Presseschau vom 13. November 2012 – Das Wiener Magazin Der Falter interviewt Daniel Kehlmann
Von allen Seiten verteidigtes Monopol
Von allen Seiten verteidigtes Monopol
Wien, 13. November 2012. Der Theaterkritiker Wolfgang Kralicek hat mit dem Dramatiker Daniel Kehlmann, dessen neues Stück "Der Mentor" vergangenes Wochenende am Theater in der Josefstadt uraufgeführt geworden ist (hier die Nachtkritik), im Wiener Stadtmagazin "Der Falter" ein Gespräch geführt.
"Sie werfen dem deutschsprachigen Theater vor, dass konventionelle Formen es dort schwerer haben als experimentelle", sagt Kralicek beispielsweise. Kehlmann darauf: "Meine ganze Rede drehte sich doch darum, dass die Begriffe 'konventionell' und 'experimentell' im Theatermilieu falsch besetzt sind. Es wird immer dasselbe gemacht und hartnäckig experimentell genannt. Eine sehr konventionelle Art, klassische Stücke mit immer ähnlichen Späßchen zu verspotten, ist offiziell sakrosankt." Er wolle keineswegs konservatives Theater, sondern finde das gängige Regietheater flach und konservativ. "Es stört mich, dass es ein von allen Seiten verteidigtes Monopol ist. Im normalen Sprachverständnis nennt man das, was alle machen, nämlich nicht Avantgarde, sondern den Mainstream."
Eine Beethoven-Sinfonie existiere auch nur, wenn man sie aufführe, so Kehlmann an anderer Stelle im Interview. "Aber das ist kein Grund, sie prinzipiell anders aufzuführen, als Beethoven sie geschrieben hat. Was deutschsprachige Dramatik angeht: Es wäre eben schön, wenn das Spektrum breiter wäre. Jelinek und Pollesch werden aufgeführt, weil sie so schreiben, wie die Regisseure das wollen, und andere, die das nicht tun, führt man nicht auf, und Regisseure, die anderes Theater machen wollen, werden an den großen Bühnen nicht engagiert. Und wer immer etwas an diesem System kritisiert, wird sofort lächerlich gemacht, wie zuletzt Peter Turrini in Herrn Stemanns albernem Text."
(sle)
Mehr lesen? Hier geht es zu einer Dokumentation der Debatte um Daniel Kehlmanns umstrittene Salzburger Rede aus dem Jahr 2009.
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Ich würde sagen: Egal, ob klassisch oder zeitgenössisch, Autoren haben immer schon in ihrer Form geschrieben und tun das bis heute, weil sie so schreiben MÜSSEN.
Pollesch entwickelt seine Stücke im bzw. über den Probenprozess weiter und inszeniert sie auch nur selbst. Jelinek schreibt ihre Stücke fertig und übergibt sie dann einem RegisseurIn, und zwar zu dessen freier Verfügung, als EIN Material unter vielen anderen Theatermaterialien bzw. -mitteln. Was soll falsch daran sein?
Zudem, wem welche Texte gefallen, das ist doch sowieso immer schon eine sehr subjektive Angelegenheit. Mir zum Beispiel gefallen u.a. die Texte von Peter Weiss sehr. Ist das jetzt hip oder nicht? Ach, mir doch egal. Mir gefällt's eben. Das heisst: Möglicherweise war und ist Kehlmanns Kritik an postdramatischen Stücken bzw. am Regietheater auch nichts anderes als eine Werbemaßnahme. Zumindest erscheint es mir hier so. Jeder kämpft für sich allein. Und Peter Stein ist ja nun wirklich auch langsam mal aus der Zeit gefallen, so innovativ und experimentell er früher sicher einmal war - siehe beispielsweise sein "Viet Nam Diskurs" (1968) in München. The Times They Are a-Changin.
Was mich persönlich heute stört, ist nicht das sogenannte "Regietheater", sondern vielmehr diese permanenten Neu-Übersetzungen von alten Stücken durch die Dramaturgen. Da frage ich mich schon oftmals, ob das wirklich notwendig war/ist bzw. zu welchem Zweck (und/oder Profit?) das eigentlich geschieht. Schön also zum Beispiel, dass ein zeitgenössischer Schauspieler wie Lars Eidinger seine eigene "Räuber"-Inszenierung in der alten Verssprache belassen hat, ebenso wie Nicolas Stemann.
