Schauspielstar Ost

1. Februar 2019. Am heutigen Freitag ist die Theater-, Film- und Fernsehschauspielerin Ursula Karusseit verstorben. Das meldete das Neue Deutschland. Karusseit war ab den späten 1960ern eine Protagonistin des DDR-Theaters, insbesondere während ihrer Zeit an der Berliner Volksbühne.

Theaterschauspielerin

Geboren am 2. August 1939 im westpreußischen Elbing im heutigen Polen, absolvierte Karusseit eine kaufmännische Lehre und studierte dann an der Staatlichen Schauspielschule in Berlin-Schöneweide. Anschließend spielte sie am Deutschen Theater Berlin und dem Maxim-Gorki-Theater und war lange Jahre an der Berliner Volksbühne engagiert. Wege übers Land Bundesarchiv Bild 183 G0926 0022 001 Berlin "Wege übers Land", DEFA 1968: Ursulka Karusseit mit Manfred Krug © Bundesarchiv Bild_183-G0926-0022-001 via Wikipedia Dort arbeitete sie mit Regisseuren wie Fritz Marquardt oder Benno Besson, den sie 1969 heiratete, und feierte Erfolge mit Rollen wie Shen Te/Shui Ta in Bessons Brecht-Inszenierung "Der gute Mensch von Sezuan", der Roten Rosa in der Uraufführung von Peter Hacks' "Moritz Tassow" 1961 oder der Elsa in "Der Drache" von Jewgeni Schwarz in der legendären Aufführung am Deutschen Theater Berlin.  Auch in München, Köln und Heidelberg, in Dessau, Dresden und Zürich, dem Schiller-Theater und am Berliner Ensemble stand Ursula Karusseit auf der Bühne – vor und nach der Vereinigung. Ab 1987 war sie als freie Schauspielerin und Regisseurin tätig. Regie führte sie unter anderem in Dresden, Zittau, Schwerin und Tübingen.

Filmschauspielerin

1963 gab Ursula Karusseit ihr Filmdebüt in Lothar Bellags Fernsehfilm "Was ihr wollt". Berühmt wurde sie durch ihre Darstellung der Gertrud Habersaat im TV-Mehrteiler "Wege übers Land" (1968) nach Helmut Sakowski, durch das antifaschistische Filmepos über die Widerstandsgruppe um Harro Schulze-Boysen, "KLK an PTX – Die Rote Kapelle" (1971) oder das Märchen "Die vertauschte Königin“ (1984). Vor der Kamera stand sie auch für Konrad Wolf in dessen Film "Der nackte Mann auf dem Sportplatz" (1973).

Fernsehstar

Nach der Wende spielte Ursula Karusseit in Fernsehserien wie "Liebling Kreuzberg", "Praxis Bülowbogen“ oder "Polizeiruf 110" und in Filmen wie Andreas Dresens "Nachtgestalten" (1999) oder Adolf Winkelmanns "Waschen, Schneiden, Legen“ (1999). Über ihre Kantinenwirtin Charlotte Gaus in der ARD-Serie "In aller Freundschaft“, an der sie ab 1998 beteiligt war, schrieb der Tagesspiegel zu Karusseits 70. Geburtstag, diese sei "sinnlich und spröde, begehrenswert und widerspenstig": "Was alles kann ihr Gesicht zeigen – wie Gewitter vorüberziehende, widerstreitende Empfindungen“.

Ursula Karusseit sprach Hörspiele ein, tourte deutschlandweit mit ihrem Programm "Jazz, Lyrik, Prosa“ und lehrte seit 1973 an der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" in Potsdam-Babelsberg.

Mit dem Regisseur Benno Besson hat Ursula Karusseit einen Sohn, den 1967 geborenen Schauspieler Pierre Besson.

Ausgezeichnet wurde sie unter anderem 1968 mit dem Nationalpreis der DDR I. Klasse im Kollektiv und 2009 von der Zeitschrift Superillu, dem Mitteldeutschen Rundfunk und dem Rundfunk Berlin-Brandenburg mit der Goldenen Henne für ihr Lebenswerk.

Ursula Karusseit verstarb in einem Berliner Krankenhaus an den Folgen eines Herzleidens.

(Neues Deutschland / filmportal / Wikipedia / eph / jnm)

