Die „Allgemeinheit“ - wer ist das?
Nein Herr Steckel. Dies wäre zu einfach. Denn in der Tat werden die Finanzierungen von staatlichen und städtischen oder auch Landestheatern kontrovers in dieser Gesellschaft diskutiert. Vielleicht nicht in ihrem sozialen Umfeld. Aber ich werde häufig zum Zuhörer solch kritischer Debatten, und ich pflege, dies sei Ihnen versichert keinen Kontakt zu Herrn Wilders.
Ich schicke einmal voraus, dass es mir sehr recht wäre, wenn die Theater ebenso wie die Freien wesentlich höher finanziert würden. Nur allein mir fehlt der Glaube, dass dies in näherer Zukunft geschieht.
Heute lese ich, dass neue Tariferhöhungen in öffentlichen Dienst ausgehandelt wurden und sehe schon die nächsten turnusmäßigen Krisen an Theatern folgen, denn die Tariferhöhungen werden nun mal nicht einfach mehr so durchgewunken, wie dies lange Zeit der Fall war. Mir graut davor.
Und da gibt es Menschen, wie Herrn Castorf, den ich lange Zeit schätzte, der in seinem neuesten Interview offen anklingen lässt, dass es ihm Spaß bereitet möglichst viel Kohle abzugreifen, ohne dabei irgendeine soziale Verpflichtung eingehen zu wollen, wie es Ihnen offensichtlich zu eigen ist.
Sie sehen, die Theaterszene ist da gar nicht in einem klaren Konsens, wie sie ebenfalls schon bemerkten, verhaftet.
Und in diesem Panorama erscheint es mir hin und wieder eher schädlich, wenn jemand wie sie ständig auftritt und immer noch andeutet, man würde es ja nur von den Vermögenden nehmen, um es der Allgemeinheit in Form von Kunst und Kultur zuzuführen. Denn in diesem Bild erscheinen die Vermögenden und Besserverdienenden als die "Bösen", welche eine Bringeschuld zu leisten hätten. Und auf der anderen Seite stehen Sie und mit ihnen die "Guten".
So ist es einfach nicht.
Zudem, wenn sie klüger geantwortet hätten, hätten sie mich wahrscheinlich darauf hingewiesen, dass es sich bei den Theatern um öffentliche Anstalten handelt und bei Schlecker um eine privates Unternehmen.
Aber es geht Ihnen augenscheinlich gar nicht so sehr um Differenzierung, um das aufspüren von schmerzhaften Widersprüchen. Sie wollen Recht behalten. Auf der richtigen Seite stehen. Sie weisen jede Kritik an ihren Positionen kategorisch zurück. Und das nervt. Denn so rein, so pur stehen die Theaterleute schon lange nicht mehr da. Sie sind angreifbarer geworden.
Darüber hinaus hat sich seit der Rekapitalisierung einiger Banken in dieser Gesellschaft einiges ins Absurde verschoben. Man könnte zu der Auffassung gelangen, jede soziale Gruppe könne nun eigentlich mal nach den öffentlichen Geldern und Steuererhöhung mit gutem Recht rufen. Vom Recht und Gesetz her ist es an sich selbstverständlich, dass hier öffentliche und private Unternehmen unterschiedliche Forderungen haben. Jedoch führt ja so eine Tariferhöhung eventuell dazu, dass öffentliche Dienstleistungen privatisiert werden, wie es der Stern heute meldete.
Sie sehen, die Situation ist sehr komplex. Noch komplexer als ich sie hier gerade verkürzt darstelle. Denn auch eine Transaktionssteuer ist kein Allerheilmittel, würde sie nicht flächendeckend eingeführt. Es ist ein leichtes solche Transaktionen an andere Standorte zu verlagern, die solche Steuern nicht erheben. Und gerade ein Ort wie Frankfurt braucht eine Steuer wahrscheinlich nicht. Und wer diese Einnahmen dann wirklich verwaltet und wohin sie fließen, darüber ergibt sich aus ihren Darstellungen auch keine Klarheit.
Ich halte ihre Äußerungen eben für sehr unvorsichtig. Und komme nun auch gerne zu ihrem Kollegen aus Frankfurt. Man muss kein Freund von Oliver Reese sein, um ihn vor Ihnen in Schutz zu nehmen. Es ist im weitesten Sinne absolut o.K. für eine Faustinszenierung von der Deutschen Bank Geld anzunehmen. Ich glaube nicht, dass in dieser Bank nur lauter Idioten angestellt sind, die sich auf der Stelle gegen Barlach und Müller stellen würden. Die "Sünflut" kennten sie wahrscheinlich gar nicht. Was nicht zwingend gegen sie spricht. Nur, sie denken ein solches Unternehmen nur von seinem Vorstand her und nicht von seinen Mitarbeitern. Glauben sie denn tatsächlich, da säßen nur Deppen ohne jedes kritisches Bewusstsein? Und wenn ja, kann ich nur sagen: Sind sie wahrscheinlich von (…) Hybris befallen.
Darüber hinaus würde ich als Dramatiker gerne einmal mit Herrn Wilders oder Ackermann essen gehen, mehr wahrscheinlich nicht, aber wer weiß, auch dies würde ich zunächst offen lassen.
(unkorrigiert gepostet)
ihr Zynismus steht ihnen gar nicht. Ich gehe mit Leuten Essen, um sie kennen zu lernen. Nicht um Stücke über das Essengehen zu schreiben. Zudem schreibe ich kaum noch Stücke, und wenn dann keine, die eine simple Geschichte vom Josef und Geert erzählen. Aber ich interessiere mich sehr für Menschen, wie sie sind, warum sie so geworden sind. An Aufführungen von allen Staats- und Stadttheatern und allen freien Gruppen bin ich weniger interessiert. Überhaupt graut mir mittlerweile ein wenig vor diesem Theatermarkt. Aber ich bin ja nicht nur Dramatiker.
Schön, wie sie darauf abheben, dass ich schon seit einiger Zeit nicht mehr gespielt wurde. Doch damit stehe ich, wie sie wohl wissen nicht alleine da.
Ich halte sie übrigens nicht für einen Gutmenschen. Im Gegenteil, ich halte sie für jemanden, der sich gerne dafür ausgibt. Ansonsten haben sie hier Frau Beier, mich, Herrn Reese und indirekt viele andere angegriffen. Soweit steht es gar nicht mit ihrer Solidarität. Sie befinden sich immer noch in einer Art Kriegszustand. Wollen mir erzählen wo die Linie zwischen Feind und Freund tatsächlich langläuft. Nun ja, falls es sie gibt, verläuft sie sicherlich nochmals ganz anders und auch durch einzelne Menschen hindurch. In jedem Fall sind sie nicht der, für den sie sich halten. Und so viele Fragen, wie sie hier offen gehalten haben, da überlasse ich ihnen gerne die eine Definition, was eine freie Gruppe ist. Sie haben da ja Eingangs etwas angedeutet, was mir sehr absurd erschien.
Ach ja, Ostern feiere ich gar nicht. Aber auch solche Feinheiten, sind ihnen wahrscheinlich fremd.
Schade, wieder keinen Schritt weiter gekommen in dieser Debatte. Und ich dachte, vielleicht hätte ich in ihnen einen kompetenten aufgeschlossenen Gesprächspartner. Stattdessen mauern sie sich in ihren Klischees und Vorurteilen ein.
Was die von der öffentlichen Hand betriebenen Stadt-, Landes- und Staatstheater angeht, ist das für mich in der Tat ein Stück deutschsprachiger Kultur, das ich mit Kratzen und Beißen verteidigen würde. In der Fläche, so wie es heute ist. Ich finde auch die Qualität der Aufführung quer durch Deutschland nicht beschimpfenswert oder uniform, ganz im Gegenteil, die Ergebnisse sind vielfältig und meist spannend.
Ob das dafür aufgewendete Geld immer effektiv und effizient eingesetzt ist, darf dagegen hinterfragt werden. Ich gehe davon aus, daß jedes dieser Theater auch einen Behörden- und Apparatcharakter hat, der zunächst einmal nicht produktiv im Sinne der Kunst ist und eigene Regeln der Selbsterhaltung hat. Dieser fehlt bei den nicht vornehmlich von der öffentlichen Hand finanzierten (und damit freien?) Kulturschaffenden praktisch völlig. Anders ausgedrückt: Man bekommt mehr Aufführung pro investiertem Euro. Und in diesem Sinne die Theaterhäuser zu untersuchen, die Kostenpunkte offenzulegen und zu bewußten Entscheidungen zu kommen, halte ich für aller Ehren wert.
Was die Halbierung der Kulturlandschaft Deutschlands bewirkt, ist:
1. Hohe Kosten für Abfindungen und Abwicklung
2. Anstieg der Arbeitslosigkeit
3. Fortschreitende Desorientierung im Bürgertum (sowohl bei den arbeitslosen Theaterleuten als auch bei den ihres Theaters beraubten Bürgern)
Ich glaube, der Vorschlag der Viererbande wird zu dem Ergebnis führen, dass Deutschland in Zukunft nicht nur Probleme mit bildungsfernen Schichten haben wird, sondern selbst zur bildungsfernen Nation wird. Die soziale Brutalität - Ellenbogenmentalität - oder sagen wir: der Sozialdarwinismus wird größer werden, wenn es die Hemmschwelle oder Schamgrenze nicht mehr gibt, die Kultur und Bildung etablieren, indem sie immer wieder daran erinnern, dass es so etwas wie die Achtung vor dem Menschen und dem Menschlichen gibt. Und Kultur ist nicht immer nur schön und nett. Manchmal platzt ihr auch wie Eltern, die ihren Kindern auch mal Grenzen aufzeigen müssen, der Kragen - und dann schlägt sie mit so genanntem "Ekeltheater" und einer Ästhetik des Schocks und des Hässlichen zurück, weil es im Guten nicht mehr geht.
