alt

Die große Boygroup

von Kai Bremer

Frankfurt, 10. November 2011. Wenn man sich über F. Scott Fitzgeralds "Der große Gatsby" unterhält, kommt rasch der Eindruck auf, dass eigentlich niemand das Buch so gelesen hat wie man selbst. Der eine ist fasziniert von der Geschichte der Titelfigur, dem tragischen Helden, dem es nur darum geht, seine Jugendliebe Daisy zurückzuerobern, und der sich schließlich für sie opfert. Einen anderen interessiert Nick Carraway, der Gatsbys Geschichte erzählt und der dem verschwenderischen Treiben im Jazz Age distanziert, ja angewidert gegenübersteht. Und dann sind da noch die, die Mitleid empfinden mit Daisy, der man so sehr wünscht, dass sie sich von ihrem Tom freimacht, die aber letztlich bei ihm bleibt, bei diesem Großmaul mit seinen breiten Schultern.

Ein Charleston für Gatsby

Christopher Rüping hat in seiner Adaption von "Der große Gatsby" (auf Basis der überzeugenden Neuübersetzung von Lutz-W. Wolff) am Schauspiel Frankfurt dieser Eindrucksvielfalt vom ersten Moment an Rechnung getragen. Zu Beginn ist es dunkel auf der Bühne, nur entlang des Bodens der hinteren Bühnenwand glimmt eine lange Reihe von Glühbirnen, einer alten Showbühne gleich. Dann tritt ein Mann nach vorn und erzählt, ganz dem Romananfang gemäß, von einem väterlichen Rat und schwärmt von Gatsby. Dem ersten Nick Carraway folgt ein zweiter. Er wiederholt den Rat und erinnert weniger zärtlich und viel energischer an seinen Helden Gatsby. Dann kommt ein dritter, schließlich ein vierter Nick, alle vier in Spenzer und dazu passender Hose und Stiefeletten, aber alle vier farblich leicht variiert, dabei nie markant, sondern in Braun- und Grautönen.

gatsby2_560_birgit_hupfeld_u
Im Spiegel des Jazz Age: Nils Kahnwald und Benedikt Greiner. © Birgit Hupfeld

Mit diesem Auftakt macht Rüping von Beginn an unmissverständlich klar, dass es die eine Geschichte Gatsbys nicht gibt. Doch diese an sich schlichte Eröffnung würde vermutlich rasch verpuffen, wenn es dem Regisseur zusammen mit seiner Gatsby-Boygroup (Benedikt Greiner, Nils Kahnwald, Oliver Kraushaar, Viktor Tremmel) nicht gelingen würde, die Uneindeutigkeiten, die Fitzgeralds Roman bewusst lässt, durch variierte Wiederholungen in Szene zu setzen. Dieses Variationsvermögen paart Rüping mit der Fähigkeit, ein ums andere Mal die im Roman geschilderte Hektik und Hysterie der Zeit zu fassen.

So stehen die vier, als die erste Party beginnt, hinter vier Mikros und geben a cappella einen Charleston auf Gatsby zum Besten, um gleich darauf zum überdrehten Partygeschnatter überzugehen. Dementsprechend geht es trotz der tragischen Geschichte oft laut und komisch auf der mit wenigen Requisiten bestückten Bühne zu, die durch Plexiglasquadrate den Blick freigibt auf die Unterbühne. Über ihr hängt eine quadratische Spiegelwand, die mal wie eine Decke über allem schwebt, mal angeschrägt Scheinwerferlicht aus der Unterbühne ins Publikum blendet.

Die Beerdigung einer Liebe

Die Dialoge zwischen den Romanfiguren, die jeweils durch prägnante Requisiten wie etwa eine Perlenkette als Kennzeichen für Daisy angedeutet werden, spielen die vier souverän. Ergänzend dazu greift Rüping zu einer regelrecht barocken Bildsprache, wenn einer der vier als Daisy in einem Kreis aus großen, auf dem Boden liegenden Stoffblumen steht und die drei Gatsbys am Rande des Kreises Unmengen von Hemden auf die Person in der Mitte niedersegeln lassen und so Gatsbys Imponiergehabe in Szene setzen und gleich im Anschluss aus den Hemdenbergen und rasch herbeigeschleppter Blumenerde ein buntes Grab formen – neben all der neureichen Oberflächlichkeit werden auch die dahinter stehenden tragischen Abgründe mehr als deutlich. Schließlich wird hier nicht Daisy beerdigt, sondern die Liebe bzw. die Möglichkeit einer Liebe zwischen Gatsby und Daisy.

