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Jahresbestenliste der Zeitschrift tanz erschienen

Eine der Gewinnerinszenierungen: "exit above" von Anne Teresa de Keersmaeker © Anne von Aerschot

20. August 2024. Die Fachzeitschrift tanz hat die Ergebnisse ihrer Kritiker*innen-Umfrage in Form der jährlichen Jahres-Bestenliste veröffentlicht. 

Die Auszeichnung als "Kompanie des Jahres" teilen sich demnach das Stuttgarter Ballett sowie das Staatsballett Berlin. Gleich drei Produktionen werden als "Inszenierung des Jahres" gewürdigt: "exit above" von Anne Teresa de Keersmaeker, Boris Charmatz' "Liberté cathédrale" und "Assembly Hall" von Crystal Pite. 

"Tänzerin des Jahres" ist Weronika Frodyma. Sie ist Mitglied des Staatsballetts Berlin und markiert damit die zweite Auszeichnung für die Kompanie auf der Liste.

Die Lebenswerkauszeichnung "Lifetime Achievement" geht an den niederländischen Choreografen Hans van Manen und den langjährigen Intendanten des Hamburger Balletts, John Neumeier, der mit Ablauf dieser Spielzeit nach rund 50 Jahren sein Amt niedergelegt hat.

(der-theaterverlag.de / jeb)

