Ensemble der Münchner Kammerspiele stellt sich hinter Intendant Lilienthal
Keine Bastion der Affirmation
München, 22. März 2018. Das Ensemble der Münchner Kammerspiele hat sich in einem Offenen Brief hinter Intendant Matthias Lilienthal gestellt, der aufgrund fehlenden Rückhalts in der Stadtpolitik entschieden hat, seinen Vertrag nicht über 2020 hinaus zu verlängern. "Die Entscheidung, die Intendanz Lilienthal nicht zu unterstützen, untergräbt für unser Empfinden den Geist dieses Hauses", heißt es in dem Brief. "Sie sabotiert unsere Suche und erwischt uns zur Halbzeit unserer Bemühungen."
Die Unterzeichner*innen monieren, dass man dem Erneuerungsprojekt des Hauses keine Zeit eingeräumt habe, und verweisen auf die "Erfolge einiger unserer Produktionen, überregionales Echo und die neu gewonnene Diversität unseres Publikums". Programmatisch heißt es in dem Brief: "Wir glauben, dass es der Auftrag des subventionierten Theaters ist, ein Ort der Reflexion und des Aufbruchs, nicht eine Bastion der Affirmation zu sein. Wo, wenn nicht an diesem Ort, ist der spielerische Mut zur Verunsicherung, zur Utopie und zum Experiment angebrachter – wann, wenn nicht in einer Zeit, in der Angst tiefe Gräben durch unsere Gesellschaft zieht?"
(Münchner Kammerspiele / chr)
Wiebke Puls erklärt im Namen des Ensembles @M_Kammerspiele nach der Vorstellung von "Trommeln in der Nacht" Enttäuschung über Entscheidung @StadtMuenchen Vertrag von #Lilienthal nicht zu verlängern; außerdem Sichtweise des Ensembles zur Funktion des Stadttheaters. (1/2) pic.twitter.com/YGF94SKV6b
— Giuseppe van Wagner (@barbrastreusand) 25. März 2018
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Was ich spannend finde: In Berlin (Volksbühne) und München (Kammerspiele) gibt es offenbar Häuser, die einen bestimmten Geist atmen, weil es ganz ungewöhnliche Bauten sind, die über Jahrzehnte etwas etabliert haben. Möglicherweise hätten Dercon im HAU oder Lilienthal im Residenztheater ganz wunderbar funktioniert. In beiden Fällen hat sich ein Publikum eine Heimat erkämpft, die es verteidigt. Das ist doch eigentlich eine großartige Entwicklung!
Die Anmaßung von manchen KünstlerInnen und des Kommentators #1, diesem Publikum vorzuhalten, es sei konservatov, ist demgegenüber peinlich. Der Vorwurf würde nur greifen, wenn es in Berlin und München keine Orte für das jeweils andere gäbe - was schlicht nicht der Fall ist.
Wenn Sie schreiben, "dass das Stadttheater der Zukunft den Weg den die Kammerspiele gehen, gehen muss, wenn es überleben will" - formulieren sie dann nicht eine Unbedingtheit, die eben zu jener Offenheit und Durchmischung, die sie sich andererseits wünschen, im Widerspruch steht? Ist es im Geiste jener Offenheit nicht vielmehr so, dass es verschiedene Formen, ja, auch Ansätze an verschiedenen Häusern geben MUSS - weil sonst nur der eine Konservativismus durch einen anderen ersetzt wird; im Sinne der Bewahrung eines Status quo zu Ungunsten möglicher (erst zu entwickelnder) Alternativen? War nicht der Schritt, Lilienthal nach München zu holen, ein ehrenwertes Wagnis - und ist es nicht jetzt ebenso ehrenwert, diesen Schritt zu korrigieren, wenn man zu erkennen glaubt, dass sein Ansatz nicht funktioniert? (Ob er funktioniert oder nicht: Darüber kann man ja verschiedener Meinung sein.) Mir persönlich (ich bin jung, ich bin an Diversitäts- und Genderfragen interessiert) hat nicht gefallen, was ich zuletzt an den Kammerspielen gesehen habe. Weil mir das professionelle Niveau zu niedrig war, weil ich (gerade bei Inszenierungen, die aus der freien Szene kamen) die dargestellten Ideen unausgegoren, zu flach oder nicht interessant umgesetzt fand. Mich wundert nicht, dass sich jetzt kein Proteststurm erhebt, um Lilienthal zu halten - und das liegt nicht an den "Zukunftsblockierern" der CSU oder am gleichgültigen Münchener Publikum, m.E..
Liebe Verantwortliche, bitte wählen Sie für dieses Haus am Rosa Luxemburg Platz keine weiteren nicht geeigneten Personen aus. Berlin braucht wieder ein herausragendes Theater und Haus in dem neben einem - derzeit zerstörten - Ensemble- und Repertoirebetrieb auch andere Kunstformen zur Geltung kommen - wie in den letzten 25 Jahren - und kein zweites Hau oder Kampnagel.