gatsby3_560_birgit_hupfeld_uDie Gatsby-Boygroup: Nils Kahnwald, Benedikt Greiner, Oliver Kraushaar, Viktor Tremmel.
© Birgit Hupfeld

Der Abend zeugt aber nicht nur vom Talent zur allegorischen Verdichtung, sondern zugleich von einer Bereitschaft, sich auf den Roman einzulassen und ihm in allen seinen Facetten gerecht zu werden. Selbst dessen Erzähldynamik fängt die Inszenierung gekonnt ein, indem die Erschießung Gatsbys immer aufs neue von den vier durchgespielt wird, um dann verlangsamt und nicht mehr variiert die letzten Szenen, die Beerdigung Gatsbys und Nicks Abschied von der Ostküste, weniger zu spielen, denn zu erzählen.

Am Ende leuchten wieder die Glühbirnen auf; die Geschichte von Gatsby ist vorüber, but the show will go on. Angesichts des gegenüber dem Schauspiel Frankfurt weiterhin präsenten Lagers von Occupy Frankfurt wäre eine politische Deutung des Romans mit seiner latenten Kritik an der neureichen Egozentrik nur billig gewesen. Rüping hat dieser Versuchung nicht nachgegeben und sich ganz für die Theaterkunst entschieden. Das Publikum hat ihm dafür deutlich gedankt.


Der große Gatsby
von F. Scott Fitzgerald
Deutsch von Lutz-W. Wolff, in einer Fassung von Christopher Rüping
Regie: Christopher Rüping, Bühne: Jonathan Mertz, Kostüme: Lene Schwind, Musik: Manuel Ehlers, Thomas Lindemann, Dramaturgie:Sibylle Baschung
Mit: Benedikt Greiner, Nils Kahnwald, Oliver Kraushaar, Viktor Tremmel.

www.schauspielfrankfurt.de

 

Kritikenrundschau

Ganz dem Gefühl, der Sprachrhythmik und Musik hingegeben, sei diese Inszenierung voller Tiefgang; sie versuche, das romantische Thema des Buchs voll zu erfassen. "Dass dabei die gesellschaftspolitische Kritik zu sehr in den Hintergrund tritt, ist angesichts des Narzissmus und Konsumwahnsinns unserer Tage bedauerlich", schreibt Bettina Boyens in der Gießener Allgemeinen (online am 11.11.2011). Christopher Rüping kreuze für Schlüsselszenen assoziativ die Biografie Gatsbys mit der Fitzgeralds. Und mache auf eigenwillige Weise die berühmte Unschärfe der Figuren und Mehrdeutigkeit ihrer Motive deutlich.

So flott der Abend im mit seinen spiegelnden Glasflächen im Boden und in Gestalt eines bewegliches Deckensegels loftartig anmutenden Raum von Jonathan Mertz auch beginne, verliere er sich alsbald in den Mühen eines sich schier endlos dahinziehenden szenischen Aktionismus, schreibt Stefan Michalzik im Wiesbadener Tagblatt (online am 12.11.). Das Theater habe so seine Ideen, es erfreue sich daran – und ein mächtiger Applaus beim Premierenpublikum sei gewiss. Letztlich handle es sich aber tatsächlich um Boygrouptheater: Auf seine Weise sei es lebendig, aber es stecke keine intellektuelle Substanz dahinter. "Keine Spur von Dringlichkeit - obschon die westliche Welt ja gerade wieder auf dem sprichwörtlichen Vulkan tanzt."

