Bewerbung zurückgezogen

Memmingen, 17. Juni 2021. Das Landestheater Schwaben wird künftig von einer Doppelspitze geleitet. Wie das in Memmingen beheimatete Theater mitteilt, sollen Christine Hofer, Leiterin der Kinder- und Jugendsparte am Landestheater Eisenach, und der Regisseur Alexander May die künstlerische Leitung ab Sommer 2022 übernehmen. Das Duo ist vorerst aber nur interimsweise für zwei Jahre bestellt.

Hofer und May springen für eine nicht genannte Person ein, die im Bewerbungsprozess des Theaters ausgewählt wurde, aber kurzfristig aus persönlichen Gründen abgesagt habe.

"In der Kürze der Zeit wäre es nicht möglich gewesen, nach der überraschenden Absage ein neues Auswahlverfahren bis zum Beginn der Spielzeit 2022/23 mit angemessenem Vorlauf abzuschließen. Um die künstlerische Zukunft des Landestheaters Schwaben zu sichern und Kontinuität zu gewährleisten, werden nun Christine Hofer und Alexander May die künstlerische Leitung für zwei Jahre interimsweise übernehmen", heißt es in der Pressemitteilung des Theaters. Das Leitungsteam komplettiert Peter Kesten als neuer Kaufmännischer Direktor. Er ist seit 23 Jahren stellvertretender Intendant und Oberspielleiter am Landestheater Schwaben. Die Intendanzsuche wurde nötig, weil die amtierende Leiterin des Hauses Kathrin Mädler im Sommer 2022 an das Theater Oberhausen wechselt.

Die Neuen

Christine Hofer wurde in Brandenburg geboren und war nach ihrer Schauspielausbildung in Berlin zunächst am Staatstheater Braunschweig engagiert. Sie studierte im Anschluss Regie an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Seit ihrem Abschluss 2005 arbeitet sie als freie Regisseurin. Hofer war 2016 bis 2018 die künstlerische Leiterin des Theatersommers Netzeband. Seit der Spielzeit 2018 leitet sie die Sparte "Kinder- und Jugendtheater" am Landestheater Eisenach.

Alexander May, geboren 1970 in Trier, ist seit 2005 als freier Regisseur für Schauspiel, Oper und Hörbuch tätig. Von 2014 bis 2017 war er künstlerischer Direktor am Theater Pforzheim. In der Übergangsspielzeit 2017/18 übernahm er als Mitglied der Theaterleitung des Theaters Trier die Aufgaben als Chefdramaturg und Regisseur. Von 2018 bis 2020 arbeitete er als Stellvertretender Intendant, Chefdramaturg und Regisseur am Rheinischen Landestheater Neuss. Er ist designierter Intendant der Burgfestspiele Mayen, deren künstlerische Leitung er im September 2021 übernimmt.

 

Update, 23. Juni 2021. Sibylle Broll-Pape, Intendantin in Bamberg und Mitglied der Findungskommission, drückt auf Nachfrage ihre Irritation über die Besetzung der Memminger Intendanz aus. "Es kann ja immer mal passieren, dass Verhandlungen scheitern. Aber dann fragt man doch die nächstplatzierte Person im Bewerbungsprozess!"

Broll-Pape stellt die Genese der Intendanzbesetzung wie folgt dar: Die Findungskommission habe zunächst eine Shortlist mit 6 Bewerbungen erstellt und diese schließlich auf zwei Kandidat:innen reduziert. Beide Personen seien von der Kommission grundsätzlich für kompetent befunden worden, eine sei jedoch favorisiert worden. Die dritte und letzte Sitzung der Findungskommission habe am 8. Juni gemeinsam mit Vertreter:innen des Zweckverbands Landestheater Schwaben stattgefunden. Der Zweckverband ist die Träger-Organisation des Theaters, ein Zusammenschluss von Städten, Kommunen und dem Bezirk Schwaben.

Der Zweckverband entschied sich für die von der Kommission favorisierte Person, die allerdings später ihre Bewerbung zurückzog. Dass daraufhin nicht die zweitplatzierte Person angefragt worden sei, hält Broll-Pape für "völlig unerklärlich". Die Findungskommission sei auch nicht erneut konsultiert worden. "Ich verstehe überhaupt nicht, warum man nicht noch mal Rücksprache mit uns gehalten hat. Ich wurde erst fünf Minuten, bevor die Pressemitteilung herausging, informiert." Die Findungskommission habe selbst beim Zweckverband postalisch eine Klärung des Sachverhalts gefordert, bislang allerdings keine Antwort erhalten.