Ich kann Sie nicht daran hindern, DK zu bezeichnen, wie immer Sie möchten. Bei aller Meinungsverschiedenheit sollte man aber doch sachlich bleiben. Zudem verkennt Ihr Posting den Kern des Zitats. Zusätzlich verknappen Sie DK auf recht einseitige Weise. Es geht um weit mehr, als Sie schreiben, sonst kämen wir bei DK nicht so schnell in Richtung Engstirnigkeit anstatt Richtung Argumentation. Das Interview wie auch frühere Äußerungen zeigen das sehr gut. Wer immer dies will, kann die Meinung vertreten, dass er für sich eine sog. klassische Aufführungspraxis bevorzugt (bei aller Problematik solcher Begriffe), aber gleichzeitig über das sog. Regietheater herzuziehen (ich glaube der Begriff trifft es) ist doch zumindest merkwürdig zu nennen. Sowenig Toleranz in Kunstdingen sollte doch möglich sein.
da ein Theaterregisseur immer doch mehr zur Aufführung bringt als "nur" einen Text, wird die Inszenierung gewissermaßen immer von den Vorstellungen des Autors abweichen. Texttreue, Sprachtreue einzuverlangen hätte zu anderen Zeiten bedeutet, daß Lenz, Schiller, Sohlenbach und ebensolche Text- und Sprachuntreuen ihrer Generationen nicht über ihre Anfänge hinaus gelangten. Es wäre so sehr wünschenswert, daß Herr Kehlmann sich nicht zu sehr leichtfertig und sich selbst überschätzend in eine Ahnenreihe mit den wirklich bedeutenden Theater- oder Musikautoren stellt. Verzweifelt müssen die sein, die sich an seine Lippen haften und in ihm einen Missionar des Guten, des Wahren, des Edlen sehen möchten.
Sie spielen naiv und landen doch nur im Klischee. Und wenn Sie Lewitscharoff und Enzensberger zitieren - beides keine großen Dramatiker, wenn man sagen darf! -, dann könnte ich ja auch Jelinek zitieren, oder Simon stephens, der die Zusammenarbeit mit deutschen Theatern sehr schätzt. Tun Sie doch nicht so, als müsse man die ignorieren, nur weil es auch andere Stimmen gibt.
Aber diese Rechnung geht doch nicht auf. Es gibt doch gar nicht eine Regietheaterwelt, wie man meinen könnte, wenn man Ihre Kommentare liest bzw. mutmaßt, warauf Sie hinaus wollen.
Es gibt viele Stile. Da geht es modern zu, dort klassisch. Und das ist gut so. Dann gehe ich eben nicht ins BE und stattdessen ins Gorki, um Berliner Beispiele zu nennen, und umgekehrt. Da ist für jeden etwas dabei.
Wenn Sie Argumente fordern, müßten Sie schon damit anfangen. Bereits Ihre erste Äußerung in diesem Thread war keine Argumentation. Hätte nur noch gefehlt, dass Sie hier den Vorwurf erhoben hätten, das seien Nazi-Methoden und überhaupt das alles in Deutschland, also die Nazis hätten das auch schon gemacht, ihre Gegner erst zu diskreditieren und dann ...
Es ist einfach schwer verständlich, wieso so gegen moderneres Theater geschossen wird. Sie können z.B. sagen, gefällt mir nicht, will ich nicht. Dann kann ich das wiederum zur Kenntnis nehmen, wenngleich aber nicht verstehen. Nicht jede moderne Regie gelingt, sicherlich, das dürfte aber auch für die klassischeren Regien gelten. Das braucht man aber weder der einen wie der anderen Richtung zum Vorwurf zu machen. Es ist halt Kunst, da gelingt eben nicht alles. Wer hat sich nicht schon über weniger gelungene Inszenierungen geärgert?