Ein Fest für Schauspieler ist der Abend für Dieter Bartetzko in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (12.11.2011). Doch trotz seines wahnwitzigen Tempos wird er aus seiner Sicht von "Schmiere und lähmendendem Leerlauf" bestimmt ". Krakeel-Schule für Clowsns", schreibt Bartezko bald und bedauert, dass die schaspielerische Brillanz, die hier aufgewendet wird, buchstäblich im Dreck landet: "in Torfballen, die, gut gemischt mit hysterisch verspritztem Wasser (das hier Gin sein soll)". Der Regisseur, der den ziselierten Sätzen und Wortbildern Fitzgeralds offenbar misstraue, lasse seine Schauspieler "Kernaussagen endlos im Chor brüllen und wiederholen". Dabei würde der Kritiker so gerne nachdenken, statt sich die Ohren vor dem Gebrüll zuzuhalten. Und: "Wer Tiffany-Vasen nur zerdeppert, kommt denen, die Tiffany-Vasen besitzen, noch lange nicht bei. Nach der Premiere fällt Bartetzkos Blick auf den gegenüber aufragenden Turm der Europäischen Zentralbank. "Oben brennt noch Licht", räsoniert er schließlich. "Im Zeltlager der Protestbewegung 'Occupy Frankfurt' ist es still."

Als "sehenswert" stuft Astrid Biesemeier die "bildhafte und einfallsreiche" Inszenierung in der Frankfurter Neuen Presse (12.11.2011) ein. "Abgesehen davon, dass es eine Freude ist, zuzusehen, wie die vier Schauspieler mühelos den Spagat zwischen ironischer Distanz und ernsthaftem Gefühl, Innensicht und Außenansicht einer Figur bewältigen", schaffe Christopher Rüping es, "die kleinen Brüche des Romans und dessen Protagonisten einzufangen". Nebenbei entpuppt er sich aus Sicht der Kritikerin auch noch als ehrlicher Erzähler. "Gleich zu Beginn lässt er auf erfrischende Weise Zweifel an Nicks Erzählerqualitäten und Lauterkeit aufkommen." Der Regisseur variiere Ungereimtheiten des Romans, "indem er sie mehrmals durchspielen lässt und legt bei alledem auch noch die eigenen Tricks und Mittel offen."