Dass Kultur unterhaltsam und nett sein soll, ist eine durch und durch kapitalistische Haltung. Der Arbeiter soll abends wieder fit für den nächsten Tag gemacht werden. Nichts gegen Unterhaltung. Aber man darf Kultur nicht darauf festnageln wollen.
Und wenn man die mittlerweile schon zweite Bankenkrise innerhalb von 4 Jahren als Argument für oder gegen mehr Markt heranzieht, werde ich wirklich wütend. Gerade die Geldwirtschaft ist der beste Beweis dafür, dass wir nicht in der Marktwirtschaft leben, sondern im Staatskapitalismus. Würden die Gesetze des freien Marktes wirken und würde der Staat (der Steuerzahler) nicht permanent Bürgschaften übernehmen, wären mehr als die Hälfte der Banken bereits pleite und Frankreich gleich mit dazu, dessen Banken nämlich über die Hälfte der griechischen Staatskredite halten - zu Wucherzinsen, die das Dilemma lawinenartig haben anwachsen lassen.
Von den letzten guten Geistern verlassen ist ja wohl der Vorschlag der Reduzierung der Archive. Wo bitte soll das Gedächtnis der Nation aufbewahrt werden - unabhängig von Moden und Zeitgeist-Konjunkturen, die entscheiden, was gesammelt, was weggeworfen wird - zum Entsetzen der nächsten Generation, die die Wertigkeiten vielleicht ganz anders bewertet als ihre Eltern?
Ich glaube, die Viererbande, McKinsey & Co gehören selbst zu den bildungsfernen Schichten. Man muss den Begriff von Parametern wie Einkommen, Hochschulbesuch und gesellschaftlichem Status entkoppeln und sagen, dass es bildungsferne Schichten in allen Schichten der Gesellschaft gibt.
Die Wahrheit ist also konkret. Warum verstecken Sie sich hinter Hegel? Schauen Sie sich doch nur ihre unhaltbaren Vorwürfe mir gegenüber an. Mich in die Nähe von Wilders zu rücken, dies meine ich mit Ausgrenzungstechniken, ist schon eine Entschuldigung wert.
Danach reden wir weiter.
Das sind Formen verdeckter Bildungsferne alles und jedes für seine Zwecke zu instrumentalisieren, sei der Zusammenhang auch noch so dünn. - Als ich diese Wilders Bemerkung las, musste ich tatsächlich einen Moment lang an Berlusconi denken, wie er den deutschen Europaabgeordneten für eine Rolle als Kapo in einem italienischen Film vorschlug. Wie sich die Vorgehensweisen ähneln, nur um einen in einem Gedankengang, der ihnen missfällt, zu stoppen.
Sie scheinen auf ihre Weise gerne ein Beispiel abgeben zu wollen, wie man mit dem vorgehaltenem Panzer der Bildung und Kultur relativ schroffe, spröde, ja ungebildete und unkultivierte Verhaltensweisen hervorbringen kann. Aber wahrscheinlich täusche ich mich. Hoffentlich.
Ihre Kommentare führen nur dazu, dass Sie sich einen Namen machen. Einen Namen für das, was man künftig meiden sollte. Schaum vor dem Mund und Hirnschmalz sind nicht dasselbe. Ich schreibe das nicht aus Bildungsdünkel. Ich gehöre selbst zu den bildungsfernen Schichten.
Meine Kritik an Ihren Kommentaren wäre:
1. sprachlich schlechter Stil (Schachtelsätze)
2. menschlich schlechter Stil (man pöbelt seine Mitmenschen nicht an)
3. Sie verbeißen sich in Ihren Privat-Dschihad (man fragt sich unwillkürlich: Wer hat Sie denn aus der Spielgruppe ausgegrenzt, dass Sie so verbissen um sich beißen.)
Ihr Kollege Stefan Kurt hat einmal etwas Wunderbares gesagt. Auf die Frage "Wie reagieren Sie auf Buh's", antwortete er: Ich lächle.
Ich zweifle nicht daran, dass Sie jetzt Schimpfkanonaden aus allen Rohren auf mich abfeuern werden, werde sie aber weder lesen noch beantworten.
Befolgen Sie das Rezept des Kollegen Kurt und Sie werden reich und glücklich. Den Untergang des Abendlandes haben auch Größere, als wir es sind, nicht aufhalten können. Warum auch? Das Werden und Vergehen von Dingen nennt man Geschichte.
Verflüssigung der Strukturen, lese ich heute im Tagesspiegel sei das Zauberwort. Eine gute Formulierung in der sich einiges abbilden ließe. Stattdessen soll ich mich mit Vorwürfen auseinandersetzen und Schüsse hören.
Ich bin Vater, 51 Jahre alt. Ich kommentiere vor einem gewissen Erfahrungshintergrund. Oft genug habe ich an Leitungssitzungen teilgenommen, in denen sogar hochrangige Künstler verhöhnt wurden, wenn sie nicht genügend Respekt vor dem Apparat zeigten.
Nun befinden wir uns an einem Wendepunkt. Die Piraten stehen sozusagen schon vor der Tür, nein, sie haben die Türpfosten längst durchschritten. Die alte Linie, wie sie Herr Steckel beschwört, ist längst ein Pointillismus. Vieles bewegt sich, auch wenn man die Förderungsstruktur der Bundeskulturstiftung betrachtet. Aber es reicht nicht.
Man kann nicht ignorieren, dass viele Künstler in einer prekären Lage leben. Noch weniger darf man dies von einer (hoch-) subventionierten Position aus. Das wäre in Wahrheit unsolidarisch. Und die Wahrheit sei konkret, durfte ich hier lernen. Was sollte sie auch sonst sein?
Subventionen werden nicht gestiftet, um ausgrenzend zu kuratieren. Viele Theater haben schon erkannt, dass es einen freien Markt gibt, der nichts mit neoliberalen politischen Auffassungen zu tun hat und kooperieren mit jenen, die sich dort bewegen.
Niemand hat vor eine Oper zu schließen! Schön, wenn dies wirklich wahr wäre. Aber das Denken geht leider zum Teil in diese Richtung. Stattdessen sollte es wohl bedachte Vorschläge für fließende Übergänge geben. Der ehemalige Tanker muss durchflutet werden, denn er befindet sich nicht auf einem wilden Meer, wo er unterzugehen droht, er wird belebt von verantwortungsvollen Künstlern, die sich lediglich unterschiedliche Organisationsstrukturen gesucht haben.
Solche Menschen zerstören sich nicht gegenseitig. Sie trennt keine feindliche Linie. Sie hören nicht lauernd auf den nächsten Schuss. Sie schützen und fördern sich gegenseitig.
Sonntagsreden, á la Guttenberg, oh nein, nur ein kleines Statement in diese frei tägliche Stille hinein. Soviel Pathos bitte ich sie mir durchgehen zu lassen.
Bitte nennen Sie Beispiele.
Können Sie das bitte erläutern?
Das ist nun ja mal ein Spitzensatz; man könnte sicher noch einen dümmeren finden, aber einen perfideren kaum. Wollen Sie den vielleicht mal erklären, bitte? Und wenn Sie schon dabei sind: Stadttheater sind also unmenschliche Betriebe? Tatsächlich, ja? Da gäbe es auf meiner Seite auch Erklärungsbedarf.
Dramaturg (griech.), einer, welcher der Regie einer Bühne als Berater vom Standpunkt der Kunstwissenschaft zur Seite steht.
der am Theater tätige, für Beurteilung und Auswahl der zu spielenden Stücke zuständige literarische Sachverständige.
damit ganz flüssig die subventionen in den abfluss wandern können.
wer ist denn hier naiv.
nennen sie mir ein beispiel, wo in den letzten jahren in der kultur gekürtzte subventionen später der freien szene zur verfügung gestellt wurden.
das gekürtzte geld ist meines wissens nie wieder in kultur gesteckt worden, eher in baumassnahmen u.ä.
am ende stehen einfach nur noch mehr völlig unterbezahlte künstler.
soll das jetzt das ziel sein?
Im anderen Falle tritt zu der Verzweiflung über den Niedergang die Verzweiflung über das Bild, welches wir in diesem Niedergang abgegeben haben werden.
2. Masterstudiengang "Dramaturgie"= "Fabrik der Offiziere"
3. Es gab auch Stadttheater vor dem Nazireich, also geht auch die Debatte wohl tiefer.
4. Ich sehe mich mehr als so ein "Steckel": passiert auch nicht alle Tage.
Im übrigen sind die Thesen in diesem Buch weder wichtig, noch originell. Aber in einem immerhin haben auch Sie recht: das Buch ist schlecht geschrieben.
Das beweist natürlich garnichts, zeigt (und soll zunächst auch nicht mehr) hier lediglich
an, in welchen Ping-Pong-Fahrwassern sich der Threaddiskurs zurzeit abspielt.
Ganz gut, daß es da -auch ganz aktuell- am (im Briegleb-Artikel auch eben erst gerade
thematisierten) Thalia-Theater in Hamburg einen Abend geben wird, der wohl immerhin ua. auch daran erinnert, obschon auch ein "Kulturinfarkt"-Autor eingeladen ist, daß diese Debatte mitnichten erst durch dieses Buch angestoßen worden ist,
sondern (siehe "Heart of the CITY"-TdZ-Sonderheft bzw. diverse nachtkritik de.-Artikel zum Stadttheater) gerade in dieser Spielzeit öffentlich und zunehmend pointierter ausgetragen wird (ein weiterer geladener Gast ist Matthias von Hartz , sic !):
"Das Theater der Zukunft - Nische oder Herz der Stadt", Dienstag, 15.5.2012 um 20 Uhr (Podiumsteilnehmer: Friedrich von Borries, Matthias von Hartz, Staffan Holm, Armin Klein, Joachim Lux und Annemie Vanackere).