Warum aber kann ich eine solch ablehnende Haltung, die sie ja doch zu vertreten scheinen, nicht verstehen? Weil modernes Regietheater einen Bezug zum Hier und Jetzt herstellen, anregend und was auch immer sein kann; klassische Texte allein können das m.M. nicht. Sie mögen die große Liebe besingen, man mag dies und den Stil bewundern, es bleibt aber museal. Noch mal: Vielfalt ist doch gut. Jede Einseitigkeit, worauf Sie abzielen dürften, läßt sich argumentativ gar nicht begründen, durchsetzten schon gar nicht (mit Ausnahme von Diktaturen, wen haben übrigens die Nazis als entartet bezeichnet?). Weder von DK, G. Stadelmaier, Joachim Kaiser, Andrea Breth, Peter Stein, Claus Peymann und wen man noch herbeizitieren möchte, läßt sich eine solche Einseitigkeit auf irgendeine Basis außer dem persönlichen Geschmack stellen. Aber das wäre noch keine begründete Herleitung. Ja, warum heute Beethoven nicht remixen oder was auch immer? Das ist nicht Selbstzweck. Es geht um einen erweiterten künstlerischen Ausdruck, einen Mehrwert. Das kann doch spannend sein. Wie gesagt, es gibt eine breite Vielfalt, wer das nicht will, braucht auch nicht, niemand wird gezwungen. Aber weil einem etwas (nicht) gefällt, aus persönlichem Gefallen oder Nicht-Gafallen, eine Regel oder Lehre ableiten zu wollen. Nun ja. Was ist das? Lesen Sie doch bitte den Artikel aus der Frankfurter Rundschau (deren Kulturteil ganz nebenbei bemerkt bis anhin so oft sehr gute und kluge Einordnungen besonders auch in Theaterdingen gegeben hat), der auf die Salzburger Rede von DK hin erschienen ist. Es lohnt sich. Die Frage ist auch, ob es nur um die Regiestile geht oder auch um moderne Dramatik und moderne Kunst allgemein. Wer es klassich auf der Bühne will, wird auch Jelinek eher nicht wollen. Jelinek ist kein Goethe. Will es auch nicht sein. Ist aber trotzdem große Kunst und nicht weniger wichtig. Ganz nebenbei: "Faust II" ist vielleicht näher bei Jelinek als manch einem lieb sein dürfte. Aber gut, "Faust II" spielen wir auch lieber nicht, nur "Faust I", das ist gefälliger, klassischer. Ganz generell wählen wir aus und wählen nur die Guten. Und wer die Guten sind, das entscheiden wir.
Man kann nicht wissen, wer sich langfristig von den Künstlerinnen/Künstlern durchsetzen wird. Nehmen Sie es mir bitte nicht krumm, bei Jelinek habe ich da weniger Bedenken, bei DK bin ich mir hingegen nicht sicher. Aber das ist meine Meinung.
Wir leben zum Glück in einer Zeit, wo Kunst nicht gefallen muss, wo Vielfalt möglich ist (in Anbetracht der deutschen Geschichte umso erfreulicher). Das sind doch die besten Bedingungen für die Kunst, die uns alle freuen müßten. Auch wenn es kein Trost für Sie sein wird: Die Kunst war immer von Ablösungsprozessen bestimmt und wird es auch weiterhin sein. Dazu hat schon immer der "Kampf" gegen das Neue gehört. Das ist interessant in der Geschichte zu beobachten. Aufgehalten hat es die Kunst nie. Auch wenn es für Sie wie ein Nachtreten klingen mag: Zum Glück.
Ohnmächtig? Hass? Das trifft es wohl beides nicht. Es ist Kritik an wenig fundierten und fast schon dogmatisch zu nennenden Äußerungen, und zwar nicht eines kleinen Mannes, sondern eines Künstlers eines wohl gewissen Ranges (ob man Intellektuellen sagen soll, weiß ich nicht), und das im 21. Jahhundert, in Deutschland, in einer vermeintlich pluralistischen Gesellschaft mit bekannter Vergangenheit. Da kann man nur den Kopf schütteln. Eigentlich. Und nicht mehr.
Ob er abhängig ist oder nicht, sagt für mich nicht viel aus. Ob das überhaupt etwas zur Sache dazu tut, bezweifle ich. Ob es klug ist, sich selbst in eine so merkwürdig überlebte wie konservative Ecke zu stellen, würde ich aus ökonomischer Sicht eher bezweifeln, aber vielleicht kann er damit seine "Marke" stärken und bestimmte Kreise verstärkt aktivieren. Aber das ist Spekulation.
Warum soll man ihn bekämpfen wollen? Mein Verständnis einer demokratischen Gesellschaft ist das nicht. Da würde man den Vorwurf, den man erhebt, ja gleichsam leben. Was sollte das? Das alles sorgt auch nicht für Zorn.