Kommentare  
Der große Gatsby, FFM: Boom
Theaterfassungen dieses großen Romanstoffs scheinen ja der große Renner des ausgehenden Kalenderjahr 2011 zu sein: Vorgestern die Premiere in Hamburg (s. oben), am 2.12. eine weitere Version in Bonn (Neuübersetzung und Bühnenadaptation: Lothar Kittstein, Regie: Mathias Fontheim) und schließlich am 31.1.2012 die dritte Uraufführung, diesmal in der eigens dafür entstandenen neuen Textfassung von Rebekka Kricheldorf (Regie: Markus Heinzelmann). Nach den Gründen für diesen Boom zu forschen, wäre interessant. Auf die beiden bevorstehenden Premieren darf man jedenfalls gespannt sein. Ich hoffe, NACHTKRITIK berichtet umfassend.
Der große Gatsby, FFM: sehenswert!
Für mich war das endlich mal wieder ein Abend, der was will! Die Bilder, die die Abgründe, den Tod, die Verwesung und Vergänglichkeit unter der Wohlstandsoberfläche erfahrbar machen, hatten bei mir lange nachgehallt. Ich teile die Meinung von Frau Biesemeier: sehenswert! Und dass sowas der FAZ nicht gefällt, kommt quasi einer Empfehlung gleich.
Der große Gatsby, FFM: ach, wie neu
ICH STIMME DER FAZ ZU. BRÜLLEN. IM CHOR. ACH WIE NEU... GÄHN, FRANKFURT
Der große Gatsby, FFM: rechtefrei seit dieser Spielzeit
@rudi: das ist ganz einfach: es ist seit dieser Spielzeit rechtefrei. Nach den inhaltlichen Gründen darf natürlich gern weiter geforscht werden.
Der große Gatsby, FFM: Spielplan-Entscheidungen
@Ganz einfach: Schau her, das ist ja wirklich interessant - danke! Wusste gar nicht, dass so etwas der Motor für Spielplan-Entscheidungen sein kann, man lernt halt nie aus. Aber immerhin beschert uns das gleich DREI neue Bühnenfassungen, z.T. sogar von ausgewiesenen DramatikerInnen! - Sorry, oben hatte mich vertippt: Natürlich meinte ich die Premiere in FRANKFURT (nicht Hamburg)! Und die dritte Uraufführung mit dem neuen Text von Rebekka Kricheldorf (Regie: Markus Heinzelmann) findet dann am 13. Januar (NICHT: am 31. Januar!) tatsächlich im Hamburger Schauspielhaus statt. - Falls jemand schon jetzt Karten reservieren will...
Der große Gatsby, FFM: biographische Bezüge
@rosa: Merkwürdig, ich habe den Abend gestern gesehen und erinnere mich an keine einzige chorisch gebrüllte Szene. Gedächtnisverlust meiner- oder Ihrerseits?
Ich muss sagen, dass mich diese Arbeit schwer beeindruckt hat. Gerade die Bezüge zur Biografie Fitzgeralds und Zeldas schienen mir mehr als eindrücklich - im ästhetischen wie im inhaltlichen Sinne. Endlich, Frankfurt, endlich.
nachtkritik November- Vorschau: warum???
Da ich gerade von "ausgewiesenen DramatikerInnen" gesprochen habe, eine kleine Frage zur "Vorschau" der Nachtkrikik (leider ist es ja nicht vorgesehen, zur "Vorschau" Stellung zu nehmen, so bleibt nur dieser Weg): Wieso wollen Sie eigentlich nicht über die Zweitinszenierung von Philipp Löhles DAS DING berichten, die am 17. November im DT in Berlin Premiere hat (Regie: Daniela Löffner)? Über Zweitinszenierungen berichten Sie grundsätzlich nicht? Falsch, Sie machen das öfter! Ausßerdem kann man nicht ständig (zu Recht!) Zweitinszenierungen einfordern und sie dann ignorieren! Das Stück ist uninteressant? Dann lesen Sie mal die Kritiken, darunter Ihre eigene. Und soeben die Besprechung von Barbara Burckhardt im Novemberheft von Theater Heute: Ein ganz, ganz heißer Mülheim-Kandidat! Die Regisseurin ist zu unbedeutend? Sie selber haben die junge Daniela Löffner doch mehrfach in den Himmel gehoben (und sicher nicht zu Unrecht). Und es wäre doch gerade interessant, wie sie als gewiefte Uhraufführungs-Regisseurin mit der besonderen Herausforderung "Zweitinszenierung" fertig wird - gewiss eine besondere Bewährungsprobe. Wollen Sie sich das wirklich entgehen lassen? Und sind Sie absolut sicher, das ALLES, worüber Sie sonst im November berichten wollen, belangvoller ist als das? Ich wäre jedenfalls "heiß" darauf, Ihre Besprechung zu lesen. Danke dafür, dass Sie darüber noch mal nachdenken wollen!
Und bitte schaffe Sie die Möglichkeit der Stellungnahme zu Ihrer "Vorschau". Nur so erfahren Sie, was Ihre Leser wirklich interessiert.
Der große Gatsby, FFM: was kommt als nächstes?
Rüpings Arbeiten Zeichen sich immer durch ein Spielerkollektiv aus, das gemeinsam die Geschichte erzählt und daraus die Figuren entwickelt ... Bei DIE ANDERE SEITE gelingt immer das noch mehr, trotzdem ist GATSBY eine der interessantesten Arbeiten einer neuen Regie-Generation ... Was wird Rüping als nächstes inszenieren?
Große Gatsby, FFM: Gähn/Schande Award
@Rosa:

sie haben recht. ich finde alles was nicht unbedingt neu ist an und für sich, sollte doch einfach ausgelassen werden. wer sich im Theater eines schon mal dagewesenen mittels bedient sollte mit mit dem Gähn/Schande Award ausgezeichnet werden.
Zur nachtkritik November-Vorschau
Lieber rudi,