Ob ich privilegiert genug bin, diesen Abend wahrnehmen zu können, habe ich mit meinem Nachtschichten-Plan offen gestanden noch nicht hinreichend ausgetragen, aber vielleicht sind Sie da "offiziersnäher" als ich (mein - ich denke - berechtigtes
Interesse zielt darauf, das, wenn ich in eine Stadt X,Y,Z komme, um dort mich für eine Woche etwa auf die dortige Theaterszene einzulassen -wie desletzt in Leipzig: eine Fülle- , ich nicht auf En-bloc-Pläne treffe, die mir dann möglicherweise nur einen oder zwei Besuche von Inszenierungen gewährleisten, die dann noch dazu gänzlich auf einen massenkompatiblen Geschmack zurechtgestutzt worden sind; ähnlich geht es im übrigen mit Büchereien:
Wenn es da 4 Zierfischmagazine gibt etcpp. und das TheaterHeute-Abo zB. aufgekündigt wird, weil zu wenig Leser sich (angeblich) dafür finden -in Kiel ist das so ungefähr der Stand -die "Kultur-Institutionen" arbeiten ja nicht unbedingt (immer) Hand in Hand-, dann frage ich mich natürlich auch, ob "Masse" alles ist und versuche vor Ort gegenzusteuern (nun gut, in der Unibibliothek, die ich mit Abgabe des Reisepasses etwa, besuchen kann, hat alle Jahrgänge der TheaterHeute (um bei dem Beispiel zu bleiben), und in diesem Fall bin ich wirklich irgendwie "privilegiert", da ich von dieser Möglichkeit Wind bekommen habe -aber man glaube ja nicht, solch ein Wind kommt ganz automatisch, nur weil es das Internet gibt, mitunter droht eher das Gegenteil). Genau, wie die SchauspielerInnen und Dramaturgen, Regisseure,
Freelancer etcpp. verfolge auch ich -nämlich als Zuschauer- in diesem Diskurs zunächst mein Ziel aus der begrenzten Perspektive, die ich notwendig auf den Gegenstand "Theaterwesen" haben muß, warum sollte ich mir (sogleich) anmaßen, hier für Akteure zu sprechen ??; ich wehre mich dagegen, da ich in der Verbindung zB. "Theaterreisen und Internet" auch neue Chancen sehe, daß sich das Theaterwesen von innen her und diskursiv erneuert (sehe gerade in einer Kritik den Begriff "Theaterbundesliga", und warum eigentlich nicht ein bißchen mehr von der Haltung, daß es auch zu mittelmäßigen Theaterabenden noch mehr zu sagen gäbe als zu dem einen oder anderen Championsleague-Spiel ??) , geradezu als reaktionär, fast nischen- protofaschistisch mich hier teilweise abgekanzelt zu sehen: ich hatte insofern annährend fest damit gerechnet auf den Satz zu stoßen "Nein, Sie gehören nicht zu den Steckels, es gibt ja noch die Naiven." Nun gut, das mag sich als naiv "erweisen", was ist da schon auszuschließen ?, aber Schuster muß doch zumindestens bei seinem Leisten bleiben dürfen in so einer Debatte, ohne gleich als "Schauspieler-Schinderhannes" dazustehen, oder ?.
Es ging doch darum, ob das deutsche Stadttheatersystem erhaltenswert ist oder nicht?
(Auslöser dieser Grundsatzdebatte war der Vorschlag der "Kulturinfarkt"-Verfasser, die Theater-Zuschüsse zu halbieren und die zweite Hälfte Volkstanzgruppen und anderen basiskulturellen Projekten zu Gute kommen zu lassen.)
Es zeichneten sich hier 2 grundsätzliche Positionen ab:
1. Die Steckelgruppe ist für den Erhalt = die Finanzierung des Stadttheatersystems, um das uns die Welt beneidet.
2.Gegen den Erhalt des Stadttheater-Systems wird mit 2 Gründen argumentiert:
a) das hierarchische Stadttheatersystem ist verknöchert und muss durch alternative Produktionsstrukturen ersetzt werden. (Strukturelles Argument)
b) Das real existierende Stadttheatersystem leidet unter der Diktatur verantwortungsloser Regisseure, Intendanten, Dramaturgen, die das Theater nach Gutsherrenart führen und die Schauspieler unterdrücken. (Baucksgruppe)
Mich würde interessieren:
zu 2a) Welche alternativen Produktionsformen stellen Sie sich vor?
Es gab in der Vergangenheit immer wieder Versuche basisdemokratischer Theaterproduktion (Stein/Schaubühne; Palitzsch/Frankfurt; Mnouchkine usw.), die früher oder später abgebrochen wurden. Warum hat das dort nicht funktioniert? Wie könnte es funktionieren? Kann es funktionieren?
zu 2b) Wie kann man dem Missstand abhelfen?
Was müsste geändert werden?
Wie lautet die Alternative?
zu 1) Aus welchen Gründen sind z.B. zwei Opernhäuser mit je eigener Technik, Chor, Orchester, Verwaltung, Marketing, Dramaturgie, Ensemble etc. in Berlin erhaltenswert, wenn die Stücke, die Sänger, die Regisseure mehr oder weniger dieselben sind?
Außerdem: Laut Dietmar Schwarz auf der Spielplanpressekonferenz am 13.4.2012 in Berlin hat die Deutsche Oper nach Abzug aller Lohn- und Fixkosten noch Geld für 4 Neuinszenierungen pro Jahr.
Wäre es nicht sinnvoller, einen Betrieb so auszustatten, dass er 8 Produktionen pro Jahr herausbringen kann?
Die Berliner Operndebatte ist ein gutes Beispiel, weil die Kulturinfarkt-Autoren dem Stadttheater ja Uniformität und Reproduktion des Immergleichen vorgeworfen hatten. Bei Staats- und Deutscher Oper ist das nicht ganz von der Hand zu weisen. Vielleicht gibt es doch Argumente dagegen?
Was die Gagenfrage anlangt, bin ich ratlos. Es kann nicht sein, dass ein ungelernter Beleuchter mehr verdient, als ein voll ausgebildeter Schauspieler. Das ist hirnrissig. Aber wer soll angemessene Darsteller-Besoldung bezahlen, wenn das ganze Stadttheatersystem finanziell am kollabieren ist?
Wir brauchen wirklich gute Argumente, um das Theater, das wir - glaube ich - alle brauchen und lieben, zu verteidigen. Bitte nutzt diesen Thread, um Argumente zu sammeln und auszutauschen, statt Euch gegenseitig zu beschimpfen.
Das ist eine wirklich gute Zusammenfassung einer unübersichtlichen Diskussion. Für mich lautet die zentrale Frage: "Aber wer soll angemessene Darsteller-Besoldung bezahlen, wenn das ganze Stadttheatersystem finanziell am kollabieren ist?"
Ich sehe nur zwei mögliche Wege:
1. Die Zuwendungen an die Theater müssen erhöht werden, damit wieder mehr Geld für die Kunst und für die Künstler zu Verfügung steht. In dieser ganzen Debatte ist das sicherlich eine wenig originelle und sogar altmodische Forderung. Aber vergegenwärtigen wir uns doch einmal über wieviel Geld hier geredet wir. Alle öffentlich geförderten Theater zusammen kosten die Kommunen oder Länder rd. 2 Mrd Euro pro Jahr. Zum Vergleich die Steuereinnahmen der öffentlichen Hand gesamt im Jahr 2011: 555 Mrd €. Also das ist das Theater der BRD wert: 0,4% der Einnahmen.
Ich weiß selber, dass diese Sicht tendenziös ist, aber trotzdem, die Vorstellung, dass aus den 0,4% plötzlich 0,6% würden... Diese Vorstellung ist schon verlockend.
2. Die Theater müssten aus den Tarifzwängen des öffentlichen Dienstes heraus. Da liegt nämlich der Grund, warum ein "ungelernter" Beleuchter (sofern es ihn denn gibt...) mehr verdient als ein dilopmierter Schauspieler. Die Theater haben nämlich keine wirkliche Handhabe in Technik oder Verwaltung Gehälter zu verhandeln. Die sind durch den Tarifvertrag festgelegt. Auch hier findet sich ein Grund, warum bei Tariferhöhungen, Zuschusskürzungen etc. immer in der "Kunst" gespart wird. Also weg mit dem TVÖD / TVL und die dann (mittelfristig! Vertrauensschutz!) freiwerdenden Gelder in die Kunst und zu den Künstlern umleiten.
Und am Besten wäre natürlich 1+2 zusammen. Schöne Träume sind das, oder? Das hat übrigens alles nichts mit autoritären Strukturen zu tun. Nur mit Geld.
Das ist ja schon die Crux. Bei all dem Schuldenmachen, bei all dem Proporz, bei all der sogar den krudesten Kapitalismus noch befördernden Art, welche im Spitzenfußball
Usus sind, dürfte "man" sich im Grunde kein Spiel mehr etwa oberhalb der 5. Liga
ansehen (zumal "man" durchaus feststellen kann, wenn man gewillt ist, sich auf solche Spiele einzulassen, daß man sich schnell an die etwas ungeordneteren Spiele und die Atmosphäre von überschaubaren "Fangruppen" gewöhnt), ich zum Beispiel bin da überhauptnicht konsequent und fiebere mit dem FC Energie.