Auch eine Anfrage von nachtkritik.de wollte Manfred Schilder (CSU), Memmingens Oberbürgermeister und Vorsitzender des Zweckverbands, nicht beantworten. Eine Mitarbeiterin teilte mit, man werde zu internen Personalfragen keine Auskünfte erteilen. 

(Landestheater Schwaben / miwo)

 

Mehr zum Thema:

2019 porträtierte Christoph Muggenthaler auf nachtkritik.de das Landestheater Schwaben und seine Arbeit.

 

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Kommentare  
Doppelspitze Schwaben: Seltsame Entscheidung
Das ist ja dann doch eine Entscheidung, die ein wenig seltsam anmutet. Bei einer Bewerber*innenzahl von vermutlich 60 bis 80 wie in vergleichbaren Verfahren muss es doch mehr als eine Person gegeben haben, der man die Leitung für mehr als zwei Jahre zutraut. So kann das neue Team nicht langfristig planen und engagieren, weil der Vorbehalt über allem schwebt...
Doppelspitze Schwaben: merkwürdig
und dann niemanden aus diesem Bewerberfeld anzufragen, also auch nicht die zweit- und drittplatzierten Kandidat:innen, sondern in Abstimmung mit den neuen kaufmännischen Leiter ein neues Team aus dem Hut zu zaubern, völlig am Auswahlverfahren vorbei, hat doch ein sehr eigenes "Geschmäckle".
Ob dieses Verfahren einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung standhält?
Doppelspitze Schwaben: Krimi-Komödie?
Wozu wurde die Findungskommission denn überhaupt gebeten, wenn sie am Ende nicht mit einbezogen wird? Kommt mir eher vor wie Germany's next Topintendant*in, wo am Ende doch Heidi Klum entscheidet. Spielen Sie ihre Komödien besser, liebe Politiker. Oder ist es ein Krimi? Dann wäre es gut nicht gleich zu wissen, wer der Täter ist.
Doppelspitze Schwaben: Machtstrukturen
Wenn sich die Politik zu viel in die Belange des Theaters einmischt, wird es leider oft schwierig, besser ist es umgekehrt.
Gibt es jemanden in der Führungsebene in Memmingen, der unkündbar ist? Erfahrungsgemäß läuft dort viel Macht zusammen und MANN kennt sich. Möglicherweise werden die Entscheidungen dann eben doch nicht durch Fachkommissionen oder gar demokratisch entschieden, sondern durch die Machtstrukturen, die sich über Jahre entwickelt haben. Wer weiß. Wir werden es nicht erfahren und in ein paar Wochen wird es vergessen sein.
Doppelspitze Schwaben: Wake up!
Das G’schmäckle scheint/ist doch mehr: ein intensives Aroma von Unkündbarkeiten an den Machtspitzen (da sind Politik und Theater wohl gleichauf) und gleichzeitig der stark entwickelte Geschmack beständigen Wegschauens. Wird jemand professionell nachhaken, wenn sich das ärgerliche Erstaunen gelegt hat?! Es wäre zu wünschen, auch im Sinne der Zukunft einer neuen Intendanz (die ja dann mit dem Kaufmännischen Direktor zusammen arbeiten können muss!). Es sollte unbedingt ein Statement zu den vielleicht ganz persönlichen Strippenziehereien geben. So kommt es daher. Demokratisch war es nicht und fachlich gut umgesetzt ebenso wenig. Memmingen, wake up! Wir haben 2021!
Doppelspitze Schwaben: merkwürdig
Alexander May ist mindetens zwei Jahre lang gleichzeitig Intendant der Burgfestspiele Mayen und am Landestheater Schwaben in Memmingen? Und beide Träger glauben, dass das ein guter Plan ist? Äußerst merkwürdig.
Doppelspitze Schwaben: unterschätzt
Vermutlich Unterschätzung beider Aufgaben (...). Sicherlich nicht im Sinne der Weiterentwicklung beider Theater. Schade.
Doppelspitze Schwaben: Auswahlkriterien
@ Glocke1542: Ja, das sehe ich auch so. Gibt es wirklich außer Alexander May keine qualifizierten Personen die sich jeweils mit 100 % den Aufgaben in Mayen und in Memmingen widmen könnten? Die Auswahlkriterien der Träger unserer Theater bei der Besetzung der Intendanzen werden mit Recht derzeit heftig diskutiert. Hier ist auch der Bühnenverein gefragt!
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