es ist gar nicht so, dass wir nicht über die Zweitinszenierung von Philipp Löhles DAS DING am 17. November im DT in Berlin (Regie: Daniela Löffner) berichten WOLLEN.
Wir KÖNNEN nicht.
Wir haben nicht mehr Geld als für rund 50 Premieren im Monat.
Wir können und wollen nicht zur Berliner nachtkritik.de werden. Oder zur Hamburger. Oder zur Wiener. Deshalb berichten wir nicht über alle Berliner Premieren. Oder Hamburger oder Wiener Premieren. Wir müssen auswählen. Wir wollen auch in die kleineren Theater schauen.Die Premieren liegen oft terminlich blöde geballt an einzelnen Wochenenden. Das alles zusammen leitet unsere Überlegungen, wenn wir den Monatsplan erstellen. So kann es sein, so kommt es sogar andauernd dazu, dass wir eine, zwei, drei Premieren einfach nicht unterbekommen, obwohl wir sie liebend gerne besprochen hätten. Zumeist sind das Premieren in den kleineren und kleinen Häusern. Seltener Premieren in den großen Städten. Aber auch das kommt vor. Wie etwa hier bei "Das Ding" am DT von Daniela Löffner.
Wir bitten um Verständnis
für die Redaktion nikolaus merck
Nochmal November-Vorschau nachtkritik.de
Lieber rudi,
ich füge noch eine weitere Überlegung hinzu, die uns bei der Planung für den November, speziell in Sachen Premiere Das Ding am DT geleitet hat. Wir haben es uns zur Regel gemacht, Premieren mit SchauspielstudentInnen oder von Regie-DebütantInnen nicht zu besprechen. Wir finden es nicht angemessen, den Nachwuchs gleich im großen nachtkritik-Säurebad zu ätzen. Etwas Schonzeit muss schon sein, selbst wenn die Absolventen und Studierenden selber das Gefühl haben, sie wollten jetzt unter Real-Bedingungen mit ihrer Kunst antreten.
Ist das nachvollziehbar?
nikolaus merck
Zur November-Vorschau: verhinderte Jung-Hamlets?
@ 11

Ist überaus verständlich in Zeiten des "Uraufführungshypes" und des "Verschleißes junger Talente" im Starsystem.
Aber: Es bleibt zu hoffen, daß hin und wieder Ausnahmen diese Regel bestätigen werden, denn es ist möglicherweise zu fürchten, daß es gerade an kleineren Theatern im "Abstiegskampf" zu Komplikationen von der Art führen könnte: "Wir würden Dich in unserem spannenden Shakespeareprojekt gerne als Hamlet besetzen, Du hattest ja auch die meisten Einfälle zu dem Abend, der wohl das Zentrum dieser Spielzeit für uns sein wird ..., aber besetzen wir Dich , müssen wir auf nachtkritik de. und "Nordschwerpunkt" in diesem Falle verzichten."
Wohl gemerkt, nicht daß das so kommen muß: ich spreche von einer gewissen Bedrohung. Am HH-Schauspielhaus zB. wäre vielleicht gerade Umgekehrtes geraten: nicht ständig die selben Kernschauspieler für die Großproduktionen aufzustellen etcpp. ! Gerade in Rostock lägen ja Produktionen mit der Hochschule für Schauspiel dort nah im übrigen..