Andererseits macht es wenig Sinn, einen Terminus wie "Theaterbundesliga" zu unterdrücken, wenn unter vorgehaltener Hand vorwiegend so geredet und so gedacht wird; dann ist es schon besser meineserachtens, die Analogie so weit zu treiben, daß der Begriff sich möglicherweise im offenen Diskurs als immer fragwürdiger erweisen kann beziehungsweise im Sprachspiel einen Ort findet, der annehmbarer wäre als die 1:1-Übertragung der Fußball-Bundesliga-Verhältnisse auf das Theaterwesen. Eine Variante, diese Analogie weiter zu treiben, ist der mir sowieso am Herzen liegende Versuch, über einzelne Theaterereignisse sich mindestens so gelöst austauschen zu lernen wie es bei Fußballspielen durchaus üblich ist, so wollte ich verstanden werden.
Ja, Guttenbergs Zusammenfassung ist auch für meine Begriffe förderlich, sich inhaltlich wieder einzelnen Punkten zuzuwenden, und nochmals ja: Was Herr Steckel in § 70 schreibt, trifft, denke ich, die Lage, wie sie sich darstellt, sehr gut, und ein drittes Mal ein "Ja": ein Schauspieler (etwa Hinrichs) bei so einer Diskussion und nicht nur dort (im Nachbarthread regt sich ja etwas, und das ist gut so) wäre sicherlich sehr zu begrüßen (möglicherweise liest ein Thaliawesen das ja noch rechtzeitig und lädt einen solchen/eine solche nach; wenn schon Einzelpersonen nen "Platonow" auf den Spielplan bringen können dort, dann könnten mindestens zwei Rufe nach einer Schauspielerin, einem Schauspieler und ggfls. auch einer GDBA-Person möglicherweise auch vernommen werden).
Ich kenne mich mit den Berliner Opern leider viel zu schlecht aus (und, was die Diskussion betrifft, nicht nur dort) , aber wenn das so stimmt wie Guttenberg es hier schreibt, dann ist da gewiß Diskussionsbedarf; möglicherweise könnte auch das "Lübecker-Modell", das ja auch für einigen Zwist gesorgt hat, in diesem Kontext als geeignetes Diskussionsobjekt herangezogen werden, fast will es mir so erscheinen..
2a) Leitungsteams sind eine Lösung - gestellt aus Theaterschaffenden neuster Prägung. Basisdemokratie ist ein abgetretener Begriff, würde ich so nicht benutzen. Das ( wechselnde ) Leitungsteam bestimmt die Zielsetzungen für die Produktionen - und deren Hierarchieformen.
2b) Die modernen Schauspielausbildungen, u.a auch dank des Master-Campus Systems bilden neue Arten von Theaterschaffenden heraus. Der Schauspieler des neuen Typus ist multifunktional, kann Budgets erstellen, Konzepte entwickeln, Leute anleiten. Er kann Leitungsfunktionen wahrnehmen, sich aber auch einem Konzept unterordnen. Er braucht neue Organisationsstrukturen, die ihm gerecht werden. Die Zielsetzungen der Produktionen bestimmen die Hierarchie innerhalb der Produktionen. Ein massentaugliches Musical braucht eine andere Führungssstruktur als ein Stadtbespielungsprojekt. Ist bei dem einen die stramme Führung durch den Kapellmeister von nöten, ist es beim zweiteren der Tod des Projekts. Der Schauspieler an diesem Theater verdient viel mehr Geld. Den höheren Lohn bezieht er aus Reduktion der Bühnenwaufwände. Gebaut wird seltener, dafür mehr - mit aller Kraft des Schauspiels - der leere Raum bespielt. Rote Vorhänge reichen sehr oft schon aus, wenn der Inhalt stimmt. Tische. Stühle. Gute Requisiten tun ihr bestes dann dazu. Aber bitte nicht mehr dauernd der Bau dieser Bühnenbilder! Wenn gebaut wird, dann effektiv und bombastisch - und auf der Höhe der Technik. Aber seltener und konzentrierter. Der Intendant, der Patron der alten Sorte - der wie in Bonn geschehen - sich ein Luxusleben leistet und nur "repräsentiert" - muss man - Sorry, anders ist es nicht zu sagen - zum Teufel jagen. WIE IST DAS ZU RECHTFERTIGEN, LIEBE DISKURSFREUNDE? An den Theatern braucht es Leute, die brennen, für den Inhalt, für das Theater. Die aber dafür gut bezahlt werden. Keine Patrons. Macher. Die gesprochenen Geldmittel reichen durchaus aus für manch gutes Theater dieser modernen Art.
In den Baracken der chinesischen Arbeiter sind Künstler, Maler aus dem Senegal eingezogen und stellen dort ihre Bilder aus, leben unjd arbeiten dort. Ein wenig hat es mich an das Tacheles in Berlin erinnert, rein von der Atmosphäre her.
Dieses Theater sollte dringend belebt werden. Der neue Kultusminister ist ein Musiker und Produzent. Mit ihm müsste man gegebenenfalls verhandeln. Zudem gibt es eine komplette neue Regierung, wie wir alle wissen.
Was Herr Steckel würden sie dieser Regierung vorschlagen als Modell? Das stehende Stadttheater in Deutschland? Oder würden sie etwas neues entwickeln wollen. Sicherlich ist Dakar nicht mit Schwerin, Eisenach oder Halle zu vergleichen. Aber lassen sie sich einmal auf diese Vision ein. Wie sollte man dies Haus in Dakar betreiben?
Gruss
Baucks
Auch ich will in keiner Weise Kollegen gegeneinander ausspielen. Niemand in den Theatern (über Einzelfälle bei Intendanten/Geschäftsführern schreibe ich hier nicht) verdient ein Vermögen. Und gerade die Kolleginnen und Kollegen in den technischen Abteilungen arbeiten sich den Rücken krumm, denn in den Gewerken wurde in den vergangenen Jahren sehr viel Personal abgebaut. Und ich gönne jedem Einzelnen die Errungenschaften der Tarifverträge. Aber bitte sehen Sie auch die Verhältnisse:
Die Mindestgage im NV-Bühne liegt bei 1600 €. Davon können alle "Solisten" - und eben auch Schauspieler / Sänger / Tänzer betroffen sein. Um diesen Beruf auszuüben mussten die Kollegen in der Regel ein Studium absolvieren, das einen Studium an einer Fachhochschule entspricht. Mindestens aber einer qualifizierten Berufsausbildung. Für viele Darstellerinnen und Darsteller an kleineren Theatern ist diese Mindestgage das Einstiegsgehalt.
Der TVÖD sieht für Kollegen, die eine Fachhochschule absolviert haben die Entgeltgruppen E9-E12 vor: 2289 € bis 2787 €. (Dazu kommt noch die Theaterbetriebszulage je nach Bundesland, aber das sind nochmal rd. 15% mehr)
Also um eine Gleichbehandlung der Darsteller zu erreichen, müsste die Mindestgage also auf rd. 2500 € angehoben werden. Das klingt ja schön, und kein betroffener Schauspieler würde sich dagegen aussprechen - die Theater schon, denn ein ganz großer Teil wäre dann sofort insolvent.
Realistischer erscheint mir eine vernünftige Angleichung der Gehälter, bei der man sich dann "in der Mitte trifft", aber das verhindert eben der TVÖD.
zu den Bezügen seiner Mitarbeiter in der (künstlerischen) Leitung und den Gagen des Ensembles?
Wir haben z.B. während meiner Oberspielleiterzeit in Bremen alle Gagen im (Schauspiel-)Ensemble offengelegt, und, wo es nötig war, durch Umverteilung aneinander angeglichen. Auch an Steins Schaubühne waren 1970 die Gagen (inkl. seiner eigenen!) bekannt. Diese Modelle haben nicht Schule gemacht - eindeutig ein Rückschritt, wie ich finde.
Ein Theater scheint mir aus Intendantensicht eher wie ein kleines Unternehmen zu funktionieren. Und wo spart er als Unternehmer, wenn er muss? Da wo es am einfachsten geht. Beim Schauspieler, denn es gibt genügend, sie sind leidenswillig und sie sind schlecht organisiert.
Eine Gegenrechnung, um zu untermauern, dass es die Theater doch nicht aus eigener Kraft schaffen können. Ich habe mir auch Ihr fiktives mittleres Dreispartenhaus vorgenommen. Mit folgenden Annahmen:
1. man kann nicht allein die Gagen der Schauspieler erhöhen. Auch Sänger, Tänzer, Regieassistenten, Dramaturgen, etc etc müssen Nutznießer dieser Maßnahme werden. In dem betrachteten Theater schätze ich sind mehr als 30 Personen zu berücksichtigen.
2. Die wenigsten der Kollegen erhalten bereits jetzt nur die Mindestgage. Deshalb rechne ich nur mit einer durchschnittlichen Erhöhung um 600 € pro Person.
3. damit das Gagengefüge sich nicht zu Ungunsten der Kollegen verschiebt, die bereits jetzt "eine vernünftige Gage" haben, führt das nocheinmal zu Erhöhungen. Mehr als 20 Personen jeweils 200 €. (Das soll verhindern, dass ein Mitarbeiter, der länger am Haus ist plötzlich eine geringere Gage bekommt, als ein Kollege / eine Kollegin deren geringe Gage erhöht worden ist.)