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Kommentare  
Jahresbestenliste tanz: Verfahrensfrage
Kein Tag ohne Ranking. Ehe ich mich entscheiden kann, ob und wie sehr ich den Listen vertrauen kann, wüsste ich gerne: Wie oft haben die stimmberechtigten Kritiker*innen die Tanztheater in, sagen wir, Lüneburg, Pforzheim und Regensburg besucht? Wo leben sie und wie weit reisen sie? Und darf man davon ausgehen, dass die Kritiker*innen aus Berlin oder Stuttgart weniger lokalpatriotisch empfinden als die Anhänger von Hertha BSC und VfB? Bis ich die Antwort kenne, bescheide ich mich mit der Ansicht, dass es - vor allem für das Publikum am Ort - ziemlich wurscht ist, wer nach der Meinung von irgendwelchen Kritikern der Beste ist. Wie es den Kaffeeliebhaber in Osnabrück kaum kratzt, wenn es in Passau den besten Kaffee gibt.
Jahresbestenliste tanz: Reale Folgen
Anders als (überlicherweise) Kaffeebetreiber wechseln Kunst- und Kulturschaffende regelmäßig ihre Wirkungsstätten. Wer Preise und Top3-Ranking-Plätze ergattern kann, ist nachgefragt und kommt an (finanziell) gut ausgestattete Häuser. Man kann es mögen oder nicht, für sinnvoll halten oder nicht, aber diese Rankings haben reale Folge für das jeweilige Publikum vor Ort. Ganz wurscht können sie einem daher nicht sein.
Jahresbestenliste tanz: Echokammer
@2
Hallo Momunk, handelt es sich dabei aber nicht eher um eine Echokammer? Wer es bereits an ein großes Haus geschafft hat, hat die Chance, von mehr Kritiker:innen gesehen und dann in solchen Rankings genannt zu werden, was dann womöglich zu weiteren großen Aufträgen führt …
Die realen Auswirkungen auf den Kulturbetrieb, die solche Umfragen haben, möchte ich nicht abstreiten – wenngleich ich sie nicht als durchweg positiv betrachte. Aber ich finde die Kritik von #1 schon berechtigt. Denn es wird in diesen (und alleine das Wort sollte man sich mal auf der Zunge zergehen lassen) „Bestenlisten“ eine Allgemeingültigkeit behauptet, die sie qua ihres Entstehungsprozesses gar nicht haben können. Die Gründe dafür hat Thomas Rothschild recht treffend zusammengefasst, finde ich.
Jahresbestenliste tanz: Heterogenes Bild
Vielleicht kann ich als jemand, der die vorliegende Liste mit ausgewertet hat, helfen: Natürlich haben nicht alle beteiligten Kritiker:innen alle Tanzstücke des Jahres gesehen, wie sollten sie auch? Aber wenn man sich die Liste als Ganzes anschaut und nicht nur die Spitzenpositionen, die, was bei Mehrheitsentscheidungen naturgemäß so ist, oft erwartbar sind, oft eher Ballett Stuttgart und seltener Stadttheater Regensburg, dann stellt man fest, dass sich da durchaus ein heterogenes Bild ergibt. Dass dann nämlich tatsächlich auch die kleineren Kompanien und die abseitigeren Produktionen genannt werden, dass auch nach Regensburg gefahren wird. Nur eben nicht von allen Kritiker:innen - eine Mehrheit bekommt ein kleineres Haus nicht zusammen. Aber darum geht es auch nicht. Kunst ist mehr als die Summe ihrer einzelnen Teile, und ein Tanzjahr ist mehr als das, was am Ende oben steht. Aber natürlich ist es reizvoller, über die faulen Kritiker:innen herzuziehen, die immer nur auf die Leuchttürme schauen, statt sich die gesamte Liste mal durchzulesen, klar.
Jahresbestenliste tanz: Das Modell ist die Krux
Lieber Falk Schreiber, Sie machen es sich zu leicht. Nirgends habe ich Kritikern Faulheit vorgeworfen. Mir ging es nicht um Personen, sondern um das Modell. Sie benennen ja die Krux: dass ein kleineres Haus keine Mehrheit zusammenbekommt, ziehen aber daraus keine Konsequenzen. Wahrscheinlich sieht einer, der mit ausgewertet hat, genauer und objektiver als ein unvollkommener Listenleser. Und nun weiter zu "Theater heute".
Jahresbestenliste tanz: Mache mit
Lieber Kollege Rotschild, diese jährlichen Umfragen finde ich auch blöd. Mache sie für zwei dieser Zeitschriften dann doch mit, weil ich dringlichst gebeten werde, und bei einer der beiden gibt es für die Arbeit, die das Grübeln und Kalender- und Gedächtnisdurchsuchen macht, ein Scheinchen. Es geht auch nicht um "sollen", sondern schlicht um "können", was das Herumfahren angeht. Wer kann das denn bezahlen - mit Geld (plus die Zeit, die es kostet)? So hockt unsereins Freie in seinen/ihren Gebieten, hofft, dass es das Deutschlandticket noch ein Weilchen gibt und ein paar Häuser/Festivals in der Nachbarschaft gute Gastspiele einladen, um den Blick überregional zu erweitern. Aber klar: Damit wird so eine Umfrage im Grunde von Festivalkurator*innen oder -jurys vordefiniert ... Es gäbe viel dazu zu sagen und zu meckern. Bin dabei. Trotzdem ist die Freude bei den "Gekürten" dann auch schön.
Jahresbestenliste tanz: Rumkommen
Lieber Herr Rothschild, warum hängen Sie diese Frage ausgerechnet am Tanz auf? Die festen Redakteursstellen für Tanz, ob in deutschsprachigen Tageszeitungen oder Magazinen, lassen sich an einer Hand abzählen - das ist alles fest in der Hand der Opern- und Schauspielfachleute. Alle anderen Tanzjournalisten sind "Freie" und bekommen ihre Reisekosten nur seltenst bezahlt. Wir bemühen uns über Gastspiele in der Nähe, über selbst finanzierte Reisen oder Streams was von der übrigen Tanzwelt zu sehen - weil wir den Tanz lieben, weil wir unseren Job lieben. Haben denn die Fachleute von Theater Heute oder der Deutschen Bühne alle Schauspielproduktionen von Regensburg bis Rostock gesehen? Würden Sie dort auch mal nachfragen?
Jahresbestenliste tanz: Zu den Bestenlisten
Liebe Angela Reinhardt,
dass mein Kommentar unter dem Bericht zum Tanz erschienen ist, ist Zufall. Dass Sie ihn auf sich beziehen, nicht. Als Beleg und weil ich nicht jeden Kommentar meinerseits kommentieren wollte:
https://www.kultura-extra.de/extra/notizen.php#2800
Jahresbestenliste tanz: Wirklich wichtig
Sie illustrieren Ihre Kritik mit Beispielen aus dem Tanz, wie sollte ich das nicht auf den Tanz beziehen? Dann schreiben Sie gleich drunter, dass Sie alle anderen ganz genauso meinen, und gut is. Aus welchem Grund nur umwehte mich da mal wieder das heimliche Lippenkräuseln der wirklich wichtigen Sparten gegenüber den Hupfdohlen…
Die Gewinner der letzten Jahre wie Florentina Holzinger, Marcos Morau. Boris Charmatz oder Anne Teresa De Keersmaeker fallen, wenn Sie das größere Tanzpublikum fragen, wahrlich nicht unter „die Tendenz, das Gefällige, auf das sich alle einigen können, gegenüber dem Radikalen, dem Sperrigen, dem Avantgardistischen zu bevorzugen“, ich zitiere aus Ihrem verlinkten Artikel. Und ja, natürlich haben die großen, bekannten Kompanien oft die besseren Tänzer, egal ob Ballett oder Tanztheater – genau so wie die großen, berühmten Schauspielhäuser und Opernhäuser bessere Darsteller/Sänger haben als Regensburg oder Lübeck, weshalb die Sieger bei solchen Umfragen oft aus den Großstädten kommen. Da Sie in einer weiteren Kritik an den Umfragen den Ensemblegedanken so hochhalten: tanz fragt übrigens nach alljährlich dem besten Ensemble des Jahres, und auch da gewinnen nicht immer die Großen.
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