Trapped – Die südafrikanische Theatermacherin Princess Zinzi Mhlongo eröffnet das Young Directors Project der Salzburger Festspiele
In der Freiheitsfalle
von Martin Pesl
Salzburg, 31. Juli 2012. Zuhause in Südafrika inszeniert sie in Garagen, "und jede Menge Leute kommen, uns zuzuschauen". Für das Young Directors Project der Salzburger Festspiele hat Schauspieldirektor Sven-Eric Bechtolf der etwa dreißigjährigen Theatermacherin mit dem schmucken Namen Princess Zinzi Mhlongo einen spektakulären Karriereschub verpasst und sie mit Stückauftrag und Budget versehen, ließ sie außerdem ihr gesamtes Team aus jungen Künstlern ihrer Heimat selbst zusammenstellen. "Trapped" – "Gefangen" – so der bei dieser bemerkenswerten Schöpfungsfreiheit ironisch anmutende Titel der dabei entstandenen Uraufführung, mit der das Young Directors Project 2012 im republic nun eröffnet wurde.
Schrulliges Exponat Mensch
Einen Anspruch dieser im Vergleich zum wuchtigen Glamour der Festspiele unerhört frechen Nebenschiene löst Princess Mhlongo dabei zweifelsohne ein: den der jugendlichen Frische. Unbändige Energie treibt ihre fünf Darsteller den ganzen Abend hindurch, ihre Stimmen und Körper halten ein hohes Niveau an Präzision und Effet. Es wird getanzt, geklettert, soulig gesungen. Jede dargestellte Figur vibriert vor (äußerlicher) Exaltiertheit, die jeweils nicht im Zentrum stehenden Performer unterfüttern die Szenen mit einer permanenten Gesangs- und Klangkulisse. Dass die Charaktere eigentlich als schrullige Exponate eines verlassenen und halb schon abgerissenen Museums konzipiert sind, geht fast unter, so eifrig sind sie zum Leben erwacht.
Diese gut gelaunte Rhythmik schafft es freilich nicht ganz zu übertönen, dass Mhlongos Talent als Regisseurin weit vielversprechender ist als das der Autorin in ihr. "Trapped" reiht die Situationen einiger Personen aneinander, die alle im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Unfreiheit – nun, gefangen sind. Sie führen Bezeichnungen wie "Die Frau", "Diva", "Die Soldaten" oder "SchlichtUndEinfach" und bringen ihre Probleme hauptsächlich in sprachlich schlichten Monologen oder Liedern zum Ausdruck. Narrative oder formale Verknüpfungen gibt es keine. Gegen Ende wird es etwas dialogischer, im Wettstreit zwischen den Herrschaften "Star", "Ruhm" und "Mr. Persönlichkeit" darum, wer es verdient hat, berühmt zu sein. Oder in der gemeinsamen Trainingseinheit eines Zwillingspaares, das vergeblich versucht abzunehmen.
Schmutziges, gedämpftes Gold
Fremdsein, Geschlechterstereotype, Hysterisierung des Lebens durch das Fernsehen: Mhlongos Text reißt diese und weitere durchaus bühnentaugliche Themen an, kann sie in 75 Minuten aber nicht so eingehend verhandeln wie das andernorts jeweils schon vielfach geschehen ist. Wir haben zwar alle Freiheiten, stehen uns aber selbst vielfach im Weg, so das so simple wie unbestreitbare Fazit der meisten Textminiaturen.
Dafür macht es Spaß zu sehen, wie stilsicher die Regisseurin und ihre Ausstatterin mit ihrem ungewohnten Budgetluxus umgehen: Bühne und Kostüme sind aus Gold! Zumindest sehen sie so aus, aber es ist ein schmutziges, gedämpftes Gold, das sich in verschiedenen Nuancen durch den symmetriebewusst eingerichteten Raum zieht: über die Vorhänge, die zu Metallleitern abgemagerten Museumssäulen, das eine oder andere Kleid und die Podeste, auf denen die Figuren "ausgestellt" sind. Unter ihren figurenspezifischen Kostümen tragen alle fünf Performer schwarze Ganzkörperanzüge aus Plastik – die sollen vielleicht die gelegentlich im Text angesprochenen Zwangsjacken Irrer darstellen. Dazu bringen beeindruckend perfekte Lichtstimmungen das Gold zum Glänzen. Wenn es das Scheinwerferlicht ist, das die vierte Wand aufhebt und Gitterstäbe über uns alle legt, dann ist das zwar plakativ, aber es sieht gut aus.