4. Nicht vergessen: 19,575% Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung und eine Sonderzahlung (72% einer Monatsgage)
Ergebnis: Die Personalkosten des fiktiven mittleren Dreispartenhauses erhöhen sich um rd. 380.000 € pro Jahr
Auch das erscheint bei einem fiktiven Etat von 25 Mio nicht viel zu sein (1,5 %), aber aufgepasst: Schon jetzt werden wahrscheinlich bereits 85% des Etats durch die Personalkosten gebunden. Die Gagenerhöhung würde also aus den restlichen 15% genommen werden müssen. Wenn nun aber nicht die Zahl der Produktionen, die künstlerischen Etats etc. etc. gekürzt werden sollen (wie in den vergangenen Jahren immer). Bleibt nicht mehr viel übrig, als wiederum (künstlerisches) Personal einzusparen, um die Gagenerhöhungen zu finanzieren. Hier beißt sich aber dann die Katze in den Schwanz.
Ich bleibe dabei: um eine gerechte Bezahlung der künstlerischen Mitarbeiter zu erreichen brauchen die Theater mehr Geld.
Bemerkung: ich habe nicht versucht die Zahlen in die Höhe zu treiben, ich bin vielmehr selbst überrascht, wie wenig Geld nötig wäre, um auf mindestens 2500 € pro Mitarbeiter zu kommen.
Theaterwissenschaftlich betrachtet, entstand der Beruf des Dramaturgen nicht in der Nazi-Zeit, sondern im Kontext der Entwicklung der Wanderbühne zum sogenannten "Nationaltheater" als Forum bürgerlicher Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert. In dieser Zeit begann die Literarisierung des Theaters und damit entstand der Beruf des Dramaturgen als sogenannter "Anwalt des Textes"/Dramas. Von der "Hamburgischen Dramaturgie" Lessings wurde weiter oben ja bereits gesprochen.
Und um für den alten Haudegen Steckel eine Lanze zu brechen: seinen Umsatzsteuerstreit hat er nicht geführt, weil er keine Steuern zählen wollte, sondern um eine Gleichbehandlung von Regisseuren und Dirigenten durchzusetzen, und um die Entscheidung, ob Regisseure Künstler sind, nicht den Sachbearbeitern der Finanzämter zu überlassen. Leider hat er sich verzockt.
für eure werke und deren kraft und ausdauer
für eure werke und deren präsenz
für eure werke und deren verbleib
für eure werke und deren behandlung
gegen eure werke und deren schwäche und kurzlebigkeit
gegen eure werke und deren unsichtbarkeit
gegen eure werke und deren billigen verkauf ins nirgendwo
gegen eure werke und deren nichtbeachtung
mit euren werken für ein klares kunstbudget
mit euren werken für orte ihrer aufführung
mit euren werken für den künstlerverkaufs-u. rechtsabtretungs-vertrag
mit euren werken für den kunstsoziologischen diskurs
um eure werke als friedvolle und stärkste waffe zu erkennen
um eure werke im ständigen betrieb zu wissen
um eure werke für ihren einsatz bereit zu wissen
um eure werke in ihrer bedeutung immer neu verankert wissen
durch eure werke die selbständig entscheiden
durch eure werke die menschen begegnen
durch eure werke die das leben bewegen
durch eure werke die in der zukunft segnen.
ich kann sie leider nicht richtig ernst nehmen. Es ist völlig normal, das im Warenverkehr nach Lieferung eine Umsatzsteuer auf den Nettoerlös erhoben wird. Sicherlich kann man eine Ungleichbehandlung in Richtung einer anderen Berufsgruppe reklamieren. Ebensogut könnte man aber auch zu der Einsicht gelangen, seine Steuer schlicht und ergreifend zu entrichten.
Dies ist letztendlich ihre persönliche Entscheidung. Sich aber, nachdem man für sich Steuerfreiheit vor Gericht erstreiten wollte, darüber zu erregen, dass andere Gruppen in den Genuss von Steuersenkungen kamen, ist absurd.
Sie politisieren. Das hat mit Kunst nichts mehr zu tun. Und indirekt qualifizieren sie in diesem Konflikt auch noch die Partei "Die Linke".
Über alldies vermag ich nur zu schmunzeln. Gut, dass sie kein Entscheidungsträger sind.
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes - EuGH
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Die Dienstleistung, die ein Interpret eines Kunstwerks (und das ist ein Regisseur) als „ausübender Künstler“ einem Theater gegenüber erbringt, kann ebenso wie die Dienstleistung, die das Theater dem Publikum gegenüber erbringt, in den Anwendungsbereich von Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe n der Sechsten Richtlinie fallen. Danach befreien die Mitgliedstaaten „bestimmte kulturelle Dienstleistungen und eng damit verbundene Lieferungen von Gegenständen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannten Einrichtungen erbracht werden“ von der Mehrwertsteuer.
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Ein Regisseur kann als „kulturelle Einrichtung“ im Sinne von Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe n der Sechsten Richtlinie angesehen werden, sofern er nach außen hin als Einheit auftritt, und die Leistung, für die keine Mehrwertsteuer erhoben werden soll, eine abgegrenzte Leistung darstellt.
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Wie sich aus der Entstehungsgeschichte der Sechsten Richtlinie ergibt, sind kulturelle Dienstleistungen solche, die einem Publikum gegenüber erbracht werden. Die entsprechende Gegenleistung besteht in dem durch das Publikum bezahlten Entgelt. Es besteht kein Zweifel, dass derartige Leistungen von der Mehrwertsteuer befreit sind.
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Nach unserer Auffassung ist die kulturelle Dienstleistung eines Regisseurs derart eng mit der durch die Einrichtung Theater gegenüber der Öffentlichkeit erbrachten Dienstleistung verknüpft, dass eine Erhebung von Mehrwertsteuer auf die Regiegage dem Zweck der Mehrwertsteuerbefreiung zuwiderliefe. Dieser Zweck besteht gerade darin, durch eine steuerliche Maßnahme den Preis für eine kulturelle Dienstleistung niedrig zu halten.
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Wäre die Regietätigkeit nicht von der Mehrwertsteuer befreit und somit die zur Leistungserbringung durch das Theater notwendigen Kosten entsprechend belastet, würde hierdurch die Effektivität der dem Theater gewährten Mehrwertsteuerbefreiung beeinträchtigt. Hierdurch würde der Zweck der Regelung - die Begünstigung bestimmter kultureller Aktivitäten - verfehlt.
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Die Befreiung dient nämlich dazu, die Zugangsschwelle für Theaterbesuche abzusenken. Die durch die Höhe des Eintrittspreises gebildete Zugangsschwelle betrifft vor allem kulturelle Veranstaltungen, die nicht von sich aus ein breites Publikum anziehen. Das Entgelt, das ein Theater einem Regisseur schuldet, ist Teil seiner Kosten, die üblicherweise unmittelbar auf das Publikum übergewälzt werden. Soll eine Erhöhung der Eintrittspreise der öffentlich geförderten Theater jedoch vermieden werden, belasten diese Kosten den Haushalt des Theaters anderweitig und stellen somit de facto eine mittelbare Kürzung der staatlichen Fördergelder dar.
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Den Mitgliedstaaten steht bei der Anerkennung anderer „kultureller Einrichtungen“, die ebenso wie öffentliche Einrichtungen in den Genuss einer Mehrwertsteuerbefreiung kommen können, ein weites Ermessen zu. Sie sind berechtigt, den nichtkommerziellen Charakter einer kulturellen Einrichtung als Anerkennungskriterium zu verwenden.
(Aus: SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS L. A. GEELHOED vom 14. November 2002, Rechtssache C-144/00, Strafverfahren gegen Matthias Hoffmann)
Der EuGH ist diesen Anträgen gefolgt. Die BRD hat die europäische Rechtsprechung bis heute nicht umgesetzt. Aus diesem Grund hat der BFH mir den Gang vor den EuGH verwehrt.
Und „andere Gruppen“ ist auch gut! Meinen Sie die Hoteliers? Die Unternehmer? Die Bankster? Die Reichen? In unserem Zusammenhang geht es um öffentlich bezuschusste Kunstausübung, und da sollte selbst Ihnen deutlich sein, dass eine Erhöhung der Umsatzsteuer bei den Regisseuren für die Theater bestenfalls ein Nullsummengeschäft ist, denn was sie mehr aufbringen müssen, muss ihnen zugelegt werden, oder, im schlimmeren Fall, durch eine de-facto-Kürzung ihrer künstlerischen Etats erwirtschaftet werden, oder, im schlimmsten Fall, durch eine Kürzung der Regiegagen zusammenkommen. (Für die Regisseure selbst spränge nur dann etwas heraus, wenn sie ihre Gagen trotz einer Absenkung der Umsatzsteuer halten könnten - und welche Regisseure können das?) Hier wird zugunsten der Öffentlichkeit gespart, nicht zugunsten privater Gewinne, Herr Schmunzler!
Ich politisiere. In der Tat. Sie sagen es. Nahezu jeder Beitrag in diesem Verlauf beweist, dass das vielleicht nicht schön, aber leider unvermeidlich ist, insofern unsere Probleme auch und vor allem politischer Natur sind - und dass wir, selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass wir uns hier einigen sollten, damit rechnen müssen, keine politische Kraft zu finden, die unsere prekäre Einigkeit in dem Umfang Tat werden lässt, wie es nötig wäre. „Das hat mit Kunst nichts mehr zu tun“ befindet unser Schmunzelmartin - eine versteckte Aufforderung an den Schuster, bei seinem Leisten zu bleiben. Nichts lieber als das, Herr Baucks! Aber Sie sehen ja selbst - ach nein, Verzeihung, Sie sehen eben gar nichts, drum muss ich hier schon wieder viele Worte machen, ohne im Entferntesten auf Ihr Verständnis hoffen zu dürfen.