(Lieber verhinderter Hamlet,
seien Sie versichert, dass unsere Regeln nicht ganz so starr sind, wie Sie sich das ausmalen.
Schöne Grüße, Anne Peter für die Redaktion)
Gatsby, Ffm: Frage zur Sprache
Ich habe auch eine Frage. Ich fand das Stück sehr fantastisch und es hat mich sehr berührt. Besonders wenn der eine Schauspieler unter der Erde und den Blumen und den Hemden beerdigt wird. Und auch wenn es die Hemden regnet. Was meine Frage ist - ist die Sprache ganz festgelegt? Oder improvisirt? Danke. Helena
Gatsby, Ffm: Frage zur Regel
@11:
Sehr geehrter Herr Merck,
so sehr ich die erste Begründung nachvollziehen kann, so schwer fällt es mir, Ihrer zweiten Argumentationslinie zu folgen ("haben wir es uns zur Regel gemacht..."), bzw. ich frage mich, seit wann diese Regel besteht. Es gibt doch zahlreiche Gegenbeispiele in der Vergangenheit: KLASSEN FEIND an der Schaubühne, DER KLEINE BRUDER am bat (Schauspielschule "Ernst Busch"), und letztens VOR DEN VÄTERN STERBEN DIE SÖHNE am BE – oder ist das ein "Grenzfall", weil die Premiere nach der Abschlussprüfung stattfand? (Hartmut Krug spricht allerdings von Studenten.)
Ist also die Regel so zu verstehen, dass sie nur bei einem Zusammenwirken von Regie- UND SchauspieldebütantInnen greift? Und ist sie aufgehoben, sobald das Ensemble gemischt ist, wie zum Beispiel HAMLET IST TOT. KEINE SCHWERKRAFT am DT (von nk besprochen)? Die Inszenierung von DAS DING wird doch aber genau in solch einer Konstellation erarbeitet: bereits bekannte(r) RegisseurIn inszeniert mit Studenten und DT-Ensemblemitgliedern.
Um mehr Details zum Verständnis zukünftiger nk-Auswahlkriterien ersucht höflichst
Sven Kleine
Gatsby, Ffm: nochmal zu den Kriterien der Redaktion
Lieber Sven Kleine,
wie Nikolaus Merck schon schrieb: Zunächst einmal setzt uns unser Budget enge Grenzen. Daneben ist die Aufnahmefähigkeit der Leser begrenzt. Wir müssen also aus den vielen, vielen Premieren in Deutschland, Österreich, Schweiz ca. 50 auswählen – wie Sie sich denken können, ist das schwer genug.
Dabei lassen wir uns von verschiedenen Kriterien bzw. Regeln leiten, die – wie schon in 12. geschrieben – natürlich niemals unverrückbar und starr sind und sich mit der Zeit natürlich auch wandeln können.
Sie nennen ja selbst Fälle, in denen wir Ausnahmen gemacht haben. "Der kleine Bruder" z.B. interessierte uns, weil Leander Haußmann seit langer Theaterabstinenz wieder einmal inszenierte; "Vor den Vätern sterben die Söhne" interessierte uns im Kontext des Brasch-Doppels am BE.
Letztlich entscheiden wir also von Fall zu Fall, so bedachtsam wie möglich, und versuchen jeden Monat aufs Neue, eine gute Mischung zu finden. Dabei lassen wir dann vielleicht auch mal die eine oder andere Hauptstadttheater-Premiere zugunsten kleinerer Häuser aus. So haben wir am DT etwa auch Andreas Kriegenburgs "Hamlet"-Inszenierung, hauptsächlich mit Ernst-Busch-Stundenten erarbeitet, ausgelassen. Diesmal trifft es Philipp Löhle, Daniela Löffner und ihr Team. Wenn Sie unsere Seite durchstöbern, werden Sie aber sehen, dass wir die Arbeit von beiden aufmerksam verfolgen.
Mit besten Grüßen aus der Redaktion,
Anne Peter
Gatsby, Ffm: eine mögliche Regel
Liebe Anne Peter,
haben Sie vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort, auch wenn ich in ihr – ohne haarspalterisch erscheinen zu vollen – ein Missverständnis meiner Anfrage sehe. Mir ging es weder darum, die allgemeinen Auswahlkriterien von nk zu hinterfragen (oder überhaupt die Tatsache, dass nk auswählen muss), noch darum, mehr Aufmerksamkeit Ihrerseits für das Schaffen von Daniela Löffner und Philipp Löhle zu erstreiten – auch wenn ich es sehr schätze. Ich weiß ja, dass nk ihre Arbeit stetig verfolgt und bespricht.
Mir ging es einzig um diese Überlegung von Herrn Merck:

"Wir haben es uns zur Regel gemacht, Premieren mit SchauspielstudentInnen oder von Regie-DebütantInnen nicht zu besprechen. Wir finden es nicht angemessen, den Nachwuchs gleich im großen nachtkritik-Säurebad zu ätzen. Etwas Schonzeit muss schon sein, selbst wenn die Absolventen und Studierenden selber das Gefühl haben, sie wollten jetzt unter Real-Bedingungen mit ihrer Kunst antreten. Ist das nachvollziehbar?"

