Gleicher Bus, gleiche Richtung

4. Mai 2022. Heute vor 15 Jahren ging nachtkritik.de online. Die Gründung war auch eine Reaktion auf ein sich veränderndes Verständnis von Kritik und Öffentlichkeit. Die Einbahnstraße Kritik sollte für den Gegenverkehr freigegeben werden. Wie sieht die Verkehrslage heute, fünfzehn Jahre später, aus?

Von Christine Wahl

Machtkritik am Einbahnstraßenurteil der Großkritiker: am 4. Mai 2007 ging nachtkritik.de online © Wikimedia Commons

4. Mai 2022. Heute vor fünfzehn Jahren, als nachtkritik.de an den Start ging, stand ich am Tresen der Bornemannbar im Haus der Berliner Festspiele. Das Theatertreffen war eröffnet worden, es herrschte Feierlaune, und plötzlich kam ein Schauspieler auf mich zu, drückte mir eine Flasche Bier in die Hand und begann, sich zu beschweren. Und zwar über mich. Detailreich setzte er mir auseinander, warum ich mit meiner Rezension zu einer Premiere, die kurz zuvor stattgefunden und die er ebenfalls besucht hatte, seiner Meinung nach meilenweit danebengelegen hätte.

Deutungsvielfalt als Relevanzfaktor

In nachtkritik-Termini ausgedrückt, war ich an diesem Abend auf "Gegenverkehr" getroffen. Analog und en miniature zwar, aber im Kern durchaus. "Gegenverkehr" gilt als zentrale Kategorie im nachtkritik-Kosmos. Vor fünfzehn Jahren, zum Gründungszeitpunkt dieses Portals, hatte die Kritik eher Einbahnstraßen-Charakter. Das Zeitalter des Printfeuilletons kannte kein Kommentarwesen; die gedruckte Rezension setzte unter ein ästhetisches Ereignis mehr oder weniger den diskursiven Schlusspunkt. Anderslautende Meinungen wurden – Stichwort Bornemannbar – höchstens mal im direkten Gespräch an Kritiker:innen herangetragen. Damit sie eine nennenswerte Öffentlichkeit erreichten, musste sich schon jemand die Mühe machen, einen Leserbrief zu schreiben – und jemand anders, ihn auch noch zu veröffentlichen.

Als role model indes war der Einbahnstraßenkritiker bereits eine aussterbende Spezies, als nachtkritik.de im Geiste des Web 2.0 von Esther Slevogt, Petra Kohse, Nikolaus Merck, Dirk Pilz und Konrad von Homeyer gegründet wurde. (Und das nicht nur, weil sich das Ende der Dienstwagen-Ära schon damals sachte abzuzeichnen begann.) Der großkritische Machtgestus erschien der durch die akademische Postmoderne sozialisierten Generation, die in den neunziger und nuller Jahren ins Berufsleben eingestiegen ist und zu der ich selbst auch zähle, fremd bis lächerlich. Nicht, dass nicht jede:r von uns recht haben wollte (bitte, wir sind Kritiker:innen!). Es gibt aber eine Überzeugung, die uns alle verbindet: Das ewig Plurale zieht uns hinan. Deutungsvielfalt bestätigt den Relevanzfaktor, erhöht mithin den Aufmerksamkeitsquotienten und adelt so letztlich alle Player im kulturellen Feld. Der Gewinner ist der Diskurs, das maximal perspektivenreiche Gespräch über die Bühnenkunst, bei der es sich ja, wie alle Jahre wieder in den Spielzeitheften der Theater nachzulesen ist, wahlweise um "das Experimentierfeld", "den Spiegel" oder "das Labor unserer Gesellschaft" handelt.

Vermeintliche Interessensgemeinschaft

Aber wie sieht die Verkehrslage heute aus, 15 Jahre nach der nachtkritik-Gründung? Auch über die Tatsache hinaus, dass Tresen als Diskurs-Knotenpunkte keine tragende Rolle mehr spielen (und das nicht nur wegen Corona), lassen sich signifikante Veränderungen feststellen. Häufiger als an der Bornemannbar begegnen sich die Verkehrsteilnehmer:innen inzwischen auf Panels, Tagungen oder in gemeinsamen Gremien. Und dort wird die (Theater-)Kritik zwar nicht immer, aber doch immer öfter als Beifahrerin eingeladen. Erstaunlich, in welcher Selbstverständlichkeit die Kultur den Journalismus mitunter als Teil einer vermeintlichen Interessensgemeinschaft adressiert.