„Und indirekt qualifizieren sie in diesem Konflikt auch noch die Partei "Die Linke", monieren Sie. Ja, ich bekenne mich schuldig. Sie ist die einzige Partei, welche die Bezeichnung ‚Opposition’ verdient. Ob sie in unseren Angelegenheiten genügend Verständnis zu entwickeln vermag, wird sich zeigen.
jetzt war ich sogar amüsiert,..."metzgermäßig"...nicht schlecht gebrüllt Herr Löwe...dass ihnen die Redaktion solche und andere Beleidigungen durchgehen lassen, auch fein, damit muss man leben können. Nur meinte ich, dass ich es sittlich, verstehen sie das Wort, sittlich absurd finde für sich selbst Steuerfreiheit zu reklamieren, um im selben Atemzug für andere sozialen Gruppen höhere Steuern zu verlangen.
Dass sie hinter anderen sozialen Gruppen nur die Schweinebande der Reichen vermuten, mag ein Problem ihrer Persönlichkeit sein. Tatsache ist, dass auch Menschen Umsatzsteuern entrichten müssen, die ich nicht zu dieser Gruppe zählen möchte.
In sich ist ihre Haltung in diesem Punkt wenig glaubwürdig. Ich bedanke mich also für die Zuspitzung der Debatte ihrerseits. Zeigt sie doch allzu deutlich, wie sie gelagert sind und es leicht verstehen mit zweierlei Mass zu messen. Denn nicht alles an den deutschen Stadttheatern ist nichtkommerzielle Arbeit an der Kunst. Leider. Man kann hie und da Zweifel haben und für sich entdecken, dass hier durchaus steuerpflichtige Werke erzeugt werden, gelegentlich.
Selbstverständlich dürfen sie auf gegenseitiges Verständniss hoffen, denn ihre Gedankengänge sind mir nicht fremd. Nur wäre es hierzu förderlich mir keine schäbigen Titel zu geben, die meine Meinung und meine Person herabsetzen sollen.
Ich werde mir auch weiterhin das Recht nehmen über sie schmunzeln, denn sie geben mir Anlass dazu.
auch wenn Sie nur zu schmunzeln vermögen...gut, dass auch Sie kein Entscheidungsträger sind. Ihre Argumentationsführung zeugt von Inkompetenz. Warum? Kunst politisiert, auch wenn Sie das nicht verstehen dürften.
Beispiel Gorki: von 175 Mitarbeitern des Theaters (stand 09/10) arbeiten 6 in der Verwaltung, wenn sie Vorderhaus und Kasse dazuzählen wollen sind es 24, von denen offensichtlich eine große Zahl auch noch Teilzeit arbeitet (15,5 vollzeitstellen). Im Verhältnis zum Gesamtetat des Hauses verursachen diese Mitarbeiter 5,7% der Kosten.
Aber natürlich haben sie mit der Verkleinerung der Ensembles recht, und vergessen den Personalabbau in den anderen abteilungen im gleichen Zeitraum.
herzlichen Dank für den Beitrag.
Und noch einmal, immer "Kunst" gegen "Betrieb" auszuspielen ist nur Wasser auf die Mühlen derjenigen, die die Theater (und alle anderen Kulturinstitutionen) für verzichtbar halten.
Und bitte nicht falsch verstehen, natürlich muss auch die freie Szene auskömmlich finanziert werden. Natürlich müssen sich die Strukturen der Stadttheater so verändern, dass die Gehaltsungerechtigkeiten beseitigt werden. Aber das halte ich alles für möglich - falls es die Entscheider denn wollen.
Aber auch das ist wahrscheinlich nicht mehrheitsfähig in dieser Gesellschaft, mit Kultur sind Wahlen wohl weder zu gewinnen, noch zu verlieren.
Was also tun?
Denkt man die Steuerbefreiung von Herrn Steckel konsequent weiter, träfe diese zu Null Rechnung auch auf die Lohnsteuer aller Beschäftigten zu. Mal abgesehen davon, dass Herr Steckel sein Geld eventuell in Bremen verdient, jedoch in Zehlendorf versteuert, und die Subventionsgebenden nicht ident sind mit den Steuererhebenden, ist es für viele Städte und Kommunen eventuell, unter Berücksichtung der bekannten Prämissen, denkbar eine solche Steuer zu senken oder sogar zu streichen. Wahrscheinlich fehlen hierzu jedoch (noch) die juristischen Grundlagen. Jedoch selbst wenn man auf einem solchen Wege Summen freisetzte, die man dem künstlerischen Etat zuführen wollte, müsste man wahrscheinlich unter erschwerten Bedingungen einen solchen Transfer verhandeln, da die Sparvorgaben diesen Wünschen entgegenstehen würden. Denn wie Stefan so, oder anders, so schön sagte, von den gesparten „Mucksen“ kommt nichts bei der Kunst an.
Was ich nicht glauben mag, ist, dass ein solcher Punkt überhaupt nicht verhandelbar wäre. Hier wird ein Politikerbild aufgebaut von völlig und ausnahmslos kunstfeindlichen Banausen. Bei Steckel liest sich das fast so, als ob wir einer internationalen Verschwörung ausgesetzt wären, die weltweit den öffentlichen Finanzraum minimieren möchte, um der Kunst zu schaden.
All dieser Staub wird aufgewirbelt, um jede Reformdebatte im Keim zu ersticken. Und hier liegt der eigentliche Fehler. Es kann Reformen geben, fern aller ehemaligen linken Denkmuster, wie Steckel sie verfolgt. Es müssen zwingend und dringend neue verhandelbare Positionen erarbeitet werden. Und deshalb debattiere ich hier gerne weiter. Immer auf der Suche nach realisierbaren Vorschlägen, an deren Ende ich nicht in einem Gruppenzwang eingepfercht, mit Transparenten auf der Straße stehe, um gegen die Reichen zu demonstrieren und ihre „Regierungen“.
Die UNESCO sieht sich zu einem solchen Schutz-Übereinkommen genötigt und rd. 130 Länder unterzeichnen es, weil Herr Steckel ein Verschwörungstheoretiker ist?
Baucksit ist schon ein extrem hartes Material!
Sie sind nicht die UNESCO. Sie argumentieren nur mit ihr. Und stellen ein paar Beziehungen her zu anderen politischen Haltungen. Und dieser Mix hat einen Odem.
Auch ich könnte eine solches Übereinkommen im Geiste unterzeichnen. Darin bestht nicht das Problem. - Nur hilft dies nicht unmittelbar und gleich in Eisenach. Dort sind andere Lösungen gefragt. Und die könnte man hier erarbeiten.
Wenn sie endlich etwas machen würden. Nämlich sich konkret zu einem Reformwillen bekennen und gemeinsam einen Maßnahmenkatalog fern ihrer politischen Vorlieben erarbeiten würden. Dies mag ihnen hart erscheinen, von ihren Positionen Abstand zu nehmen, könnte aber angemessen sein.
Hier wurden und in anderen Threads Vorschläge gemacht. Dazu gehört zum Beispiel auch der Ausstieg aus den Tarifverträgen und die Idee der frei verandelbaren Verträge für alle Mitarbeiter eines Theaters. Das Theater ist nicht dazu da beispielhafte Vertragwerke für eine gesamte Gesellschaft vorzustellen. Es dient der Kunst.
Zudem ist es ein mittlerweile tragisches Konstrukt, dass einige Stimmen nur deshalb keine Veränderungen dulden wollen, weil das eingesparte Geld nie im Kunstetat ankäme. Man kann auf einem ruinösen Weg nicht weitergehen und nur deshalb an Verträgen festhalten, weil man Änderungen in dem Sinne fürchtet, dass danach alles noch schlimmer würde, wenn man vor einer Situation steht, die einen nicht würdig glauben lassen kann, dass es auf dem alten Weg tatsächlich weitergehen kann.
Denken heißt überschreiten. Denken sie endlich mal mit in eine neue Richtung. Ich glaube nicht an ihre Solidarität mit anderen Theaterformen außer dem stehen Stadttheater. Eine solche Solidarität wird für sie nur so lange dauern, bis sie ihre Ziele erreicht haben. Wäre es anders, sehe die Situation heute schom gerechter aus. Denn sie hatten genügend Möglichkeiten in ihrem Leben für eine größere Gerechtigkeit bei der Verteilung von Geldern zu streiten, Möglichkeiten, die sie versäumt haben, möchte man meinen.
Und ja, in diesem Sinne bleibe ich ihnen gegenüber hart, ohne es "privat" zu meinen.
1. in den Stadt-/Staatstheatern: Angleichung der Tarifverträge mit dem Ziel vergleichbare Bedingungen für alle Mitarbeiter zu schaffen.
2. (Rück-)Umwandlung der Theater, die als GmbH firmieren, in eine Betriebsform, die NICHT insolvenzfähig ist (Eigenbetrieb oder AÖR) mit dem Ziel, den Unternehmen den Einnahme-Druck zu nehmen.
3. Kultur als Staatsziel im GG verankern. Oder eine andere Möglichkeit finden, die die Kulturförderung zu einer verpflichtenden Leistung der Kommunen macht, mit dem Ziel die kontinuierlichen Zuschusskürzungen zu verhindern.
4. Die Besetzung der Intendantenposten zu einem transparenten Verfahren umbauen.
5. 1-4 auf die freie Szene anwenden.
6. Festlegung einer Mindestgage für Theaterbeschäftigte, die eine angemessene Bezahlung garantiert (Frage: was ist das "angemessen")
7. Anwendung dieser Mindestgage auch auf Gastverträge, Honorarverträge. Anwendung dieser Mindestgage auch in der freien Szene.
