Die Gewehre der Frau Kathrin Angerer - Wiener Festwochen
Tanz mit Diskurswolf
von Martin Pesl
Wien, 5. Juni 2021. Obwohl er selbst nie auftritt, hat René Pollesch eines mit Kabarettist:innen gemein: Sie müssen oft Monate im Voraus zu Marketingzwecken den Titel ihres neuen Programms nennen und dazu einen knackigen Ankündigungstext verfassen, obwohl sie noch keine Zeile geschrieben haben. Polleschs neueste Inszenierung "Die Gewehre der Frau Kathrin Angerer" – erster Vorbote der neuen Berliner Volksbühne – feierte seine Premiere im Rahmen der Wiener Festwochen, die diesmal erst Ende April ihren Katalog herausgaben. Polleschs Text darin liest sich trotzdem wie "Schreib uns bitte irgendwas, wir gehen heute in Druck." Etwas mit Zahnärzt:innen, der "vierten Sache" und dem Tanzfilm. Flapsig, verschwurbelt, ganz sympathisch, aber nicht aufschlussreich. Pollesch halt.
Festzug - Wiener Festwochen
Geschichte ohne Vergangenheit
von Andrea Heinz
Wien, 14. Mai 2021. Es gab mal eine Zeit, da brach Panik aus, wenn in Wien der Kartenverkauf für die Festwochen startete. Ist schon eine Weile her. Man erinnert sich, vor ein paar Jahren wurde einiges an Porzellan zerschlagen, das Verhältnis zwischen Festivalleitung, Publikum und Politik, naja, etwas eingetrübt. Tomas Zierhofer-Kin, der sich nach seinem Abgang darüber freute, dass "dieses unqualifizierte Kritiker-(bewusst ungegendert-)Blabla mir jetzt nun auch offiziell sowas von am Oasch vorbeigehen kann", schaffte es in seiner Intendanz endgültig, dem Publikum die Lust auf die Festwochen zu vergällen. Wobei die Erlöse bereits unter seinem Vorgänger Markus Hinterhäuser massiv einbrachen.
Narziss und Echo - Wiener Festwochen
Oh solitude!
von Martin Thomas Pesl
Wien, 14. Juni 2019. Der Anfang folgt dem Titel der Festwochen-Frühabendpremiere: Missing People. Während allmählich das Saallicht gedimmt wird, weht Operngesang von irgendwoher, brandet im Hintergrund ein leises Wummern auf, klimpert ein Glockenspiel. Wenn dann noch langsamer ein paar Deckenlampen und Neonröhren angehen, ist Zeit, das verspielte Bühnenbild von Christian Friedländer zu studieren: Drei ganze und zwei halbe Kuben sind da, die Drehtüren mit transparenten Farbfolien bespannt. Sie bergen kleine Universen: einen Dschungel aus Topfpflanzen etwa, einen traurigen Souvenirshop, in dem sogar der Postkartenständer leer ist, einen Einkaufswagen, in den ein ganzes Obdachlosenleben passt. Die fünf Menschen, einer für jede Kabine, tauchen erst auf, wenn Klang und Bild voll zur Geltung gekommen sind.
Sopro - Wiener Festwochen
Vor allem nicht sterben. Nicht sterben!
Von Gabi Hift
Wien, 7. Juni 2019. "Sopro" ist portugiesisch und heißt "Hauch" oder das Blasen des Windes. Wind weht auch auf der Bühne. Es hat noch nicht angefangen, aber sie ist schon da: eine kleine grauhaarige Frau, ganz in schwarz gekleidet, mit einem Textbuch in der Hand. Sie inspiziert die Bühne, Gras wächst aus den Ritzen der Bretter, eine einsame rote Chaiselongue steht da im Wind. Il souffle, der Atem, sopro, souffle, das ist sie, die Souffleuse, Christina Vidal, seit 40 Jahren am Teatro Nacional in Lissabon, die Heldin des Stücks von Tiago Rodrigues.
Mary Said What She Said - Wiener Festwochen
Maria Huppert und Isabelle Stuart
von Gabi Hift
Wien, 30. Mai 2019. Es beginnt mit einem Scherz: Beim Einlass hängt in der Mitte des blutroten Samtvorhangs ein goldener Rahmen, in dem ein Video von einem kleinen schwarz-weißen Hund läuft, der seinem Schwanz nachjagt. Er sieht aus wie Snipper, der Hund von "His Master's Voice". Und für die Endlosloops, in denen der Meister Robert Wilson einer immer wieder entwischenden Erkenntnis nachjagt, wird sich dann der Vorhang öffnen. Die zweite Referenz erschließt sich nur den gut Vorbereiteten: Gerade so ein Schoßhündchen war unter den Röcken Maria Stuarts versteckt, als sie zur Hinrichtung ging, und nachdem ihr Kopf, endlich, nach dem dritten Schlag, gefallen war, tauchte das Hündchen blutverschmiert unter dem roten Stoff auf. Der Meister und seine Königin, Wilson und Isabelle Huppert – die 1993 schon "Orlando" miteinander kreiert haben und 2006 "Quartett" von Heiner Müller – erschaffen nun die letzten Sekunden Maria Stuarts.
Regie: Simone Young / Jonathan Meese
Regie: Monika Gintersdorfer, Frank Edmond Yao
Regie: Derrick Ryan Claude Mitchell
Regie: Oliver Frljić
Regie: Yan Duyvendak, Roger Bernat
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