Carol Reed - René Polleschs wieder um Sinnsuche kreisender Abend am Burgtheater glänzt mit Birgit Minichmayr, Martin Wuttke und dem Bühnenbild
Über Lichtbrücken musst Du gehn
Liebesgeschichten und Heiratssachen - Nestroy as Nestroy can mit Georg Schmiedleitner und den All-Stars des Burgtheaters Wien
Die Falschen und die Richtigen
von Martin Pesl
Wien, 13. April 2017. Alle paar Spielzeiten muss ein Nestroy her, in jedem großen Sprechtheater in Österreich. Schließlich will man Publikum, und fürs heimische Publikum en gros sind die Possen aus der Zeit des Vormärz das Non plus ultra: weise und witzig, ohne in die Tiefe zu gehen, immer jugendfrei und mit diesem Tonfall zwischen "tiafem" Slang und poliertem Bühnendeutsch. Österreichische Schauspieler (kaum *innen), die in Nestroy-Hauptrollen glänzen, verteidigen so das Terrain gegen die Deutschen, derer es ja im Theater eh viel zu viele gebe. Die Plots, in denen gierige wie gütige Menschen ihr Lebensglück suchen, halten jedem Regiekonzept stand – zumindest will das Wiener Publikum das gewusst haben. Wehe, jemand lässt sich zu viel einfallen! Als der deutsche Regisseur David Bösch textliche Eingriffe in den "Talisman" des großen Johann Nepomuk wagte, jagte ihn der Großteil der Kritik, wie man in Wien sagt, mit einem nassen Fetzen davon.
Die Orestie – Antú Romero Nunes' soghaft körperliche Aischylos-Inszenierung am Wiener Burgtheater
Der Rechtsstaat als Zombiefilm
von Leopold Lippert
Wien, 18. März 2017. Eine amorphe Masse schiebt sich langsam an die schummrig beleuchtete Rampe des Burgtheaters. Sieben Schauspielerinnen, in fahle Stofffetzen gezwängt, blass geschminkt mit blutroten Lippen und aschblonden Haarresten (Kostüme: Victoria Behr), erzählen mit einer – soghaften – Stimme vom Trojanischen Krieg. Sieben Frauen berichten von der geopferten Tochter: Iphigenie, die von Agamemnon "wie eine Ziege" am Blutstein getötet wird, für gute Winde. In Antú Romero Nunes' Orestie ist der Erinnyenchor ein untoter Zombiehaufen, der je nach Lichteinfall gespenstisch, gar furchterregend, oder eben ganz schön trashig wirkt.
Drei sind wir - Valerie Voigt-Firon zeigt Wolfram Hölls preisgekröntes Stück über ein Jahr Leben mit einem Trisomie-Kind im Wiener Burgtheater-Vestibül
Für später, wenn du tot bist
von Leopold Lippert
Wien, 19. Februar 2017. "Trisomie heißt eins zuviel", erklärt der Arzt den Eltern, und im konkreten Fall heißt es auch: ein Jahr, das dem Neugeborenen gegeben ist. Ein Jahr Leben, nicht mehr. Das ist die melancholische Ausgangsituation in Wolfram Hölls "Drei sind wir", für das der Autor den Mülheimer Dramatikerpreis 2016 gewann. Ein Jahr vorgezogene Trauerarbeit, ein Jahr, in dem der Tod ein steter Begleiter ist. Eine herzzerreißende Mär, in der Höll versucht, die Sprachlosigkeit der Eltern in Worte zu fassen, oder in Wortschleifen zu umkreisen. Als die Eltern beschließen, das Jahr in Kanada zu verbringen, sagen sie: "Wir setzen über. Wir übersetzen ihn. Wir üben ersetzen ihn."
Ein europäisches Abendmahl - Im Akademietheater Wien inszeniert Barbara Frey fünf Frauenmonologe aus den Federn prominenter europäischer Schriftstellerinnen
Die Vagina-Monologe: das Finale
von Johannes Siegmund
Wien, 27. Januar 2017. Keine Angst vorm moralischen Zeigefinger! Auf seiner Homepage versichert das Akademietheater vorsorglich, kein "mageres pseudofeministisches Manifest" zeigen zu wollen. Stattdessen sollen Herrschaftsverhältnisse und die aktuelle Situation "subjektiv" und "schwarzhumorig" reflektiert werden. Für "Ein europäisches Abendmahl" haben fünf prominente europäische Autorinnen Geschichten europäischer Frauen geschrieben. Barbara Frey führt Regie. Etwas Politisierung, Manifestcharakter und Mut zum Feminismus hätte der Abend allerdings sehr gut vertragen. Er nistet sich zu wohlig im romantisch-schaurigen Untergang des Abendlandes ein. 90 Minuten subjektive Monologe sind, bei aller schauspielerischen Präzision, etwas langatmig. Und der schwarze Humor droht dann und wann in Zynismus zu kippen.
Regie: Árpád Schilling
Regie: Claus Peymann
Regie: Antú Romero Nunes
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