Auch wenn die Frage nicht an mich gerichtet war, erlaube ich mir zu antworten: nicht wirklich. Weil ich in der Besprechungspraxis diesen Grundsatz überhaupt nicht erkennen kann. Es gibt Dutzende von Gegenbeispielen. Das lässt bei mir nur die Schlussfolgerungen zu, die erwähnte Regel sei ein absolutes Novum; oder aber die "Regel" sei schlicht EIN mögliches Kriterium – das mal zur Anwendung kommt, mal nicht – unter vielen, aufgrund derer nk eine Auswahl trifft; dann ist es folglich keine Regel.
Wie dem auch sei, spannender wäre es in jedem Fall, die Meinungen der Schauspielstudenten und Absolventen zu Herrn Mercks Eintreten für eine Schonzeit zu vernehmen. (Übrigens: eine aufkeimende Diskussion darüber anlässlich der harschen Kritik von KLASSEN FEIND auf nk entfaltete sich nicht.)
Mit besten Grüßen,
Gatsby, Ffm: zur Präzision der Szenen
@13
Liebe Helena,
wie exakt eine Szene einstudiert ist bzw. wie groß der Spielraum der Schauspieler ist, können letztlich nur der Regisseur und das Ensemble beantworten. Bei einer Inszenierung wie dieser wäre es bestimmt spannend, sie zweimal zu besuchen. Dann würde sich Ihre Frage vermutlich klären. Machen Sie das doch mal und schildern Sie dann hier Ihre Eindrücke. Da in der Frankfurter Gatsby-Inszenierung eine Szene präzise in die andere greift, nehme ich an, dass verhältnismäßig wenig improvisiert wird.
Ihr Kai Bremer
Der große Gatsby, FFM: Theaterempfehlungen?
Lieber Kai ,
danke das sie geantwortet haben. Es tut mir leid, weil ich nicht gleich geantwortet habe aber ich habe nicht immer Internet. Ich werde das Stück auf jeden Fall nocheinmal gucken. Ich hoffe dass ich mich noch erinnern kann was die Schauspieler beim letzten Mal gesagt haben und dann vergleichen.Ich gehe nicht oft ins Theater weil es mir meistens nicht gefällt aber das Stück fand ich sehr gut und würde gerne mehr so ähnliches sehen. Haben Sie eine Idee was und wo?! Vielen Dank, Ihre Helena
Gatsby, FFM: Keine Empfehlungen, testen Sie selbst!
Liebe Helena,
was meinen Sie, was hier los ist, wenn wir anfangen, persönliche Empfehlungen zu geben? Ich kann nur auf unsere Kritiken verweisen und auf die der Kollegen in anderen Medien. Vielleicht tasten Sie sich einfach an das heran, was Ihnen gefällt. Frankfurt und seine Umgebung bietet auf jeden Fall genug, um fündig zu werden.
Ihr Kai Bremer
Gatsby, FFM: nochmal nachtkritik-Novemberauswahl
Lieber Nikolaus Merck, liebe Anna Peter, lieber Sven Kleine,
danke für die Reaktion! Einige Ihrer Argumente, liebe Nachtkritik-Redaktion, vermag ich ja durchaus nachzuvollziehen (Geldnot, Vermeidung der Hauptstadt-Zentriertheit), wenigstens eines davon aber nicht:
"Wir finden es nicht angemessen, den Nachwuchs gleich im großen nachtkritik-Säurebad zu ätzen. Etwas Schonzeit muss schon sein(...)"
Sorry, das sind Jungprofis, die müssen schon mal was aushalten können! Und mit hoher Wahrscheinlichkeit wollen sie überhaupt keine "Schonzeit", sie wollen ernst genommen werden: Gerade deshalb haben Sie sich doch dem "Ernstfall" im DT gestellt! Und Achtung: Dies ist bestimmt auch in den Augen des DT keine Inszenierung minderen Ranges, sondern eine vollwertige Repertoire-Inszenierung wie jede andere auch, wenn auch mit einer "gemischten" Besetzung aus Ensemblemitgliedern und Schauspielstudenten. Ich halte es deshalb mit Sven Kleines ausgezeichnetem Vorschlag, die jungen Leute mal zu fragen. Warum gehen Sie nicht einfach zu einer der nächsten Vorstellungen und interviewen Sie sie im Anschluss? Das wäre, meine ich, sogar einen eigenen Artikel wert: Die Ausbildungspraxis in den "großen" deutschsprachigen Schauspielhochschulen, und was im Ernstfall (wie hier!)dabei herauskommt. Die "Stile", die dabei entwickelt werden, sind ja von Schule zu Schule sehr verschieden(Armin Petras sagte einmal, er erkenne beim "Vorsprechen" spätestens beim zweiten Satz, woher der Kandidat kommt). - Leider konnte ich selber die Inszenierung (noch) nicht sehen, weil ich am Premierenabend nicht in Berlin war. Soll aber gar nicht mal schlecht gewesen sein. Ich bezweifle daher. dass Ihre Besprechung wirklich so "ätzend" ausgefallen wäre, zumal bei der sprichwörtlichen Sachlichkeit und Fairness, die Ihre Kritiken ja in der Regel auszeichnen. - Von Philipp Löhles DAS DING wird ja man spätestens bei Bekanntgabe der Mülheim-Auswahl wieder hören (so oder so!), und um die künstlerische Zukunft von Daniela Löffner braucht man sich gewiss auch keine Sorgen zu machen.
Danke noch mal, dass Sie sich mit der Sache befasst haben!
Gatsby, FFM: danke
Lieber Kai
dann werde ich erstmal in Frankfurt weiter gucken ob es nicht noch etwas gibt dort was mir gefällt. Vielen Dank für Ihre Antwort
Ihre Helena
Gatsby, FFM bzw. eigentlich: Das Ding, Berlin
Liebe Anne Peter, nun haben Sie ja doch noch eine (sehr interessante) Besprechung zu DAS DING geschrieben, wenn auch nicht für die NACHTKRITIK, sondern für die TAZ. Auch recht! Sehen Sie, lieber Herr Merck, die jungen Leute haben das "Säurebad" doch ganz gut überstanden! Wen's interessiert: http://www.taz.de/1/berlin/tazplan-kultur/artikel/?dig=2011/11/19/a0261&cHash=6e04fae049
Gatsby, FFM bzw. eigentlich: Das Ding, Berlin - Antwort
Lieber rudi,
verzeihen Sie, aber ich sprach vom Säurebad nachtkritik.de, da gibt es nämlich, wie sie wissen, nicht nur die Nachtkritik, sondern auch noch die LeserInnen. Und die sind nicht immer nett, sondern gerne auch ein mal ätzend. Und das muss vielleicht nicht schon sein, bevor eine/r auch nur die Schauspielschule beendet hat. Kritken zu ertragen, gehört auf dem Weg zum Profi dazu. Kommentare auf nachtkritik ertragen, finden ja sogar die Kommentatorinnen mitunter eine schwierigere Übung. Schien es mir letzthin.
Herzlicher Gruß
Gatsby, FFM: Macht euer Ding woanders!
Ich fände es gut, wenn diese Diskussion nicht hier ausgetragen würden, hier sollte es ja um Meinungen zu der Arbeit von Herrn Rüping gehen ... Oder?

