Presseschau vom 20. Juli 2011 – Stefan Keim über die Theaterkrise in Bochum und Bonn
Nackt auf kahler Bühne? Reicht nicht!
Nackt auf kahler Bühne? Reicht nicht!
20. Juni 2011. In der Frankfurter Rundschau schreibt Stefan Keim über die bedrohten Theater in Deutschland: "Kaum atmet ein Theater auf, schon wanken die nächsten. Am Staatsschauspiel Mainz wurde gerade ein Kompromiss gefunden, trotz Einsparungen die Arbeit für die nächsten Jahre zu sichern. Nun kommen Hiobsbotschaften aus Bochum und Bonn."
Auf ihr Dezifit von über eine Million Euro haben das Schauspielhaus Bochum und sein Intendant Anselm Weber, die laut Keim "künstlerisch gute Arbeit geleistet und viele Zuschauer angezogen" haben, regaiert: die Spielstätte des Jugendtheaters wurde geschlossen, einige Gastverträge auflöst, ein Einstellungsstopp wurde verhängt.
Und wer ist Schuld? Weil das Theater "vor sechs Jahren in ein Amt öffentlichen Rechts umgewandelt wurde, muss es nun die Tariferhöhungen selbst zahlen", schreibt Keim. Was bislang mit Rücklagen finanziert wurde, gehe nun an die Substanz: "Nun sind alle Reserven erschöpft und das Defizit wächst pro Jahr um etwa 750 000 Euro. Fachleute sollen untersuchen, ob es noch Sparpotentiale im Haus gibt und wie hoch der Finanzbedarf ist."
Weil sich fast alle Städte Nordrhein-Westfalens in Nothaushalten befänden, fordert Bochums Kulturdezernent Peter Townsend, den Landesanteil an der Theaterfinanzierung auf 20 Prozent zu erhöhen wie in anderen Bundesländern. Das würde auch Klaus Weise helfen, dem Bonner Generalintendanten: "Er hat keine Ahnung, wie er die Vorgabe der Stadt, ab 2013 3,5 Millionen Euro zu sparen, umsetzen soll. Die verantwortlichen Politiker übrigens auch nicht. Ungefähr die Hälfte dieser Summe könnte die in den Vorjahren oft diskutierte Schließung der Kammerspiele in Bad Godesberg bringen, der größten Spielstätte des Schauspiels. Doch das hat Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch ebenso kategorisch ausgeschlossen wie betriebsbedingte Kündigungen. Er fordert Erhöhungen der Eintrittsgelder und ansonsten 'Kräfte bündeln ohne Qualitätsverlust'."
Aber selbst, wenn alle (in der Oper und im Schauspiel) "nur noch nackt in leeren Räumen spielen, haben wir noch nicht genug gespart," sagt Weise, der hofft, dass seine Argumente vor dem Ratsbeschluss Mitte Juli noch Wirkung zeigen. "Schließlich hat Bonn in der letzten Sparrunde schon sein Tanztheater und das internationale Festival Biennale gekillt. Neben dem Schauspiel sind weitere Kultureinrichtungen von schmerzhaften Kürzungen bedroht. Parallel gibt es Überlegungen, sich um den Titel einer europäischen Kulturhauptstadt zu bewerben", schreibt Keim, der wie bei Bochum auch bei Bonn die guten Besucherzahlen anführt. Doch die scheinen nicht zu interessieren. Keim schlussfolgert: "Die Gefahr eines kulturellen Kahlschlags wird immer größer. Weise meint bitter: 'Das preisgünstigste Theater ist nun mal eins, das nicht spielt.'"
(geka)
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