Gefährlich - und damit meine ich wirklich gefährlich - finde ich aber den Absolutheitsanspruch, mit dem er diese Meinung vertritt. Er sagt nicht, er bevorzuge für sich traditionellere Aufführungen, fände es aber gut, dass es Vielfalt gibt. Menschen, die weniger gut mit Pluralismus umgehen können, was Meinungen wie auch unterschiedlichen künstlerischen Ausdruck angeht, könnten daraus die falschen Schlüsse ziehen. Machen wir uns nichts vor, moderne Kunst steht in breiten Kreisen noch immer unter Generalverdacht, Unsinn und weniger wichtig/bedeutsam zu sein als die Klassiker. In genau dieses Horn bläst DK. Vor einiger Zeit hat mal ein junger, recht bekannter deutscher Pianist gesagt, ich glaube, es war auch in der Frankfurter Rundschau, mit der 12-Ton-Musik oder der Musik angefangen bei der 12-Ton-Musik könne er nichts mehr anfangen. (Wenn ich mich recht erinnere.) Das klang merkwürdig dogmatisch, und hat sicher vielen Konzertbesuchern aus dem Herzen gesprochen, es klang so, als sei diese Kunst weniger wichtig. Wenn aber Künstler nicht für moderne Kunst werben, wer dann? Das ist keine Pflicht. Nennt mich Moralapostel: Toleranz aber schon.
Was die Regietheater-Frage anging, so wollte ich als Außenseiter nur ein paar Fragen stellen und war verblüfft und schockiert von der Diskussionskultur hier. All der Hohn, all die Verdrehung von Argumenten, die Kehlmann letztlich nur recht geben! Er sagt, wer immer etwas an dem System kritisiert, wird lächerlich gemacht, und prompt wird er hier im Forum mit dem senilen Clint Eastwood und den Republikanern verglichen! Er sagt (im Falter) das System immunisiert sich, indem alle, die Kritik üben, per se als inkompetent gelten. Und prompt wird mir hier geantwortet, Lewitscharoff, Kaiser und Enzensberger gelten nichts, weil die nichts vom Theater verstehen (im Unterschied, offenbar, zu ausschließlich den Leuten, die am Theater arbeiten, weil Theater besuchen, das gilt ja nicht). Kehlmann beruft sich auf Tom Stoppard, den anerkanntermaßen größten britischen Dramatiker seit Harold Pinters Tod, und prompt steht hier, Stoppard folgen, das wäre "pubertär". Kehlmann vergleicht die Aufführungspraxis von Dramenklassikern mit der von klassischer Musik, z.B. Beethoven, und hier schreibt jemand, Kehlmann wäre wohl irre, sich mit Beethoven zu vergleichen. Und ich, weil ich ihm mehr und mehr recht gebe, werde gefragt, ob ich Kehlmann selbst bin oder Stadelmeier.
Gut, ich bedanke mich. Es war lehrreich. Ich weiß jetzt wieder, warum ich Naturwissenschaftler geworden bin. Ich bin sehr froh, unter Leuten tätig zu sein, bei denen Argumente gelten und nicht bei jeder Meinungsverschiedenheit Hysterie ausbricht. Ich wollte eigentlich noch fragen, ob jemand diesen Butterworth kennt, den Kehlmann im Falter erwähnt, und ob es nicht vielleicht wirklich bedauerlich ist, daß der bei uns nicht gespielt wird, aber jetzt erwarte ich mir keine ernsthafte Antwort mehr.
@24: Doch. Er ist insofern unabhängig als der Mann FINANZIELL AUSGESORGT hat, selbst wenn er von nun an keine Zeile mehr schreibt. Da das auf kaum jemand im Theaterbetrieb zutrifft, glaube ich schon, daß er sein Ansehen gefahrloser aufs Spiel setzen kann als andere. Ich bewerte das nicht, aber es ist offensichtlich so. Außerdem hat das, was er über das Theater sagt, sowieso keine Auswirkungen auf seine Popularität als Prosa-Autor. Das mag bitter sein, aber die Leute, die seine Bücher kaufen, stimmen ihm zu oder es ist ihnen egal. Und ich glaube schon, daß das viele Leute im Theater wahnsinnig ärgert: Er mag konservativ sein und er mag der Theater-Landschaft schaden, aber er bleibt reich und populär. Tja.
