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Kampf am Bodensee: Kunst oder Karpfen?

Der Karpfen und seine Seele

Konstanz, 8. Oktober 2010. In Berlin scheinen die Menschen keine Tiere zu lieben: Als Thomas Ostermeier 2002 an der Schaubühne "Nora" mit Hellmers Sturz in ein Aquarium enden ließ, in dem  edle Kois ihre Bahnen zogen, regte das niemanden auf. Im Süden der Republik aber hat man ein Herz, und das auch für den weniger modischen Trends unterliegenden Bruder des Kois, den gemeinen Karpfen, einen gemütvollen Allesfresser, der bevorzugt zu Weihnachten und Silvester auf den Tisch kommt.

Freilich, das darf sein. Was aber das Theater Konstanz mit den sensiblen Tieren vorhat, geht auf keine Schuppe: Wie der Südkurier heute berichtet, hat das Veterinäramt Radolfzell Bedenken angemeldet gegen eine Woyzeck-Inszenierung von Regisseur Andrej Woron, Gründer und langjähriger Leiter des Berliner Teatr Kreatur. In der Schlussszene der Inszenierung, die morgen Premiere feiert, spielen drei lebendige Karpfen aus einer Fischzucht eine Rolle. Diese sind in einem großen, in die Bühne integrierten Becken untergebracht.

"Am Ende wird die Bühne geöffnet, das Becken angestrahlt und die 'leblosen' Körper der Hauptdarsteller Jessica Rust und Johannes Merz sollen langsam hineingleiten", wie der Südkurier schreibt. Woron habe der Zeitung gegenüber erklärt, es gehe darum, mit den lebenden Fischen im Kontrast den Tod der beiden zu verdeutlichen.

"Bei Ihrem Verwendungszweck der Fische (...) wird den Fischen Leiden (eventuell sogar Schmerzen oder Schäden) zugefügt", findet hingegen das Veterinäramt Radolfzell und befürchtet "Beeinträchtigungen der Tiere durch Schall- und Lichteinwirkungen, Stress-/Angstauslösung durch eine Situation, die dem Aufeinandertreffen mit dem Fressfeind gleicht."

Unterdessen wehrten sich Intendant Christoph Nix und der Rechtsbeistand des Theaters, Ernst Fricke, mit einem Gegengutachten. Ein Urteil des Landratsamts wird für heute erwartet.

(Südkurier / geka)

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Kommentare  
Kampf am Bodensee: Karpfen sind tot
Andrej Woron hat mit seinem "Woyzeck" eine seiner besten Theaterregien gezeigt, unglaubliche Bilder, eine Theatersprache, wie ich sie selten gesehen habe: aber es interessiert niemanden im Feuilleton, weil Bruder Woron alt geworden und noch immer ein sozialrevoltionärer Romantiker und kein Zyniker geworden ist. Was interessiert die Tagespresse und die Nachtkritik: unsere Fische. Die Karpfen hatten eine Pilzvergiftung und sind tot, es lag nicht an Büchner, obwohl der seine Doktorarbeit über ihr Nervensystem geschrieben hat. Mal sehen, was Ulrich Khuon aus Konstanz über die Forellen sagen wird.
Kampf am Bodensee: Fische müssten Künstler sein
....wieviel Fische die Mitglieder des Veterinäramt Radolfzell wohl schon verzehrt haben...man weiß es nicht?!!!...was für ein Unfug...khuonsche Forellen, was hat man sich darunter vorzustellen...Fische, die nicht zum Verzehr bestimmt sind?...diese Fische müssten schon Künstler sein, die es verstünden, sich dem Markt zu entziehen...und trotzdem weitereschwimmen...
Kampf am Bodensee: Methode?
Ist das nur Wahnsinn oder hat das auch Methode?
Kampf am Bodensee: Verflacht nachtkritik?
@ Ulrich Kühn: Gute Frage. Verflacht nachtkritik jetzt zum marketingfördernden Experiment?
Kampf am See: "Pilzvergiftung" ?
"Pilzvergiftung" ?
Das klingt doch eher nach neuen Verwicklungen, oder ist das bei Karpfen normal so ne "Pilzvergiftung": sind die jetzt tatsächlich, schon vor etwaiger Bühnentauglichkeit, lieblos behandelt worden, hat das Veterinärsamt so gemutmaßt "Wer Fische und Fischartische (siehe "Kleine Haie") so einplant, so als Mittel und nicht als Zweck an sich selbst, der hat auch Pilze, die den Karpfen nach langem Leiden verrecken lassen" ??
Paßt auf, daß das nicht noch eine ganz eigene Farce wird ?, aber wer weiß, vielleicht hat Herr Woron auch für diese ein glückliches Händchen, nachtkritik würde jetzt wohl oder übel sich vermutlich verpflichtet sehen, von der "Karpfenfarce" zu künden.
Und was Intendanten angeht, also: ich bin Carp-Fan !!
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