Die Konstellation, die dafür (mit)verantwortlich ist, wurde schon vielfach erörtert – hier zuletzt sehr gedankenscharf von der nachtkritik-Mitgründerin und Redakteurin der Berliner Zeitung Petra Kohse. In Kürze zusammengefasst, sinken im privatwirtschaftlich agierenden Journalismus die Auflagen, und Ressourcen werden oft zuerst im Kulturbereich eingespart. In der staatlich geförderten Theaterszene – insbesondere der freien – schafft man es wiederum immer seltener ins Feuilleton. Deswegen gemeinsame, von Interessensvertreter:innen der Theater finanzierte oder bezuschusste Berichterstattungsprogramme aufzulegen, wie es hier und da schon probiert wird, kann der Weisheit letzter Schluss allerdings nicht sein. Gekaufte Öffentlichkeit bleibt per se problematisch. Hinzu kommt, dass sich der Wunsch, die Schreiber:innen mögen doch bitte eher "vermittelnd" als kritisch wirken und sich dafür gern auch erst mal szenegerecht eincoachen lassen, künftig eher lauter artikulieren dürfte als leiser. Denn die Affirmation liegt ohnehin im gesellschaftlichen Trend.

Zurück in die Einbahnstraße

Es geht nicht nur um die berühmt-berüchtigten Daumen-runter-Urteile, sondern darum, dass ästhetische Einordnung und Bewertung an sich aus der Mode zu kommen scheinen. Der oder die Kommentierende "Berry White" steht stellvertretend für viele, wenn er oder sie unter den nachtkritik-Charts – unseren wöchentlich algorithmisch errechneten Theater-Top-Ten – fragt, warum wir uns an unseren "sinnlosen Platzierungen" mit ihrem "spätkapitalistischen Wettbewerbscharakter" festklammern. Aus Kulturschaffenden-Kreisen sind zunehmend Ideen zu hören, Auszeichnungen wie, sagen wir mal, den Mülheimer Dramatikpreis nicht länger einem Autor oder einer Autorin qua Expertenurteil zuzusprechen, sondern das Preisgeld gleichmäßig unter allen Schreibenden eines Jahrgangs aufzuteilen. Und warum eigentlich überhaupt Jurys mit ästhetischer Entscheidungskompetenz und -prämisse berufen statt thematisch zu kuratieren? Die Machtkritik am Einbahnstraßen-Urteil des Großkritikers, die die Gründung von nachtkritik.de motivierte, verschiebt sich zur Kritik am Experten-Urteil schlechthin – jedenfalls, sofern selbiges ein nichtaffirmatives ist. Was Moritz Baßler in seinem Aufsatz Der Neue Midcult hellsichtig für Literatur und Literaturkritik beschrieben hat, trifft gleichermaßen auf das Theater zu.

Dass das vitale Kontroversenparadigma, das dem "Gegenverkehr"-Gedanken von nachtkritik.de zugrunde liegt, immer stärker von einem Affirmationsparadigma herausgefordert oder sogar abgelöst wird, trifft übrigens nicht nur auf die Erwartungen der Macher:innen an die Kritik zu. Es zeigt sich auch im Kulturjournalismus selbst. Längst werden in den Redaktionen Diskussionen darüber geführt, ob man überhaupt noch Verrisse schreiben sollte. "Will die denn jemand lesen?", heißt es, und: "Wäre es nicht zielführender, Theateraufführungen nur noch dann zu besprechen, wenn man sie für empfehlenswert hält?" Willkommen in der Positivgesellschaft, um mit dem Philosophen und Kulturwissenschaftler Byung-Chul Han zu sprechen. Nimmt man die Diagnose ernst, hieße das: Wir befinden uns auf dem Weg zurück zur Einbahnstraße, die nachtkritik.de damals für den Gegenverkehr öffnen wollte. Nur unter anderen Vorzeichen: Während die Gegenfahrbahn seinerzeit blockiert war, sitzen heute alle zusammen im Bus und sind in die gleiche Richtung unterwegs. Der Verlierer ist der Diskurs.

