Rekordsumme versus Einsparungen

27. November 2020. Um 170 Millionen Euro steigt der Kulturhaushalt des Bundes für das Jahr 2021. Bewilligt hat den Zuwachs gestern der Haushaltsausschuss des Bundestages in seiner Bereinigungssitzung. Das meldet u.a. die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Insgesamt stehe damit für Kulturausgaben im kommenden Jahr die Rekordsumme von rund 2,1 Milliarden Euro zur Verfügung, so die FAZ. Zu den mehr als hundert Projekten, bei denen der Bund weitere Finanzen zusichert, gehört etwa die Sanierung des Bayreuther Festspielhauses mit 84,7 Millionen Euro. Die Sanierungsarbeiten auf dem "Grünen Hügel" sollen die veraltete Technik des Hauses auf einen modernen Stand bringen und den Veranstaltungsort der jährlichen Richard-Wagner-Festspiele an aktuelle sicherheitsrechtliche Anforderungen anpassen, so die Süddeutsche Zeitung.

Weitere Mittel erhalten unter anderen die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sowie Chemnitz für sein Programm als Europäische Kulturhauptstadt 2025. Mit 42 Millionen Euro soll das Veranstaltungszentrum Urania in Berlin zu einem nationalen Bürgerforum für Demokratie und Vielfalt, Wissenschaft und Umwelt entwickelt werden.

Gekürzt wird demgegenüber in den Kommunen. In Bamberg wurde bereits Ende Oktober eine geplante Kürzung des Kulturetats um bis zu 25 Prozent öffentlich. Vor einer Woche wurde bekannt, dass in München im Jahr 2020 alle Referate 6,5 Prozent ihrer geplanten Etats einsparen müssen. Darüber berichtete die Süddeutsche Zeitung in einer Recherche. Im Kulturreferat bedeutet das Kürzungen von 11,45 Millionen Euro bei Sachmitteln und 4,2 Millionen Euro bei Personalausgaben. Da der künstlerische Etat von Theatern nur rund zehn Prozent ihres Gesamthaushaltes ausmache, ein Großteil in Fixkosten für Gehälter, Miete oder Betrieb der Spielstätten gebunden sei, fürchten die Intendant*innen der Münchner Theater einen Kahlschlag bei kulturellen Veranstaltungen.

(FAZ / SZ / eph)

mehr meldungen

Kommentare  
Kommunen kürzen: Zitat Harald Wolff
Zitat von Harald Wolff, Dramaturg der Münchner Kammerspiele aus der SZ:

"Wenn man zehn Prozent eines Baumes abschneidet, hat der nicht zehn Prozent weniger Grün, sondern keinen Stamm mehr, denn neunzig Prozent eines Baumes, seine Struktur, befinden sich unsichtbar unter der Erde." Was Wolff damit meint: Gerade in der Kulturpolitik haben wenige Kürzungsprozesse massive Folgen.
Kommunen kürzen: stimmt das?
Stimmt es überhaupt, dass neunzig Prozent eines Baumes unter der Erde sind? Ich habe für die These keinerlei Beleg finden können. Meine Befürchtung ist, dass wir uns mit solchen Argumentationsweisen unglaubwürdig machen.
Kommunen kürzen: missratener Vergleich
#2: Es kommt auf den Baum an. Wenn Sie bereits einmal eine umgestürzte, entwurzelte Kiefer oder Fichte gesehen haben, haben Sie feststellen können, dass keineswegs 90% des Baumes sich unter der Erde befanden. Bei reinen Pfahlwuzlern sieht es ähnlich aus. Bei Baumarten, die sowohl Pfahl- als auch Flachwurzler sind, wie beispielsweise Buchenarten oder Colorado-Tannen trifft die Aussage eher zu. Wenn man hier den Vergleich zum Kulturbetrieb ziehen möchte, muss man sich entweder festlegen auf eine Baumart, der sowohl Pfahl- als auch um die Herzwurzel herum sich bildendendes Flachwurzelwerk eigen sind. Dann müsste man z.B. sagen: der Kulturbetrieb ist eine Coloradotanne... Dabei muss man noch bedenken, dass die nach ca. 25 Jahren das erste Mal überhaupt blühen, da sind das schon stattliche Bäume in unseren Breiten- Oder man sagt: Der Kulturbetrieb ist wie eine alte Buche. Die bildet erst im hohen Alter ein staatliches Herzwurzel-Flechtwerk aus. Davor ist sie aber ein Pioniergehölz - also ähnlich wie Unkraut wachsend, wenn man es ohne Eingriffe lässt. - Es ist mithin ratsam, wenn einem daran liegt, für die momentane Problematik des Kulturbetriebes über ihn hinausgehend für seine Nöte zu sensiblisieren, ihn besser nicht mit einem Baum zu vergleichen. Die These von Herrn Wolf ist keine These, sondern ein völlig missratener Vergleich, der der Aufmerksamkeit verdienenden Sache eher schadet als nützt. das ist schon mal ein guter Anfang eine Struktur im Kulturbetrieb auch eine Struktur zu nennen: Es gibt dort möglicherweise einen - eventuell größtenteils unterirdischen - Hang, schiefe Vergleiche für Thesen zu halten oder zumindest zu versuchen, solche als Thesen zu verkaufen.
Kommunen kürzen: Regeln missbraucht
Baum hin, Baum her! Das Argument, dass nur zehn Prozent des Gesamthaushalt eines Stadttheaters in die Kunst fließen, ist falsch und war schon immer falsch. Näheres kann man jetzt in meinem neuen Beitrag auf stadtpunkt-kultur.de nachlesen. Ca.60 Prozent der dem Stadttheater zur Verfügung stehenden Gelder fließen direkt in die Kunst. Und die Kosten für Werkstätten oder für die Verwaltung dienen doch außerdem auch der Kunst. Es müssen Bühnenbilder gebaut werden, Verträge abgeschlossen und abgerechnet, Rechnungen bezahlt werden und vieles mehr. Eines ist aber richtig: Gespart wird bei Haushaltskürzungen vor allem im Bereich der Kunst, weil dort die Verträge aus Gründen der Kunstfreiheit flexibler gestaltet werden. Also muss jeder Kämmerer, der die Zuschüsse für die Stadttheater beschneidet, wissen, dass er diese Regeln einfach zu Rationalisierungszwecken missbraucht. Das müssen wir den Kürzungen entgegenhalten.
Im Übrigen: Es ist schön, dass der Kulturhaushalt des Bundes steigt, aber Länder und Kommunen stellen für Kunst und Kultur immer noch ein Vielfaches des Bundeskulturhaushalts zur Verfügung. Das sollte nicht in Vergessenheit geraten.
Kommentar schreiben