(Lieber Frankfurter, Sie haben Recht, wir werden daher diesen Teil der Diskussion an dieser Stelle beenden. wb für die Red.)
Gatsby, FFM: Frankfurter Empfehlungen
Liebe Helena,
wenn Ihnen die Frankfurter Gatsby-Inszenierung so gut gefallen hat, dann lassen sich sicherlich Wege finden, weitere Arbeiten zu entdecken, die Ihnen gefallen könnten. Dass Hr. Bremer als objektiver Nachtkritik-Rezensent natürlich keine Empfehlungen aussprechen kann, ist allerdings rechtens. Nun - was genau hat Ihnen denn gefallen?
Die Schauspieler? Dann schauen Sie doch auf der Website des schauspielfrankfurt nach, in welchen Inszenierungen einer oder mehrere von Ihnen mitspielen. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass der hiesige Peer Gynt mit Nils Kahnwald in der Titelrrolle für Sie interessant wäre.
Oder hat sie eher der spezielle Regiezugriff von Herrn Rüping interessiert? In dem Fall sollten Sie sich informieren, wo Herr Rüping inszeniert bzw. wo seine Arbeiten zur Zeit gezeigt werden. In jedem Fall kann ich Ihnen seine Inszenierung des Alfred Kubin-Romans "Die andere Seite" empfehlen - eine überaus gelungene, spannende und abwechslungsreiche Inszenierung, die ebenfalls am schauspielfrankfurt gezeigt wird. Sie vereint einige ähnliche Erzählstrategien wie beim Gatsby in sich und ist als Rüping-Inszenierung auf den ersten Blick erkennbar. Das wird Ihnen sicher gefallen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen ein wenig weiterhelfen,
Ihr
ralf

Im Übrigen kann ich es nur begrüßen, dass die leidliche Säurebad/Nachwuchs-Diskussion nicht weiter auf dieser Seite diskutiert wird. Diskussionsbeiträge zu der in meinen Augen nach sehr diskussionsanregenden Inszenierungen würde ich allerdings nach wie vor sehr begrüßen.
Kommentar schreiben