Kopfloses Sprechen aus dem Sexualorgan

Verändert haben sich aber nicht nur die Kritik und die Erwartungen an sie, sondern natürlich auch ihr Gegenstand, die Kunst selbst. Gehen wir noch einmal zurück auf Anfang, zum Theatertreffen 2007: In den 120 Minuten, bevor mir der Schauspieler mit der Bierflasche an der Bornemannbar entgegenkam, lief damals Ulrike Maria Stuart, ein luzides RAF-Stück von Elfriede Jelinek in Nicolas Stemanns Urinszenierung vom Thalia Theater Hamburg, die ich als smart-entertainenden und für die damalige postmoderne Bühnenästhetik geradezu exemplarischen Abend erinnere. Es wurde mit Farbbeuteln auf Pappmache-Konterfeis von Politikern geworfen, und an einer Stelle zitierten die Schauspielerinnen Judith Rosmair und Susanne Wolff aus einem Gespräch zwischen Elfriede Jelinek und ihrer Schriftstellerkollegin Marlene Streeruwitz, das 1997 in der "Emma" erschienen war und das Stemann als Fremdtext in die Aufführung eingefügt hatte. Sie steckten dabei in Ganzkörper-Vulven – weshalb Marlene Streeruwitz dem Hamburger Thalia Theater kurz nach der Premiere eine Unterlassungserklärung geschickt hatte. Die Szene sei "würdelos", schrieb sie, es werde suggeriert, "meine Person und meine Arbeit als Autorin seien ein kopfloses Sprechen aus dem weiblichen Sexualorgan".

Persönlichkeitsrechte versus Freiheit der Kunst

Wie lange dieser Abend her ist, wird einem schlagartig daran deutlich, wie allein die Autorin damals mit ihrer Haltung war. Joachim Kronsbein und Wolfgang Höbel wussten die gesamte Postmoderne-geschulte Theaterexegetenschaft (zu der sich übrigens auch Elfriede Jelinek bekannte) hinter sich, als sie Marlene Streeruwitz in einem Interview im Spiegel fragten: "Ist Ihnen als Künstlerin nicht unbehaglich dabei, die Persönlichkeitsrechte gegen die Freiheit der Kunst auszuspielen?" Dass Ulrich Khuon, der damalige Thalia-Intendant und heutige Chef des Deutschen Theaters Berlin, die Unterlassungserklärung mit der Begründung nicht unterschrieb, es handele sich um "ironisches, witziges und kritisches Theater", galt als derart selbstverständlich, dass in den Theaterfoyers praktisch gar nicht darüber gesprochen wurde. Und dass Khuons Kollege, Thalia-Geschäftsführer Ludwig von Otting, Streeruwitz' Intervention als "völlig lächerliche Attacke" abwehrte und von einer "zulässigen satirischen Zuspitzung über die Rolle der Frau in der Kunst" sprach, fand man im Tonfall durchaus unpassend, in der Quintessenz aber hundertprozentig zutreffend.

Durchaus denkbar, dass die Autorin juristisch auch heute scheitern würde mit ihrem Versuch, gegen die Aufführung vorzugehen. Noch wahrscheinlicher ist, dass man nach einem Regisseur, der Schauspielerinnen in Vaginakostümen auftreten lässt, inzwischen vergeblich suchen würde (es sei denn, Vegard Vinge schlüge endlich mal wieder mit einem Ibsen-Marathon auf). Und als todsicher darf gelten, dass heute über eine solche Szene – wenn es sie denn gäbe – völlig anders gesprochen würde. Einem, zumal in institutioneller Leitungsposition befindlichen Mann, der einer Frau erst ihre "Rolle (…) in der Kunst" erklärt und anschließend auch noch die Palette der dafür zulässigen Darstellungsmittel, wäre der Shitstorm gewiss – mindestens. Und darüber, was "ironisches, kritisches und witziges Theater" ist, wäre mit dem Intendantenstatement auf gar keinen Fall das letzte Wort getwittert.