8. Begrenzung der Laufzeit von Intendanten-Verträgen auf sieben Jahre, mit dem Ziel eine künstlerische Weiterentwicklung der Theater nicht zu behindern.
...
...
...
(bitte weiter schreiben)
ich empfinde es als sehr symphatisch, dass sie sich für eine Gleichbehandlung der freien Szene stark machen. Jedoch halte ich es für problematisch, die Theater in ihre alte Form zurück gießen zu wollen.
Ich teile ihre Ansicht, dass eine Festschreibung der kulturellen Verpflichtungen des Staates im Grundgesetz verankert werden sollte.
Denke aber auch, dass mit dieser Versicherung es sinnvoller wäre, dass die Theater über ihre Zuwendungen frei verfügen dürften, auch außerhalb von Tarifverträgen. Dass man ihnen das Recht zugestehen sollte, Gewinne zu erzielen und sie selber zu verwalten.
Darüberhinaus glaube ich an eine Beteiligung des Bundes, mindestens hälftig, an der Finanzierung aller Theater. Glaube daran, dass Kommunen, Städte, wie Länder hierfür ihre Kulturhoheit zum Teil an den Bund abgeben sollten. Hier wird es erhebliche Probleme geben. Die Provinzhäuptlinge stehen nicht so auf Transparenz und Mitsprache anderer.
Dies ist natürlich nur eine Grobskizze, für die ich mir wahrscheinlich wieder ein paar Anfeindungen einhandeln werde.
Sei´s drum.
Gruss
martin baucks
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@Baucks:
Sie schreiben "Jedoch halte ich es für problematisch, die Theater in ihre alte Form zurück gießen zu wollen. " Aber warum denn nur? Ich halte den Vorschlag für schwer umzusetzen, dafür müsste es den Kommunen erst mal wieder besser gehen. Aber trotzdem, wo liegt denn der Vorteil einer GmbH? Die allermeisten Theater haben eine Eigenfinanzierung von unter 20% ihres Budgets (lt. Bühnenverein erreichten die Theater in der Spielzeit 09/10 insgesamt 18,2% als Einspielergebnis.) Also hängen sie, wie wir alle wissen, von den Zuwendungen der Städte/Länder ab – wird gekürzt wird es eng.
Der Nachteil der GmbH ergibt sich genau in diesem Fall: Die Geldgeber können sich zurücklehnen und fordern, dass die Geschäftsführung des Unternehmens das Problem aus eigener Kraft löst. Wer nicht kooperiert, dem wird mit Insolvenz gedroht. Und in den allermeisten Fällen gibt es eine Einigung zu Lasten der Mitarbeiter (Gehaltsverzicht / Spartenschließung).
Die Theater die in den vergangenen Jahren an den Rand der wirtschaftlichen Existenz gebracht wurden sind alle als GmbH organisiert: Wuppertal, Bremen, Schwerin, Halle.
Also die Leitung einer Theater-GmbH übernimmt ein hohes wirtschaftliches Risiko, das es erschwert auch ein künstlerisches Risiko einzugehen. Es gilt immer abzuwägen, welche Künstlerische Äußerung lässt sich auch verkaufen.
Auf der anderen Seite gibt es immer noch eine Reihe von Theatern, denen dieses Schicksal nicht widerfahren kann, weil sie Eigenbetriebe der Städte sind (oder sogar Regiebetriebe): Köln, Leipzig, Berlin (Gorki / DT), München (Resi - Regiebetrieb, Kammerspiele - Eigenbetrieb). Und hier habe ich jetzt nur die Beispiele rausgesucht, bei denen grundsätzlich nicht hinterfragt werden muss, ob dort auch zeitgemäßes Theater stattfindet (stattfinden kann).
Also noch einmal die Frage: was spricht aus künstlerischer Sicht gegen die traditionellen Formen?
Als ob es keine klammen Kommunen und Städte gäbe, also ob es keine Demokratieen gäbe, die zu Grunde zu gehen drohen. Das Theater braucht also nur ein mehr, durch den Steuerapparat sauber gewaschenes, an Geld und schon geht alles so weiter wie zuvor. Nur die Freien sollte man eventuell jetzt doch mal irgendwie gleichstellen.
Ach, es war doch alles so schön! Bis die Krise kam...
Das "mehr an Geld" darf man auf keinen Fall direkt von der Deutschen Bank" annehmen, das ist neoliberales Teufelswerk. Erst wenn es reingewaschen ist durch die Finantämter, ja dann, ja dann...und selber bloß keine Steuern zahlen, warum auch.
Natürlich ist das polemisch. - Aber warum auch nicht. Dieses Jammern auf hohem Niveau, ich kann es nicht mehr hören.
Alles umsonst!!! ...schnief...die ganze Mühe!!!
Und warum ist denn das alte System so schädlich für die Kunst. Alles schon tausendmal gesagt. Weil jede Form und jede Struktur auch ihre Inhalte mit sich bringt, ihre Ästhetiken. Es wird hier ja gut beschrieben, dieser Anpassungsprozess der Spielpläne, und das gilt nicht nur für eine GmbH.
Schlimm ist eben, dass am Ende bei Beilharz keine Kunst mehr herauskommt, sondern Abende für die man heute nicht mal mehr ein Regiediplom erhalten würde.
Da wird hier gelobt, dass es endlich wieder einen guten Handke Abend in Nürnberg gibt, und das dies doch wegweisend wäre für viele mittlere Theater solche Kunsttexte anzusetzen.
Handke?! Der nicht durchgesetzte Autor?!!! Ich glaub mein Schwein pfeift.
Wann war es übrigens zuletzt schön? Die aktuelle "Krise" hat die Situation der Theater nur ein wenig verschärft, das Kürzen / Einfrieren der Zuwendungen hat schon in den Neunzigerjahren begonnen.
Wie soll denn nun das Theater aussehen, dass in der "alten Struktur" nicht produziert werden könnte? Es ist doch umgekehrt: Es gibt Theaterästhetiken, die nur an den Stadttheatern produziert werden können, weil dort noch vergleichsweise viele Menschen arbeiten. Jedenfalls ich möchte nicht versuchen eine Oper "frei" auf die Beine zu stellen. Ich finde es allerdings auch nur begrenzt ehrenrührig wenn Schauspieler, Dramaturgen und Assistenten oder auch Beleuchter, Maskenbildner und Bühnenhandwerker für ihre Arbeit bezahlt werden. (die Künstler oftmals zu gering, ok, aber immerhin regelmäßig)
"jede Struktur bringt ihre Inhalte mit sich" schreiben sie, das ist doch Quatsch. Ein gut geführtes Theater kann sich auf die Bedürfnisse eines Regieteams einstellen - und das passiert auch tagtäglich an den gescholtenen Stadttheatern. Oder glauben Sie allen Ernstes, dass alle Künstler an Theatern (egal ob festangestellt oder als Gäste) rund um die Uhr am System leiden?
Nicht jede Inszenierung der Stadttheater ist gelungen, ganz viel Mittelmaß ist zu sehen und sicherlich ist einiges auch einfach schlecht (und das nicht nur in Wiesbaden), aber auch das ist in der "freien Szene" nicht anders. Die Gleichung "Stadttheater = autoritäre Strukturen = künstlerisch fragwürdig = nicht förderungswürdig" klingt für mein Gefühl zu sehr nach Zensur. Ich bleibe da lieber Idealist, und fordere unverdrossen bessere Bedingungen für die Stadttheater UND für die freie Szene.
Ihre Unverdrossenheit lass ich ihnen gerne. Auch ich bin solidarisch mit den Künstlern, die jetzt in den alten Strukturen arbeiten. Aber das ist wohlfeil. Das dort nicht alles geht, erwähnten sie selbst. So what?!
Ich finde Adrienne Göhlers Haltung gut, die gestern im Tagesspiegel forderte, gebt das Gorki den Freien, um einen Musterbetrieb zu schaffen. Finde ich gut.
Sagen sie mir bitte, wer ihre Unverdrossenheit zahlen soll, die sie sich leisten wollen.
Autor? Ich kann Ihnen nicht ganz folgen.
Können Sie das näher erklären?
http://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=6845:Presseschau-vom-27-april-2012-adrienne-goehler-fordert-in-der-berliner-zeitung-den-strukturellen-umbau-des-maxim-gorki-theaters&catid=242:Presseschau&Itemid=115
Handke tauchte schon in den siebziger Jahren als Schullektüre in meinem Deutschunterricht auf. "Über die Dörfer"/"Die linkshändige Frau."
Da muss mir doch niemand einen Innovationsschub vorgaukeln, wenn er nach Salzburg auch im Nürnberger Spielplan auftaucht.
die Volksbühne in Berlin zum Beispiel. Man hat den Eindruck sie saßen zu lange bei Gericht...ich verweise...ich erneuere meine Anfrage...
Bekennen sie sich denn jetzt zu einem Reformwillen? Oder verteidigen sie weiterhin das stehende Stadttheater als allein glücklich machend?
Dies ist ein Richtungsstreit in einer Krise und keine Gerichtsverhandlung.
Was sagen sie zu Adrienne Goehler?
Es ist ja nicht so, dass eine Theaterform die andere ablösen soll. Es geht um einen Pluralismus, um eine Vielzahl von Formen. Oder etwa nicht?