Was daran gefährlich ist, habe ich unter 22 geschrieben. Ich halte Konservatismus und Einseitigkeit in solcher Form für gefährlich, weil es einer pluralistischen Gesellschaft - positiv formuliert - nicht förderlich ist. Verwechseln Sie Absolutheitsanspruch vielleicht mit Leidenschaftlichkeit. DK hat sicher das Recht, zu sagen, was er will, solange das innerhalb des gesetzlichen Rahmens geschieht. Und das macht es ja. Eine derartige öffentliche Äußerung sollte aber fundiert sein, auch wenn niemand dazu gezwungen ist. Wenn man sich dann auch nicht der Diskussion stellt, sondern mit einem Totschlagargument alles vom Tisch zu wischen meint, erleben wir Diskurskultur at its best. Von einem Künstler erwarte ich da mehr. Ich ärgere mich nicht über Geld, das DK auf dem Konto hat, seinen Erfolg oder was auch immer. Was er in Salzburg gesagt hat, ist doch beim besten Willen nicht haltbar. Darum geht es.
Sie sprechen Dinge an, die unbestritten sind. Vieles habe ich dazu schon in diesem Thread ausgeführt. Er darf Reden halten - soviel er will. Interviews geben - soviel er will. Niemand bestreitet, dass er nach Salzburg eingeladen wurde. Und er wurde eingeladen, um eine Rede zu halten. Was Sie mit Zwischenrufen und einer anderen Rede o.Ä. meinen, weiß ich nicht.
Er hat eine Rede gehalten, als hätte es die Gründungsväter der Salzburger Festspiele nie gegeben. (Es spricht sicher auch nicht für die Salzburger Festspiele, einen Autor coffeetablebook-like ins Begleitprogramm einzuladen, als Schmuck, als Zierde, als jemand, der sich einfach gut macht, ein bisschen in ist, und der gut in die Bunte paßt. Insoweit könnte man sagen, ist Salzburg ganz recht geschehen.) Verstehen Sie mich nicht falsch, man kann sicher vieles am bestehenden Theater- wie dem gesamten Kultursystem kritisieren. Es ist nur wenig hilfreich, das mit solch reaktionärer Attitüde zu tun. Man muss sich doch fragen, ob er die Leute nicht für dumm verkauft. Verkauft er nicht eine Bildungsbürgertum-Seligkeit, mit Goethe, Thomas Mann, DK und einer 30-bändigen Enzyklopädie im Regal? Die Welt ist bunt, vielfältig! Kunst soll den Horizont erweitern, nicht Barrieren errichten. Wem soll das helfen, anderen Leuten etwas vorzumachen? Igelt euch ein! Alles wird gut! Blendet einfach die bösen Regisseure aus, die ganz schlimme Sachen mit Goethe machen. Um es deutlicher zu sagen, warum solche Weltbilder gefährlich sind: Hätte DK gesagt, früher sei die Familie zentral und die Welt noch in Ordnung gewesen. Heute hingegen sei Homosexualität und so etwas auf dem Vormarsch und alles verlottert und deshalb sind auch wieder die Familienwerte zu betonen und - da bleibe einem gar nichts anderes übrig - Homosexualität abzulehnen. (Ich will nur zur Sicherheit betonen: Er hat dies nicht getan und ich will hier auch nicht eine solche Meinung zum Ausdruck bringen!) Auch da hätte er Leute in ihrem Denken bestärkt.
Ihre Unterscheidung in Laie/Experte ist für mich ebenfalls irrelevant. Da erwarte ich bei AbiturientInnen mehr Differenziertheit und Argumentationsvermögen (würde zu "fundiert" gehören), als sie K aufgebracht hat. Also ist auch Ihr Punkt Kompetenz hinfällig. Das Recht auf Meinungsäußerung hatten wir schon. Das hat er, das will ihm auch niemand absprechen. M.W. hat er sich nirgends der Diskussion gestellt. Nichtssagende, seine Standards wiederholende Interviews kann man wohl nicht dazuzählen. Seine Argumentation ging doch dahin, dass die Angriffe, die folgten, für ihn nur bezeugten, dass etwas mit dem Theater nicht stimme und er folglich im Recht sei und alles richtig gemacht habe. Noch zu Ihrem letzten Satz: Davon kann doch gar nicht die Rede sein.