Im Strudel der Finsternis

Es soll hier ausnahmsweise mal nicht darum gehen, diese Vorgänge zu bewerten. Es lohnt sich aber, sie zu beschreiben, um die Veränderungen für das Rezensionswesen in den Blick zu bekommen. Was heißt es für die (Theater-)Kritik, wenn das ästhetische Paradigma, in dem Kronsbein, Höbel, Khuon und von Otting seinerzeit völlig selbstverständlich argumentierten – mithin, wie gesagt, getragen von praktisch der kompletten Rezeptionsgemeinschaft –, außerästhetische Konkurrenz bekommt? Wenn Kunstwerke explizit moralischen beziehungsweise politischen Maßstäben folgen, bedeutet das zunächst einmal, dass Theatergänger:innen – und damit auch Kulturjournalist:innen – entsprechend eher in Wertegemeinschaften eingeladen werden als zu ästhetischen Ereignissen, was die Perspektive der Kritik natürlich radikal verändert. Als die Theaterwissenschaftlerinnen Katharina Rost und Jenny Schrödl in einem Vortrag am Ende des Theatertreffens 2019 die eingeladenen Inszenierungen resümierten, konstatierten sie zahlreiche düstere Zustandsbeschreibungen der Welt und sprachen anschließend eine implizite Empfehlung für Arbeiten aus, die "nicht im Strudel der Finsternis, Krankheiten, Zerstörung und Pessimismus untergehen“, sondern "zeigen, wie Zukunft produktiv gestaltet werden kann". Auch die Journalistin und Autorin Şeyda Kurt suchte, als sie hier auf nachtkritik.de ihre Kolumne ❤️topia schrieb, ausdrücklich nach "neuen Visionen von Romantik, Freund:innenschaft und Solidarität" auf den Theaterbühnen.

Fokuswechsel vom Ästhetischen zum Außerästhetischen

Das Erwartungsparadigma, in der Kunst die eigenen (moralischen) Werte bestätigt zu sehen, unterscheidet sich grundsätzlich von demjenigen, mit dem die meisten bisherigen (Kritiker:innen-)Generationen kultursozialisiert wurden. In diesem alten Schema ist die Kunst viel stärker das Andere, durchaus auch mit einer gewissen Anstrengung Konnotierte, das einen herausfordert, indem es einen eben gerade irritiert – im (definitiv nicht immer eintretenden) Idealfall produktiv. Ja, die gediegene Zumutung verkörpert in diesem Paradigma tatsächlich einen hohen Wert: In den nuller Jahren war in jeder zweiten Rezension zu lesen, dass eine Inszenierung ihr Publikum aus seiner "Komfortzone" schleudern wolle (und manchmal sogar, dass ihr das gelungen sei).

"Die für die Moderne typische dialogisch-hierarchische Gegenüber-Beziehung von Kunstwerk und Rezipient:in wird abgelöst von der Erfahrung, dass die Artefakte auf derselben Seite wie diejenigen stehen, denen sie gehören": Was der Kunstwissenschaftler Wolfgang Ullrich in seinem neuen Buch Die Kunst nach dem Ende ihrer Autonomie für seine Disziplin diagnostiziert, lässt sich nahtlos auf unsere – das Theater – übertragen. Ullrich beschreibt den Fokuswechsel vom Ästhetischen zum Außerästhetischen als Übergang von der autonomen zur postautonomen Kunst und stellt fest: "Statt zuerst als intellektuelle oder auch psychische und emotionale Herausforderung neugierig zu machen, wie es typisch für autonome Kunst war, sind postautonome Formen von Kunst also darauf ausgerichtet, das Gefühl eines Habenwollens oder Dabeiseinwollens zu erzeugen."