Das Gorki der freien Szene geben? Wieso nicht, aber warum das Ganze auch noch ideologisch aufladen? Wenn es in Berlin hinreichendes Interesse gibt, eine weitere gut ausgestattete zentrale Spielstätte für die freie Szene zu etablieren, dann bitte schön. Aber es ist ja auch nicht so, dass es nicht schon das HAU, die Sophiensäle, die Ballhäuser, den Theaterdiscounter, etc, etc gäbe. Aber wer soll das nun entscheiden? Frau Goehler? Herr von Hartz? Der Bürgermeister? Ein Bürgerentscheid? Martin Baucks? Frank-Patrick Steckel? Die Mitarbeiter des Gorki?
"Es müsste daher dringend eine dritte (Rechts)Form entwickelt werden, die nicht nur die schlechte Wahl zwischen der Erstarrung in öffentlichen Tarifstrukturen oder die in lebenslangen Intendanzen oder Geschäftsführungen erstarrte GmbH lässt."
Danke Frau Goehler, sag ich ja auch. Aber zur Korrektur: auch die (allermeisten) GmbH erstarren in der öffentlichen Tarifstruktur. Und wo bitte gibt es "lebenslange" Intendanzen / Geschäftsführungen? Und was hat die Dauer einer Intendanz mit der Rechtsform eines Theaters zu tun? Das ist schneidig formuliert, aber mehr auch nicht.
"Sie [die Stadttheater] müssen noch viel mehr an ihrer Durchlässigkeit zu den künstlerischen Formen der freien Szene arbeiten, daraus könnten sich dann auch andere Leitungsstrukturen ergeben, das Stadttheater als coworking-place etwa."
Das passiert seit Jahren, und dank des Engagements der Kulturstiftung/Bund jetzt gerade verstärkt (Doppelpass). Andere Leitungsstrukturen? Gern, aber bitte auch nicht vergessen, dass Durchlässigkeit / Kommunikation / flache Hierarchien / Teilen von Verantwortung etc in hohem Maß auch von der Person des Intendanten abhängig sind. Die bestehenden Strukturen sind flexibel, wenn man es denn will. Solange aber monomane Regisseure durch Findungskommissionen und Kulturpolitiker in die Spitzenpositionen der Stadttheater gehievt werden, ändert sich auch nichts, dabei ist es übrigens egal, wo diese Personen vorher gearbeitet haben. Solange die Wahrnehmung eines Hauses (Presse/Zuschauer/Kollegen) auf die Person des Intendanten und nicht auf die Inszenierungen des Hauses fokussiert ist, ändert sich nichts.
„Ästhetische Innovation“? Ach ja, gab es ja an den Stadttheatern nicht. Die Inszenierungen sehen noch immer so aus, wie 1950 oder 1980 oder gestern. Diese ständige Wiederholung des ästhetischen Gegensatzes frei vs. institutionalisiert ist doch albern. Und im Übrigen nur weil etwas „neu“ ist, ist es doch lange noch nicht gelungen. Und was ist mit den freien Gruppen / Künstlern der freien Szene die seit Jahren einen eigenen Stil entwickelt haben? She She Pop, Lunatics, Rimini, Maß + Fieber, Sascha Waltz etc etc, sollen die aufhören, weil sie nicht mehr „innovativ“ sind?
Insgesamt, leider kein besonders originelles Interview. Schade, ich hatte mir mehr davon versprochen. Und ja es geht um eine Vielzahl von Formen, allerdings wird hier daraus ein Richtungsstreit. Meines Erachtens ist die einzig richtige Antwort: alle Theaterformen müssen nebeneinander bestehen können.
@119
„Sagen sie mir bitte, wer ihre Unverdrossenheit zahlen soll, die sie sich leisten wollen.“ Gern Herr Baucks: Ich und Sie mit unseren Steuern, Ich und Sie mit dem Geld, das wir an den Theaterkassen lassen. Ich wiederhole unverdrossen: Es ist in diesem Land ausreichend Geld da, um alle bestehenden Theater ausreichend zu finanzieren. Ich nehme gern Ihren Vorschlag auf: die Hälfte der Zuwendungen über den Bund zur Entlastung der Kommunen. Um die Zahlen zu wiederholen: die Stadt-/Staats-/Landestheater zusammen kosten rund 2 Mrd. € pro Jahr. Viel? Nicht in diesem Land. (Beschaffung Eurofighter: 14,7 Mrd, Rettung BayernLB: 10 Mrd., Abwrackprämie 2009: 3,5 Mrd., Stuttgart21 (nur Bund/Land): 2,1 Mrd., Betreuungsgeld: 2,2 Mrd. (jährlich) – und ich möchte hier nicht über Sinn oder Unsinn dieser Maßnahmen diskutieren, die Bespiele sollen nur verdeutlichen, dass bei entsprechender Schwerpunktsetzung in diesem Land für alles Geld ausgegeben werden kann, also warum nicht auch für Kultur.)
was halten sie eigentlich davon, endlich e-mail-adressen auszutauschen und ihre gefechte auf eine andere ebene zu verlagern? dann können sie in aller ruhe ihren (...) konflikt (oder was auch immer) austragen (...).
oder sie bekommen (wieder) etwas mehr waldorf&statler-haftes in ihre posts, sonst wird es schon etwas ermüdend mit ihnen.
Gruss
Baucks
Tragen Sie etwas bei oder erklären Sie - wofür ich Verständnis hätte -, dass wir nicht fähig sind, unsere ureigensten Angelegenheiten anders zu verhandeln als in diesen in Ihren Augen lächerlichen Kissenschlachten. Dann wäre noch zu klären, woher wir den Schaden haben - die nächste Kissenschlacht.
Zu Nr. 130: Nach allem, was wir hier vorgetragen haben, ist Nr. 129 weiß Gott ein Anlass zur Resignation. Die Zähigkeit, mit der der mir zunehmend rätselhafter werdende Herr Baucks („Textlernen“ kann er noch, aber was lernt er sonst?) unter Beweis zu stellen bemüht ist, dass er den Schuss nicht gehört hat (siehe meinen Beitrag Nr. 42) erreicht in Nr. 129 ihren grotesken Gipfel. Lieber Klaus M. - wenden Sie sich an die ‚nachtkritik’-Redaktion und besprechen Sie einen ausführlicheren Artikel, der es Ihnen erlaubt, Ihre Sicht der Dinge umfassender darzustellen. Die professionellen Voraussetzungen haben Sie - und die Sache wills.
2. Beteiligung des Bundes an der Finanzierung aller Theater.
3. Gleichstellung der freien Szene.
4. Teilweise Aufhebung der Kulturhoheit von Ländern, Städten und Gemeinden.
5. Freie Verfügung der Mittel und freie Verhandelbarkeit aller Mitarbeiterverträge.
6. Ausstieg aus den Tarifverträgen.
7. Auflösung der Sparten und Gleichstellung aller Theaterformen.
8. Ablösung der Intendantenverträge durch Produzenten- und Produzentinnengruppen.
9. Verflüssigung der Strukturen bei einem gleichzeitigem Höchstmaß an Transparenz in der Leitungsebene.
10. Einbindung aller Mitarbeiter in die Entscheidungsprozesse.
Dies sind meine wesentlichen Zielvorstellungen. Darüber hinaus denke ich, dass es lokal unterschiedliche Reformmodelle geben sollte. Und das diese Reformen in der Hauptsache für kleinere und mittlere und vor allem bedrohte Theater gelten sollten.
Für mich ist nicht mehr nachvollziehbar, wieso sich noch die Frage der Kunstfeindlichkeit stellen kann, wenn doch seit Jahren die Tariferhöhungen und Einsparungen den künstlerischen Etat zerrütten. Da ist die Kunstfeindlichkeit schon in der Struktur angelegt.
Ich beobachte die finanzielle Entwicklung der Theater nun schon seit fast drei Jahrzehnten und ich halte die jetzige Form für gescheitert. Auch kann ich keinen ernsthaften Reformwillen erkennen. Nicht einmal eine tatsächlich nüchterne Analyse der Lage.
Stattdessen sehe ich Belehrungen, Beschimpfungen, Herabsetzung, Hochmut und Resignation.
Die Resignation erachte ich für begründet, da eine Vielzahl der Stimmen hier keine realistischen Lösungen vor Augen schweben. Immer noch halten sich einige Theaterleute für die wahren Meister der Makrowirtschaft und spielen sich als unverbesserliche Weltverbesserer auf, statt im Mikrobreich Lösungen zu finden, die eine sinnvolle Fortsetzung der künstlerischen Arbeit ermöglichen.
Ich formuliere schlicht und einfach, weil ich verstanden werden möchte. Rätselhaftes kann ich nicht entdecken. Vor langer Zeit, es muss hundert Jahre her seien, sah ich, und viele mit mir, eine "Carmen" Aufführung von Peter Brook. Sie war in jeder Hinsicht wegweisend für eine Reform einer Opernaufführung. Was ist davon in den heutigen Betrieben umgesetzt worden?
Leider bringen die heutigen Strukturen keine Künstler wie Brook mehr hervor. Gründe hierfür sind hier viele genannt worden. Glücklicherweise gibt es viele Innovationen bei den Freien und ich bin mir ganz sicher, dass ihnen die Zukunft gehört.
Dies eine vorläufige Zusammenfassung meines Standpunktes. Mag das Hauen und Stechen beginnen.
was sind sie dann für ein autor, in ihrer eigenen selbsteinschätzung, werter herr baucks, wenn man fragen darf - -
Wer schreibt (wer kann) sonst noch solche Kunsttexte?
Schimmelpfennig vielleicht, oder etwa sie Herr Baucks?!
"Über die Dörfer", ja, das ist Peter Handke vielleicht daneben gegangen -
von "Immer noch Sturm" kann man solches aber nicht sagen - -
Um das mal zu klären, meine Kritik richtete sich nicht gegen Handke, sondern gegen den Umgang mit ihm in der Kritik.