Wir Theatermacher und -zuseher sitzen doch also eigentlich im selben Gefängnis. Grund zu schlechter Laune ist das jedenfalls keiner. "Now is the time to take a little freedom", jubiliert die Figur, die "SchlichtUndEinfach" heißt – und nimmt strahlend den Notausgang, direkt auf die gar nicht so jungen, frischen Salzburger Straßen, wo befremdete Chauffeure auf Promis warten, um sie zu Cocktailempfängen abzuholen.
Trapped
Text und Regie: Princess Zinzi Mhlongo, Bühne und Kostüme: Thando Lobese, Komposition: Zimkitha Kumbaca, Choreografie: Hlengiwe Lushaba Madlala, Lichtdesign: Mandla Mitshali
Mit: Bennedict Bongani Masango, Thapelo J. Sebogodi, Rantbeng Makapan, Dorrianne Mahlangu, Nkoto Keitu Malebye
www.salzburgerfestspiele.at
Es gebe Theatertruppen, so Karin Fischer im Deutschlandfunk (1.8.2012), "wie zum Beispiel das Duo Gintersdorfer/Klaaßen mit ihren Schauspielern von der Elfenbeinküste", die das moderne Afrika augenzwinkernd auf die Bühne brächten und dabei sowohl afrikanische Theaterformen als auch den postkolonialen Blick der Zuschauer mit inszenierten. "Das ist immer ein intelligentes Vergnügen" – demgegenüber sich das "farbige Museum" von Princess Mhlongo als dunkel gefärbte, pathetische und gefährlich naive Selbstverständigungsübung gebe. Dass genügend Sperriges bleibe, machten allein die Masken und die Akustik.
Siegerqualitäten habe dieses Gesellenstück von 65 Minuten nicht, urteilt Norbert Mayer in Die Presse (2.8.2012). Dazu sei es literarisch zu flach und werde von den fünf Darstellern der TickTock Productions bei all ihrem Enthusiasmus zu amateurhaft gespielt. Die Revue befremde mit generalisierender Beliebigkeit. "Gut gemeint ist nicht unbedingt gut."
Dramatisierende Verdichtung sei Mhlongos Sache nicht, schreibt Christine Dössel in der Süddeutschen Zeitung (2.8.2012). Aber so abgedroschen und präpotent "Trapped" textlich sei – "als Regisseurin hat Princess Zinzi Mhlongo ein sichtlich stärkeres und originelleres Talent." Sie zaubere stimmungsvoll mit Licht, (Gospel-)Gesängen und flackernden Schatten, lasse eine Atmosphäre von Voodoo-Magie und Fremdheit entstehen. Ihre Figuren seien recht befremdliche Exemplare, alle seltsam vermummt, maskiert, verfremdet. "Das hat einen eigentümlichen Reiz." Mehr als eine "gut gemeinte kleine Freiheits-Performance, die bei einem Fringe-Festival sicher besser aufgehoben wäre", ist es für Dössel dann aber doch nicht.
"Manchem Theater wohnt ein Zauber inne – so lange es nicht anfängt", beginnt Gerhard Stadelmaier in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (2.8.2012). Wenn man im Falle von "Trapped" gleich wieder gegangen sein würde, hätte man geglaubt haben können, eventuell Wunder und Schrecken und Geheimnis und Tollheit sondergleichen versäumt zu haben. Die dann noch gekommen sein würden. "Wer aber gleich wieder gegangen wäre, hätte den besseren, den wunderbareren, den geheimnisvolleren Teil erwählt: den Nichtanfang. Die pure reizende Dschungel-Ungefähr-Stimmung." Die würde durch das Folgende gründlich ad acta gelegt. "Nun hätte man gedacht, Südafrika sei längst befreit und hätte irgendwie auch den Adel abgeschafft", schreibt Stadelmaier. "Aber dass es dort immer noch den treuherzig alten leibeigenen Theater-Schulfunk gibt, der mit viel gutturalem Schwung, kehligem Englisch und unaufhörlich hampelnder Aktion Allerweltsweisheiten auf existentielle Banalitäten herunterbricht, die den unfreien Verhältnissen einfach ein völlig folgenloses 'Freedom!' entgegenzeigefingern, hätte man nicht gedacht." "Man" hätte auch nicht gedacht, "dass eine Festspielleitung, die ihre paar dramaturgischen Tassen noch im Schrank hat, eine derartige Dürftigkeit nach Salzburg zu importieren sich traut". Bedenke "man", dass in Salzburg "höchstmögende Leute im Parkett vor sich hin glitzern", deren Juwelen natur- und minengemäß Produkte der Ausbeutung schwarzer afrikanischer Unfreier seien, bekomme "die ganze lächerliche, verlogene Veranstaltung" dann doch "den Geschmack, der sie richtig adelt – den Ruch des Obszönen".
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