Prosument:innengemeinschaft ohne Gegenüber

Wenn man aber zum Mitmachen in eine Wertegemeinschaft eingeladen wird, hält sich die Nachfrage nach Deutungsangeboten naturgemäß in Grenzen: Werte kann man affirmieren oder ablehnen. Der Pluralismus, für den die Postmodernist:innen gegen den Einbahnstraßenkritiker angetreten sind, läuft so letztlich Gefahr, sich wieder zu einem Dualismus zu verengen: Ich stimme zu oder nicht. Die, die nicht zustimmen, bleiben im Zweifel einfach weg. Während die Konsument:innen, die die Werte teilen, mit den Produzent:innen zur Prosument:innen-Gemeinschaft verschwimmen, die kein Gegenüber mehr braucht. Es sind keine großen Hellseherinnen-Fähigkeiten vonnöten, um zu prognostizieren, dass das den Kulturjournalismus enorm verändern wird. Die Theater, die sich wahlweise als "das Experimentierfeld", "den Spiegel" oder "das Labor unserer Gesellschaft" verstehen, aber auch.

Die Dramatikerin Caren Jeß hat unlängst hier auf nachtkritik.de in einer ebenso klugen wie lässigen Analyse des gegenwartsdramatischen Feldes geschrieben, die grundsätzlich begrüßenswerte Politisierung der Künste laufe auch Gefahr, "vor dem Hintergrund gemeinhin als vorbildlich geltender politischer Haltungen unwillkommene Gegenpositionen zu unterdrücken". Theaterstücke müssten nicht Recht haben, hält die Dramatikerin dagegen: "Das pädagogische Prinzip ist im Theater obsolet – Kunst ist kein Unterricht." Überhaupt könne es, wo Diversität sei, "nicht nur die eine richtige Sprache geben", so Jeß. Was sie sich für die zeitgenössische Dramatik wünscht, ließe sich aufs Theater prinzipiell ausweiten: Es "sollte nicht zu vorsichtig sein" und "sich nicht verstecken hinter unangreifbaren Texten".

 

Wahl ChristineChristine Wahl studierte Germanistik, Philosophie und Soziologie in Freiburg und Berlin und arbeitet seit 1995 als Theaterkritikerin, unter anderem für den "Tagesspiegel" und "Theater heute". Von 2020 bis 2021 war sie Redakteurin bei "Theater der Zeit". Als Jurorin war sie u. a. für das Berliner Theatertreffen, den Hauptstadtkulturfonds, den Berliner Senat und das Festival "Impulse" tätig und gehört aktuell dem Auswahlgremium der Mülheimer Theatertage an. Seit 2022 ist sie Mitglied der Redaktion von nachtkritik.de.

 

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Kommentare  
Stand der Theaterkritik: Wandeln
Die Entwicklung ließe sich auch anders beschreiben: Die ästhetischen Einordnungen autonomer Kunst fanden statt im Rahmen von unhinterfragten geteilten Werten einer relativ homogenen Gesellschaft, die das Theater, den Kanon und die Zeichensysteme als ihre begriff. Mit Diskurs, Dechiffrieren und Einordnen und Bewerten konnte man sich das eigentliche Erlebnis, die Hoffnung oder den Schmerz in großer Kunst gut vom Leibe halten. Jetzt werden die Geschichten, Perspektiven und Erwartungen diverser und vielfältiger. Und die Rolle von Kritik muss sich wandeln
Das hat auch viele tolle, herausfordernde Aspekte. Die kommen mir hier zu kurz. Darin muss sich die Kritik nicht auf positive Hinweise und Tips beschränken. Aber wandeln und ein spannendes Angebot machen, könnte sie schon.
Stand der Theaterkritik: Zuschauerkunst
@1: Diese unaufgeregte Bestandsaufnahme der Kritikerin gefällt mir sehr gut.
Ich denke, auch heute muss man sich als KritikerIn der Aufgabe stellen, sich mit Diskurs, Dechiffrierung, Einrodnung auf das persönliche Wagnis einer öffentlichen subjektiven Bewertung einzulassen.
Und sich damit in der Urteils-Kunst zu üben, sich trotz eines intensiven persönlichen Erlebens, einer eventuell enttäuschten Erwartung, den Schmerz, der in großer Kunst spürbar vorhanden ist, durch zeitnahe Reflexion der eigenen Wahrnehmung derselben, vom Leibe zu halten... Es geht auch nicht anders. Man würde andernfalls an der Zuschauerkunst zerbrechen müssen.
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