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Kommentare  
Ursula Karusseit gestorben: wahrhaft
Eine Große geht. Teil einer Generation. Im Dienst der Sache. Der Verlust schmerzt, die geschenkten Blicke, Gesten, Rufe, Momente bleiben. Wahrhaft.
Ursula Karusseit gestorben: eine der Größten
Die standardisierten Nachrufe in den Zeitungen und im Rundfunk bestätigen den Zustand des gegenwärtigen Bewusstseins von Theater. Ursula Karusseit, eine der Größten ihrer Profession, kommt da stereotyp als "DDR-Schauspielerin" vor und wird auf die Darstellerin in einer eher belanglosen Fernsehserie reduziert. Auf Wikipedia hört die Auflistung ihrer Theaterrollen mit dem Jahr 1985 (!) auf, kein Wort über ihre Auftritte im "Westen", wohin Klaus Pierwoß allen voran sie frühzeitig eingeladen hat. Noch vor vier Jahren spielte sie in der Komödie am Kurfürstendamm die Rolle der Violet Weston im Schlager der Saison von Tracy Letts. Und belehrte eine Öffentlichkeit, die mit so viel Mittelmaß abgefüttert wird, was Schauspielkunst ist. Auf der Bühne, diesseits des Bildschirms. Und fast dreißig Jahre nach dem Ende der DDR - als ewige DDR-Schauspielerin.
Ursula Karusseit gestorben: unverstellter Ton
Lieber Thomas Rothschild, Sie schreiben mir aus der Seele (bei keiner Schauspielerin würde je stehen, dass sie BRD-Schauspielerin gewesen sei)! Ich habe Ursula Karusseit viel zu selten erlebt, aber schon allein ihr herrlich unverstellter und direkter Ton, den sie etwa in "Hase, Hase" hatte, machte sie zu einer großen Schauspielerin. Sie noch einmal in "Eine Familie" erlebt zu haben, war ein Geschenk!
Liebe Frau Karusseit, bitte grüßen Sie mir den Fritz! Er hat mir viel von Ihnen erzählt.
Ursula Karusseit gestorben: Verbeugung
Eine große Verbeugung vor dieser großen Schauspielerin.
Ursula Karusseit gestorben: Verkörperungs-Intelligenz
Es ist bei mir eine erzählte Anekdote hängengeblieben aus Probenprozessen. Das Team - welches, ist mir entfallen - überlegte und diskutierte hin und her, wie die Karusseit das Darzustellende am besten machen könntesolltemüsste und sie sei dann, ohne sich dazu überhaupt geäußert zu haben, einfach an die Rampe gegangen und hat es umstandslos ohne intellektdebiles Hin und Her in direkter Publikumsansprache gemacht. Ganz ohne Text-Performance, nur kraft ihrer schauspielerischen Verkörperungs-Intelligenz. Die weiß, was "stimmt" und was nur "angeschafft" ist und deshalb für Publikum eben nicht stimmen wird. Und die zeigt, wo die Grenze für eine Regie ist; wo ein Grenzübertritt der Regie einher geht mit Macht-Missbrauch. Gegenüber dem Schauspieler. UND gegenüber dem Publikum.
Außer über diese Anekdote hab ich sie nicht gekannt. Es reicht trotzdem, um traurig zu sein über den Verlust, den das deutschsprachige Theater mit ihrem Ableben hinzunehmen hat.
Ursula Karusseit: Authentisch
Ich bin Ursula Karusseit vor ziemlich genau 10 Jahren das erste Mal persönlich begegnet. Damals noch Schauspielstudent, der sich ein paar Pfennige als Komparse bei "In aller Freundschaft" dazuverdient hat. In einer Drehpause nahm ich meinen Mut zusammen und klopfte entgegen aller ausdrücklichen Anweisungen der Produktion an ihre Garderobentür. Sie öffnete mir und gewährte Eintritt. Ich wollte sie einzig und allein fragen, ob sich sich eine Monologarbeit mit mir vorstellen könne. Aufgeschlossen, direkt, wie sie eben war, wollte sie darüber nachdenken. Als verlässlich würde ich die Begegnung mit ihr beschreiben, denn keine Woche später erhielt ich einen Anruf von ihr, verbunden zwar mit einer Absage, aber, hey, welcher "Star" (Kollege) macht das schon... Jedenfalls verließ ich die Garderobe wieder und erntete böse Blicke der Komparsenbetreuer: Wie konnte ich nur...
Ich bin ihr dann noch zweimal auf Lesungen begegnet und sie erinnerte sich an unsere Begegnung. Ich bin dankbar ihr begegnet zu sein und bin nunmehr selbst auch schon ein paar Jahre im Beruf und erinnere mich gern daran zurück. Mögen Sie, liebe Frau Karruseit, ihren Seelenfrieden an dem uns unbekannten "Ort" gefunden haben und mit ihrer Gelassenheit, vielleicht auch einer Zigarette, auf all die durchaus bedenklichen Entwicklungen unserer Welt nach unten schauen und im Rückblick sagen, ich hatte ein tolles, erfülltes Leben.
In aller Freundschaft, Katurian.
Ursula Karusseit: mit unübertroffener Rasanz
Mit unübertroffener Rasanz hat Usch Karusseit am Schauspiel Köln eine Titelrolle übernommen. Folgenreich war die anschließende Zusammenarbeit, die zur Mutter Courage in der Inszenierung von Manfred Karge führte. Unvergesslich und abenteuerlich ein gemeinsamer Bootsurlaub auf dem irischen Shannon. Sie bleibt unvergesslich: vor wenigen Tagen bezeichnete sie Köln als ihre schönste Theaterzeit. Farewell!

Klaus Pierwoß, Ex-Intendant in Köln
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